Das schwierige Kindeswohl

Die Bundesregierung stellte am 2.12.2020 den Kabinettsentwurf des „Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen – Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG“ vor. Darin enthalten ist eine Änderung zum Referentenentwurf, die für Zündstoff gesorgt hat.

Worum geht es?

Wenn leibliche Eltern ihr Kind, das in einer Pflegefamilie aufwächst, weil die Eltern sich aus irgendwelchen Gründen nicht angemessen um ihr Kind kümmern konnten, zurückholen wollen, muss zunächst einmal klar sein, dass sie ihre Probleme dauerhaft überwunden haben. Trotzdem kann es aber gut sein, dass das Kind gar nicht zurück will, weil es mittlerweile einestarke Bindung zur Pflegefamilie aufgebaut hat. Im entsprechenden Paragrafen des BGB sollte ursprünglich folgender Absatz 3 eingefügt werden:
„Eine Anordnung nach § 1632 Absatz 4 (Herausnahme in eine Pflegefamilie) ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn
1. die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson das Kindeswohl nicht gefährdet
oder
2. der Gefährdung des Kindeswohls innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums auf andere Weise, auch durch öffentliche Hilfen anlässlich seiner Rückführung zu den Eltern, begegnet werden kann.“

Gerade der zweite Punkt löste zum Beispiel bei der „Deutschen Kinderhilfe“ und beim Deutschen Familiengerichtstag (DFGT) Widerspruch aus. Dies bedeute, dass Kinder auch dann probeweise zu den leiblichen Eltern zurück sollen, wenn die Situation dort potentiell gefährdend ist. Stundenweise Familienhilfen könnten rund um die Uhr bestehende Risiken für Kinder nicht kompensieren. „Für viele Pflegekinder wäre diese ethisch nicht vertretbare Experimentierklausel katastrophal“, erklärt der Jurist Ludwig Salgo von der Universität Frankfurt, Experte bei der Kinderkommission des Bundestages.

Im jetzt veröffentlichten Kabinettsentwurf ist der umstrittene Punkt 2 raus. Jetzt lautet der neue Absatz:
„Eine Anordnung nach § 1632 Absatz 4 ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson das Kindeswohl nicht gefährdet.“

Jetzt geht es also ausschließlich um das Kindeswohl. Es ist nicht mehr festgelegt, dass Maßnahmen versucht werden müssen, um das zu erreichen. Gleichwohl muss jeder Einzelfall genau geprüft werden. Ausgeschlossen ist dabei auch nicht, dass unter Umständen der Rückführungsprozess in die Herkunftsfamilie so ausgestaltet werden kann, dass sich das Kind ohne Gefährdung seines Wohls einerseits von seiner Pflegeperson lösen und andererseits in seine Herkunftsfamilie wieder integrieren kann. Dazu sollen Familienhilfen zur Verfügung stehen, wie Beratung und Unterstützung. Wie schwierig das Thema ist, zeigt sich schon darin, dass die Gesetzesbegründung allein zu dem neuen Absatz 3 fast drei Seiten lang ist.

Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs

Der Gesetzentwurf sieht gesetzliche Änderungen in fünf Bereichen vor:

  1. Besserer Kinder- und Jugendschutz
  2. Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen
  3. Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen
  4. Mehr Prävention vor Ort
  5. Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien

Die einzelnen Punkte werden auf der Homepage des Ministeriums näher erläutert.

Quelle: Bundeskabinett, BMFSFJ, Tagesspiegel vom 20.11.2020

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Düsseldorfer Tabelle 2021

Die Düsseldorfer Tabelle enthält Leitlinien für den Unterhaltsbedarf von Unterhaltsberechtigten i.S.d. § 1610 BGB . Sie beruht auf Koordinierungsgesprächen zwischen Richterinnen und Richtern der Familiensenate der Oberlandesgerichte Düsseldorf, Köln, Hamm, der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages e.V. sowie einer Umfrage bei den übrigen Oberlandesgerichten. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegebene Tabelle gibt seit 1962 einheitliche Richtwerte für die Berechnung des Familienunterhalts vor. Die Düsseldorfer Tabelle selbst hat keine Gesetzeskraft.

Die Bedarfssätze für minderjährige Kinder der ersten Einkommensgruppe der Tabelle werden jedes Jahr an die Vorgaben der Mindestunterhaltsverordnung angepasst.

Die komplette Düsseldorfer Tabelle 2020 finden Sie hier.

2020 beträgt der Mindestunterhalt

  • in der ersten Altersstufe (bis Vollendung des sechsten Lebensjahres) 393 EUR
  • in der zweiten Altersstufe (vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs) 451 EUR
  • in der dritten Altersstufe (vom 13. Lebensjahr an) 528 EUR

Diese der Entscheidung des Gesetzgebers (Dritten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 3. November 2020″ (BGBl I 2020, 2344)) folgende Erhöhung des Mindestunterhalts führt zugleich zu einer Änderung der Bedarfssätze der 2. bis 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle. Sie werden wie in der Vergangenheit ab der 2. bis 5. Gruppe um jeweils 5 Prozent und in den folgenden Gruppen um jeweils 8 Prozent des Mindestunterhalts angehoben.

Auch die Bedarfssätze volljähriger Kinder werden zum 01.01.2021 angehoben. Sie betragen 125 Prozent des Bedarfs der 2. Altersstufe.

Der Bedarfssatz des Studierenden (m/w/d), der nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil lebt, bleibt gegenüber 2020 mit 860 EUR unverändert.

