Wohnungskosten und Angemessenheitsgrenze

Bei der Prüfung, ob eine Wohnung nach dem SGB II angemessen ist, muss das Jobcenter jeden Einzelfall prüfen. Das Bundessozialgericht hatte schon 2006 ein dreistufiges Prüfungsschema aufgestellt:

  • Prüfung der Wohnungsgröße
  • Prüfung des Wohnstandards
  • Prüfung des örtlichen Wohnungsmarktes

Familiäre Besonderheiten

Nun wird in einem Urteil des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen klargestellt, dass auch eine Prüfung der familiären Besonderheiten angebracht ist.

Das LSG hat am 23.10.2023 entschieden, dass das Jobcenter bei besonders schwer verfügbaren, behindertengerechten Wohnungen auch Kosten oberhalb der Angemessenheitsgrenze übernehmen muss.

Zugrunde lag das Eilverfahren einer alleinstehenden Frau (geb. 1976) aus Bremen. Sie hat fünf Kinder im Alter von 9 bis 22 Jahren. Der älteste Sohn ist schwerbehindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. Bisher lebt die Familie in einer 83 m³ großen Vier-Zimmer-Wohnung im 1. Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses. Um die Wohnung zu verlassen, muss der Sohn durch das Treppenhaus getragen werden.

Kosten über der Angemessenheitsgrenze…

Nach langer Suche fand die Familie schließlich eine barrierefreie Wohnung in passender Größe. Die Zentrale Fachstelle Wohnen befürwortete die Anmietung. Das Jobcenter Bremen lehnte eine Zusicherung der Mietübernahme jedoch ab, da die Miete auch nach einem Preisnachlass (1.425,60 €) immer noch über der Angemessenheitsgrenze (1.353,00 €) lag. Außerdem verwies es darauf, dass die Mutter in der Vergangenheit eine andere geeignete Wohnung abgelehnt habe.

…aber hier nicht unangemessen

Das LSG hat das Jobcenter zur Erteilung der Zusicherung verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die höheren Kosten aufgrund der familiären Besonderheiten nicht unangemessen seien. Der Zugang zum Wohnungsmarkt sei für Menschen mit Behinderung ohnehin erschwert. Hinzu komme das geringe Angebot für größere Personenzahlen. Die Chancen einer sechsköpfigen Familie, künftig eine andere rollstuhlgerechte Wohnung zu finden, seien damit sehr gering – dies habe die Zentrale Fachstelle Wohnen ausdrücklich bestätigt. Ferner müsse der schwerbehinderte Sohn nicht deshalb in einer ungeeigneten Wohnung bleiben, weil seine Mutter es in der Vergangenheit ggf. an ausreichenden Bemühungen bei der Wohnungssuche habe fehlen lassen.

Quellen: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13. Oktober 2023, L 13 AS 185/23 B ER, SOLEX

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Einsparungen bei der Betreuung junger Arbeitsloser

Mit dem Haushaltsfinanzierungsgesetz werden sowohl der Haushalt 2024 beschlossen als auch die Finanzplanung für die kommenden Jahre. Vorgesehen sind drastische Kürzungen im Sozialbereich, bei der poltitischen Bildung, bei der Digitalisierung. Die Kindergrundsicherung wird auf ein Minimum reduziert werden. Gleichzeitig sollen aber Unternehmen mit dem „Wachstumschancengesetz“ kräftig unterstützt werden.

Tabu-Politik

Der Streit geht letztendlich darum, ob es wichtiger ist, die Wirtschaft zu stärken oder Armut zu bekämpfen. Offenbar geht nicht beides gleichzeitig, die Schuldenbremse ist tabu. Ebenfalls tabu ist offenbar das Nachdenken über andere Finanzierungsmöglichkeiten, etwa über Erbschafts- oder Vermögenssteuer. Auch die mehr als 46 Milliarden jährliche fossile Subventionen dürfen nicht angetastet werden.

Vom SGB II ins SGB III

Sparpotential haben Arbeitsminister Heil und Finanzminister Lindner auch bei der Berufsberatung und der aktiven Förderung von jungen Menschen unter 25 Jahren im Grundsicherungsbezug entdeckt. Knapp eine Milliarde könne man sparen, wenn die gesetzlichen Regelungen dazu vom SGB II ins SGB III verlagert würden. Dies soll ab 2025 geschehen, so die Finanzplanung.

