Selbstbestimmungsgesetz – Eckpunkte

Noch vor gut einem Jahr wurden Gesetzentwürfe zur Abschaffung des Transsexuellengesetzes und zur Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes von der damaligen Koalition und der AFD abgelehnt. Damit blieb das 40 Jahre alte Transsexuellengesetz, von dem weite Teile durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nicht anwendbar erklärt wurden, noch ein weiteres Jahr in Kraft.

Die Ampel-Koalition will dies nun ändern. Schon im Koalitionsvertrag wurde die Einführung eines Selbstbestimmungsgestzes Beschlossen. Nun legten Familienministerin Paus und Justizminister Buschmann die Eckpunkte dazu vor.

Derzeitige Regelung

Nach der derzeitigen Regelung bedarf müssen transgeschlechtliche und nicht-binäre Personen ein Gerichtsverfahren durchmachen, in dem zwei Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. Diese Gerichtsverfahren sind oft langwierig und kostenintensiv und werden vielfach als entwürdigend empfunden.

Anders ist die Regelung für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (umgangssprachlich „intersexuelle“ bzw. „intergeschlechtliche“ Menschen), sie können den Geschlechtseintrag und die Vornamen mit einer Erklärung beim Standesamt ändern. Dazu müssen sie ein ärztliches Attest vorlegen oder eine Versicherung an Eides statt abgeben.

Geplante Regelung

Künftig soll es eine einheitliche Regelung für alle transgeschlechtlichen sowie nicht-binären und intergeschlechtlichen Menschen geben, die ihren Geschlechtseintrag oder ihre Vornamen ändern wollen. Weder die Vorlage eines ärztlichen Attests noch eine Begutachtung sind nötig. Wenn eine Person neben der Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen auch körperliche Veränderungen anstrebt, sind hingegen wie bisher medizinische Regelungen und Leitlinien einschlägig. Der Anwendungsbereich des neuen Selbstbestimmungsgesetzes umfasst keine Vorfestlegung hinsichtlich medizinischer Maßnahmen, da die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen hiervon unabhängig ist.

Wesentliche Änderungen

  • Das Transsexuellengesetz wird abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt. Statt in einem mitunter langwierigen und kostenintensiven Gerichtsverfahren können der Geschlechtseintrag und die Vornamen künftig in einem einfachen Verfahren vor dem Standesamt geändert werden.
  • Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen wird für transgeschlechtliche sowie nicht-binäre und intergeschlechtliche Personen einheitlich geregelt, also nicht mehr wie bisher in zwei verschiedenen Gesetzen mit unterschiedlichen Voraussetzungen.
  • Der Regelungsbereich des neuen Selbstbestimmungsgesetzes umfasst keine Vorfestlegung hinsichtlich etwaiger körperlicher (somatischer) geschlechtsangleichender Maßnahmen.
  • Volljährige Personen können im Sinne einer echten Selbstbestimmung die Änderung ihres Geschlechtseintrags und ihrer Vornamen durch Erklärung mit Eigenversicherung veranlassen.
  • Für Minderjährige bis 14 Jahre oder bei Geschäftsunfähigkeit des Minderjährigen geben die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt ab.
  • Ab 14 Jahren geben die Minderjährigen die Erklärung selbst mit Zustimmung der Sorgeberechtigten ab. Um die Persönlichkeitsrechte der jungen Menschen zu wahren, kann das Familiengericht in den Fällen, in denen die Sorgeberechtigten nicht zustimmen, orientiert am Kindeswohl – wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht – die Entscheidung der Eltern auf Antrag des Minderjährigen ersetzen.

Weitere Eckpunkte sind auf der Homepage des Familienministeriums zu finden. Zu den einzelnen Begrifflichkeiten und deren Bedutung hat die Gewerkschaft Erziehung un Wissenschaft eine Broschüre herausgegeben.

Kritik

Kritik an dem Gesetz kommt natürlich vor allem aus konservativen Kreisen bis hin zur AFD, mit dem Hauptargument, dass die traditionelle „Familie“ abgeschafft werden solle. Aber auch Teile der Frauenbewegung fürchtet, dass sich jetzt überall Männer in Frei- und Schutzräume für Frauen einschleichen könnten, wenn sie erklärten, sie seien eine Frau. Sie sprechen trans Frauen grundsätzlich das Frau-Sein ab aufgrund eines biologischen Weltbildes. Dabei hatte schon das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Geschlechtsidentität nicht unbedingt von den biologischen Gegebenheiten abhängt.

Für Spannung bei den anstehenden Debatten zum Selbstbestimmungsgesetz ist also gesorgt. Gängige Vorurteile könnten im Vorfeld schon einmal hier entkräftet werden.

Quellen: BMFSFJ, FOKUS-Sozialrecht, GEW, Verfassungsblog, Bundesverband Trans*

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Zugang zum Kurzarbeitergeld

Das Bundeskabinett hat am 22.6.2022 mit der „Verordnung zur Verlängerung der Zugangserleichterungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld“ (KugZuV) die Zugangserleichterungen bis zum Ablauf des 30. September 2022 verlängert.

