Ende der Kostenheranziehung junger Menschen im SGB VIII

Mit dem Gesetz zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe (gültig seit 1. Januar 2023) wird die Kostenheranziehung von jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII (Gemeinsame Wohnformen für Mütter oder Väter mit Kindern) sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aus ihrem Einkommen und Vermögen abgeschafft. Dadurch können die jungen Menschen und Leistungsberechtigten sowie ihre Ehegatten und Lebenspartner vollständig über das Einkommen, das sie erzielen, verfügen. Die Heranziehung der Elternteile aus ihrem Einkommen bleibt unverändert.

Finanzielle Entlastung

Dadurch können junge Menschen, die diese Leistungen beziehen, finanziell entlastet werden. Betroffene junge Menschen könnten dann leichter Geld für Kosten ansparen, welche mit dem oftmals mit der Volljährigkeit anstehenden Auszug aus der Einrichtung oder Pflegefamilie entstehen, wie z.B. eine Wohnungskaution.

Die Abschaffung der Kostenheranziehung könnte dazu führen, dass junge Menschen in vollstationären Formen der Jugendhilfe wie auch ihre Ehegattinnen und Ehegatten bzw. Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern motivierter sind eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, da sie nun eigenständig über ihr gesamtes Einkommen verfügen können.

Ausnahmen

Ausnahmen gibt es beim Kindergeld und anderen zweckgleichen Leistungen.
Weiterhin ist es möglich, dass Kinder und Jugendliche, junge Volljährige, Leistungsberechtigte in Gemeinsamen Wohnformen für Mütter oder Väter mit Kindern und Elternteile wie bisher unabhängig vom Einkommen zu den Kosten herangezogen werden können. Diese Möglichkeit besteht zum einen wie bisher, wonach Geldleistungen, die dem gleichen Zweck wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienen, unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen sind (§ 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII). Zum anderen ist weiterhin von der Person, die das Kindergeld bezieht, ein Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu zahlen (§ 94 Absatz 3 SGB VIII). Die Ehegatten und Lebenspartner wurden aus dem Personenkreis herausgenommen, da diese keine zweckgleiche Leistung oder das Kindergeld für den jungen Menschen oder für alleinstehende Mütter/Väter mit Kindern in gemeinsamen Wohnformen (§ 19 SGB VIII) erhalten.

Zweckgleiche Leistungen

Zweckgleiche Leistungen neben dem Kindergeld sind beispielsweise

  • Leistungen aus der Unterhaltsvorschusskasse und sonstige Leistungen mit Unterhaltsersatzfunktion
  • Halb- und Vollwaisenrenten
  • Kinderbetreuungskosten
  • Krankenhilfe

Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld

Bis Ende 2022 mussten junge Menschen die Berufsausbildungsbeihilfe und das Ausbildungsgeld vollständig als zweckgleiche Leistung an das Jugendamt abgeben. Auch im ursprünglichen Gesetzentwurf war hier keine Abhilfe geplant.

Dies hätte bedeutet, dass sich in der Ausbildung befindende junge Menschen mit der Neuregelung der Kostenheranziehung nun gegenüber jungen Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt noch schlechter gestellt würden, da ihr Ausbildungslohn bereits jetzt in vollem Umfang zu den Kosten herangezogen wird und sie nicht, wie die Auszubildenden auf dem ersten Arbeitsmarkt, zumindest einen Teil davon behalten dürfen. Nach längerer Debatte und Einwänden der Sozialverbände gibt es nun folgende Lösung:

Um diesen jungen Menschen in ihrer schwierigen Lage eine Chance für ihre wirtschaftliche Emanzipation zu bieten, sollen sie ab 1. Januar 2023 einen bestimmten Teil ihrer Berufsausbildungsbeihilfe oder ihres Ausbildungsgeldes behalten dürfen.

