Sozialgericht Karlsruhe legt nach

Das Sozialgericht Karlsruhe hatte am 11.02.2021 entschieden, dass das Jobcenter einem Arbeitssuchenden zusätzlich zum Regelsatz entweder als Sachleistung wöchentlich 20 FFP2-Masken zuschicken oder als Geldleistung hierfür monatlich weitere 129,- € zahlen müsse.

In der Folge gab es gegenteilige Urteile vom

Arroganz der Gutprivilegierten

Die Begründungen ähneln sich. Masken seien billig, können wiederverwendet werden, es reichten ja auch OP-Masken (die Gesundheit von Hartz IV-Empfängern ist demnach nicht so wichtig), 10 Euro im Monat würden ausreichen, das könne bei Lebensmitteln oder durch weniger gesellschaftliche Teilhabe, die sei ja sowieso eingeschränkt, eingespart werden. Harald Thome von Tacheles e. V. schreibt dazu in seinem Newsletter treffend: „Mit der Arroganz der Gutprivilegierten werden die Anträge auf pandemische Zuschläge durch die Bank weggewischt.“

Das Sozialgericht Karlsruhe hat nun in einem weiteren Urteil klargemacht, dass der Corona-Zuschuss aus dem Sozialschutzpaket III zu gering und verfassungswidrig ist.

Leitsatz

Im Leitsatz des Urteils schreibt das Gericht, der mit dem Sozialschutzpaket III eingeführte § 70 SGB II sei unbeachtlich, da er gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verstoße. § 70 SGB II komme sowohl nach dem subjektiven Willen des Bundesgesetzgebers als auch nach Maßgabe einer objektiven Auswertung der durch das Coronavirus SARS-Cov-2 bedingten Veränderungen der Verbrauchsausgaben einkommensschwacher Haushalte eine existenzsichernde
Funktion zu.

  • Im Widerspruch zu den verfassungsgerichtlich erkannten Beurteilungsmaßstäben ist den BT-Drucksachen zu § 70 SGB II in verfassungswidriger Weise nicht ansatzweise zu entnehmen, warum eine Einmalzahlung für den Monat Mai 2021 in Höhe von 150,- € den Mehrbedarf aufgrund der COVID-19-Epidemie für die Monate Januar 2021 bis Juni 2021 decken sollte.
  • Ferner werde das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG auch verletzt, weil § 70 SGB II n. F. in seiner künftigen Gestalt ohne hinreichenden Grund für die bereits in den Leistungsmonaten Januar 2021 bis April 2021 gegebenen Mehrbedarfe lediglich eine nachträgliche Leistungsgewährung im Mai 2021 vorsehe, obgleich es sodann wegen des zwischenzeitlichen Zeitablaufs evidenter Maßen schon zu spät sein werde, die Leistungen noch zweckentsprechend einzusetzen.
  • Des Weiteren verletze § 70 SGB II n. F. den Anspruch auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für die Monate Januar 2021 bis April 2021 sowie Juni 2021 auch deswegen, weil in aus einem nicht verfassungslegitimen Grund die Leistungsgewährung existenzsichernder Mittel nicht nur vom Ausmaß der aktuellen Hilfebedürftigkeit abhängen solle, sondern auch davon, ob diese zu einem späteren bzw. früheren Zeitpunkt – nämlich: im Mai 2021 – vorliegen werde.
  • Schließlich verletze § 70 SGB II n. F. auch das allgemeine Gleichheitsgrundrecht, da kein Grund solcher Art und solchen Gewichts ersichtlich ist, der eine Diskriminierung von Grundsicherungsempfänger:innen rechtfertigt, welche im Mai 2021 aufgrund irgendwelcher Zufälligkeiten nicht im grundsicherungsrechtlichen Sinne hilfebedürftig sind und infolgedessen vom Schutzbereich der Norm nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut auch in den übrigen Kalendermonaten der ersten Jahreshälfte des Jahres 2021 gänzlich ausgeschlossen würden.

27 Seiten Begründung

Auf einer 27 Seiten langen Begründung benennt das Gericht weitere Belastungen, die die Leistungsempfänger zur Zeit zu tragen haben. Die aktuelle Pandemie führt zu höheren und längeren Bedarfsspitzen, die Hilfebedürftige nicht durch Minderausgaben in anderen Bereichen kompensieren können und für die keine Vorsorge betrieben werden konnte. Mehrkosten entstehen nicht nur durch Masken, sondern auch durch

  • Homeschooling,
  • teurere Lebensmittel,
  • Wegfall von Lebensmittelausgaben der Tafel,
  • ausgefallenes Schulessen,
  • gestiegene Stromkosten,
  • gestiegene Spritpreise
  • die Verringerung des verfügbaren Einkommens durch Jobverluste und Kurzarbeit,
  • Wegfall von Einnahmequellen „auf der Straße“ für darauf angewiesene Menschen (ob durch den Verkauf von Straßenzeitungen, Straßenmusik oder auch Bettelei).

Zugang zu den Lebenschancen

Grundsicherungsempfänger*innen bezögen existenzsichernde Leistungen, so die Karlsruher Richter, in aller Regel nicht aus Bequemlichkeit, sondern, weil sie aus individuellen und gesellschaftlichen Gründen keinen gleichen Zugang zu den Lebenschancen hätten, welche der – insofern privilegierte und in Teilen ignorante – Großteil der Bevölkerung für selbstverständlich halte.

Sozialpflichtigkeit

Das bundesdeutsche Verfassungsrecht sehe in Art. 1 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Art. 20 Abs. 1 GG die Sozialpflichtigkeit nicht bei den Menschen, die bereits am untersten Rand des Menschenwürdigen lebten, sondern bei denen, die über ausreichend Privateigentum verfügten, denn dessen Gebrauch solle zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen, während die Würde des Menschen und das Prinzip des Sozialstaats unantastbar seien, vgl. Art. 79 Abs. 3 GG.