Was wird verlängert?

  • Es ist für Betriebe bis zum 30. September 2022 weiterhin ausreichend, wenn mindestens 10 Prozent ihrer Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind (regulär mindestens ein Drittel).
  • Zur Vermeidung der Kurzarbeit sollen die Beschäftigten nach wie vor keine Minusstunden vor dem Bezug von Kurzarbeitergeld aufbauen müssen.

Auch Betriebe, die ab 1. Juli 2022 neu oder nach einer mindestens dreimonatigen Unterbrechung erneut Kurzarbeit anzeigen müssen, können bis zum Ablauf des 30. September 2022 von den Zugangserleichterungen profitieren.

Planungssicherheit

Mit den Verlängerungen soll den betroffenen Betrieben in einem weiterhin schwierigen Umfeld Planungssicherheit bis Ende des dritten Quartals 2022 gegeben werden. Wirtschaftliche Störfaktoren, die durch die Pandemie und den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wirksam sind und negative Folgen für den Arbeitsmarkt haben, sollen so abgepuffert werden.

Was wird nicht verlängert?

Andere Sonderregelungen entfallen hingegen nach dem 30.6.2022. Dies sind

  • die Verlängerung der maximalen Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes von 24 auf 28 Monate,
  • die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes  für Beschäftigte, die länger als drei Monate in Kurzarbeit sind und
  • der Zugang für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer zum Kurzarbeitergeld.

Damit soll laut BMAS der Tatsache Rechnung getragen, dass die pandemiebedingten Einschränkungen inzwischen weitestgehend aufgehoben und die Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt weggefallen seien. Eine Verschärfung der pandemischen Situation mit einem erneuten Lockdown sei derzeit nicht zu erwarten. Hinzu komme, dass der Arbeitsmarkt weiterhin auf Erholungskurs sei und sich derzeit in guter Verfassung befinde.

Quelle: BMAS

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Richtlinien für die Begleitung im Krankenhaus

Seit dem 1.11.2021 ist die lange ungeklärte Frage nach der Kostenträgerschaft für die Übernahme der Kosten von vertrauten Begleitpersonen von Menschen mit Behinderungen (Ausgleich von Verdienstausfall bei Personen aus dem persönlichen Umfeld oder Übernahme der (Personal)kosten bei Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter eines Leistungserbringers der Eingliederungshilfe) während einer stationären Krankenhausbehandlung beantwortet.

Anspruch auf Krankengeld

Eine begleitende Person aus dem privaten Umfeld hat ab dem 1.11.2022 unter den in § 44b Absatz 1 SGB V genannten Voraussetzungen Anspruch auf Krankengeld. Der Anspruch besteht für den Zeitraum der Mitaufnahme ins Krankenhaus. Auch für eine ganztägige Begleitung ins Krankenhaus wird Krankengeld gezahlt.

Kostenträger Eingliederungshilfe

Werden Menschen von einer vertrauten Bezugsperson begleitet, die sie im Alltag bereits als Mitarbeiter*in eines Leistungserbringers der Eingliederungshilfe unterstützt, sollen die Kosten für die Begleitung hingegen von den Trägern der Eingliederungshilfe übernommen werden.

Richtlinie bis August 2022

Zur näheren Bestimmung des Personenkreises, der die Begleitung aus medizinischen Gründen benötigt und der nicht nur Menschen mit schwerer geistiger Behinderung, sondern zum Beispiel auch Menschen ohne sprachliche Verständigungsmöglichkeiten umfassen kann, erhält der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Auftrag, bis August 2022 Kriterien, ggf. auch in Form von Fallgruppen, in den Richtlinien zu bestimmen.

Kritik am Richtlinien-Entwurf

Der jetzt vom G-BA vorgelegte Entwurf einer Krankenhausbegleitungs-Richtlinie (KHB-RL) sorgt bei den Sozialverbänden aber für Unmut. In einer gemeinsamen Stellungnahme wurden die Kritikpunkte konkretisiert.

Im Entwurf werden zwei „Fallgruppen“ benannt, bei denen der Anspruch auf Begleitung im Krankenhaus möglich sei. Hier wird von „erheblicher“ und „kompletter“ Schädigung der mentalen Funktion oder von „erheblicher“ und „kompletter“ Beeinträchtigung der Kommunikation gesprochen.

Begleitungsbedarf auch bei leichter und mittelgradiger Beeinträchtigung

Die Stellungnahme weist darauf hin, dass dies so verstanden werden könne, dass Menschen mit einer leichten/mittelgradigen geistigen Behinderung bzw. einer leichten/mittelgradigen Kommunikationsbeeinträchtigung nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören. In diesem Fall würden aber Personen von der Leistung ausgeschlossen, die durchaus einen Begleitungsbedarf haben können.