  • Bei der Berufsausbildungsbeihilfe soll der Betrag, der als Einkommen gilt, der Höhe des Betrages für sonstige Bedürfnisse entsprechen, das sind aktuell 109,00 EUR.
  • Beim Ausbildungsgeld soll der Betrag, der als Einkommen gilt, der Höhe des Betrages für den Bedarf entsprechen, das sind aktuell 126 EUR.
  • Beträgt die Höhe der Berufsausbildungsbeihilfe oder des Ausbildungsgeldes gleich viel oder weniger als die genannten Beträge, so gilt die gesamte Berufsausbildungsbeihilfe oder das gesamte Ausbildungsgeld als Einkommen und ist von dem Einsatz für die Kosten der Leistung der Kinderund Jugendhilfe ausgenommen.

Quellen: Bundesregierung, FOKUS Sozialrecht, Kompetenzzentrum Jugend-Check

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Kostenheranziehung im SGB VIII

Die Bundesregierung hat einen Referentenentwurf vorgelegt zur Abschaffung der Kostenheranziehung für junge Erwachsene im SGB VIII. Dieses Vorhaben war auch schon im Koalitionsvertrag formuliert worden.

Aktuelle Gesetzeslage

In der Kinder- und Jugendhilfe werden junge Menschen, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe leben und die ein eigenes Einkommen haben, zu den Kosten der Leistung der Kinder- und Jugendhilfe aus ihrem Einkommen herangezogen. Dies gilt ebenfalls für alleinerziehende Mütter oder Väter mit ihrem Kind, die nach § 19 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) in einer gemeinsamen Wohnform untergebracht sind (sogenannte Leistungsberechtigte nach § 19 SGB VIII). Gemäß § 94 Absatz 6 SGB VIII haben junge Menschen sowie Leistungsberechtigte nach § 19 SGB VIII bis zu 25 % ihres Einkommens als Kostenbeitrag einzusetzen. Auch die Ehegatten und Lebenspartner der jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII werden abhängig von der Höhe ihres Einkommens zu den Kosten aus ihrem Einkommen herangezogen.

Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe

Diese Regelung widerspricht nach Auffassung der Regierung und schon seit längerem der Auffassung der Sozialverbände dem Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe, junge Menschen darin zu unterstützen, sich zu einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu entwickeln. Junge Menschen sollen darin gestärkt und dazu motiviert werden, Verantwortung zu übernehmen für einen erfolgreichen Weg in ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben.

erschwerter Start

Wachsen junge Menschen außerhalb ihrer Herkunftsfamilie auf, haben sie bereits mit zusätzlichen Herausforderungen umzugehen und dadurch einen schwierigeren Start in ein eigenständiges Leben. Dieser Start wird nochmal erschwert, wenn sie einen Teil ihres Einkommens, das sie zum Beispiel im Rahmen eines Schüler- oder Ferienjobs oder ihrer Ausbildung verdienen, abgeben müssen. Das Erreichen selbst gesteckter Ziele wie zum Beispiel die Finanzierung eines Führerscheins, die Finanzierung einer Reise, das Erarbeitung von Startkapital für ihre Zukunft, wird erschwert bzw. dauert insgesamt länger.

weniger Chancen

Damit können Erfolgserlebnisse durch eigenes Engagement unerreichbar erscheinen, gerade auch im Vergleich mit Gleichaltrigen, die ihre Einkommen behalten dürfen. Die Motivation, sich Ziele zu setzen und sich für diese einzusetzen, wird dadurch gedämpft. Dies kann zur Folge haben, dass eine Ausbildung gar nicht erst begonnen oder einer anderen Beschäftigung nicht nachgegangen wird. Dadurch werden nicht nur die Chancen der jungen Menschen am Arbeitsmarkt eingeschränkt, den jungen Menschen fehlen letztlich auch Mittel, um finanziell unabhängig zu werden.

Kostenheranziehung soll weg

Der Gesetzentwurf sieht vor, die Kostenheranziehung von jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aufzuheben. Dadurch können die jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 sowie ihre Ehegatten und Lebenspartner vollständig über das Einkommen, das sie erzielen, verfügen.