Quelle: Sozialgericht Karlsruhe, juris, Tacheles e.V., FOKUS-Sozialrecht

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Testpflicht nach dem Urlaub

Viele Äußerungen und Entscheidungen unserer offiziellen Krisenbewältiger lösen mittlerweile nur noch ungläubiges Kopfschütteln aus. So erzählt der Ministerpräsident von NRW im Landtag, man habe ja vor einigen Wochen noch gar nicht wissen können, dass die Virusmutationen so gefährlich seien. Hätte er damals mal den Wissenschaftlern zugehört. Ein weiteres vielbenutztes Märchen verbreitet ein anderer Ministerpräsident in einer Talkshow: Man habe lockern müssen, weil der Druck aus der Bevölkerung so groß geworden sei. Während der ganzen Pandemie gab es immer eine große Mehrheit für die Eindämmungsmaßnahmen, zuletzt sogar für deren Verschärfung. Ein Bundesland verkündet bei der Feststellung des „Notbremse“-Wertes über 100 strengere Maßnahmen, das andere Lockerungen. Am gleichen Tag.

Mallorca

In diese Reihe gehört auch die Mallorca-Geschichte. Letztes Jahr wurden die Fluggesellschaften mit vielen Milliarden Hilfen bedacht, sodass sie jetzt tolle Billigflugangebote für Reisen nach Mallorca machen können. Passend dazu wird rechtzeitig die Einstufung von Mallorca als Risikogebiet aufgehoben, streng nach Zahlen, ungeachtet der Ausbreitung der viel gefährlicheren Virusvarianten. Da bleibt als Regierungshandeln nur noch der Appell übrig, doch bitte vernünftig zu sein, nach dem Motto, wenn wir schon nicht vernünftig sind, dann seid ihr es wenigstens.

Ergänzung der Testverordnung

Jetzt sollen es die Tests richten. Dazu wurde die Testverordnung geändert. Ab dem 30. März müssen Flugreisende vor Abflug nachweisen, dass sie nicht mit dem Coronavirus infiziert sind. Für alle anderen Einreisenden gelten weiterhin die Regelungen je nach Einstufung des Gebietes als Risiko-, Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet.

Die Regelungen für Flugreisende, die nach Deutschland einreisen wollen, sind um eine generelle Testpflicht ergänzt worden. Dies wurde im Rahmen der Änderung der Coronavirus-Einreiseverordnung am 26. März 2021 vom Bundeskabinett beschlossen. Die neue Testpflicht gilt ab dem 30. März 0 Uhr bis einschließlich zum 12. Mai 2021. Ein negatives Testergebnis muss dann bei Flugreisenden vor Abreise vorliegen. Der Test darf maximal 48 Stunden alt sein. Nur, wer einen negativen Testnachweis erbringen kann, darf befördert werden. Flugreisende müssen den Test selbst bezahlen.

Was weiterhin gilt:

Neben diesen Neuerungen gelten die bisherigen Regelungen weiterhin für alle Reisenden, die mit Bus oder Bahn, Auto oder Schiff einreisen.

Unterschieden werden drei Arten von Risikogebieten im Ausland:

  • Gebiete, für die das Bundesgesundheitsministerium im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesinnenministerium ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit festgestellt hat
  • Hochinzidenzgebiete mit einer Inzidenz, die ein Mehrfaches über derjenigen von Deutschland liegt, mindestens aber 200 beträgt
  • Gebiete, in denen besonders ansteckende Virusmutationen verbreitet sind

Nach Aufenthalt in einem Risikogebiet müssen Einreisende grundsätzlich und wie bisher eine digitale Einreiseanmeldung ausfüllen. Spätestens 48 Stunden nach ihrer Einreise müssen sie über einen Nachweis verfügen, dass sie bei Einreise nicht mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert sind, und diesen auf Anforderung der zuständigen Behörde vorlegen.

Wer aus einem Risikogebiet einreist, in dem besonders hohe Inzidenzen bestehen oder besonders ansteckende Virusvarianten verbreitet sind, muss den Nachweis bereits bei Einreise mit sich führen und auf Anforderung des Beförderers bei Abreise, der zuständigen Behörde bei Einreise oder bei polizeilicher Kontrolle vorlegen.

Beim Robert-Koch-Institut gibt es eine Übersicht der aktuell ausgewiesenen Risikogebiete, Hochinzidenzgebiete und Gebiete mit nachgewiesenen Virusmutationen.

Quarantänepflichten unverändert

An der Pflicht, sich nach Einreise aus Risikogebieten in Selbstisolation, also Quarantäne zu begeben, wird festgehalten. Reisende, die aus dem Ausland einreisen und sich innerhalb der letzten zehn Tage vor der Einreise in einem als Risikogebiet eingestuften Gebiet aufgehalten haben, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise für die Dauer von zehn Tagen in Quarantäne zu begeben.

Unter bestimmten Voraussetzungen ergeben sich Ausnahmen von der Verpflichtung, sich in Quarantäne zu begeben. Die Bundesländer erlassen die für alle Einreisenden aus Risikogebieten verbindlichen Quarantäneregelungen einschließlich ihrer Ausnahmen. Hier eine Übersicht über die in den Ländern geltenden Bestimmungen.

Seit 1. März müssen Betreiber von Mobilfunknetzen ihre Kunden per SMS über die in Deutschland geltenden Einreise- und Infektionsschutzmaßnahmen informieren.

Die Bundesregierung veröffentlicht einen Überblick über die geltenden Regelungen für alle Reisende und Pendler. 