So könne nicht nur bei einer schweren/erheblichen, sondern auch bei einer mittelgradigen oder leichten geistigen Behinderung ein Begleitungsbedarf bestehen, weil die Kooperationsbereitschaft in der Ausnahmesituation der Krankenhausbehandlung etwa aufgrund von Ängsten oder Schmerzen erheblich eingeschränkt sei oder Verhaltensauffälligkeiten aufträten. 

Es müsse nur darauf ankommen, ob in der Ausnahmesituation „Krankenhausbehandlung“ die Kooperationsbereitschaft oder die Kommunikation so eingeschränkt ist, dass sie eine gute Behandlung verhindert. Dies könne auch bei einer „einfachen“ Schädigung der mentalen Funktionen bzw. einer „einfachen“ Beeinträchtigung der Kommunikation der Fall sein.

Gesetzesbegründung konkreter als Richtlinienentwurf

Zu den Tragenden Gründen für die Notwendigkeit einer Begleitung wird in den Richtlinien nur Folgendes ausgeführt: „Entsprechend der Gesetzesbegründung soll eine Begleitung aus medizinischen Gründen sowohl bei Menschen mit schweren geistigen Behinderungen als auch bei Menschen ohne sprachliche Verständigungsmöglichkeiten in Betracht kommen.“

Das bleibt weit hinter der tatsächlichen Gesetzesbegründung zurück. Dort sind Beispiele für Tragende Gründe aufgeführt, die eben nicht nur bei „schweren“ geistigen Behinderungen oder bei Menschen „ohne“ sprachliche Verständigungsmöglichkeiten auftreten können. Dies sollte in den Richtlinien ergänzt werden.

Quellen: CPB (Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V.), Paritätischer Gesamtverband, FOKUS-Sozialrecht

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U6 bis U9 – Fristen und Toleranzgrenzen

Ab dem 1. Juli 2022 gelten für die Kinder – Früherkennungsuntersuchungen U6, U7, U7a, U8 sowie U9 wieder die in der Kinder-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vorgegebenen Untersuchungszeiträume und Toleranzzeiten. Die zeitlich befristeten Sonderregelungen wegen der Coronavirus-Pandemie, die ein Abweichen von den Vorgaben der Richtlinie bei Kindern zwischen 1 bis 6 Jahren zugelassen hatten, enden mit dem 30. Juni 2022. Dann ist die dreimonatige Übergangsphase abgelaufen, die nach dem Auslaufen der Sonderregelung am 31. März 2022 galt, um den Kinderarztpraxen und Eltern den Wiedereinstig in die bekannte Fristenroutine und das Nachholen von U-Untersuchungen zu erleichtern.

Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung

In der aktuell gültigen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern (Kinder-Richtlinie) haben Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die ihre körperliche, geistige oder psycho-soziale Entwicklung in nicht geringfügigem Maße gefährden. Dabei umfassen die Früherkennungsmaßnahmen bei Kindern in den ersten sechs Lebensjahren zehn Untersuchungen. Die Untersuchungen können nur in den jeweils angegebenen Zeiträumen unter Berücksichtigung folgender Toleranzgrenzen in Anspruch genommen werden:

UntersuchungZeitraumToleranzgrenze
U1Unmittelbar nach der Geburt
U23.-10. Lebenstag3.-14. Lebenstag
U34.-5. Lebenswoche3.-8. Lebenswoche
U43.-4. Lebensmonat2.-4 ½ Lebensmonat
U56.-7. Lebensmonat5.-8. Lebensmonat
U6*10.-12. Lebensmonat9.-14. Lebensmonat
U7*21.-24. Lebensmonat20.-27. Lebensmonat
U7a*34.-36. Lebensmonat33.-38. Lebensmonat
U8*46.-48. Lebensmonat43.-50. Lebensmonat
U9*60.-64. Lebensmonat58.-66. Lebensmonat
* Für U6 bis U9 galten Corona-Sonderregelungen

Überschreiten von Toleranzzeiten

Ein wichtiges Ziel der Früherkennungsuntersuchungen U6 bis U9 ist es, Entwicklungsauffälligkeiten bei Kindern früh zu erkennen und wenn nötig, rechtzeitig zu behandeln. Um Eltern während der Hochphase der Coronavirus-Pandemie die Sorge vor Ansteckungsrisiken in den Arztpraxen bei den Routineuntersuchungen zu nehmen, hatte der G-BA entschieden, das Überschreiten von Toleranzzeiten für die Untersuchungszeiträume zuzulassen. So konnten Eltern die Untersuchungen auch nach Überschreiten der Fristen für ihr Kind problemlos wahrnehmen.

erneute Sonderregelungen nicht ausgeschlossen

Da sich das Infektionsgeschehen im Frühjahr 2022 insgesamt abgeschwächt hatte, entschied der G-BA, wieder zu den wissenschaftlich begründeten Zeiträumen für die Kinder-Früherkennungsuntersuchungen zurückzukehren. Der G-BA behält die Entwicklung der pandemischen Lage genau im Blick und kann, wenn es erforderlich wird, erneut zeitlich begrenzte Sonderregelungen zu seinen Richtlinien beschließen.