Nachbesserungsbedarf

In einer Stellungnahme dazu begrüßt der Paritätische Gesamtverband das Vorhaben der Regierung. Er merkt aber an, dass auch beim Ausbildungsgeld Nachbesserungsbedarf besteht. Das Ausbildungsgeld nach § 122 SGB III wird jungen Menschen mit Behinderung während der Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (einschließlich einer Grundausbildung), einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der unterstützten Beschäftigung (nach § 55 SGB IX), einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) oder während einer beruflichen Erstausbildung zur Sicherstellung des Lebensunterhalts dann gezahlt, wenn kein Anspruch auf Übergangsgeld existiert. 

nicht alle werden entlastet

Für Bezieher von Ausbildungsgeld gelte die Abschaffung der Kostenheranziehung allerdings nicht. Hier geht es um junge Menschen, die in Pflegefamilien oder sonstigen stationären Formen der Hilfe zur Erziehung (§ 34 SGB VIII) oder Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII leben.

Die jungen Menschen, die beispielsweise eine als Rehamaßnahme geförderte Ausbildung absolvieren oder an einer (berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme für Rehabiltant*innen teilnehmen, bekommen keine sozialversicherungspflichtige Ausbildungsvergütung sondern eine Netto-Unterhaltszahlung. Tatsächlich wird dieser Unterhaltsbetrag aber als Ausbildungsgeld bezeichnet.

Ausbildungsgeld wird kassiert

Im § 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII wird festgelegt, dass Geldleistungen, die dem gleichen Zweck dienen nicht als Einkommen anzusehen sind und unabhängig vom Kostenbeitrag zur Finanzierung der Kinder- und Jugendhilfeleistung einzusetzen sind. Für viele junge Menschen, die in stationären Formen der Jugendhilfe (§§ 33, 34, 35a, 13 SGB VIII) leben, wird somit der gesamte Betrag des Ausbildungsgeldes von der Jugendhilfe einbehalten.

Quellen: BMSFJ, Paritätischer Gesamtverband, FOKUS-Sozialrecht, SOLEX

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SGB VIII – Besteuerung von Einnahmen

Das Bundesministerium der Finanzen hat am 31.8.2021 ein Schreiben zur einkommensrechtlichen Behandlung der Geldleistungen für Kinder in Vollzeitpflege und anderen Betreuungsverhältnissen veröffentlicht. Es geht im Wesentlichen darum, ob bei den jeweiligen Betreuungsleistungen der § 3 Nr.11 Einkommenssteuergesetz gilt, wonach „Bezüge aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung oder Ausbildung, die Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern“ steuerfrei sind.

Mit dem Schreiben des Finanzministeriums gelten nun

  • für Kinder in Vollzeitpflege,
  • für die Erziehung in einer Tagesgruppe,
  • für die Heimerziehung/ Erziehung in sonstiger betreuter Wohnform und
  • für die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung

folgende Regelungen:

Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII)

Die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII dient dazu, einem Kind zeitlich befristet oder dauerhaft im Haushalt der Pflegeeltern ein neues Zuhause zu bieten. Im Rahmen der Vollzeitpflege wird Pflegegeld ausgezahlt, welches die materiellen Aufwendungen und die Kosten der Erziehung abdeckt. Zusätzlich werden anlassbezogene Beihilfen und Zuschüsse geleistet.

keine Erwerbstätigkeit

Sowohl das Pflegegeld als auch die anlassbezogenen Beihilfen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln sind steuerfrei, sofern eine Erwerbstätigkeit nicht vorliegt. Bei einer Betreuung von bis zu sechs Kindern ist ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird.

Erwerbstätigkeit

Werden mehr als sechs Kinder gleichzeitig im Haushalt aufgenommen, wird eine Erwerbstätigkeit vermutet, damit wäre das Pflegegeld nicht steuerfrei.

Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII)

Die Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe soll die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen durch soziales Lernen in der Gruppe, Begleitung der schulischen Förderung und Elternarbeit unterstützen und dadurch den Verbleib des Kindes oder des Jugendlichen in seiner Familie sichern.

institutionelle Tagesgruppe

Die Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe wird durch angestellte Fachkräfte geleistet. Die Einnahmen sind nicht steuerfrei.

in geeigneten Formen der Familienpflege

Wird die Hilfe zur Erziehung in geeigneten Formen der Familienpflege erbracht und mit Geldleistungen der Jugendämter finanziert, handelt es sich um Beihilfen, die unmittelbar die Erziehung fördern und aus öffentlichen Mitteln geleistet werden. Sie sind daher für die Pflegeperson steuerfrei.