Quelle: Bundesregierung

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Zugang zum Kurzarbeitergeld

Das Bundeskabinett hat am 24.3.2021 die Zweite Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung verabschiedet. Sie soll noch Ende März in Kraft treten.

Antragsfrist verlängert

Unternehmen können den erleichterten Zugang zu Kurzarbeitergeld weiterhin in Anspruch nehmen. Die Bundesregierung verlängert die Antragsfrist um drei Monate bis zum 30. Juni 2021. Auch Leiharbeiter profitieren. Über die erste Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung berichteten wir im November 2020.

Die Zugangserleichterungen zum Kurzarbeitergeld werden mit der Verordnung auch für Fälle verlängert, in denen Kurzarbeit (anstatt wie bislang bis zum 31. März 2021) bis spätestens zum 30. Juni 2021 neu oder nach einer Unterbrechung von mindestens drei Monaten erneut eingeführt wird. Damit wird der Zugang zu den Zugangserleichterungen um drei Monate erweitert.

Anteil der Kurzarbeiter bei mindestens 10 Prozent

Für Betriebe, die bis zum 30. Juni 2021 (statt bisher 31. März 2021) Kurzarbeit einführen, bleibt der Anteil der Beschäftigten, der für den Zugang zum Kurzarbeitergeld von Arbeitsausfall betroffen sein muss, weiter auf mindestens zehn Prozent abgesenkt, und auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor der Gewährung des Kurzarbeitergeldes wird weiterhin verzichtet. Diese Erleichterungen sind weiterhin bis zum 31. Dezember 2021 befristet.

Für Kurzarbeit, mit der ab 1. Juli 2021 begonnen wird, gelten die erleichterten Zugangsvoraussetzungen nicht mehr.

Leiharbeitnehmer*innen

Die befristete Öffnung des Kurzarbeitergeldes für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bis zum 31. Dezember 2021 gilt auch für Verleihbetriebe, die bis zum 30. Juni 2021 (statt bisher 31. März 2021) Kurzarbeit eingeführt haben. Danach tragen die Verleihbetriebe das branchenübliche Risiko verleihfreier Zeiten wie vor der Einführung der pandemiebedingten Sonderregelungen wieder selbst.

Quelle: Bundeskabinett

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Rentenwert 2021

Die Überschrift lautet dieses Jahr nicht „Rentenerhöhung“, wie in den vergangenen Jahren. 2021 wird es keine Rentenerhöhung geben, jedenfalls nicht im Westen, im Osten nur minimal.

In der Pressemitteilung vom 18.3.2021 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales heißt es: „Die Renten bleiben stabil.“ Da die gesetzlich verankerte Rentengarantie Rentenkürzungen verhindere, verbleibe in Westdeutschland der ab 1. Juli 2021 geltende aktuelle Rentenwert weiterhin bei 34,19 Euro, obwohl die rechnerische Rentenanpassung negativ sei. In den neuen Ländern schreite die Rentenangleichung voran. Der aktuelle Rentenwert für die neuen Bundesländer steige entsprechend der gesetzlich vorgegebenen Angleichungsstufe um 0,72 Prozent auf 97,9 Prozent des aktuellen Rentenwerts West und betrage damit 33,47 Euro.

Rente folgt der Lohnentwicklung

Grundlage für die Rentenanpassung ist die Lohnentwicklung. Die für die Rentenanpassung maßgebliche Lohnentwicklung beträgt in den alten Ländern -2,34 Prozent. Sie basiert auf den vom statistischen Bundesamt gemeldeten Bruttolöhnen- und -gehältern je Arbeitnehmer nach den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), wobei der Einfluss der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen („Ein-Euro-Jobs“) außer Acht bleibt. Wegen der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind die VGR-Löhne in den alten Bundesländern im vergangenen Jahr leicht gesunken. Darüber hinaus wird die beitragspflichtige Entgeltentwicklung der Versicherten berücksichtigt, die für die Einnahmesituation der gesetzlichen Rentenversicherung entscheidend ist. In diesem Jahr kommt hier ein Sondereffekt zum Tragen, da die DRV Bund als Folge des Flexirentengesetzes die statistische Abgrenzung der beitragspflichtigen Entgelte geändert hat und nun deutlich mehr geringfügig Beschäftigte statistisch erfasst, weshalb die durchschnittlichen beitragspflichtigen Entgelte um rund 2 Prozent geringer ausfallen. Wegen der ohnehin negativen rechnerischen Rentenanpassung und der damit verbundenen Anwendung der Rentengarantie hat dies jedoch keinen Einfluss auf die Höhe der diesjährigen Rentenanpassung.

Nachhaltigkeitsfaktor

Neben der Lohnentwicklung wird die Höhe der Rentenanpassung noch durch den Nachhaltigkeitsfaktor und den Faktor Altersvorsorgeaufwendungen bestimmt. Mit dem Nachhaltigkeitsfaktor wird die Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses von Rentenbeziehenden zu Beitragszahlenden bei der Anpassung der Renten berücksichtigt. Auch hier kommt es zu negativen Auswirkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie. Deswegen wirkt sich der Nachhaltigkeitsfaktor in diesem Jahr mit -0,92 Prozentpunkten anpassungsdämpfend aus. Durch den Faktor Altersvorsorgeaufwendungen wird die Veränderung der Aufwendungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Aufbau ihrer Altersvorsorge auf die Anpassung der Renten übertragen. Da sich der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung im Jahr 2020 nicht verändert hat, wirkt sich dieser Faktor nicht auf die diesjährige Rentenanpassung aus. 