Quelle: G-BA, FOKUS-Sozialrecht

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Die Bereicherung der Schüler

Nutznießer des drei Monate geltenden 9-Euro-Tickets sind auch Schüler aus Hartz IV- Familien. Vielen der Betroffenen wurde das Geld für eine reguläre Schülermonatskarte von um die 40 Euro bereits erstattet. Für die Geltungsdauer des 9-Euro-Tickets wurde diesen Schülern also zu viel gezahlt.

ungerechtfertigte Bereicherung?

Einige Bundesländer wollen dieses Geld nun zurückfordern, weil es sich dabei um eine „un­gerechtfertigte Bereicherung“ handele. Angesichts der zusätzlichen Milliardengewinne der Mineralölkonzrne aufgrund des „Tankrabatts“ klingt diese Begründung ein wenig zynisch.

Appell vom Minister

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat daher reagiert und die Länder aufgefordert, auf Rückzahlungen entsprechender Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu verzichten. Da für die Umsetzung des verbilligten Tickets die Kommunen unter der Rechtsaufsicht der Bundesländer zuständig sind, kann das BMAS hier nur appellieren. 

„kaltherzig, bürokratisch und völlig empathielos“

Auch der Paritätische Gesamtverband zeigt sich empört, dass einige Bundesländer offenbar Rückforderungen von Zuschüssen für Schülerfahrkarten von Familien in Hartz IV vorsehen, sofern sich durch das bundesweite 9-Euro-Ticket Einsparungen ergeben. “Wie kaltherzig, bürokratisch und völlig empathielos hier mit armen Familien umgegangen wird, ist einfach schäbig und eines Sozialstaats unwürdig”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. “Wer wie das baden-württembergische Wirtschaftsministerium im Falle einer Nicht-Rückzahlung von einer ‘ungerechtfertigten Bereicherung’ spricht, hat offenbar jeglichen Bezug zu Realitäten verloren und will offensichtlich Neiddebatten schüren.”

Kosten drei mal so hoch

Laut § 40 Abs. 6 S. 3 SGB II sind im Übrigen Rückforderungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket ausgeschlossen, es sei denn man weist in jedem Einzelfall eine „mißbräuchliche“ Verwendung nach. Der Verwaltungsaufwand wäre erheblich. Die Kosten, die die Jobcenter ausgeben, um zu viel gezahltes Geld einzutreiben, sind bis zu drei mal so hoch wie der zurürckgeforderte Betrag. Dies hat die Redaktion von hartziv.org schon 2019 ausgerechnet. Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber.

Quellen: Spiegel, Süddeutsche Zeitung, HartzIV.org, Paritätischer Gesamtverband

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Neues zur Kindergrundsicherung

Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat in einem Interview mit dem Handelsblatt (abgedruckt auf der Homepage des BMFSFJ) erläutert, wie sie sich die Kindergrundsicherung vorstellt.

Entlastungsbedarf für Familien

Sie sieht vor allem für Familien weiteren Entlastungsbedarf angesichts einer Inflationsrate von jetzt schon 8 Prozent. Diese Entlastungen sollten aber zielgenau bei Menschen mit kleinerem und mittleren Einkommen ankommen. Die von der FDP befürwortete Steuerentlastung bei der „kalten Progression“ führe eher zur Entlastung von Gut- und Spitzenverdienern.

Auch sieht die Familienministerin die Schuldenbremse nicht als Allheimittel an. Schließlich weiß man ja nicht, wie sich die die Lage in der Ukraine entwickelt, welche Folgen der Kurswechsel der Europäischen Zentralbank hat, wie es mit der Konjunktur weitergeht.

Strukturelle Entlastung

Man könne sich, so Frau Paus, nicht immer weiter von Einmalzahlung zu Einmalzahlung hangeln. Nötig seien strukturelle Entlasungen für die Familien. Daher sei es Zeit für die schon im Koalitionsvertrag beschlossene Kindergrundsicherung.

Was ist geplant?

Ein Teil der Familienleistungen soll gebündelt und zusammengefasst werden. Dazu gehören

  • Kindergeld,
  • die bisherigen Hartz-IV-Leistungen für Kinder,
  • Kinderzuschlag 
  • und Teile des Bildungs- und Teilhabepakets.

Dagegen soll das Elterngeld eigenständig erhalten bleiben, ebenso wie das Wohngeld.

Garantiebetrag und Zusatzbetrag

Es wird einen einkommensunabhängigen Garantiebetrag für alle Kinder und Jugendlichen geben. Zudem soll es einen Zusatzbetrag geben, der vom Einkommen der Familie abhängt. Die Höhe wird sich am kindlichen Existenzminimum orientieren. Zur Zeit gibt es von den Grünen den Vorschlag den Grundbetrag auf 290 Euro, der Maximalbetrag 547 Euro pro Kind festzulegen. Dies wird sich aber unter Umständen noch ändern, wenn die neue Berechnung des soziokulturellen Existenzminimums vorliegt, aus dem sich das kindliche Existenzminimum ableitet. Dafür ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zuständig, das im Herbst 2022 den neuen Existenzminimumbericht vorlegen wird.

