Entlastung 3 – heiße Luft?

Seit Sonntag Mittag wird das Dritte Entlastungspaket in sämtlichen Medien ausführlich behamdelt, gelobt, verrissen und auseinandergepflückt. Wenn die einzelnen Maßnahmen in tatsächlichen Gesetzentwürfen eingeflossen sind, werden wir hier auch näher darauf eingehen.

Nicht viel Neues

Ein nicht unerheblicher Teil des Entlastungspakets besteht dabei aus Maßnahmen, die entweder schon beschlossen wurden oder ohnehin fällig waren.

  • Die Erhöhung der SGB II – Grundsicherung ist Bestandteil des neuen Bürgergelds.
  • Die Erhöhung des Kindergelds gehört zur jährlichen Anpassung der Einkommenssteuer. Hier soll das Kindergeld aber deutlicher steigen als vom Finanzminister vorgesehen.
  • Eine deutliche Ausweitung des Wohngelds wurde schon im Koalitionsvertrag als Ziel angegeben.
  • Die Absetzbarkeit der Rentenbeiträge bei der Steuer ist eine Vorgabe des Bundesfinanzhofs von 2021.

Vage

Vieles aus dem Entlastungspaket bleibt vage, so der Strompreisdeckel und die Finanzierung desselben. Das muss erst mal mit der EU abgestimmt werden und gegebenenfalls ohne EU zurechtgebastelt werden. Vielleicht sollte man sich mal in Spanien oder Belgien umhören, wie man eine Übergewinnsteuer – so darf man das hierzulande übrigens auf keinen Fall nennen – funktioniert.

x-Euro-Ticket

Einen Nachfolger für das überaus erfolgreiche Neun-Euro-Ticket soll es auch geben. Aber erst nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen mit den Bundesländern. Finanziell schwächere Familien werden aber sicher keine 200 bis 250 Euro monatlich dafür ausgeben können, bei einem Preis von etwa 50 Euro und einer vier- oder fünfköpfigen Familie.

Studenten

200 Euro für Studenten, Problem ist noch, wie man die überhaupt auszahlen will. Man weiß es noch nicht.

Rentner

Keine derartigen Probleme dürfte es bei der Rentenversicherung im Dezember geben, wenn die 300 Euro für die Rentner ausgezahlt werden sollen. Die Probleme haben allerdings die ärmeren Rentner, die nicht wissen, wie sie damit die 1000 Euro Heizkostennachzahlung bezahlen sollen. Und die reicheren Rentner? Die können vielleicht ihren Enkeln ein 50(plus x)-Euro-Ticket davon kaufen.

Quellen: Tagesschau, FOKUS-Sozialrecht

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Die Bereicherung der Schüler

Nutznießer des drei Monate geltenden 9-Euro-Tickets sind auch Schüler aus Hartz IV- Familien. Vielen der Betroffenen wurde das Geld für eine reguläre Schülermonatskarte von um die 40 Euro bereits erstattet. Für die Geltungsdauer des 9-Euro-Tickets wurde diesen Schülern also zu viel gezahlt.

ungerechtfertigte Bereicherung?

Einige Bundesländer wollen dieses Geld nun zurückfordern, weil es sich dabei um eine „un­gerechtfertigte Bereicherung“ handele. Angesichts der zusätzlichen Milliardengewinne der Mineralölkonzrne aufgrund des „Tankrabatts“ klingt diese Begründung ein wenig zynisch.

Appell vom Minister

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat daher reagiert und die Länder aufgefordert, auf Rückzahlungen entsprechender Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu verzichten. Da für die Umsetzung des verbilligten Tickets die Kommunen unter der Rechtsaufsicht der Bundesländer zuständig sind, kann das BMAS hier nur appellieren. 

„kaltherzig, bürokratisch und völlig empathielos“

Auch der Paritätische Gesamtverband zeigt sich empört, dass einige Bundesländer offenbar Rückforderungen von Zuschüssen für Schülerfahrkarten von Familien in Hartz IV vorsehen, sofern sich durch das bundesweite 9-Euro-Ticket Einsparungen ergeben. “Wie kaltherzig, bürokratisch und völlig empathielos hier mit armen Familien umgegangen wird, ist einfach schäbig und eines Sozialstaats unwürdig”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. “Wer wie das baden-württembergische Wirtschaftsministerium im Falle einer Nicht-Rückzahlung von einer ‘ungerechtfertigten Bereicherung’ spricht, hat offenbar jeglichen Bezug zu Realitäten verloren und will offensichtlich Neiddebatten schüren.”

Kosten drei mal so hoch

Laut § 40 Abs. 6 S. 3 SGB II sind im Übrigen Rückforderungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket ausgeschlossen, es sei denn man weist in jedem Einzelfall eine „mißbräuchliche“ Verwendung nach. Der Verwaltungsaufwand wäre erheblich. Die Kosten, die die Jobcenter ausgeben, um zu viel gezahltes Geld einzutreiben, sind bis zu drei mal so hoch wie der zurürckgeforderte Betrag. Dies hat die Redaktion von hartziv.org schon 2019 ausgerechnet. Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber.

Quellen: Spiegel, Süddeutsche Zeitung, HartzIV.org, Paritätischer Gesamtverband

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