Heimerziehung/Erziehung in sonstiger betreuter Wohnform (§ 34 SGB VIII)

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Das langfristige Ziel dieser Form der Pflege ist – entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie -, eine Rückkehr in diese Familie zu erreichen oder – falls dies nicht möglich ist – die Erziehung in einer anderen Familie vorzubereiten oder durch eine auf längere Zeit angelegte Lebensform auf ein selbständiges Leben vorzubereiten. Zur Heimerziehung und sonstigen betreuten Wohnform können u. a. heilpädagogische oder therapeutische Heime, Kinderdörfer, Kinderhäuser zählen.

regelmäßig erwerbstätig

Diese Form der Erziehungshilfe in diesen Einrichtungen wird regelmäßig erwerbsmäßig ausgeübt und stellt daher eine berufliche Tätigkeit dar. Die hierfür gezahlten Gelder sind deshalb steuerpflichtig.

Betriebseinnahmen bei Freiberuflichen

Ist die Betreuungsperson freiberuflich tätig, sind die Zahlungen für die Bestreitung der Sach- und Unterhaltsaufwendungen des Kindes als Betriebseinnahmen zu behandeln.

Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII)

Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung soll Jugendlichen gewährt werden, die einer intensiven Unterstützung zur sozialen Integration und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bedürfen. Die Hilfe ist in der Regel auf längere Zeit angelegt und soll den individuellen Bedürfnissen des Jugendlichen Rechnung tragen.

bei nur einem Kind/Jugendlichen, unbefristet

Leistungen, die aus öffentlichen Mitteln der Jugendhilfe für eine intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung verhaltensauffälliger Kinder bzw. Jugendlicher erbracht werden, sind als steuerfreie Bezüge zu behandeln, wenn jeweils nur ein Kind bzw. ein Jugendlicher zeitlich unbefristet in den Haushalt des Betreuers aufgenommen und dort umfassend betreut wird.

mehrere Betreute, zeitlich befristet

Die Annahme einer steuerpflichtigen erwerbsmäßigen Betreuung ist dagegen gerechtfertigt, wenn die Umstände des Pflegeverhältnisses für den Vergütungscharakter der gezahlten Gelder sprechen (Anzahl der betreuten Kinder, kurzfristige Betreuung) -> nicht steuerfrei.

Leistungen des Jugendamtes nach § 39 SGB VIII über einen zwischengeschalteten Träger der freien Jugendhilfe

Auch dies steht der Einstufung als steuerfreie Beihilfen grundsätzlich nicht entgegen. Voraussetzung ist, dass der Finanzbedarf für die zur Betreuung erforderlichen Leistungen in den Haushaltsplänen des Trägers des zuständigen Jugendamts festgestellt wird und die Verwendung der Mittel der Rechnungskontrolle durch die Jugendhilfebehörde unterliegt.

Vorgaben ab 2022

Ab dem 1.1.2022 werden Pflegegelder eines freien Trägers der Jugendhilfe nur noch dann anerkannt, wenn anhand geeigneter Unterlagen dokumentiert ist, dass die folgenden Vorgaben erfüllt sind:

  • Das zuständige Jugendamt weiß, ob und in welcher Höhe der freie Träger einen Eigenanteil einbehält, und billigt dies.
  • Dem zuständigen Jugendamt steht gegen den freien Träger ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch zu, aufgrund dessen es eine Rechnungslegung über die Mittelverwendung und die Vorlage geeigneter Nachweise verlangen kann.

Noch bis Ende des Jahres kein Nachweis

Es wird eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2021 gewährt, wonach für Pflegegelder eines freien Trägers der Jugendhilfe die Kriterien als erfüllt gelten.