Schnittstellen

Derzeit sind mehrere Ministerien mit dem Konzept zur Kindergrundsicherung beschäftigt, weil auch andere Vorhaben, wie die SGB II – Reform („Bürgergeld“) oder auch das geplante „Klimageld“ mit der Kindergrunsicherung abgestimmt werden müssen. Auch die Schnittstellen zum BAFöG müssen passen.

Ein dicker Brocken ist auch die Abstimmung mit dem Finanzministerium, wenn in die Kindergrundsicherung auch der Kinderfreibetrag einfließen soll. Bisher, so die Familienministerin, sei es so, dass Eltern mit hohen Einkommen viel stärker durch den Kinderfreibetrag entlastet würden als ärmere Eltern durch das Kindergeld. DIes entspreche nicht ihrer Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit.

Abbau von Bürokratie

Ein weiterer Nebeneffekt soll auch der Abbau von Bürokratie und Doppelstrukturen sein. So sind etwa mit dem Kinderzuschlag sowohl Familienkassen als auch die Jobcenter befasst. Dadurch wird das ganze so kompliziert und undurchschaubar, dass gerade mal 30 Prozent der Anspruchsberechtigten den Zuschlag beantragen.

Frühere Beiträge zur Kindergrundsicherung:

Quellen: BMFSFJ, Handelsblatt

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Kostenheranziehung im SGB VIII

Die Bundesregierung hat einen Referentenentwurf vorgelegt zur Abschaffung der Kostenheranziehung für junge Erwachsene im SGB VIII. Dieses Vorhaben war auch schon im Koalitionsvertrag formuliert worden.

Aktuelle Gesetzeslage

In der Kinder- und Jugendhilfe werden junge Menschen, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe leben und die ein eigenes Einkommen haben, zu den Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe aus ihrem Einkommen herangezogen. Dies gilt ebenfalls für alleinerziehende Mütter oder Väter mit ihrem Kind, die nach § 19 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) in einer gemeinsamen Wohnform untergebracht sind (sogenannte Leistungsberechtigte nach § 19 SGB VIII). Gemäß § 94 Absatz 6 SGB VIII haben junge Menschen sowie Leistungsberechtigte nach § 19 SGB VIII bis zu 25 % ihres Einkommens als Kostenbeitrag einzusetzen. Auch die Ehegatten und Lebenspartner der jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII werden abhängig von der Höhe ihres Einkommens zu den Kosten aus ihrem Einkommen herangezogen.

Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe

Diese Regelung widerspricht nach Auffassung der Regierung und schon seit längerem der Auffassung der Sozialverbände dem Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe, junge Menschen darin zu unterstützen, sich zu einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu entwickeln. Junge Menschen sollen darin gestärkt und dazu motiviert werden, Verantwortung zu übernehmen für einen erfolgreichen Weg in ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben.

erschwerter Start

Wachsen junge Menschen außerhalb ihrer Herkunftsfamilie auf, haben sie bereits mit zusätzlichen Herausforderungen umzugehen und dadurch einen schwierigeren Start in ein eigenständiges Leben. Dieser Start wird nochmal erschwert, wenn sie einen Teil ihres Einkommens, das sie zum Beispiel im Rahmen eines Schüler- oder Ferienjobs oder ihrer Ausbildung verdienen, abgeben müssen. Das Erreichen selbst gesteckter Ziele wie zum Beispiel die Finanzierung eines Führerscheins, die Finanzierung einer Reise, das Erarbeitung von Startkapital für ihre Zukunft, wird erschwert bzw. dauert insgesamt länger.

weniger Chancen

Damit können Erfolgserlebnisse durch eigenes Engagement unerreichbar erscheinen, gerade auch im Vergleich mit Gleichaltrigen, die ihre Einkommen behalten dürfen. Die Motivation, sich Ziele zu setzen und sich für diese einzusetzen, wird dadurch gedämpft. Dies kann zur Folge haben, dass eine Ausbildung gar nicht erst begonnen oder einer anderen Beschäftigung nicht nachgegangen wird. Dadurch werden nicht nur die Chancen der jungen Menschen am Arbeitsmarkt eingeschränkt, den jungen Menschen fehlen letztlich auch Mittel, um finanziell unabhängig zu werden.

Kostenheranziehung soll weg

Der Gesetzentwurf sieht vor, die Kostenheranziehung von jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aufzuheben. Dadurch können die jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 sowie ihre Ehegatten und Lebenspartner vollständig über das Einkommen, das sie erzielen, verfügen.