Das SGB III und damit die Arbeitsagenturen sind auf eine reine Vermittlung in Ausbildung und Arbeit fokussiert, während das SGB II und damit die Jobcenter ganzheitlichere Unterstützungsansätze für junge Menschen in besonderen Lebenslagen bietet.

spezifische Instrumente der Jobcenter

Im SGB II sind spezifische Instrumente für die individuellen, besonderen Bedarfe von jungen Menschen enthalten, die im SGB III nicht existieren. Dazu zählt u.a. die Förderung schwer zu erreichender Jugendlicher (§ 16h SGB II), in deren Rahmen auch verstärkt aufsuchende Arbeit stattfindet, und die ganzheitliche Betreuung junger Menschen zur Heranführung an eine oder Begleitung während einer Ausbildung (§ 16k II SGB II). Das letztgenannte Instrument wurde erst mit der Bürgergeld-Reform eingeführt und soll eine auf die jeweilige Lebenssituation abgestimmte begleitende Unterstützung der Auszubildenden bieten. Diese Instrumente drohen nun ins Leere zu laufen.

Ganzheitliche Betreuung und regionalisierter Ansatz

Hinzu kommt, dass die Maßnahmen im SGB II vielerorts stärker an die regionalen Gegebenheiten angepasst sind. Die ganzheitliche Betreuung junger Menschen erfordert genau diesen regionalisierten Ansatz. Die Angebote und Maßnahmen der Agenturen für Arbeit nach dem SGB III sind hingegen eher bundesweit einheitlich gestaltet.

lokale Netzwerke

Im Rahmen der Maßnahmen nach dem SGB II zur Unterstützung junger Menschen haben sich zudem Netzwerke zwischen lokalen Partnern gebildet. Jobcenter haben sich bspw. mit der Schuldner- und Suchtberatung und Jugendhilfe vernetzt. Diese Verzahnung der regionalen Partner trägt vielerorts zur Bewältigung der verschiedenen Problemlagen und der Beförderung der Integration der jungen Menschen bei.

Zuständigkeitsverlagerung wird abgelehnt

Eine Übertragung der Zuständigkeit geht nach Überzeugung des Paritätischen Gesamtverbandes auf Kosten einer ganzheitlichen Beratung und Betreuung. Daher lehnt der Paritätische Gesamtverband die Ideen einer Zuständigkeitsverlagerung ab.

Kommunen und Länder protestieren

Aber auch die Kommunen und die Länder haben massive Einwände. Länder und Kommunen befürchten nämlich eine massive Entwertung ihrer Jobcenter. Finanzierung, Ausrichtung und Arbeitsweise der 406 bundesweiten Jobcenter stünden „grundsätzlich in Frage“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Länder und Kommunalverbände. Nachdem ihnen bereits für 2024 Mittel in Höhe von 500 Millionen Euro gekürzt werden sollen, würden die Handlungsmöglichkeiten der Jobcenter damit ab 2025 „weiter substanziell eingeschränkt“.

Die Jobcenter mit ihrer hohen Kontaktdichte und dezentralen Struktur seien für diese Form der Beratung besser geeignet als die Agenturen. Sie hätten mit umfassenden Netzwerken, Kooperationen und Beratungsangeboten belastbare Strukturen geschaffen – „nun wird dieser ganzheitliche Ansatz zerschlagen“.

parlamentarische Beratung im September

Das Haushaltsfinanzierungsgesetz wurde am 16. August im Kabinett beschlossen. Im September beginnen dann die parlamentarischen Beratungen im Bundestag.

Quellen: Paritätischer Gesamtverband, Finanzministerium, Merkur.de, Greenpeace, SOLEX

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Bürgergeld: Erreichbarkeit

Mit der Einführung des § 7b SGB II durch das Bürgergeld-Gesetz zum 1. Juli 2023 wird die Erreichbarkeit von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten neu geregelt. Wenn Leistungsberechtigte erreichbar sind und sich im näheren Bereich des zuständigen Jobcenters aufhalten, haben sie bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Anspruch auf Bürgergeld. Der nähere Bereich wird festgelegt durch die angemessene Zeitspanne, in welcher Leistungsberechtigte die Dienststelle des zuständigen Jobcenters aufsuchen können. Diese Zeitspanne ist gesetzlich nicht definiert. Der Begriff wird durch den Erlass einer Verordnung bestimmt. Der Entwurf der SGB II-Erreichbarkeitsverordnung liegt nun vor.

Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Die Verordnung konkretisiert insbesondere folgende Aspekte der Erreichbarkeit:

  • Definition des näheren Bereichs im Sinne des § 7b Absatz 1 Satz 2 SGB II. Ein Aufenthalt im näheren Bereich liegt vor, wenn und soweit die Leistungsberechtigten mit einer einfachen Wegstrecke von 2,5 Stunden die für sie zuständige Dienststelle des Jobcenters erreichen können (bisher „insgesamt 2,5 Stunden für den Hin- und Rückweg“ (Fachliche Weisungen 7, Rn.133),
  • Festlegungen zur Möglichkeit, eingehende Mitteilungen werktäglich zur Kenntnis nehmen zu können (Bisher war werktägliche und persönliche postalische Erreichbarkeit gefordert, nunmehr reicht die „werktägliche Möglichkeit der Kenntnisnahme“ von Jobcentermitteilungen. Das bedeutet: die postalische Erreichbarkeit ist erfüllt, wenn Jobcenterpost von Dritten an die Leistungsbeziehenden weitergeleitet wird. Das ist vor allem bei wohnungslosen Menschen wichtig),
  • Ergänzung eines weiteren wichtigen Grundes im Sinne von § 7b Absatz 2 Satz 2 SGB II für Abwesenheiten außerhalb des näheren Bereichs („um Angehörige… bei der Geburt eines Kindes oder bei Pflege zu unterstützen, oder im Todesfall eines Angehörigen“),
  • Ausnahme vom Erfordernis der Zustimmung bei Abwesenheiten auf Grund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Das betrifft Leistungsberechtigte, die Bürgergeld ergänzend zu einem Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit im Umfang einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, also oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze beziehen und deren gesetzlicher Urlaubsanspruch drei Wochen übersteigt. Sie dürfen den näheren Bereich ohne wichtigen Grund, für die Dauer ihres arbeitsvertraglichen Urlaubsanspruchs verlassen, auch wenn dieser einen längeren Zeitraum als drei Wochen umfasst.
  • Regelungen zum Zustimmungserfordernis und zur Dauer der Abwesenheit bei Vorliegen und Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes,

Zustimmungserfordernis

Bei der letzten Regelung (Zustimmungserfordernis), kritisiert der Verein tacheles e.V. dass hier  ein Anspruch auf Zustimmungserteilung fehle. SGB II – Leistungsbeziehende seien von der Willkür der Integrationsfachkräfte abhängig. In der Realität werde vielmals gesagt: „eine Entscheidung könnte allenfalls 5 Tage vorher getroffen werden“. Der fehlende Anspruch auf eine zeitnahe Entscheidung und damit die Möglichkeit langfristig Urlaub zu planen und kostengünstig zu buchen entfalle dadurch.

Leistungsberechtigte seien damit möglicher und nicht nötiger Willkür und faktischen Sanktionen ausgesetzt. Denn bei Ortsabwesenheit ohne Zustimmung entfalle für diesen Zeitraum komplett der Leistungsanspruch, dh. keine Regelleistung, keine Miete, keine Krankenkasse. 

Quelle: BMAS, tacheles e.V., Arbeitsagentur, FOKUS-Sozialrecht, SOLEX, Thomas Knoche: Grundlagen – SGB II: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Walhalla Fachverlag; 3., aktualisierte Edition (28. Februar 2023)

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Streit um das Bürgergeld

Die CDU droht beim Bürgergeld mit einer Blockade im Bundesrat. Zusammen mit Industrie-, Handwerks-, Mittelstands- und Arbeitgeberverbänden begann sie eine regelrechte Kampagne, um das Bürgergeldgesetz noch zu verhindern. Hierbei wird die Erhöhung der Regelsätze angesichts der aktuellen Inflationsraten zunehmend von der Kritik ausgenommen – ins Zentrum sind inzwischen die geplanten Regelungen zum Schonvermögen sowie zur Übernahme der Wohnkosten und die für die ersten Monate vorgesehene weitgehend sanktionsfreie Leistungsgewährung gerückt.

Neid-Kampagne, wie gehabt

Dabei sind die „Berechnungsbeispiele“, nach denen sich bei Einführung des Bürgergelds Arbeit nicht mehr lohne, sehr erfolgreich in den sozialen Medien und Teilen der Presse, allerdings oft falsch und irreführend. Wie die Fake-Berechnungen funktionieren und was daran falsch ist, hat der Volkswirt Dr. Johannes Steffen ausführlich in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau beschrieben.