Quellen: Bundesfinanzministerium, Paritätischer

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Drei-Stufen-Plan zur Inklusion

Mit der Reform des SGB VIII, also der Kinder- und Jugenhilfe, sollen bis 2028 die Zuständigkeiten der Leistungen für junge Menschen mit Behinderungen unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe im SGB VIII zusammengeführt werden. Dies wird als „Inklusive Lösung“ bezeichnet.

Debatte sei 2012

Die Diskussion um eine Gesamtzuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für alle jungen Menschen, ob mit oder ohne Behinderung wird eigentlich schon seit Einführung des SGB VIII im Jahr 2012 geführt. Auf dem Weg zu einem inklusiven Leistungssystem ist man seitdem noch nicht vorangekommen.

Nach langer Debatte und mehreren vergeblichen Anläufen soll dies nun das im Juni verabschiedetete „Kinder- und Jugendstärkungsgesetz“ (KSJG) richten. Das KSJG beschreibt einen Fahrplan, wie die Inklusive Lösung bis 2028 zu erreichen ist.

Warum Inklusive Lösung?

Inklusion beinhaltet das Wahrnehmen und Anerkennen unterschiedlicher Bedürfnisse, die aus vielfältigen Lebenskontexten entstehen. Gesellschaftliche und staatliche Aufgabe ist es, dabei Teilhabebarrieren, soziale Ausgrenzungen und strukturelle Benachteiligungen abzubauen. Diese können schon allein durch die bestehende Zuständigkeeitsspaltung zwischen der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung im SGB IX und der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit seelischer Behinderung im SGB VIII entstehen.

Wer ist betroffen?

360 000 Kinder und Jugendliche haben eine seelische, geistige oder körperliche Behinderung. Bisher ist die Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII nur für Leistungen der Eingliederungshilfe für rund 100 000 Kinder mit einer seelischen Behinderung zuständig. Ca. 260 000 Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung sind dem Träger der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX zugewiesen (vgl. BT-Drs. 19/26107, S. 42).

Die erste Stufe

Die erste Stufe sieht die Gestaltung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe und die Bereinigung der insbesondere zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Eingliederungshilfe bestehenden Schnittstellen vor. Diese Regelungen traten unmittelbar am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft und umfassen insbesondere:

  • Verankerung des Leitgedankens der Inklusion auf Grundlage der VN-BRK bezogen auf die Kinder- und Jugendhilfe insgesamt und in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen,
  • Weiterentwicklung der inklusiven Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege,
  • Zusammenarbeit der Sozialleistungsträger beim Zuständigkeitsübergang,
  • Beratung zu Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie zur Orientierung an den Schnittstellen zu anderen Leistungssystemen
  • fallbezogene Zusammenarbeit im Teilhabe-, Gesamt- und Hilfeplanverfahren.

Die zweite Stufe

Die zweite Stufe sieht die Einführung der Funktion eines „Verfahrenslotsen“ beim Jugendamt im Jahr 2024 vor (vgl. § 10b SGB VIII, gültig ab 1.1.2024). Eltern und andere Erziehungsberechtigte sowie junge Menschen bekommen somit einen verbindlichen Ansprechpartner und werden von einer einzigen Stelle durch das gesamte Verfahren begleitet. Möglich ist aber auch, dass Modellprojekte in den Bundesländern bereits jetzt weitergeführt werden bzw. Bundesländer Verfahrenslotsen bereits früher einführen.

Einen Zwischenschritt bei der Umsetzung der zweiten Stufe markiert die Verkündung eines Bundesgesetzes bis spätestens 01.01.2027. Es muss (mindestens)

  • konkrete Regelungen zum leistungsberechtigten Personenkreis,
  • zu Art und Umfang der Leistung,
  • zum Verfahrensrecht und zur Kostenbeteiligung enthalten.

Grundlagen für die Ausgestaltung dieses Bundesgesetzes sollen die Ergebnisse einer prospektiven Gesetzesfolgenabschätzung und einer (wissenschaftlichen) Umsetzungsbegleitung sein. Wenn es dieses Bundesgesetz bis zum 01.01.2027 gibt, kann die dritte Stufe verwirklicht werden.