Nachbesserungsbedarf

In einer Stellungnahme dazu begrüßt der Paritätische Gesamtverband das Vorhaben der Regierung. Er merkt aber an, dass auch beim Ausbildungsgeld Nachbesserungsbedarf besteht. Das Ausbildungsgeld nach § 122 SGB III wird jungen Menschen mit Behinderung während der Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (einschließlich einer Grundausbildung), einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der unterstützten Beschäftigung (nach § 55 SGB IX), einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) oder während einer beruflichen Erstausbildung zur Sicherstellung des Lebensunterhalts dann gezahlt, wenn kein Anspruch auf Übergangsgeld existiert. 

nicht alle werden entlastet

Für Bezieher von Ausbildungsgeld gelte die Abschaffung der Kostenheranziehung allerdings nicht. Hier geht es um junge Menschen, die in Pflegefamilien oder sonstigen stationären Formen der Hilfe zur Erziehung (§ 34 SGB VIII) oder Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII leben.

Die jungen Menschen, die beispielsweise eine als Rehamaßnahme geförderte Ausbildung absolvieren oder an einer (berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme für Rehabiltant*innen teilnehmen, bekommen keine sozialversicherungspflichtige Ausbildungsvergütung sondern eine Netto-Unterhaltszahlung. Tatsächlich wird dieser Unterhaltsbetrag aber als Ausbildungsgeld bezeichnet.

Ausbildungsgeld wird kassiert

Im § 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII wird festgelegt, dass Geldleistungen, die dem gleichen Zweck dienen nicht als Einkommen anzusehen sind und unabhängig vom Kostenbeitrag zur Finanzierung der Kinder- und Jugendhilfeleistung einzusetzen sind. Für viele junge Menschen, die in stationären Formen der Jugendhilfe (§§ 33, 34, 35a, 13 SGB VIII) leben, wird somit der gesamte Betrag des Ausbildungsgeldes von der Jugendhilfe einbehalten.

Quellen: BMSFJ, Paritätischer Gesamtverband, FOKUS-Sozialrecht, SOLEX

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Neues aus dem Bundesrat

Wenn Gesetzesvorhaben den Bundesrat passiert haben, dauert es in der Regel nur noch wenige Tage bis sie nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und dem Erscheinen im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Am letzten Freitag, den 10.6.2022, gab der Bundesrat grünes Licht für zahlreiche Gesetze aus dem Bundestag – unter anderem die Grundgesetzänderung zum Milliarden-Sondervermögen der Bundeswehr, den Haushalt 2022, die Rentenerhöhung und den gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro.

Auch der Pflegebonus für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, weitere Corona-Steuerhilfen und das so genannte Sanktionsmoratorium für Hartz-IV fanden die Billigung der Länder.

Pflegebonus

Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen erhalten einen einmaligen Corona-Pflegebonus, um die besonderen Belastungen in der Corona-Zeit zu honorieren. Die nach Qualifikation, Arbeitszeit und Nähe zur Versorgung gestaffelte Prämie kann bis zu 550 Euro betragen und ist steuer- sowie abgabenfrei. Den höchsten Bonus erhalten Personen, die Vollzeit in der unmittelbaren Patientenversorgung tätig sind. Bezugsberechtigt sind auch Auszubildende, Freiwilligendienstleistende, Helferinnen und Helfer im freiwilligen sozialen Jahr, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, DRK-Schwesternschaften, ebenso Beschäftigte von Servicegesellschaften – sowohl in Krankenhäusern als auch in der Alten- und Langzeitpflege. Insgesamt stehen für den Corona-Pflegebonus eine Milliarde Euro bereit.
Tritt nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Steuerhilfen

Das ursprüngliche Steuerhilfegesetz wurde noch mal verändert. So sind jetzt Corona-bedingte Sonderleistungen der Arbeitgeber bis zu 4.500 Euro, statt 3.000 Euro steuerfrei. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, dass die Zahlung des Bonus aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen erfolgt: Auch freiwillige Leistungen des Arbeitgebers sind nun bis zur Höchstgrenze steuerfrei. 
Tritt nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Sanktionsmoratorium

Die Sanktionsregelungen für Pflichtverstöße von Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern werden für ein Jahr ausgesetzt. Als Zwischenschritt zu einer gesetzlichen Neuregelung setzt das Gesetz die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen befristet für ein Jahr ab Inkrafttreten aus. Danach soll das Bürgergeld die Mitwirkungspflichten und die Folgen der Verstöße neu regeln.
Gilt ab 1. Juli 2022.

Rentenerhöhung

Die Rentenanpassung zum 1. Juli 2022 hebt zum 1. Juli 2022 den aktuellen Rentenwert auf 36,02 Euro und den aktuellen Rentenwert (Ost) auf 35,52 Euro an. Damit steigen die Renten im Westen um 5,35 Prozent und im Osten um 6,12 Prozent. In diesem Jahr wurden dabei der so genannte Nachholfaktor reaktiviert: Dieser sorgt dafür, dass künftig wieder jede aufgrund der Rentengarantie unterbliebene Rentenkürzung bei einer darauffolgenden positiven Rentenanpassung verrechnet wird. In der Corona-Pandemie war der Nachholfaktor ausgesetzt worden.
Gilt ab 1. Juli 2022.