Rentengarantie

Aufgrund der genannten Einflüsse ergibt sich eine rechnerische Rentenanpassung von -3,25 Prozent. Wegen der Rentengarantie bleibt aber der ab 1. Juli 2021 geltende aktuelle Rentenwert weiterhin bei 34,19 Euro. Die Rentengarantie stellt seit dem Jahr 2009 sicher, dass die Anwendung der Rentenanpassungsformel nicht zu einer Minderung des aktuellen Rentenwerts führt. 

Bei der Rentenanpassung für die neuen Bundesländer sind die im Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz festgelegten Angleichungsschritte relevant. In diesem Jahr ist der aktuelle Rentenwert (Ost) mindestens so anzupassen, dass er 97,9 Prozent des Westwerts erreicht. Mit dieser Angleichungsstufe fällt die Rentenanpassung Ost höher aus als nach der tatsächlichen Lohnentwicklung Ost. 

Auf Basis der vorliegenden Daten beträgt der ab dem 1. Juli 2021 geltende aktuelle Rentenwert weiterhin 34,19 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) steigt mit der diesjährigen Rentenanpassung von 33,23 Euro auf 33,47 Euro. Dies entspricht einer Rentenanpassung in den neuen Ländern von 0,72 Prozent.

Auswirkungen

Durch die Anhebung des Rentenwerts steigen nicht nur die Renten bei der

  • Altersrente,
  • Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung,
  • Rente wegen voller Erwerbsminderung,
  • Witwen- und Witwerrenten,
  • Waisenrente,
  • Sozialversicherung der Landwirte,

auch die Hinzuverdienstgrenzen sind betroffen:

  • für Rentner wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, deren Rentenbeginn vor dem 30.6.2017 lag,
  • für die Bezieher von Witwen- oder Witwerrenten.

Auch für die Unfallversicherung ist der Rentenwert relevant:

Die Höhe des Pflegegeldes nach § 44 SGB VII wird jährlich entsprechend der Rentenentwicklung angepasst. Das Pflegegeld beträgt unter Berücksichtigung der Art oder Schwere des Gesundheitsschadens sowie des Umfangs der erforderlichen Hilfe ab 1.7.2021 monatlich

zwischen 387 EUR und 1.542 EUR in den alten Bundesländern
(keine Änderung) und

zwischen 362 EUR und 1.494 EUR in den neuen Bundesländern
(bis 30.6.2021: zwischen 359 EUR und 1.483 EUR) festzusetzen.

Die Blindenhilfe ist ebenfalls an den Rentenwert (West) gekoppelt:

So bleibt das Blindengeld zum 1. Juli 2021

  • für Personen über 18 Jahren bei 765,43 EUR und
  • für Personen unter 18 Jahren bei 383,37 EUR.

Das betrifft auch die Blindenhilfe einiger Bundesländer, die ihre Leistung an den Rentenwert gekoppelt haben. Es sind dies:

  • Bayern
  • Berlin
  • Bremen
  • Hamburg
  • Hessen
  • Nordrhein-Westfalen.

Quelle; BMAS, SOLEX

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Krankschreibung und andere Sonderregeln

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 18. März die Corona-Sonderregeln für die Ausstellung von Krankschreibungen, für ärztlich verordnete Leistungen und Krankentransporte sowie für die telefonische Beratung in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung über den 31. März hinaus um weitere drei bzw. sechs Monate verlängert.

Grund ist das wieder steigende Infektionsgeschehen; Ziel die Entlastung der Arztpraxen und das Gering-Halten der Arzt-Patienten-Kontakte.

Es geht um folgende Sonderregeln:

  • Arbeitsunfähigkeit: Patientinnen und Patienten, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden, können wie bisher telefonisch für bis zu 7 Kalendertage krankgeschrieben werden. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte müssen sich dabei persönlich vom Zustand der Patientin oder des Patienten durch eine eingehende telefonische Befragung überzeugen. Eine einmalige Verlängerung der Krankschreibung kann telefonisch für weitere 7 Kalendertage ausgestellt werden. 
    Gilt bis 30. Juni 2021.
  • ASV: In der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) bleibt der Behandlungsumfang um die Möglichkeit zur telefonischen Beratung für alle Patientengruppen erweitert. 
    Gilt bis 30. Juni 2021.
  • Entlassmanagement: Krankenhausärztinnen und -ärzte können weiterhin im Rahmen des Entlassmanagements eine Arbeitsunfähigkeit für eine Dauer von bis zu 14 Kalendertagen statt bis zu 7 Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus bescheinigen. Ebenso können sie für die Dauer von bis zu 14 Tagen häusliche Krankenpflege, spezialisierte ambulante Palliativversorgung, Soziotherapie sowie Hilfs- und Heilmittel verordnen, insbesondere dann, wenn das zusätzliche Aufsuchen einer Arztpraxis vermieden werden soll. Außerdem können die Verordnungsmöglichkeiten von Arzneimitteln bei der Entlassung aus dem Krankenhaus wie bisher flexibler gehandhabt werden. 
    Gilt bis Ende der epidemischen Lage.
  • Erleichterte Vorgaben für Verordnungen: Heilmittel-Verordnungen bleiben auch dann gültig, wenn es zu einer Leistungsunterbrechung von mehr als 14 Tagen kommt. Darüber hinaus bleiben Ausnahmen für bestimmte Fristen bei Verordnungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege bestehen: Folgeverordnungen müssen nicht in den letzten 3 Arbeitstagen vor Ablauf des verordneten Zeitraums ausgestellt werden. Außerdem können Ärztinnen und Ärzte Folgeverordnungen für häusliche Krankenpflege für bis zu 14 Tage rückwirkend verordnen. Ebenfalls muss vorübergehend eine längerfristige Folgeverordnung von häuslicher Krankenpflege nicht begründet werden. 
    Gilt bis 30. September 2021.
  • Krankentransport: Krankentransportfahrten zu nicht aufschiebbaren zwingend notwendigen ambulanten Behandlungen von nachweislich an Corona erkrankten Versicherten oder von Versicherten, die aufgrund einer behördlichen Anordnung unter Quarantäne stehen, bedürfen wie bisher vorübergehend nicht der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. 
    Gilt bis Ende der epidemischen Lage.
  • Verlängerung der Vorlagefrist für Verordnungen: Die Frist zur Vorlage von Verordnungen bei der Krankenkasse bleibt weiterhin für häusliche Krankenpflege, Soziotherapie sowie spezialisierte ambulante Palliativversorgung von 3 Tagen auf 10 Tage verlängert. 
    Gilt bis 30. September 2021.
  • Verordnungen nach telefonischer Anamnese: Folgeverordnungen für häusliche Krankenpflege, Hilfsmittel und Heilmittel dürfen weiterhin auch nach telefonischer Anamnese ausgestellt werden. Voraussetzung ist, dass bereits zuvor aufgrund derselben Erkrankung eine unmittelbare persönliche Untersuchung durch die Ärztin oder den Arzt erfolgt ist. Die Verordnung kann dann postalisch an die Versicherte oder den Versicherten übermittelt werden. Dies gilt im Bereich der Heilmittel auch für Folgeverordnungen von Zahnärztinnen und Zahnärzten. Ebenso sind weiterhin Verordnungen von Krankentransporten und Krankenfahrten aufgrund telefonischer Anamnese möglich. 
    Gilt bis 30. September 2021.
  • Videobehandlung: Eine Behandlung kann weiterhin auch per Video stattfinden, wenn dies aus therapeutischer Sicht möglich und die Patientin oder der Patient damit einverstanden ist. Diese Regelung gilt für eine Vielzahl von Heilmitteln, die von Vertrags(zahn)ärztinnen und -ärzten verordnet werden können. Auch Soziotherapie und psychiatrische häusliche Krankenpflege können mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten per Video erbracht werden. 
    Gilt bis 30. September 2021.

