Die gesellschaftliche Diskussion um eine gerechtere Entlohnung in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen nimmt Fahrt auf. Immerhin besteht gerade die Möglichkeit, dass einige der Forderungen in den Koalitionsvertrag einfliessen und sich damit die Möglichkeiten zur Umsetzung verbessern.
Im Mai wurde hier schon einmal die Problematik beleuchtet und über eine vom Bundesarbeitsministerium (BMAS) beauftragte Studie berichtet, die vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) erstellt werden soll.
Zwischenbericht
Das ISG hat nun einen Zwischenbericht vorgelegt mit dem sperrigen Titel: „Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren
Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“.
Die Studie ist gleichzeitich in Leichter Sprache veröffentlicht worden und heißt dort: „Untersuchungen über die Bezahlung in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen„.
Ergebnisse
In der Studie wird zunächst der Ist-Zustand aufgezeigt, die rechtlichen Grundlagen und die noch bestehende Diskrepanz zur UN-Behindertenrechtskommission.
Danach werden drei Modelle vorgestellt und jeweils die Auswirkungen für den Einzelnen und die geamtgesellschaftlichen Kosten bestimmt.
Ist-Zustand
In den Behindertenwerkstätten arbeitende Menschen bekommen, wenn sie zusätzlich zu Grundbetrag, Steigerungsbetrag und Arbeitsförderungsgeld noch Grundsicherung beziehen, durschnittlich
- 973 Euro im Monat. (Die Zahlen gelten alle für 2019).
Wenn sie Anspruch auf Erwerbsminderungsrente haben, bekommen sie
- 1.046 Euro.
Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion
Das Arbeitsförderungsgeld (jetzige Höhe höchstens 52 Euro) soll um
- 39 Euro
aufgestockt werden. Das bedeutet für den Einzelnen eine minimale Verbesserung der Situation, ansonsten bleibt alles beim Alten. Die Gesamtkosten betrügen
- 162 Millionen Euro.
Position der Werkstatträte Deutschlands
Dazu ist kürzlich ein Postionspapier der Werkstatträte Deutschland e.V. erschienen: Danach soll durch die Auszahlung eines Basisgeldes zur Gleichstellung dauerhaft voll erwerbsgeminderter Menschen erreicht werden, dass Menschen mit Behinderung mehr Anerkennung und Wertschätzung in der Gesellschaft erfahren. Sie müssen nicht mehr vor Ämtern ihre Konten offenlegen. Sie erhalten genug Geld, um davon leben zu können. Das Basisgeld soll ihnen ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Das Basisgeld zur Gleichstellung dauerhaft voll erwerbsgeminderter Menschen bringt vielen Menschen nicht nur etwas mehr Geld ins Portmonee, sondern gibt ihnen auch das gute Gefühl, respektierter Teil der Gesellschaft zu sein.
Das Basisgeld soll 1.446 Euro betragen. Es soll zusätzlich zum Arbeitseinkommen bezahlt werden. Ein durchschnitllicher Beschäftigter käme dann auf
- 1.623 Euro im Monat.
Die gesamtgesellschaftlichen Kosten betrügen etwa
- 2 Milliarden Euro.
Mindestlohn
Den gesetzlichen Mindestlohn auch für die Beschäftigten in den WfbM zu öffnen, fordert unter anderem die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM). Die BAG ist die bundesweite Fachorganisation der Werkstattträger.
Die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns würde bei Vollzeittätigkeit zu einer Erhöhung des verfügbaren Einkommens (einschließlich des Wohngelds) um
- 8% auf 1.047 Euro pro Monat und bei Teilzeitbeschäftigung um
- 6% auf 1.025 Euro pro Monat
führen, in diesem Fall allerdings einschließlich ergänzender Grundsicherungsleistungen. Die gesamtgesellschaftliche Zusatzbelastung läge bei dieser Lösung in Höhe von
- 132 Millionen Euro
mit dem Vorteil einer Gleichbehandlung der WfbM-Beschäftigten mit Beschäftigten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Ein weiterer Gesichtspunkt im Hinblick auf den Wechsel aus einer WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist, dass bei Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns keine Rechtfertigung für die Zahlung von Rentenbeiträgen auf der Grundlage von 80% der Bezugsgröße mehr besteht. Dies könnte die Entscheidung zu einem Wechsel auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern. Die Abschaffung des Rentenprivilegs würde allerdings auch zu finanziellen Nachteilen führen.
Quellen: BMAS, ISG, Paritätischer Gesamtverband, BAG WfBM, Werkstatträte Deutschlan e.V.
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