Erwerbsminderungsrente

Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner im Bestand, die von bisherigen Leistungsverbesserungen nicht erreicht wurden, profitieren ab 1. Juli 2024 von einem pauschalen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten. Die Zuschlagshöhe richtet sich danach, wann erstmalig eine Erwerbsminderungsrente bezogen wurde. 
Das Gesetz soll im Wesentlichen zum 1. Juli 2022 in Kraft treten.

12 Euro Mindestlohn

Zum 1. Oktober 2022 gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro brutto pro Stunde. Die gesetzliche Festlegung des Mindestlohns weicht vom üblichen Erhöhungsverfahren ab: Eigentlich schlägt die so genannte Mindestlohnkommission, in der Gewerkschaften und Arbeitgeber vertreten sind, regelmäßig Anpassungen am Mindestlohn vor, die dann durch Rechtsverordnung umgesetzt werden. Derzeit liegt der Mindestlohn bei 9,82 Euro, zum 1. Juli steigt er turnusmäßig auf 10,45 Euro. Einmalig zum Oktober 2022 wird er nun per Gesetz auf 12 Euro angehoben. Zukünftige Anpassungen werden dann wieder auf Vorschlag der Mindestlohnkommission erfolgen.
Gilt ab 1. Oktober 2022.

Mini- und Midijob-Grenze

Die Anhebung des Mindestlohns wirkt sich auch auf die geringfügig entlohnte Beschäftigung aus – die sogenannte Minijobs oder 450-Euro-Jobs. Damit eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zum Mindestlohn möglich ist, erhöht das Gesetz die Mini-Job-Grenze auf 520 Euro. Sie passt sich künftig gleitend an. Die Höchstgrenze für so genannte Midi-Jobs im Übergangsbereich steigt von derzeit 1.300 Euro auf 1.600 Euro monatlich.
Das Gesetz soll noch im Juni 2022 in Kraft treten.

Corona-Sonderregelungen

Mit dem Pflegebonusgesetz und dem Corona-Steuerhilfegesetz werden coronabedingte Sonderregelungen in der Pflege bis 31.12.2022 verlängert. Die Steuerbefreiung von Arbeitgeberzuschüssen zum Kurzarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld wird bis Ende Juni 2022 verlängert, die Homeoffice-Pauschale bis Ende des Jahres.

Quellen: Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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Klage gegen Energiepreispauschale

Die viel diskutierten „Entlastungspakete“ sind gerade erst in Kraft getreten. Teile davon wirken sich schon aus, nicht unbedingt im Sinne der Erfinder.

Konzerne, Chaos und Tröpfchen

Wie vielfach befürchtet profitieren von der Spritsteuersenkung hauptsächlich die Mineralölkonzerne. Das auf drei Monate begrenzte 9-Euro-Ticket verursacht außer ein wenig Chaos keine nachhaltige Wirkung. Auch das war im Vorfeld schon bemängelt worden.

Mehr als heiße-Stein-Tröpfchen sind weder die Einmalzahlungen für Sozialleistung- und Kindergeldbezieher*innen noch der Sofortzuschlag für von Armut betroffenen Kinder von 20 Euro monatlich.

VDK kündigt Klage an

Nun kündigt der VDK eine Klage gegen die Energiepreispauschale an. Auch hier gab es im Vorfeld schon Kritik, vor allem, weil einige Bevölkerungsgruppen gar nicht berücksichtigt wurden.

Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes

Wegen der anhaltend hohen Energiepreise zahlt die Ampelkoalition allen Erwerbstätigen eine einmalige Pauschale: Bis zu maximal 300 Euro – je nach Steuersatz – bekommen die meisten Bürgerinnen und Bürger im September dann zusätzlich zum Gehalt auf ihr Konto. Wer 2022 keine steuerpflichtige Tätigkeit ausgeübt hat, bekommt hingegen nichts. Zu den „Verlierern“ gehören Rentner und Rentnerinnen auch mit Erwerbsminderungsrente, Studierende, pflegende Angehörige, und alle, die im gesamten Jahr 2022 lediglich Kranken-, Übergangs oder Elterngeld bekommen. Damit werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt.

bis zum Verfassungsgericht

Der VDK will nun dagegen klagen und ist bereit, zur Not bis zum Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Allerdings muss zunächst der Weg durch die Instanzen gegangen werden. Der Verband braucht dafür einen konkreten Steuerbescheid für das Jahr 2022, gegen den dann Einspruch erhoben werden kann und bei Ablehnung des Einspruchs beim Finanzgericht geklagt wird. Somit kann das ganze Verfahren wohl erst im Sommer 2023 starten. Nach dem FInanzgericht folgt als nächste Instanz der Bundesfinanzhof und schlussendlich das Bundesverfassungsgericht.