Der Beschluss trat am 18. März 2021 in Kraft.

Quelle: G-BA

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Zwischenbericht zum Teilhabechancengesetz

Seit dem 1. Januar 2019 gilt das Teihabechancengesetz (nicht zu verwechseln mit dem Teilhabestärkungsgesetz, bei denen es um Änderungen im SGB IX geht.). Mit dem Teihabechancengesetz sollte ein neuer sozialer Arbeitsmarkt entstehen, durch den die Beschäftigungschancen von arbeitsmarktfernen Menschen verbessert und damit soziale Teilhabe ermöglicht würde.

Zwischenbericht

Mittlerweile werden rund 55.000 Arbeitsverhältnisse gefördert. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat die Wirkung des Gesetzes untersucht und bewertet es in seinem Zwischenbericht durchweg sehr positiv. 

Die drei wichtigsten Erkenntnisse des IAB sind:

  • Die Jobcenter empfinden vor allem die Förderung der „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) als innovativ und als Bereicherung für die Eingliederung von arbeitsmarktfernen Menschen.
  • Mit dem Teilhabechancengesetz werden die richtigen Zielgruppen erreicht: Arbeitsmarktferne langzeitarbeitslose Menschen, meist ohne Berufsabschluss, darunter viele ältere Menschen.
  • Klar bestätigt wird, dass der neue Ansatz, geförderte Beschäftigung mit einem begleitenden Coaching zu verbinden, zu einer nachhaltigeren Beschäftigungsaufnahme führt. Dies sichert eine Stabilisierung im Alltag und im Beruf.

Worum geht’s?

Es handelt sich um Instrumente der Jobcenter, deren Rechtsgrundlage im SGB II geregelt ist:

  • § 16e SGB II: Eingliederung von Langzeitarbeitslosen und
  • § 16i SGB II: Teilhabe am Arbeitsmarkt

Eingliederung von Langzeitarbeitslosen

Bei diesem Instrument geht es um die Besetzung vorhandener Arbeitsplätze mit Langzeitarbeitslosen und deren Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und Beschäftigungschancen.

Gefördert werden sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei allen Arten von Arbeitgebern mit dem Ziel der Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Lohnkostenzuschüsse stellen für Arbeitgeber einen besonderen Anreiz dar, Langzeitarbeitslose zu integrieren. Die Ausgestaltung als klassischer Lohnkostenzuschuss ist für Arbeitgeber attraktiv. Anders als bei einer Maßnahme besteht keine temporäre Zuweisung; die Förderung knüpft allein daran an, dass ein mindestens zweijähriges Arbeitsverhältnis begründet wird.

Teilhabe am Arbeitsmarkt

Damit sollten zusätzliche Arbeitsplätze für langzeitarbeitslose Menschen über 25 Jahren geschaffen werden. Neben der Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und -chancen soll auch die soziale Teilhabe gefördert werden.

Durch individuelle Beratung und intensive Betreuung sollen sie bei der Suche nach einem passenden Arbeitsplatz unterstützt werden. Arbeitgeber erhalten Zuschüsse zu den Lohnkosten, die Beschäftigten eine beschäftigungsbegleitende Unterstützung.

Es handelt sich um ein bewerberorientiertes Vorgehen der Jobcenter, insbesondere die gezielte Stellenakquise in der direkten Arbeitgeberansprache. Das Jobcenter bietet dazu eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung (sog. Coaching) für diesen Personenkreis, der in absehbarer Zeit keine realistische Chance auf eine ungeförderte Beschäftigung hätte. Dies soll eine längerfristige Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt eröffnen. Neben der Eröffnung von Teilhabechancen bleibt die Förderung von Beschäftigungsfähigkeit und damit der Übergang aus der geförderten in eine ungeförderte Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittel- und langfristig das Ziel.