Die dritte Stufe

Sie sieht die Übernahme der vorrangigen Zuständigkeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen der Eingliederungshilfe auch an junge Menschen mit (drohenden) körperlichen oder geistigen Behinderungen, die nach derzeitiger Rechtslage Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) Teil 2 erhalten, im Jahr 2028 vor.

Quellen: Bundestag, SOLEX, Walhalla Fachredaktion Kinder- und Jugendstärkungsgesetz: Weiterentwicklung des SGB VIII

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Kostenbeteiligung in der Jugendhilfe

Seit 10.6.2021 ist die Reform des SGB VIII in Kraft. Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wurde auch Kostenbeteiligung von jungen Menschen in Pflegefamilien und Einrichtungen der Erziehungshilfe reformiert.

  • Sie wurde von 75 Prozent auf 25 Prozent ihres Einkommens aus Schülerjobs, Praktika oder einer Ausbildung gesenkt.
  • Zudem wird ein Freibetrag von 150 Euro des Einkommens von der Kostenbeteiligung ausgenommen.
  • Einkommen aus kurzfristigen Ferienjobs und ehrenamtlicher Tätigkeit werden gänzlich freigestellt. 
  • Maßgeblich ist nun das Einkommen des Monats, in dem die Leistung oder die Maßnahme erbracht wird und nicht mehr das durchschnittliche Monatseinkommens des Vorjahres.

Kompliziert, aber sinnvoll

Kompliziert erscheint die Regelung, dass jeweils das Einkommens des Monats berücksichtigt werden muss, in dem die Leistung erbracht wird. Dies unterscheidet sich zu den Kostenbeteiligungsregelungen bei anderen Jugendhilfeleistungen, bei denen es beim durchschnittlichen Monatseinkommen des Vorjahres bleibt. Bei variierender Höhe des Einkommens bedeutet das von Monat zu Monat unterschiedliche Eigenbeteiligungen. Trotzdem sei diese Regelung sinnvoll, so der Gesetzgeber, weil junge Menschen jedoch eher ein unregelmäßiges Einkommen hätten, da sie häufig nur zeitweise (über einige Wochen oder Monate im Jahr) und/oder auch abwechselnden Tätigkeiten mit unterschiedlich hohen Einkommen
nachgingen. So müssten junge Menschen beispielsweise Teile ihres Einkommens nicht für ein Jahr zurücklegen, um dann dieses Einkommen als Kostenbeitrag abgeben zu können, wenn unklar ist, ob sie auch im folgenden Jahr ein vergleichbares Einkommen hätten.

Empfehlungen zur Umsetzung und rückwirkender Überprüfung

Nun gibt es Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAG LJÄ) zu den neuen Regelungen des SGB VIII und zu Überprüfungsmöglichkeiten bestandkräftiger aber rechtswidriger Bescheide zur Kostenheranziehung junger Menschen vor der SGB VIII-Reform.

Empfehlungen zur Umsetzung

Empfehlungen zur Umsetzung der Neuregelungen an die Jugendämter hat nun die BAG LJÄ aktuell herausgebracht. Diese bietet eine Orientierung, wie die Jugendämter zukünftig die Kostenheranziehung handhaben werden. 

Überprüfung

Wer den Verdacht hat, er habe in der Vergangenheit zu viel an Eigenbeteiligung gezahlt, kann dies mit Hilfe des Bundesnetzwerkes Ombudschaft Kinder- und Jugendhilfe überprüfen lassen. Hier können Kostenheranziehungsbescheide rückwirkend auf die letzten vier Jahre überprüft werden. Im Zweifel ist das Jugendamt gezwungen, zu viel gezahlte Gelder an die jungen Menschen zurückzuzahlen. Rechtsgutachten sowie alle Informationen zur Kostenheranziehung und entsprechende Anleitungen zur Einleitung einer Überprüfung finden sich auf der Internetseite des Bundesnetzwerkes Ombudschaft Kinder- und Jugendhilfe.

Quellen: Bundestag, Paritätischer, Bundesnetzwerkes Ombudschaft Kinder- und Jugendhilfe, Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter

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