Musterstreitverfahren

Der VdK wird ein Musterstreitverfahren führen, also für eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern klagen, die weder die 300 Euro Energiepreispauschale, noch eine Einmalzahlung erhalten, weil sie Grundsicherungs- oder Arbeitslosengeld-1-Empfängerinnen und -Empfänger sind. Sollte er vor dem Verfassungsgericht Recht bekommen, profitieren dann auch alle anderen davon, die gegen ihren Steuerbescheid Einspruch eingelegt haben. Dies sollten sie tun, sobald das Musterstreitverfahren am Finanzgericht anhängig ist.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Vielleicht gibt es bis dahin ja noch bessere politische Lösungen, bei denen keiner zu kurz kommt. Hoffnung machen immerhin die Ankündigungen der Regierung auf weitere Entlastungspakete, auf eine Reform des SGB II („Bürgergeld„) und auf die Einführung einer Kindergrundsicherung.

Quellen: VDK, FOKUS-Sozialrecht

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Weitere Regelungen im Pflegebonusgesetz

Grippeschutzimpfungen durch Apotheker

Mit der Einführung von § 20c in das Infektionsschutzgesetz durch das Pflegebonusgesetz soll zur Erhöhung der Impfquoten bei Grippeschutzimpfungen in Deutschland ein weiterer, niedrigschwelliger Zugang für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, dauerhaft ermöglicht werden. Die neue Regelung berechtigt zusätzlich zu Ärztinnen und Ärzten auch Apothekerinnen und Apotheker zur Durchf ührung von Grippeschutzimpfungen, soweit sie erfolgreich ärztlich geschult sind und sie für eine öffentliche Apotheke Grippeschutzimpfungen durchführen.

Die Durchführung von Schutzimpfungen umfasst neben dem Setzen der Spritze auch die Anamnese, Aufklärung, Impfberatung, die Einholung der Einwilligung der zu impfenden Person sowie die Beobachtung im Anschluss an die Impfung und auch das Beherrschen und unter Umständen Anwenden von Notfallmaßnahmen im Falle von akuten Impfreaktionen. Um sicherzustellen, dass Apothekerinnen und Apotheker die Grippeschutzimpfungen auch für die zu impfende Person sicher durchführen können, wird geregelt, dass sie zuvor erfolgreich an einer ärztlichen Schulung teilnehmen müssen.

Öffentliche Apotheken bieten den geschulten Apothekerinnen und Apothekern eine geeignete Struktur für die Durchführung von Grippeschutzimpfungen. Die Apothekerinnen und Apotheker müssen zum Personal der Apotheke, für die sie Grippeschutzimpfungen durchführen, gehören.

Pflegezeit und Familienpflegezeit – Verlängerung von Sonderregelungen

  • Die Möglichkeit, kurzzeitig eine Arbeitsverhinderung von bis zu 20 Arbeitstagen pro Akutfall in Anspruch zu nehmen, wird bis zum 31. Dezember 2022 verlängert.
  • Auch die Flexibilisierungen im Pflegezeitgesetz und im Familienpflegezeitgesetz, etwa eine kürzere Frist für die Ankündigung der Familienpflegezeit oder die Möglichkeit, diese per E-Mail anzukündigen, werden bis zum 31. Dezember 2022 gelten. Bis zu diesem Zeitpunkt können auf Antrag auch bei der Ermittlung einer Darlehenshöhe nach dem Familienpflegezeitgesetz Monate unberücksichtigt bleiben, in denen das Einkommen aufgrund der Pandemie geringer war.
  • Beschäftigte, die aufgrund der Sonderregelungen zur COVID-19-Pandemie Freistellungen in Anspruch genommen haben oder nehmen, können verbleibende Monate ihrer Freistellungsansprüche nach dem Pflegezeitgesetz und Familienpflegezeitgesetz auch nach dem Auslaufen dieser neuen Regelungen bis zur Höchstdauer beziehungsweise Gesamtdauer in Anspruch nehmen.
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Sonderregelungen bei Beratungsbesuchen bei Pflegegeldempfänger*innen (§ 37 Abs. 3 XI)

Die pandemiebedingte Sonderregelung wird in modifizierter Form ins Dauerrecht übernommen. Die Beratungsbesuche können künftig abwechselnd als Präsenzbesuch und per Videokonferenz stattfinden. D.h. im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis einschließlich 30. Juni 2024 kann jede zweite Beratung per Videokonferenz erfolgt. Die erstmalige Beratung erfolgt jedoch in jedem Fall in Form der persönlichen Begegnung vor Ort in der Häuslichkeit. Von einer dauerhaften Übernahme der pandemiebedingten Sonderregelungen, dass die Beratung telefonisch oder digital durchgeführt werden kann, wird aufgrund der wichtigen Bedeutung der Beratung für die Pflegebedürftigen und ihre Pflegepersonen jedoch Abstand genommen.

Digitale Pflegeanwendungen (§ 40 Abs. 2 SGB XI)

Die erstmalige Bewilligung einer Digitalen Pflegeanwendung (DiPA) wird auf höchstens 6 Monate begrenzt. Damit soll eine Überprüfung dahingehend ermöglicht werden, ob die digitale Pflegeanwendung genutzt und die Zwecksetzung der Versorgung mit der digitalen Pflegeanwendung bezogen auf die konkrete Versorgungssituation erreicht wird.

Quellen: Bundestag, Bundesrat, SOLEX, FOKUS-Sozialrecht

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