Anrechnung des Kindergelds

Auf den Bedarf des Kindes ist nach § 1612b BGB das Kindergeld anzurechnen. Das Kindergeld ist bei minderjährigen Kindern in der Regel zur Hälfte und bei volljährigen Kindern in vollem Umfang auf den Barunterhaltsbedarf anzurechnen. Die sich nach Abzug des Kindergeldanteils ergebenden Beträge sind in den im Anhang der Tabelle beigefügten „Zahlbetragstabellen“ aufgelistet.

Selbstbehalte

Die Selbstbehalte bleiben gegenüber 2020 unverändert. Lediglich bei Ansprüchen auf Elternunterhalt ist mit Rücksicht auf die Regelungen des Angehörigenentlastungsgesetzes von der Angabe eines konkreten Betrags abgesehen worden. Die Steigerung des Regelsatzes auf 446 EUR für volljährige Alleinstehende hat noch keine Anhebung des notwenigen Selbstbehalts veranlasst. Sollte aber der Regelsatz weiter steigen, bedürfen die Selbstbehalte wahrscheinlich zum 1. Januar 2022 einer Anpassung.

Einkommensgruppen 

Die Einkommensgruppen bleiben 2021 unverändert. Wie in der Vergangenheit endet die Tabelle mit einem bereinigten Einkommen bis zu 5.500,00 EUR (10. Einkommensgruppe, 160% des Mindestbedarfs). Der Bundesgerichtshof befürwortet mit Beschluss vom 16.09.2020 (XII ZB 499/19) eine Fortschreibung der Einkommensgruppen. Dieser Wunsch in der am 09.11.2020 veröffentlichten Entscheidung konnte für die Tabelle 2021 nicht mehr umgesetzt werden. Eine etwaige Fortschreibung der Einkommensgruppen und Bedarfssätze über die 10. Einkommensgruppe hinaus bleibt deshalb der Düsseldorfer Tabelle 2022 vorbehalten. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs kommt eine prozentuale Erhöhung der Bedarfssätze in Betracht, wenn das bereinigte Einkommen des Barunterhaltspflichtigen die 10. Einkommensgruppe überschreitet.

Quelle: Oberlandesgericht Düsseldorf

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Gesetze im Bundesrat

In seiner Sitzung am 27.11.2020 machte der Bundesrat den Weg frei für 24 Bundestagsbeschlüsse – sie können nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet werden. Darunter einige, die hier schon thematisiert wurden.

Höheres Kindergeld und höhere Freibeträge

Verabschiedet wurde das Zweite Familienentlastungsgesetz.

Zum 1. Januar 2021 steigt das Kindergeld um 15 Euro und beträgt damit

  • für das erste und zweite Kind jeweils 219 Euro,
  • für das dritte Kind 225 Euro und
  • für das vierte und jedes weitere Kind jeweils 250 Euro.

Der Kinderfreibetrag und der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf für die Einkommenssteuer wird pro Elternteil um 144 Euro angehoben. Damit kommt ein Elternpaar insgesamt auf eine Summe von 8.388 Euro jährlich, auf die keine Einkommenssteuer fällig wird.

Der Grundfreibetrag für Erwachsene steigt ebenfalls an. Von jetzt 9.408 Euro steigt er

  • 2021 auf 9.744 Euro und
  • 2022 auf 9.984 Euro.

Regelsätze

Verabschiedet wurde das Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe.

Ab 1.1.2021 gelten folgende Regelsätze im SGB II und SGB XII:

  • Regelbedarfsstufe 1 / Alleinstehende von 432 € auf 446 € / + 14 €
  • Regelbedarfsstufe 2 / Partner innerhalb BG von 389 € auf 401 € / + 12 €
  • Regelbedarfsstufe 3 / U 25 im Haushalt der Eltern von 345 € auf 357 € / + 12 €
  • Regelbedarfsstufe 4 / Jugendliche von 15 bis 17 J. von 328 € auf 373 € / + 45 €
  • Regelbedarfsstufe 5 / Kinder von 6-14 J. von 308 € auf 309 € / + 1 €
  • Regelbedarfsstufe 6 / Kinder von 0 bis unter 6 Jahren von 250 € auf 283 € / + 33 €

Vereinfachter Zugang zur Grundsicherung bis Ende März

Der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung wird zunächst bis zum 31. März 2021 verlängert. Solo-Selbstständige wie Kulturschaffende, die wirtschaftlich von der Corona-Pandemie besonders betroffen sind, können damit länger Unterstützung erhalten.

Freibeträge für Menschen mit Behinderung

Verabschiedet wurde das Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge.

Für die Behinderten- und Pflege-Pauschbeträge werden sowohl die Voraussetzungen als auch die Höhe der Beträge angepasst, und sowohl der Nachweisaufwand als auch der Prüfungsaufwand verringert. Weitere Steuervereinfachungen sollen Steuerpflichtige mit Behinderungen von Nachweispflichten und die Verwaltung von Prüfungstätigkeiten entlasten. Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

  • die Verdoppelung der Behinderten-Pauschbeträge einschließlich Aktualisierung der Systematik,
  • die Einführung eines behinderungsbedingten Fahrtkosten-Pauschbetrags,
  • der Verzicht auf die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung eines Behinderten-Pauschbetrages bei einem Grad der Behinderung kleiner
    als 50,
  • die Geltendmachung des Pflege-Pauschbetrages auch unabhängig vom
    Vorliegen des Kriteriums „hilflos“ bei der zu pflegenden Person und
  • die Erhöhung des Pflege-Pauschbetrages bei der Pflege von Personen mit den Pflegegraden 4 und 5 und Einführung eines Pflege-Pauschbetrages bei der Pflege von Personen mit den Pflegegraden 2 und 3.

