Selbstbestimmungsgesetz – Eckpunkte

Noch vor gut einem Jahr wurden Gesetzentwürfe zur Abschaffung des Transsexuellengesetzes und zur Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes von der damaligen Koalition und der AFD abgelehnt. Damit blieb das 40 Jahre alte Transsexuellengesetz, von dem weite Teile durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nicht anwendbar erklärt wurden, noch ein weiteres Jahr in Kraft.

Die Ampel-Koalition will dies nun ändern. Schon im Koalitionsvertrag wurde die Einführung eines Selbstbestimmungsgestzes Beschlossen. Nun legten Familienministerin Paus und Justizminister Buschmann die Eckpunkte dazu vor.

Derzeitige Regelung

Nach der derzeitigen Regelung bedarf müssen transgeschlechtliche und nicht-binäre Personen ein Gerichtsverfahren durchmachen, in dem zwei Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. Diese Gerichtsverfahren sind oft langwierig und kostenintensiv und werden vielfach als entwürdigend empfunden.

Anders ist die Regelung für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (umgangssprachlich „intersexuelle“ bzw. „intergeschlechtliche“ Menschen), sie können den Geschlechtseintrag und die Vornamen mit einer Erklärung beim Standesamt ändern. Dazu müssen sie ein ärztliches Attest vorlegen oder eine Versicherung an Eides statt abgeben.

Geplante Regelung

Künftig soll es eine einheitliche Regelung für alle transgeschlechtlichen sowie nicht-binären und intergeschlechtlichen Menschen geben, die ihren Geschlechtseintrag oder ihre Vornamen ändern wollen. Weder die Vorlage eines ärztlichen Attests noch eine Begutachtung sind nötig. Wenn eine Person neben der Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen auch körperliche Veränderungen anstrebt, sind hingegen wie bisher medizinische Regelungen und Leitlinien einschlägig. Der Anwendungsbereich des neuen Selbstbestimmungsgesetzes umfasst keine Vorfestlegung hinsichtlich medizinischer Maßnahmen, da die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen hiervon unabhängig ist.

Wesentliche Änderungen

  • Das Transsexuellengesetz wird abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt. Statt in einem mitunter langwierigen und kostenintensiven Gerichtsverfahren können der Geschlechtseintrag und die Vornamen künftig in einem einfachen Verfahren vor dem Standesamt geändert werden.
  • Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen wird für transgeschlechtliche sowie nicht-binäre und intergeschlechtliche Personen einheitlich geregelt, also nicht mehr wie bisher in zwei verschiedenen Gesetzen mit unterschiedlichen Voraussetzungen.
  • Der Regelungsbereich des neuen Selbstbestimmungsgesetzes umfasst keine Vorfestlegung hinsichtlich etwaiger körperlicher (somatischer) geschlechtsangleichender Maßnahmen.
  • Volljährige Personen können im Sinne einer echten Selbstbestimmung die Änderung ihres Geschlechtseintrags und ihrer Vornamen durch Erklärung mit Eigenversicherung veranlassen.
  • Für Minderjährige bis 14 Jahre oder bei Geschäftsunfähigkeit des Minderjährigen geben die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt ab.
  • Ab 14 Jahren geben die Minderjährigen die Erklärung selbst mit Zustimmung der Sorgeberechtigten ab. Um die Persönlichkeitsrechte der jungen Menschen zu wahren, kann das Familiengericht in den Fällen, in denen die Sorgeberechtigten nicht zustimmen, orientiert am Kindeswohl – wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht – die Entscheidung der Eltern auf Antrag des Minderjährigen ersetzen.

Weitere Eckpunkte sind auf der Homepage des Familienministeriums zu finden. Zu den einzelnen Begrifflichkeiten und deren Bedutung hat die Gewerkschaft Erziehung un Wissenschaft eine Broschüre herausgegeben.

Kritik

Kritik an dem Gesetz kommt natürlich vor allem aus konservativen Kreisen bis hin zur AFD, mit dem Hauptargument, dass die traditionelle „Familie“ abgeschafft werden solle. Aber auch Teile der Frauenbewegung fürchtet, dass sich jetzt überall Männer in Frei- und Schutzräume für Frauen einschleichen könnten, wenn sie erklärten, sie seien eine Frau. Sie sprechen trans Frauen grundsätzlich das Frau-Sein ab aufgrund eines biologischen Weltbildes. Dabei hatte schon das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Geschlechtsidentität nicht unbedingt von den biologischen Gegebenheiten abhängt.

Für Spannung bei den anstehenden Debatten zum Selbstbestimmungsgesetz ist also gesorgt. Gängige Vorurteile könnten im Vorfeld schon einmal hier entkräftet werden.

Quellen: BMFSFJ, FOKUS-Sozialrecht, GEW, Verfassungsblog, Bundesverband Trans*

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