Mit ähnliche Kampagnen wurde schon bei Einführung des Arbeitslosengeldes II (2005) und man glaubt es kaum, schon bei Einführung der Sozialhilfe 1962, versucht die ärmsten Schichten der Bevölkerungen gegeneinander auszuspielen.

Konsens bei Regelsatzerhöhung

Trotz der „Arbeit muss sich lohnen“- Kampagne soll die Regelsatzerhöhung ja gar nicht verhindert werden. Die Regelsatzerhöhung könne man ja vom Gesetz abrennen und gesondert beschließen, so der Oppositionsführer Merz.

Dies hat die Ampelregierung natürlich abgelehnt, weil sie die Reform des SGB II als Gesamtpaket sieht mit den vebesserten Weiterbildungsangeboten und einer grundsätzlichen Strukturreform auch im Umgang mit den Leistuingsempfängern.

Wesentliche Teile erst im Juli 23

Wesentliche Teile des Gesetzes sollen ohnehin erst zum Juli 2023 in Kraft treten, unter anderem die neuen Regelungen zu

  • Kooperationsplan,
  • Vertrauenszeit und Kooperationszeit,
  • Schlichtungsverfahren,
  • Bürgergeldbonus,
  • Leistungsminderungen,
  • Weiterbildungsprämie und Weiterbildungsgeld.

Herausforderung für die Jobcenter

In der Anhörung im Auschuss Arbeit und Soziales zeigte sich auch die Vertreterin der Bundesarbeitsagentur darüber erleichtert, weil „die Arbeit im Jobcenter sich wesentlich verändern wird, dafür brauchen wir mehr Vorlaufzeit.“ Gefordert wurde dafür, auch von anderen Verbänden und vom DGB eine deutliche Aufstockung der Mittel im Haushalt 2023.

Abstriche möglich

Vermutlich wird Arbeisminister Heil nicht dran vorbeikommen, etwa bei den Plänen zum Schonvermögen sowie zur Übernahme der Wohnkosten und/oder bei den Sanktionsregelungen noch Abstriche zu machen. Was wiederum die Sozialverbände nicht begeistert hinnehmen werden. Es bleibt spannend.

Quellen: Bundesrat, Bundestag, Tagesschau, Frankfurter Rundschau, FOKUS-Sozialrecht

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Die Bereicherung der Schüler

Nutznießer des drei Monate geltenden 9-Euro-Tickets sind auch Schüler aus Hartz IV- Familien. Vielen der Betroffenen wurde das Geld für eine reguläre Schülermonatskarte von um die 40 Euro bereits erstattet. Für die Geltungsdauer des 9-Euro-Tickets wurde diesen Schülern also zu viel gezahlt.

ungerechtfertigte Bereicherung?

Einige Bundesländer wollen dieses Geld nun zurückfordern, weil es sich dabei um eine „un­gerechtfertigte Bereicherung“ handele. Angesichts der zusätzlichen Milliardengewinne der Mineralölkonzrne aufgrund des „Tankrabatts“ klingt diese Begründung ein wenig zynisch.

Appell vom Minister

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat daher reagiert und die Länder aufgefordert, auf Rückzahlungen entsprechender Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu verzichten. Da für die Umsetzung des verbilligten Tickets die Kommunen unter der Rechtsaufsicht der Bundesländer zuständig sind, kann das BMAS hier nur appellieren. 

„kaltherzig, bürokratisch und völlig empathielos“

Auch der Paritätische Gesamtverband zeigt sich empört, dass einige Bundesländer offenbar Rückforderungen von Zuschüssen für Schülerfahrkarten von Familien in Hartz IV vorsehen, sofern sich durch das bundesweite 9-Euro-Ticket Einsparungen ergeben. “Wie kaltherzig, bürokratisch und völlig empathielos hier mit armen Familien umgegangen wird, ist einfach schäbig und eines Sozialstaats unwürdig”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. “Wer wie das baden-württembergische Wirtschaftsministerium im Falle einer Nicht-Rückzahlung von einer ‘ungerechtfertigten Bereicherung’ spricht, hat offenbar jeglichen Bezug zu Realitäten verloren und will offensichtlich Neiddebatten schüren.”