Weitere Gesetze

Folgende Gesetze wurden außerdem genehmigt:

Quellen: Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG)

Das Gesetz wurde am 26.11.2020 im Bundestag beschlossen. Der Bundesrat muss nicht zustimmen. Im Vergleich zum Referentenentwurf vom August 2020 wurden noch viele Änderungen vorgenommen und Regelungen hinzugefügt. Die wesentlichen Neuerungen im Überblick:

Zuschüsse für die Krankenkassen

  • Um der drohenden massiven Erhöhung des Zusatzbeitrags entgegenzuwirken, erhält die GKV im Jahr 2021 einen ergänzenden Bundeszuschuss aus Steuermitteln in Höhe von 5 Milliarden Euro.
  • Aus den Finanzreserven der Krankenkassen einmalig 8 Milliarden Euro in die Einnahmen des Gesundheitsfonds überführt.
  • Die Anhebung der Zusatzbeitragssätze wird verboten und die Kassen verpflichtet überschüssige Finanzreserven stufenweise abzubauen.

Pflegehilfskräfte in der Altenpflege

  • In der vollstationären Altenpflege sollen 20.000 zusätzliche Stellen für Pflegehilfskräfte finanziert werden. Der Eigenanteil der Pflegebedürftigen soll dadurch nicht steigen, die Stellen werden vollständig durch die Pflegeversicherung finanziert.
  • Die Ergebnisse des Projekts zur wissenschaftlichen Bemessung des Personalbedarfs zeigen, dass in vollstationären Pflegeeinrichtungen zukünftig insbesondere mehr Pflegehilfskräfte erforderlich sind. Die zusätzlichen Stellen sind ein erster Schritt zur Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens für vollstationäre Pflegeeinrichtungen.
  • Die Einführung des Personalbemessungsverfahrens erfordert eine neue Aufgabenverteilung zwischen Pflegefach- und Pflegehilfskräften. Durch ein Modellprogramm mit Fördermaßnahmen sollen diese Personal- und Organisationsentwicklungsprozesse sowie die weitere Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens künftig begleitet werden.

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen

  • Die bisher befristete Regelung, nach der im Rahmen der Pflegebegutachtung empfohlene Hilfsmittel automatisch – auch ohne ärztliche Verordnung – als beantragt galten, soll ab dem kommenden Jahr auf Dauer gelten. (§ 18 Abs.6a SGB XI)

Verlängerung von Corona-Maßnahmen bis 31.03.2020

  • Beschäftigte, die die Pflege von Angehörigen übernehmen, können Pflegeunterstützungsgeld für 20 Tage in Anspruch nehmen. (§ 9 Abs. 1 PflegeZG)
  • Um die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen vor zusätzlichen Ansteckungsgefahren durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen und um das vorhandene Pflegekräfteangebot auf die Sicherstellung der Versorgung hin zu konzentrieren, soll das Pflegegeld bis zum 31. März 2021 auch nach telefonischer Beratung, digital oder per Videokonferenz bezogen werden können, wenn die oder der Pflegebedürftige dies wünscht. (§ 148 SGB XI)
  • Befristete Regelungen zur finanziellen Entlastung und Unterstützung von Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten werden verlängert. (§ 150 SGB XI Abs. 1 bis 5). Dies gilt beispielsweise für die Kostenerstattungsregelungen, über die stationäre Pflegeeinrichtungen, ambulante Pflegedienste und Anbieter von nach Landesrecht anerkannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag ihre pandemiebedingten Mehrausgaben und Mindereinnahmen erstattet bekommen können.
  • Bis zum 31.03.2021 haben Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 die Möglichkeit, den Entlastungsbetrag von 125 Euro auch abweichend vom geltenden Landesrecht für andere Hilfen bzw. andere – professionelle und nicht professionelle – Anbieter zu verwenden (z.B. durch Nachbarn). Voraussetzung ist, dass die Hilfe erforderlich ist, um coronabedingte Versorgungsengpässe zu überwinden. ( § 150 Abs. 5b)

Zusätzliche Hebammen in Kliniken

  • Krankenhäuser sollen künftig mehr Stellen für Hebammen erhalten. Dazu soll ein Hebammenstellen-Förderprogramm mit 100 Millionen Euro pro Jahr (Laufzeit 2021 – 2023) aufgelegt werden.
  • Dadurch können etwa 600 zusätzliche Hebammenstellen und bis zu 1.750 weitere Stellen für Fachpersonal zur Unterstützung von Hebammen in Geburtshilfeabteilungen geschaffen werden.

Kinderkrankenhäuser

  • Kinderkrankenhäuser und Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin, welche die Voraussetzungen für einen Sicherstellungszuschlag erfüllen, können bereits ab dem Jahr 2021 in die zusätzliche Finanzierung für bedarfsnotwendige Krankenhäuser im ländlichen Raum einbezogen werden. Daneben werden mit der Einführung gestaffelter Zuschläge in Abhängigkeit basisversorgungsrelevanter Fachabteilungen, bestehende Krankenhausstrukturen im ländlichen Raum stärker gefördert.

Quellen: BGM, FOKUS-Sozialrecht

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Gegen Armut hilft Geld

Das ist der Titel der aktuellen Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zu Armutssituation in Deutschland. Danach hat die Armutsquote 2019 in Deutschland mit 15,9 Prozent, das sind 13,2 Millionen Menschen einen Höchststand seit der Wiedervereinigung erreicht. In der Studie wird weiter darauf hingewiesen, dass alles darauf hindeute, dass die Auswirkungen der Corona-Krise Armut und soziale Ungleichheit noch einmal spürbar verschärfen werden.

Große Unterschiede gibt es zwischen den einzelnen Bundesländern. So ist die Armutsquote in den südlichen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg mit 11,9 und 12,3 Prozent mit Abstand am geringsten. Schlusslicht ist Nordrheinwestfalen mit 19,5 Prozent.