Entfristung

Die Regelungen des § 16i SGB II laufen zum Jahresende 2024 aus. Förderungen können bis bis zum 31. Dezember 2024 beginnen und längstens bis zum 31. Dezember 2029 erbracht werden.

Die positiven Ergebnisse und Erkenntnisse des IAB sowie die Rückmeldungen aus der Praxis sprechen bereits jetzt dafür, so das BMAS, § 16i SGB II „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ zu entfristen und dauerhaft im Förderinstrumentarium des SGB II zu implementieren.

Quellen: BMAS, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), FOKUS-Sozialrecht

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Mindestlohn auf 12 Euro?

Seit 1.1.2021 beträgt der Mindestlohn 9,50 Euro in der Stunde. Geplant und im Mindestlohngesetz bzw. in der Dritten Mindestlohnanpassungsverordnung (MiLoV3) festgelegt sind weitere Erhöhungen alle halbe Jahre:

• zum 01.07.2021: 9,60 Euro
• zum 01.01.2022: 9,82 Euro
• zum 01.07.2022: 10,45 Euro.

Eckpunkte

Bereits Ende 2018 schrieb Finanzminister Olaf Scholz in der Bild-Zeitung: „Ich finde, dass 12 Euro Mindestlohn angemessen sind. Am Lohn sollten Unternehmen nicht sparen.“ Nun hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zusammen mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Eckpunktepapier vorgelegt, wie der Mindestlohn weiterentwickelt werden kann. Der Mindestlohn soll im Jahr 2022 auf mindestens 12 Euro ansteigen.

Median statt arithmetisches Mittel

Das Mindestlohngesetz soll dafür geändert werden. Dort soll künftig bei der Anpassungsentscheidung der Mindestlohnkommission der Medianlohn stärker berücksichtigt werden. Wenn der Medianlohn statt des Durchschnittslohns für die Berechnungen herangezogen wird, würde der Mindestlohn stärker an die allgemeine Lohnentwicklung gekoppelt und damit höher ausfallen. Im Gegensatz zum arithmetischen Mittel der Löhne teilt der Medianlohn die Verteilung genau in der Mitte: Die eine Hälfte der Beschäftigten erhält geringere, die andere Hälfte höhere Löhne. Mit dem Bezug zum Medianlohn soll sichergestellt werden, dass der Mindestlohn nicht bei jeder Erhöhung automatisch zu einer Erhöhung des Bezugspunktes führt, wie dies beim arithmetischen Mittel der Fall wäre.

Kommission hat sich bewährt

Das Eckpunktepapier bestätigt, dass sich die Anpassung des Mindestlohns durch eine Kommission sachnaher Sozialpartner grundsätzlich bewährt habe. Sie solle deshalb für die Anpassung des Mindestlohns zuständig bleiben. Allerdings habe die Evaluation gezeigt, dass in wirtschaftlich guten Zeiten Spielräume für eine stärkere Anhebung des Mindestlohns nicht genutzt worden seien. Es sei eine Frage der gesellschaftlichen Teilhabe, dass auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zum Mindestlohn beschäftigt werden, an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung partizipieren.

Living Wage

Der Mindestlohn solle deshalb in Richtung eines echten, auf Teilhabe gerichteten „Living Wage“*) fortentwickelt und damit der Erwerbsarmut entgegenwirkt werden. Richtig sei, dass Armut bzw. gesellschaftliche Teilhabe von einer Vielzahl von Faktoren abhängen. Richtig sei aber auch, dass für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmäßig die Vergütungshöhe maßgeblich dafür ist, inwieweit gesellschaftliche Teilhabe möglich ist.

Armutsgefährdung berücksichtigen

Der in in § 9 Absatz 2 Mindestlohngesetz (MiLoG) vorgesehene Prüfkatalog soll daher präzisiert und ergänzt werden. Die Mindestlohnkommission soll im Rahmen des Prüfkriteriums „angemessener Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ auch den Gesichtspunkt der Armutsgefährdung maßgeblich berücksichtigen. Von einer Armutsgefährdung soll regelmäßig bei einem auf Vollzeitbasis erzielten Arbeitsentgelt unterhalb der Schwelle von 60 Prozent des Medianlohns ausgegangen werden.

*) Living Wage: Laut Wikipedia ein Familieneinkommen bzw. ein Lohn in der Höhe, das nicht das bloße physische Überleben, sondern die Existenz einschließlich sozialer und kultureller Teilhabe sichert.

Quelle: BMAS, FOKUS-Sozialrecht

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Dynamisierung des Wohngelds

Ein wichtiger Teil der Wohngeldreform von 2020 betraf die erstmals eingeführte Dynamisierung, festgelegt in § 43 WoGG. Dazu wurde die Ermächtigung der Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrats eine Verordnung zu erlassen (§ 38 WoGG), dahingehend erweitert, dass die Höchstbeträge für Miete und Belastung (Anlage 1) und die Werte für „b“ und „c“ (Anlage 2) aus der Wohngeldformel alle zwei Jahre fortgeschrieben werden. Diese Fortschreibung kann durch einen Beschluss des Bundestags ausgesetzt werden, wenn die weiteren Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt dazu führen, dass grundlegende Anpassungen des Wohngeldsystems erforderlich sind, wie zum Beispiel eine Neufestsetzung der Mietenstufen in den Gemeinden und Kreisen aufgrund veränderter Mietenniveaus, die Einführung weiterer Mietenstufen oder eine Neufestsetzung der Rechenschritte und Rundungen. Die erste Fortschreibung ist für den 01.01.2022 vorgesehen.