Kosten drei mal so hoch

Laut § 40 Abs. 6 S. 3 SGB II sind im Übrigen Rückforderungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket ausgeschlossen, es sei denn man weist in jedem Einzelfall eine „mißbräuchliche“ Verwendung nach. Der Verwaltungsaufwand wäre erheblich. Die Kosten, die die Jobcenter ausgeben, um zu viel gezahltes Geld einzutreiben, sind bis zu drei mal so hoch wie der zurürckgeforderte Betrag. Dies hat die Redaktion von hartziv.org schon 2019 ausgerechnet. Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber.

Quellen: Spiegel, Süddeutsche Zeitung, HartzIV.org, Paritätischer Gesamtverband

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Zwischenbericht zum Teilhabechancengesetz

Seit dem 1. Januar 2019 gilt das Teihabechancengesetz (nicht zu verwechseln mit dem Teilhabestärkungsgesetz, bei denen es um Änderungen im SGB IX geht.). Mit dem Teihabechancengesetz sollte ein neuer sozialer Arbeitsmarkt entstehen, durch den die Beschäftigungschancen von arbeitsmarktfernen Menschen verbessert und damit soziale Teilhabe ermöglicht würde.

Zwischenbericht

Mittlerweile werden rund 55.000 Arbeitsverhältnisse gefördert. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat die Wirkung des Gesetzes untersucht und bewertet es in seinem Zwischenbericht durchweg sehr positiv. 

Die drei wichtigsten Erkenntnisse des IAB sind:

  • Die Jobcenter empfinden vor allem die Förderung der „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) als innovativ und als Bereicherung für die Eingliederung von arbeitsmarktfernen Menschen.
  • Mit dem Teilhabechancengesetz werden die richtigen Zielgruppen erreicht: Arbeitsmarktferne langzeitarbeitslose Menschen, meist ohne Berufsabschluss, darunter viele ältere Menschen.
  • Klar bestätigt wird, dass der neue Ansatz, geförderte Beschäftigung mit einem begleitenden Coaching zu verbinden, zu einer nachhaltigeren Beschäftigungsaufnahme führt. Dies sichert eine Stabilisierung im Alltag und im Beruf.

Worum geht’s?

Es handelt sich um Instrumente der Jobcenter, deren Rechtsgrundlage im SGB II geregelt ist:

  • § 16e SGB II: Eingliederung von Langzeitarbeitslosen und
  • § 16i SGB II: Teilhabe am Arbeitsmarkt

Eingliederung von Langzeitarbeitslosen

Bei diesem Instrument geht es um die Besetzung vorhandener Arbeitsplätze mit Langzeitarbeitslosen und deren Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und Beschäftigungschancen.

Gefördert werden sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei allen Arten von Arbeitgebern mit dem Ziel der Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Lohnkostenzuschüsse stellen für Arbeitgeber einen besonderen Anreiz dar, Langzeitarbeitslose zu integrieren. Die Ausgestaltung als klassischer Lohnkostenzuschuss ist für Arbeitgeber attraktiv. Anders als bei einer Maßnahme besteht keine temporäre Zuweisung; die Förderung knüpft allein daran an, dass ein mindestens zweijähriges Arbeitsverhältnis begründet wird.

Teilhabe am Arbeitsmarkt

Damit sollten zusätzliche Arbeitsplätze für langzeitarbeitslose Menschen über 25 Jahren geschaffen werden. Neben der Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und -chancen soll auch die soziale Teilhabe gefördert werden.

Durch individuelle Beratung und intensive Betreuung sollen sie bei der Suche nach einem passenden Arbeitsplatz unterstützt werden. Arbeitgeber erhalten Zuschüsse zu den Lohnkosten, die Beschäftigten eine beschäftigungsbegleitende Unterstützung.

Es handelt sich um ein bewerberorientiertes Vorgehen der Jobcenter, insbesondere die gezielte Stellenakquise in der direkten Arbeitgeberansprache. Das Jobcenter bietet dazu eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung (sog. Coaching) für diesen Personenkreis, der in absehbarer Zeit keine realistische Chance auf eine ungeförderte Beschäftigung hätte. Dies soll eine längerfristige Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt eröffnen. Neben der Eröffnung von Teilhabechancen bleibt die Förderung von Beschäftigungsfähigkeit und damit der Übergang aus der geförderten in eine ungeförderte Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittel- und langfristig das Ziel.

Entfristung

Die Regelungen des § 16i SGB II laufen zum Jahresende 2024 aus. Förderungen können bis bis zum 31. Dezember 2024 beginnen und längstens bis zum 31. Dezember 2029 erbracht werden.