Das höchste Armutsrisiko haben nach wie vor Arbeitslose (57,9 Prozent), Alleinerziehende (42,7 Prozent), kinderreiche Familien (30,9 Prozent), Menschen mit niedriger Qualifikation (41,7 Prozent) und Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (35,2 Prozent). Bezeichnend ist, dass die Armutsquote bei all diesen ohnehin seit Jahren besonders armutsbetroffenen Gruppen von 2018 auf 2019 noch einmal zugenommen hat.

Die mit Abstand stärkste Zunahme des Armutsrisikos zeigt im längerfristigen Vergleich die Gruppe der Rentner*innen und Pensionär*innen. Unter ihnen wuchs die Armutsquote seit 2006 um 66 Prozent. Aus einer eher geringen wurde mit 17,1 Prozent eine deutlich überdurchschnittliche Armutsquote.

Datenquelle

Die Armutsquoten, mit denen in diesem Bericht gearbeitet werden, beruhen auf dem sogenannten Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes. Der Mikrozensus ist die mit Abstand valideste Datengrundlage zur Berechnung von Armutsquoten in Deutschland. Beim Mikrozensus (kleine Volkszählung) wird nach einer Zufallsstichprobe jährlich etwa ein Prozent aller Haushalte in Deutschland befragt. 2019 waren das fast 380.000 Haushalte mit rund 750.000 Personen.

Trotzdem werden beim Mikrozensus relevante Gruppen nicht erfasst. Personen ohne Wohnung (Obdachlose) etwa haben im Mikrozensus keine Erfassungschance. Personen in Gemeinschaftsunterkünften werden zwar im Mikrozensus erfasst. Bei der Berechnung der Armutsquoten werden alle Personen gezählt werden, die in Haushalten leben, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte beträgt. Entsprechende Werte für Personen in Gemeinschaftsunterkünften liegen jedoch nicht vor.

Damit werden Hunderttausende von wohnungslosen Menschen, über 800.000 pflegebedürftigen Menschen in Heimen, von denen mehr als jede*r Dritte davon auf Sozialhilfe angewiesen, die über 200.000 behinderten Menschen in besonderen Wohnformen oder auch die vielen Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften nicht berücksichtigt.

Relative Armut

Das Statistische Bundesamt und auch der Armutsbericht folgen einer bereits über 30 Jahre alten EU-Konvention, was die Definition und die Berechnung von Armut anbelangt. In Abkehr von einem sogenannten absoluten Armutsbegriff, der Armut an existenziellen Notlagen wie Obdachlosigkeit oder Nahrungsmangel festmacht, ist der Armutsbegriff der EU ein relativer. Arm sind demnach alle, die über so geringe Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist.

Nach dieser EU-Konvention ist derjenige einkommensarm, der mit seinem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Dabei handelt es sich um das gesamte Nettoeinkommen des Haushaltes inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, anderer Transferleistungen oder sonstiger Zuwendungen.

Beim mittleren Einkommen handelt es sich nicht um das geläufige Durchschnittseinkommen. Dieses wird ermittelt, indem man alle Haushaltseinkommen addiert und die Summe dann durch die Anzahl der Haushalte teilt (arithmetisches Mittel). Es wird stattdessen der sogenannte Median, der mittlere Wert, errechnet: Alle Haushalte werden nach ihrem Einkommen der Reihe nach geordnet, wobei das Einkommen des Haushalts in der Mitte der Reihe den Mittelwert bzw. Median darstellt.

Beispiel Median – arithmetisches Mittel

100.000100.000
2.4002.400
2.3002.300
2.3002.300
2.1002.100
Median: 2.300arithmetrisches Mittel: 21.820

Äquivalenzeinkommen

Um Haushalte unterschiedlicher Größe in ihrem Einkommen und in ihren Bedarfen vergleichbar zu machen, wird das sogenannte Pro-Kopf-Haushaltsäquivalenzeinkommen ermittelt. Dabei wird das Gesamteinkommen eines Haushalts nicht einfach durch die Zahl der Haushaltsmitglieder geteilt, um das ProKopf-Einkommen zu ermitteln, es wird vielmehr jedem Haushaltsmitglied eine Äquivalenzziffer zugeordnet.

Das erste erwachsene Haushaltsmitglied bekommt eine 1, alle weiteren Haushaltsmitglieder ab vierzehn Jahren eine 0,5 und unter vierzehn Jahren eine 0,3. Beträgt das Haushaltseinkommen eines Paares mit zwei Kindern unter 14 Jahren 4.000 Euro, ist das so gewichtete ProKopf-Einkommen also nicht etwa
4.000 : 4 = 1.000 Euro, sondern
4.000 : (1 + 0,5 + 0,3 + 0,3) = 1.905 Euro.

Damit soll der Annahme Rechnung getragen werden, dass Mehrpersonenhaushalte günstiger haushalten können als Singles und dass Kinder angeblich keine so hohen Bedarfe haben wie Erwachsene oder Jugendliche.

Armutsschwelle

Damit ist die Armutsschwelle im Jahr 2019 je nach Haushaltsgröße bei

  • einem Single bei 1.074 Euro,
  • einer Alleinerziehenden mit einem kleinen Kind bei 1.396 Euro,
  • einem Paarhaushalt mit zwei kleinen Kindern bei 2.256 Euro.

Lösungsvorschläge

Der Paritätische Wohlfahrftsverband schlägt, um der wachsenden Armut entgegen zu steuern, vor

  • eine bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze in Hartz IV und der Altersgrundsicherung (nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle auf mindestens 644 Euro),
  • die Einführung einer Kindergrundsicherung sowie
  • Reformen von Arbeitslosen- und Rentenversicherung.