Entwurf zur Fortschreibung

Folgerichtig hat das zuständige Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat nun den Entwurf einer „Ersten Verordnung zur Fortschreibung des Wohngeldes nach § 43 des Wohngeldgesetzes (1. WoGFV)“ vorgelegt. Sichergestellt werden soll, dass das nach Wohnkosten verbleibende verfügbare Einkommen der Wohngeldhaushalte dieselbe reale Kaufkraft besitzt wie zum Zeitpunkt der Wohngeldreform zum 1. Januar 2020.

Berechnung des IW Köln

Aufgrund der komplexen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Sozialleistungen sind die Wirkungen der Wohngeldverbesserung mithilfe von Mikrosimulationsrechnungen auf Basis der fortgeschriebenen Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 des Statistischen Bundesamts geschätzt worden. Die entsprechenden Berechnungen für die Wohngeldreform hat das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW Köln) im Auftrag des Bundesinnenministeriums vorgenommen.

Erhöhung um 13 Euro

Die Fortschreibung des Wohngeldes führt im Jahr 2022 für die bestehenden Wohngeldhaushalte zu einer durchschnittlichen Erhöhung des Wohngeldes um rund 13 Euro pro Monat.

Insgesamt profitieren drei Gruppen von der Wohngelderhöhung durch die Fortschreibung des Wohngeldes:

  • Die bisherigen Wohngeldhaushalte, die im Jahr 2022 auch ohne Anpassung Wohngeld bezogen hätten: Im Jahr 2022 sind das nach den Simulationsrechnungen des IW Köln rund 610 000 Haushalte.
  • Sogenannte Hereinwachserhaushalte, deren Einkommen bislang die Grenzen für einen Wohngeldanspruch überschritten haben und die aufgrund der Fortschreibung des Wohngeldes 2022 erstmals oder wieder mit Wohngeld bei den Wohnkosten entlastet werden:
    Im Jahr 2022 sind das nach den Simulationsrechnungen des IW Köln voraussichtlich rund 20 000 Haushalte.
  • So genannte Wechslerhaushalte, die zuvor Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII bezogen haben:
    Im Jahr 2022 werden nach den Simulationsrechnungen des IW Köln voraussichtlich rund 10 000 Haushalte aus dem SGB II oder aus dem SGB XII in das Wohngeld wechseln.

Stellungnahme des Paritätischen Wohlfahrtsverbands

In einer Stellungnahme zu dem Entwurf bemängelt der Paritätische Wohlfahrtsverband das Fehlen von einer Energiekostenkomponente und einer Klimakomponente.

Energiekostenkomponente

Die Einführung einer CO2-Komponente sei ein erster Schritt in die Richtung zur Entlastung bei den Heizkosten. Allerdings löse dies nicht das grundlegende Problem, dass Wohngeldhaushalte bisher nicht ausreichend bei ihren Heizkosten als solches unterstützt werden. Die Einführung einer Energiekostenkomponente sei dringend notwendig, damit die Wohngeldhaushalte bei ihren Energiekosten insgesamt unterstützt und die Wirksamkeit des Wohngeldes erhöht werde. 

Klimakomponente

Eine Klimakomponente solle dazu dienen, Wohngeldhaushalten zu ermöglichen, Wohnungen mit höheren Energiestandards anzumieten bzw. ihre Wohnungen nach energetischen Sanierungen zu behalten. Wohngeldhaushalte dürften nicht in die Lage geraten, dass sie aufgrund zu stark gestiegener Mieten durch Sanierungsmaßnahmen übermäßig belastet werden bzw. sogar ihre Wohnung aufgeben müssten. Damit sie nicht durch energetische Gebäudesanierungen benachteiligt würden, müssten die in diesem Rahmen gestiegenen Kaltmieten in einer geeigneten Form bei der Berechnung des Wohngeldes berücksichtigt werden. 

Quellen: Bundeinnenministerium, Paritätischer Wohlfahrtsverband, „WoGG, Das neue Wohngeldrecht“, Thomas Knoche, Walhalla-Verlag

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Impfverordnung – Neufassung

Am 11.8. wurde im Bundesanzeiger die Neufassung der Coronavirus-Impfverordnung bekanntgegeben. Sie tritt rückwirkend zum 8. März 2021 in Kraft.

Die vorliegende Neufassung der CoronaImpfV löst die bisherige CoranaImpfV vom 8. Februar 2021 ab und entwickelt diese im Lichte der Erfahrungen mit den Coronaschutzimpfungen, der unterschiedlichen zugelassenen Impfstoffe und den Aktualisierungen der STIKO-Empfehlung fort.

Prioisierung bleibt

Ein Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 besteht auch weiterhin prioritär für Personen, die aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustandes ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, sowie für Personen, die solche Personen behandeln, betreuen oder pflegen. Als weitere prioritär zu impfende Personengruppe haben insbesondere diejenigen Personen einen Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die beruflich einem sehr hohen Expositionsrisiko ausgesetzt sind und jene, die in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung besitzen.

Änderungen

Geändert gegenüber der CoronaImpfV vom 8. Februar 2021 wird insbesondere:

  • In Hochinzidenzgebieten, z. B. auch durch angrenzenden Grenzregionen, können Anspruchsberechtigte vorrangig geimpft werden.
  • Die Möglichkeit für die Krankenkassen und privaten Krankenversicherungsunternehmen, ihre Versicherten über den möglichen Anspruch auf priorisierte Schutzimpfungen zu informieren, wird konkretisiert. Den Ländern wird es ermöglicht, diese schriftliche versichertenbezogene Information über einen möglichen Anspruch als Berechtigungsnachweis zur priorisierten Schutzimpfung anzuerkennen.
  • Eine flächendeckende Verimpfung durch Arztpraxen, also der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer und der ambulant privatärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzten, sowie der Betriebsärztinnen und -ärzte wird ermöglicht. Arztpraxen und Betriebsärztinnen und -ärzte können Schutzimpfungen erbringen, wenn sie damit beauftragt sind. Die Beauftragung erfolgt durch die Zurverfügungstellung des Impfstoffs. Für die Verimpfung in Arztpraxen werden fallbezogene Vergütungsvorgaben aufgenommen. Die Vergütung wird über die Kassenärztlichen Vereinigungen abgerechnet und aus Bundesmitteln refinanziert. Im Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 3. März 2021 ist für Ende März/Anfang April der Übergang in die nächste Phase der Nationalen Impfstrategie vorgesehen. In dieser Phase sollen die haus- und fachärztlichen Praxen, die in der Regelversorgung routinemäßig Schutzimpfungen anbieten, umfassend in die Impfkampagne eingebunden werden.
  • Abweichungen von der Impf-Priorisierung sollen zudem künftig möglich sein, um eine dynamische Virus-Ausbreitung „aus hochbelasteten Grenzregionen” zu verhindern. Damit könnten etwa Sachsen, Bayern, das Saarland oder weitere Länder die ganze Bevölkerung in solchen Hotspots an der Grenze impfen.
  • eine Altersbegrenzung bezogen auf den Impfstoff von AstraZeneca wird nicht mehr genannt. Hintergrund ist, dass die Ständige Impfkommission ihn nun auch für Menschen ab 65 Jahre empfiehlt und nicht nur für 18- bis 64-Jährige. 
  • Um möglichst viele Erstimpfungen zu ermöglichen, soll bei den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna der Abstand zur Zweitimpfung von sechs Wochen ausgeschöpft werden – beim Mittel von AstraZeneca von zwölf Wochen. Für Zweitimpfungen schon vereinbarte Termine sind davon aber unberührt.

Quelle: BMG

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Assistenzhunde

Das Thema „Assistenzhunde“ ist gerade etwas in den Fokus gekommen. Zum einen wegen des Teilhabestärkungsgesetzes, das Ende März sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat zum ersten Mal beraten wird. Zum anderen gibt es aktuell einen Antrag der Linksfraktion auf ein gesetzliches Recht auf einen Assistenzhund für Menschen mit Behinderungen.

Teilhabestärkungsgesetz

Das Teilhabestärkungsgesetz behandelt das Thema in einem neuen Abschnitt 2b im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). Dort soll das Recht auf Begleitung durch einen Assistenzhund geregelt werden.

Geltungsbereich des Gleichstellungsgesetzes

Ein ausdrücklich normierter Anspruch führt zu deutlich mehr Rechtsklarheit und letztlich auch zu breiterer allgemeiner Akzeptanz von Assistenzhunden und Menschen mit Behinderungen, die auf einen Assistenzhund angewiesen sind. Dies soll sich bei den Anspruchsverpflichteten nicht auf Träger öffentlicher Gewalt beschränken, sondern auch private natürliche und juristische Personen erfassen. Der Geltungsbereich des BGG wird damit ausgeweitet. Um ein hohes Niveau der Assistenzhundeausbildung zu sichern und gleichzeitig Missbrauch vorzubeugen, legt der Gesetzentwurf zudem fest, dass Assistenzhunde im Sinne des BGG immer ganzheitlich, also im Zusammenwirken von Mensch und Tier betrachtet werden (Mensch-Tier-Gespann). Das Mensch-Tier-Gespann muss von einer zertifizierten Ausbildungsstätte ausgebildet und von einer unabhängigen Prüferin oder einem unabhängigen Prüfer geprüft werden. Dadurch können Qualitätsstandards in der Assistenzhundeausbildung gesetzt werden.

Notwendige Begleiter im Alltag

Assistenzhunde sind für viele Menschen mit Behinderungen notwendige Begleiter im Alltag, um am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können. Neben Blindenführhunden dienen Assistenzhunde etwa als Orientierungshilfe bei Gehörlosigkeit und Demenz, als Unterstützung bei Einschränkungen der Mobilität oder auch als emotionale Stütze für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen oder psychischen oder psychiatrischen Erkrankungen. Sie werden genutzt, um epileptische Anfälle, eine durch Diabetes verursachte Unterzuckerung, Schlaganfälle, Addison-Krisen und Herzerkrankungen, Asthmaanfälle, allergische Schocks oder Anfälle von Narkolepsie und Schlafkrankheit zu erkennen.

Streitfälle vor Gericht

In Deutschland gibt es bislang keine ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften, die die Begleitung von Menschen mit Behinderungen durch Assistenzhunde zu öffentlichen und privaten Anlagen und Einrichtungen regeln. Immer wieder kommt es daher zu Streitfällen zwischen Hundehaltern und Betreibern von Arztpraxen, Geschäften und Theatern, die auch in Gerichtsverfahren mit unterschiedlichem Ausgang mündeten.

Antrag der Linksfraktion

Hier geht es um die Dinge, die im Gesetzentwurf nicht geregelt sind. Konkret fordert die Linke unter anderem, die Nutzung von Assistenzhunden prioritär als Teilhabeleistung im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) festzuschreiben sowie in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen. Ausbildung, laufende Kosten und Betreuung von anerkannten Assistenzhundeteams sollen von den Sozialleistungsträgern im Rahmen des SGB IX vollständig finanziert werden. Assistenzhunde sollen außerdem im Schwerbehindertenausweis eingetragen werden können. Es müsse ferner sichergestellt werden, dass Menschen mit Assistenzhunden, darunter auch mit Blinden-Führhunden, Zugang zu allen öffentlichen Institutionen, privaten und öffentlichen Gesundheitseinrichtungen sowie in Einzelhandel und Kultureinrichtungen erhalten.

Quellen: Bundestag, Bundesrat

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