Die positiven Ergebnisse und Erkenntnisse des IAB sowie die Rückmeldungen aus der Praxis sprechen bereits jetzt dafür, so das BMAS, § 16i SGB II „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ zu entfristen und dauerhaft im Förderinstrumentarium des SGB II zu implementieren.

Quellen: BMAS, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), FOKUS-Sozialrecht

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Computer als Mehrbedarf

Wer zum schon einmal einen Antrag auf  Hartz IV gestellt hat, kennt die vielen Formulare, die auszufüllen sind. Der Hauptantrag: sechs Seiten. Die Ausfüllhilfe dazu: zwölf Seiten. Diverse Anlagen kommen noch dazu – etwa die über Einkommensverhältnisse, Kosten der Unterkunft und eventuell Kinder oder „weitere erwerbstätige Personen“. Er hat über den Unterschied zwischen Haushaltsgemeinschaft und Bedarsfgemeinschaft gerätselt und kennt die Sorgen, wie man alle nötigen Bescheinigungen zusammen bekommen soll.
Dazu kommt noch, dass diese Prozedur alle 6 bis 12 Monate wiederholt werden muss, oder auch zwischendurch, wenn man einen besonderen Bedarf hat.

Um so ärgerlicher ist es, wenn gerade zusätzliche Bedarfe für Schüler, es geht hauptsächlich um Computer, immer wieder von den Jobcentern zunächst nicht anerkannt werden, so dass die betroffenen Hilfeempfänger gezwungen sind, den nervenaufreibenden und langen Weg zu den Sozialgerichten zu gehen. Die Sozialgerichte heben dann in der Regel die Entscheidungen der Jobcenter auf.

Da könnte man entweder auf die Idee kommen, dass die Mitarbeiter in den Jobcentern nicht genügend über die aktuelle Rechtsprechung informiert sind. Oder hofft man etwa, dass sich möglichst viele nicht trauen, die Gerichte anzurufen?

Urteil Sozialgericht Mannheim

Aktuell hat das Sozialgericht Mannheim entschieden, dass ein Grundsicherungsempfänger, der die Oberstufe eines Gymnasiums besucht, Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Computers oder Laptops als Mehrbedarf hat. Das Gericht hat den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Mehrbedarf in Höhe von maximal 300 Euro zum Erwerb eines Computers bzw. Laptops zu gewähren.

Konkret geht es bei diesen Rechtsstreitigkeiten um die Auslegung de § 21 Absatz 6 des SGB II: „Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht.“ Hier sorgt das Wort „laufender“ vermutlich für Irritationen. Der PC wird zwar in der Schule „laufend“ gebraucht, es handelt sich aber nur um eine einmalige Ausgabe.

So erläutert das Sozialgericht Mannheim denn auch, dass ein direkter Anspruch aus dieser Norm nicht möglich sei, weil es sich bei den Kosten nicht um einen laufenden Bedarf handele. Es konstatiert daher im Normengefüge des SGB II eine planwidrige Regelungslücke, deren Schließung eine analoge Anwendung von § 21 Abs. 6 SGB II notwendig mache. Aus keiner der Anspruchsgrundlagen des SGB II ergebe sich ein direkter Anspruch des Klägers auf Gewährung der Kosten. Sie seien nicht hinreichend vom Regelbedarf umfasst und könnten nicht durch Ansparungen aus diesem bestritten werden. Die Kosten werden nicht durch die sog. „Schulbedarfspauschale“ nach § 28 Abs. 3 SGB II gedeckt. Deswegen stehe dem Schüler ein Anspruch auf Leistungen für die Anschaffung zur Erfüllung der schulischen Anforderungen nach § 21 Abs. 6 SGB II analog zu. 

weitere Urteile

Es ist dies wie gesagt nicht das erste Mal, dass eine Entscheidung der Sozialgerichte so ausgefallen ist, zum Beispiel:

Konsequenzen?

Um das ganze Hartz 4 geschehen stressfreier zu gestalten, gäbe es einige Möglichkeiten:

  • der Gesetzgeber könnte die Mehrbedarfsnorm anpassen,
  • die Jobcenter könnten mehr Sozialgerichtsurteile lesen,
  • die Antragsflut könnte vereinfacht werden.

Oder man könnte über eine Abschaffung des Hartz 4 – Systems und über ein bedingungsloses Grundeinkommen nachdenken.

Quellen: juris, DGB, Haufe, Rechtsprechung-im-Internet.de

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