Quelle: Paritätischer Wohlfahrtsverband, Statistisches Bundesamt

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Verlängerung der Kurzarbeitregeln

Ende August 2020 schon vereinbarte der Koalitionsausschuss die Verlängerung der Sonderregelungen zur Kurzarbeit. Nun wurde das Gesetz unter dem Titel „Beschäftigungssicherungsgesetz“ verabschiedet und wird Ende November vom Bundesrat bestätigt.
Ende Oktober trat die „Erste Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung“ in Kraft.

Hier noch mal zusammengefasst die wesentlichen Inhalte:

Kurzarbeitergeldverordnung

  • Die Absenkung der Anforderungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld wird für Betriebe, die bis zum 31. März 2021 Kurzarbeit eingeführt haben, bis 31.12.2021 verlängert.
  • Dem Arbeitgeber werden die von ihm während des Bezugs von Kurzarbeitergeld allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung auf Antrag von der Bundesagentur für Arbeit für Arbeitsausfälle vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2021 in voller Höhe und vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2021 in Höhe von 50 Prozent in pauschalierter Form erstattet, wenn der Betrieb bis zum 30. Juni 2021 Kurzarbeit eingeführt hat.
  • Die Aufhebung der von § 11 Abs. 4 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in Verbindung mit § 615 Satz 1 BGB geregelten Risikoverteilung zwischen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern und ihrem Arbeitgeber (Verleiher) wird bis zum 31. Dezember 2021 verlängert, wenn der Betrieb bis zum 31. März 2021 Kurzarbeit eingeführt hat.

Beschäftigungssicherungsgesetz

Verlängerung der Erhöhung des Kurzarbeitergeldes

Die derzeit geltende, bis zum 31. Dezember 2020 befristete Regelung zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes erhöht den Leistungssatz auf 70 Prozent bzw. auf 77 Prozent (für Beschäftigte mit Kind) ab dem vierten Bezugsmonat und auf 80 Prozent bzw. 87 Prozent ab dem siebten Bezugsmonat von Kurzarbeitergeld. Ausgangspunkt für die
Berechnung der Bezugsmonate ist der Monat März 2020. Diese Erhöhungen des Kurzarbeitergeldes werden bis zum 31. Dezember 2021 für Beschäftigte verlängert, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31. März 2021 entstanden ist.

Die Verlängerung erfolgt für den gleichen Zeitraum wie die Verlängerung der Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Betriebe.

Anrechnungsfreier Hinzuverdienst nur noch bei Minijobs

Von den bestehenden, bis zum 31. Dezember 2020 befristeten Hinzuverdienstregelungen wird die Regelung bis zum 31. Dezember 2021 verlängert, nach der das Entgelt aus einer während der Kurzarbeit aufgenommenen geringfügig entlohnten Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (sogenannte Minijobs bis 450 Euro) nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet wird.

Verstärkte Anreize für Qualifizierungen während der Kurzarbeit

Mit dem Verzicht auf die Voraussetzung, dass eine Weiterbildungsmaßnahme während der Kurzarbeit mindestens 50 Prozent der Zeit des Arbeitsausfalls umfassen muss, damit die Sozialversicherungsbeiträge für den jeweiligen Monat hälftig erstattet werden (§ 106a Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III), wird die Verknüpfung von Kurzarbeit und Weiterbildung deutlich erleichtert und somit ein stärkerer Anreiz für Weiterbildungen in Kurzarbeit gesetzt. Weil nach Verordnungsrecht Betrieben aktuell die Sozialversicherungsbeiträge bei Kurzarbeit voll erstattet werden, hat die gesetzliche Erstattungsregelung derzeit keine Wirkung. Durch Änderung des Verordnungsrechts wird die Erstattung ab dem 1. Juli 2021 auf die Hälfte reduziert. Durch die dann mögliche zusätzliche Erstattung von 50 Prozent der auf das Kurzarbeitergeld entfallenden Beiträge bei beruflicher Qualifizierung können Unternehmen, die mit der Kurzarbeit bis zum 30. Juni 2021 begonnen haben und ihren Beschäftigten nach § 82 SGB III geförderte Weiterbildungen anbieten auch nach dem 1. Juli 2021 von einer 100-prozentigen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge profitieren.

Betriebe, die mit der Kurzarbeit ab 1. Juli 2021 starten, erhalten keine Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge entsprechend den Sonderregelungen der Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit. Dennoch haben auch diese Betriebe Anspruch auf 50 Prozent der auf das Kurzarbeitergeld entfallenden Sozialversicherungsbeiträge, wenn sie ihre Beschäftigten entsprechend den Voraussetzungen des § 106a SGB III weiterbilden.

Das Beschäftigungssicherungsgesetz gilt ab 1.1.2021.

Quelle: Bundestag, Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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Drittes Bevölkerungsschutzgesetz in Kraft

Im Schnelldurchgang wurde heute, am 18.11.2020, das „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ von Bundestag und Bundesrat verabschiedet und vom Bundespräsident unterzeichnet. Es kann daher am Tag nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt gelten.

Das Gesetz wurde soeben, 18.11.2020 abends, veröffentlicht.

Weiterhin epidemische Lage

Nach der Verabschiedung des Bevölkerungsschutzgesetzes im Bundestag wurde dort in namentlicher Abstimmung festgestellt, dass eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ weiterhin besteht. Der Schritt ist laut Infektionsschutzgesetz Grundlage für Corona-Schutzmaßnahmen und Sonderbefugnisse zum Beispiel der Regierung, um im Kampf gegen die Corona-Pandemie Rechtsverordnungen zu erlassen, ohne dass der Bundesrat zustimmen muss.

Präzisere Rechtsgrundlage statt Generalklausel

Der neue § 28a Infektionsschutzgesetz präzisiert die bisherige Generalklausel, und zählt beispielhaft auf, welche Maßnahmen die Länder per Verordnung regeln können – etwa Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Verbot von Kulturveranstaltungen, Demonstrationen, religiösen Zusammenkünften, touristischen Reisen, Schließung von gastronomischen Betrieben usw.

Ziel ist es, den Anforderungen des grundgesetzlichen Parlamentsvorbehalts zu entsprechen: Angesichts der länger andauernden Pandemielage und der fortgesetzt erforderlichen eingriffsintensiven Maßnahmen präzisiert der Bundestag Dauer, Reichweite und Intensität möglicher exekutiver Maßnahmen. So schreibt er zum Beispiel vor, dass die Länder ihre Verordnungen stets mit Entscheidungsgründen versehen und befristen müssen – grundsätzlich auf vier Wochen.

Artikelgesetz

Das Bevölkerungsschutzgesetz ist ein Artikelgesetz. Das heißt, es enthält verschiedene Vorschriftenänderungen in verschiedenen Artikeln. Hier geht es hauptsächlich um Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie:

  • erweiterte Laborkapazitäten auch in veterinärmedizinischen Einrichtungen,
  • größere Anzahl von Schnelltests,
  • einheitliche Vorgaben inklusive einer digitalen Einreiseanmeldung für Reiserückkehrer aus Risikogebieten.

Vorbereitung für Impfprogramme und Impfzentren

Das Gesetz dient auch der Vorbereitung von Impfprogrammen und Impfzentren. Die Bundesregierung kann per Verordnung die Modalitäten zu Vergütung und Abrechnung der jeweiligen Kosten festlegen und bestimmen, dass sowohl Versicherte als auch Nichtversicherte künftig Anspruch auf Schutzimpfungen, Tests und Schutzmasken haben. Private Krankenversicherungen müssen sich in gewissem Umfang an den Kosten beteiligen.

Weitere Unterstützung für erwerbstätige Eltern

Der Begriff des Risikogebiets wird legaldefiniert. In diesem Zusammenhang soll Entschädigung wegen Verdienstausfalls künftig ausgeschlossen sein, wenn der Absonderung eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet zugrunde liegt.

Die Entschädigungsregelung des § 56 Absatz 1a IfSG wird bis zum 31. März 2021 verlängert. Gleichzeitig soll eine entsprechende Entschädigung ermöglicht werden, wenn Personen eine abgesonderte Person betreuen müssen.

Rettungsschirm für besonders belastete Krankenhäuser

Kliniken, die Operationen aussetzen, um Kapazitäten für die Behandlung von Covid-19-Patienten zu schaffen, erhalten Ausgleichszahlungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. 

Digitalisierung des Gesundheitsdienstes

Flughäfen und Häfen mit bestimmten Kapazitäten werden durch ein Förderprogramm des Bundes unterstützt, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen können. Ein weiteres Förderprogramm des Bundes dient der Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Bund und Ländern, um die bundesweit einheitliche Datenverarbeitung zu verbessern.

Ermächtigungsgesetz?

Im Dritten Bevölkerungsschutzgesetz sollen Voraussetzungen für den Erlass von Maßnahmen klarer bestimmt werden, Die Rechte des Parlamentes sollen gestärkt werden. Ob das gelungen ist, bezweifeln etwa SPD und Linke. Auch die Grünen äußerten Bedenken, stimmten aber trotzdem zu. Wer allerdings, wie die AFD aus Propagandazwecken oder aus Unwissenheit Vergleiche zum Ermächtigungsgesetz von 1933 zieht, kann sich in einem unaufgeregten Artikel im Spiegel darüber informieren, warum man mit Geschichtsfälschung keine Politik machen sollte.

Quellen: Bundestag, Bundesrat, Spiegel-Online

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Pflegereform 2021

Das Bundesgesundheitsministerium hat Eckpunkte zur geplanten Pflegereform 2021 vorgelegt. Die Reform soll folgende drei Schwerpunkte haben:

  • Der Eigenanteil für die Pflege im Heim soll gedeckelt werden. Künftig soll niemand für stationäre Pflege länger als 36 Monate mehr als 700 Euro pro Monat zahlen. Der Eigenanteil für Pflege umfasst nicht die Kosten für Unterkunft und Verpflegung.
  • Die Pflege zu Hause soll verbessert werden und einfacher zu organisieren sein. Deshalb soll ein jährliches Pflegebudget eingeführt werden, mit dem Kurzzeit- und Verhinderungspflege gezahlt wird (gilt für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2). Wer Angehörige zu Hause pflegt, soll außerdem mehr Leistungen bekommen. Pflegegeld und Pflegesachleistungen sollen kontinuierlich nach festen Sätzen erhöht werden.
  • Pflege soll regelhaft besser entlohnt werden. Dafür sollen nur die ambulanten Pflegedienste und Pflegeheime zugelassen werden, die nach Tarif oder tarifähnlich bezahlen.

Deckelung des Eigenanteils

Gedeckelt werden soll der „pflegebedingte Eigenanteil“. Der liegt zur Zeit durchschnittlich bei 786 Euro, in einigen Bundesländern weit darüber, in anderen weit darunter, wie aus der der Grafik des Verbands der Ersatkassen (vdek) vom Juli 2020 hervorgeht. Dazu kommen die Kosten für „Unterkunft und Verpflegung“ sowie die „Investitionskosten“ der jeweiligen Einrichtung. Beides muss von den Pflegebedürftigen komplett über die Eigenanteile finanziert werden. Dafür muss im Durchschnitt 1229 Euro bezahlt werden. Somit wird die geplante Entlastung durch den 700 Euro – Deckel bescheiden ausfallen. Da hilft auch nicht der ebenfalls angedachte Investitiomskostenzuschuss von 100 Euro, den die Länder nach den Vorstellungen vom BMG bezahlen sollen.

Verbesserungen für die Pflege zu Hause

Geplant ist unter anderem:

  • Um die häusliche Pflege zu stärken und die gestiegenen Kosten der letzten Jahre auszugleichen, werden die ambulante Pflegesachleistung, das Pflegegeld sowie die Tagespflege zum 1. Juli 2021 um 5 Prozent und ab 2023 regelhaft jährlich in Höhe der Inflationsrate angehoben. Auch für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel steigt die Pauschale von 40 auf 60 Euro im Monat.
  • Aus den Ansprüchen auf Kurzzeit- und Verhinderungspflege wird als Entlastungsbudget ein Gesamtjahresbetrag in Höhe von jährlich 3.300 € gebildet. Die bisher vor Inanspruchnahme der Verhinderungspflege von Angehörigen verlangte Vorpflegezeit von 6 Monaten wird abgeschafft. Das ermöglicht Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, die Leistungen noch bedarfsgerechter nutzen können.
  • Zudem soll ein Teil der Leistung der Verhinderungspflege für die Ersatzpflege während einer längeren Verhinderung der Pflegeperson vorbehalten bleiben. Für die stundenweise Inanspruchnahme stehen deshalb ab dem 1. Juli 2022 maximal 40 Prozent des Gesamtjahresbetrags zur Verfügung.
  • Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen sich künftig flexibler gemeinsam mit den Pflegediensten auf die Leistungen verständigen können, die sie wirklich benötigen. Es soll in ihrer Entscheidung liegen, ob sie Leistungskomplexe und/oder Zeitkontingente für die Leistungserbringung wählen. Das ermöglicht Pflegebedürftigen eine individuell auf ihre jeweilige Pflegesituation zugeschnittene Gestaltung und Zusammenstellung von Leistungen.
  • Pflegebedürftige Menschen werden vielfach auch durch ausländische, überwiegend osteuropäische Kräfte unterstützt, die mit ihnen im Haushalt leben. Bei Beschäftigung einer 24-Stunden-Betreuungsperson im eigenen Haushalt soll es unter bestimmten Bedingungen, analog zu den Angeboten zur Unterstützung im Alltag, möglich sein, den Anspruch auf Umwandlung von bis zu 40 Prozent des Pflegesachleistungsbetrag zu nutzen.

Bessere Entlohnung für Pflegekräfte

  • Die Entlohnung entsprechend Tarif für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen soll künftig Voraussetzung für die Zulassung zur Versorgung werden.
  • Gut ausgebildete Pflegefachpersonen, die Tag für Tag qualifizierte, anspruchsvolle Arbeit leisten, sollen in der interprofessionellen Zusammenarbeit mit anderen Berufen des Gesundheitswesens gestärkt werden. Sie sollen mehr Verantwortung in der Versorgung übernehmen können und in geeigneten Bereichen (z.B. Pflegehilfsmittel) eigenständige Verordnungsbefugnisse erhalten. Zudem sollen die Regelungen zu Modellvorhaben zu Heilkundeübertragung gangbar gemacht werden.
  • Sonderprogramm für die Finanzierung von bis zu 20.000 zusätzliche Pflegehilfskraftstellen in den vollstationären Einrichtungen.
  • Modellprogramm für den Einsatz der Telepflege. Telepflege kann einen Beitrag für eine bessere und effizientere Versorgung leisten, pflegende Angehörige entlasten und neue Aufgabenfelder auch für gesundheitlich beeinträchtigte beruflich Pflegende eröffnen.

Finanzierung

Zur Finanzierung schlägt das BMG Steuermittel vor:

  • Wie für Zeiten der Kindererziehung übernimmt deshalb künftig der Bund die Beitragszahlungen an die Rentenversicherung für Menschen, die Angehörige pflegen.
  • Für weitere gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie u.a. die Vermeidung von Überforderung durch zu hohe Eigenanteile, die beitragsfreie Versicherung von Kindern und nicht erwerbstätigen Partnern sowie das Pflegeunterstützungsgeld, erhält die Pflegeversicherung künftig einen pauschalen Bundeszuschuss.

Begründet wird das damit, dass die  Pflegeversicherung im Rahmen der sozialen Absicherung elementarer Lebensrisiken einen wichtigen Beitrag leiste. Wie andere Sozialversicherungszweige auch, erbringe sie Leistungen, deren Finanzierung daher gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei.

Quelle: BMG, aktuelle Sozialpolitik

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Verlängerung von Corona-Maßnahmen

Das Regelbedarfsermittlungsgesetz wurde am 5.November im Bundestag verabschiedet. In das Gesetz reingepackt wurden zuletzt noch Verlängerungen von Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Das betrifft hauptsächlich die Erleichterungen beim Zugang zu Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV).

Hartz IV

Bis zum 31.3.2021 werden folgende Regelungen verlängert:

  • vereinfachte Verfahren bei der Prüfung von erheblichem Vermögen. Eine Eigenerklärung der Antragstellerinnen und Antragsteller, nicht über erhebliche Vermögenswerte zu verfügen, reicht. (§ 67 Abs.2 SGB II)
  • die Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als angemessen. (§ 67 Abs.3 SGB II)
  • Erleichterungen bei der Berücksichtigung von Einkommen in Fällen einer vorläufigen Entscheidung.Eine „Endabrechnung“ soll nicht von Amts wegen erfolgen, sondern nur wenn der Leistungsberechtigte es beantragt. So werden Rückzahlungspflichten vermieden, wenn das tatsächliche Einkommen doch höher war als angenommen und es zu einer Überzahlung gekommen ist. (§ 67 Abs.4 SGB II)

Mittagsverpflegung

Für den Fall, dass es zu Schulschließungen kommt, wird auch die Sonderregelung für die Mittagsverpflegung von Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Bildungspakets bis 31.3.2021 verlängert. Hier wird auch dann geleistet, wenn das Mittagessen nicht gemeinschaftlich eingenommen werden kann; zudem können auch die Lieferkosten erstattet werden. ($ 68 SGB II).

Kinderzuschlag

Entsprechend der Verlängerung des erleichterten Zugangs zum SGB II wird auch die erleichterte Vermögensprüfung im Kinderzuschlag zunächst bis zum 31. März 2021 verlängert.

Das Regelbedarfsermittlungsgesetz muss Ende November noch den Bundesrat passieren.

Quelle: Bundestag

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Assistenz im Krankenhaus

Für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung stellt der Aufenthalt in einem Krankenhaus eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Dazu gab es hier im Juni einen Beitrag. Anlass war ein Positionspapier zur Assistenz für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung im Krankenhaus, herausgegeben von den Fachverbänden der Behindertenhilfe.

Entschließungsantrag

Am 6.11.2020 hat der Bundesrat das Thema mit einem Entschließungsantrag aufgegriffen. Der Bundesrat fordert darin die Bundesregierung auf, eine Klärung der Kostenübernahme für Assistenzkräfte im Krankenhaus sowie in Rehabilitationsmaßnahmen für behinderte Menschen herbeizuführen und eine entsprechende Änderung oder Ergänzung des SGB V beziehungsweise des SGB IX vorzunehmen.

Assistenzleistung im Arbeitgebermodell

Derzeit stellt sich die Situation so dar, dass lediglich Assistenznehmerinnen und Assistenznehmer, die ihre Assistenz über das Arbeitgebermodell sicherstellen, ihre Assistenzleistung während eines Krankenhausaufenthaltes oder einer Rehabilitationsmaßnahme weiter erhalten (§ 63b Absatz 3 und 4 SGB XII).

Dies hängt damit zusammen, dass die Assistenznehmerinnen und Assistenznehmer ihren Beschäftigten nicht während eines vorübergehenden Krankenhausaufenthaltes kündigen können – die Bezahlung läuft also weiter. Die Anzahl der Assistenznehmerinnen und Assistenznehmer mit Arbeitgebermodell ist sehr klein (im Bundesgebiet etwa 500).

Trägergesteuerten Assistenzleistungen

Anders stellt es sich bei der weitaus größeren Gruppe der Assistenznehmerinnen und Assistenznehmer mit trägergesteuerten Assistenzleistungen über einen Leistungsanbieter oder einen Pflegedienst dar. Es wird nur die tatsächlich erbrachte Leistung finanziert. In den Besonderen Wohnformen sowie den ambulanten Wohnangeboten der Behindertenhilfe ist eine generelle Begleitung der Assistenzkräfte während eines Krankenhausaufenthaltes in der SGB IX-Leistung generell nicht vorgesehen. Bei Bedarf erfolgt die Begleitung punktuell durch Angehörige oder Assistenzkräfte, wobei die Finanzierung in den Einzelfällen unklar ist.

Finanzierung durch die Krankenversicherung ?

Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass die Finanzierung der Assistenzleistungen während eines Krankenhausaufenthaltes aus SGB V-Leistungen erfolgt – unabhängig davon, wer im Einzelfall die Assistenz leistet (Pflegepersonal aus dem Krankenhaus, Unterstützungsbegleitung aus der Besonderen Wohnform, Angehörige oder andere Formen). Dabei sollte unbeachtet bleiben, ob es sich um pflegerische Assistenzleistungen oder sonstige behinderungsbedingte Assistenzleistungen handelt. Auch eine stundenweise Assistenz sollte ermöglicht und finanziert werden, wenn eine Mitaufnahme ins Krankenhaus nicht erforderlich ist. Dieses könnte auch in Ergänzung des Pflegepersonals im Krankenhaus ausreichend, gleichfalls aber erforderlich sein.

Eindeutige Zuordnung der Kosten fehlt

Leistungserbringer in der Behindertenhilfe schließen in Einzelfällen Vereinbarungen mit Krankenhäusern zu Assistenzleistungen ab. In den Fällen werden Assistenzleistungen aus den Wohneinrichtungen organisiert, aber vom Krankenhaus finanziert – und nicht aus der Eingliederungshilfe. Hier sind die Leistungserbringer immer auf das Wohlwollen der Krankenhäuser angewiesen. Es
bedarf daher einer gesetzlich eindeutigen Zuordnung der Kosten. Die Leistungserbringer in der Behindertenhilfe kennen – gerade bei kognitiv beeinträchtigten Menschen – die Bedarfe und die Art der Kommunikation mit ihnen.

Schulung des Pflegepersonals

Parallel zur Klärung der finanziellen Zuständigkeit ist die Schulung des Pflegepersonals in den Krankenhäusern auszubauen, damit sie den Umgang mit geistig behinderten, demenziell erkrankten, suchtkranken sowie psychisch erkrankten Menschen besser kennenlernen.

Abzugrenzen ist der Assistenzbedarf im Krankenhaus von behinderten Patienten zu pflegebedürftigen Menschen in und außerhalb von Pflegeheimen. Eine Konkretisierung in den Sozialgesetzbüchern für die Assistenzen im Krankenhaus und in den Rehabilitationsmaßnahmen ist erforderlich, um den besonderen Belangen der behinderten Menschen Rechnung zu tragen.

Quelle: Bundesrat

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