Lichtblicke aus Brüssel

Während sich Deutschland immer noch schwer tut mit der Bekämpfung der drohenden Klimakatastrophe, gibt es ab und an ermutigende Zeichen von der EU.

Klimaziele verfehlt? Egal!

Was passiert gerade in Deutschland? Das Klimaschutzgesetz soll entschärft werden. Der Koalitionsausschuss hat sich neulich darauf geeinigt, dass die sektorspezifischen Ziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen abgeschafft werden sollen. Beschlossen ist das aber nicht, es gibt noch nicht mal einen Gesetzentwurf dazu. Daher ist die Rechtslage immer noch so, dass Minister wie der Verkehrsminister, der die Klimaziele deutlich verfehlt hat, verpflichtet ist, bis Mitte Juni ein Sofortprogramm vorlegen, das mit konkreten Maßnahmen zeigt, wie der Verkehr wieder auf Klimakurs kommt.

Kanzler Scholz hebelt das Gesetz mit einer „Weisung“ aus. Verkehrsminister Wissing muss nichts tun, schließlich wolle man ja die Rechtslage ändern. Diese Form von Demokratieverständnis ist auch für die SPD ziemlich neu. Die Aufregung hält sich in Grenzen. Stattdessen wird von den „staatstragenden Parteien“ eine längere Haftstrafe für „Klimakleber“ bejubelt. Da fragt man sich, wer die größere kriminelle Energie hat und wer die wahren „Klimaterroristen“ sind.

Und die EU?

Nach dem Rat der Mitgliedsländer hat nun auch das Europäische Parlament das Herzstück des Europäischen Green Deals beschlossen. Die EU-Staaten müssen dem Plan noch zustimmen, was jedoch als Formsache gilt.

Das Paket enthält:

  • Die Verschärfung des EU-Emissionshandels für Energieproduktion und Industrie (ETS1)
  • Reform zur Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel
  • Die Absicherung für die energieintensive Industrie durch einen Grenzausgleichsmechanismus (“CBAM”)
  • Die Einführung eines zweiten Emissionshandels für die Bereiche Gebäude und Verkehr (ETS2)
  • Die Einführung eines EU-Klimasozialfonds

Erfolg der Protestbewegung

Dieses Klimapaket wurde nur durch die Zuspitzung der Klimakrise und die Protestbewegung Fridays for Future möglich. Sie hatte großen Einfluss auf das Ergebnis der Europawahlen 2019.

harte Deckel

Der EU-Emissionshandel setzt harte Deckel für die Treibhausgasemissionen. Leider galt er bisher nur für gut 40% der Gesamtemissionen. Durch den neuen Emissionshandel für Gebäude und Verkehr sowie die Erweiterung des ETS1 für kleinere Industriebetriebe werden künftig über 85% aller EU-Treibhausgasemissionen vom Emissionshandel erfasst. Auch Verkehr und Gebäude, die beim Klimaschutz bisher besonders schlecht geliefert haben, sind nun durch einen echten Emissionsdeckel erfasst. Zudem werden die Emissionsminderungsanstrengung für Industrie und Kraftwerke auf -62% bis 2030 gegenüber 2005 (bisher sind es -43%) erhöht.

Sozialer Ausgleich

Doch gerade mit der Ausweitung auf Gebäude und Verkehr stellen sich soziale Fragen. Erstmals im europäischen Recht überhaupt, beschließt die EU im Mehrheitsverfahren einen starken sozialen Ausgleich. Erstmals beschließt die EU parallel zu einer regulatorischen Maßnahme im Binnenmarkt gleichzeitig einen Ausgleich sozialer Folgekosten. Dabei startet der Klimasozialfonds schon in 2026, während der ETS2 erst zum 1.1.2027 startet. Insgesamt stellen die EU sowie die Mitgliedsstaaten rund 87 Mrd. Euro zur Verfügung, um Klimaschutz sozial gerecht zu machen. Nun liegt es an den Mitgliedsstaaten, diese Gelder so auszugeben, dass die verletzlichsten Mitbürger*innen präzise erreicht werden.

Darüber hinaus wird eine Art Klimazoll für Drittländer eingeführt, der sogenannte Kohlendioxid-Grenzausgleichsmechanismus, der ab 2034 vollständig gelten soll. So müssen künftig auch Produzenten im Ausland für den Ausstoß von CO2 zahlen, wenn sie ihre Ware in der EU verkaufen wollen.

Quellen: T-Online, Sven Giegold

Abbildung: pixabay.com fridays-for-future-4161573_1280.jpg

Nur noch ein kleines Zeitfenster

Das ist eine der Kernaussagen des am 28.2.2022 veröffentlichten Berichts des UNO-Weltklimarates (IPCC). Es handelt sich um den zweiten Teil des sechsten Sachstandsberichts. Im ersten Teil, veröffentlicht im letzten August, ging es um die naturwissenschaftlichen Grundlagen; im jetzt veröffentlichten Teil geht es um die Folgen des Klimawandels und der Anpassung. Ein weiterer, dritter Teil steht noch aus zur Reduktion von Treibhausgasen.

Kein Kontinent bleibt verschont

Fazit des Berichts über die Folgen des Klimawandels und der Anpassung ist, dass bereits jetzt schwere und dauerhafte Verluste und Schäden für Mensch und Natur entstehen. „Weltweit führt der Klimawandel zunehmend zu Verwundbarkeiten, Krankheiten, Unterernährung, Bedrohung der körperlichen und geistigen Gesundheit, des Wohlbefindens und sogar zu Todesfällen“, heißt es in der Zusammenfassung des Berichts. Es gebe keinen Kontinent, der verschont bleibt.

wir sind bei 1,2 Grad

An der Klimaanpassung führe kein Weg vorbei. Selbst wenn die Menschheit morgen schlagartig alle fossilen Kraftwerke abschaltet und den CO₂-Ausstoß drastisch senkt, gehe die Klimakrise noch weiter. Ein schnelles Handeln und ein Begrenzen auf maximal 1,5 Grad durchschnittliche globale Erwärmung (derzeit sind es rund 1,2 Grad), könnte die Verluste und Schäden eindämmen, aber nicht vollständig beseitigen.

Kostenfalle kein Klimaschutz

Einen informativen Spiegel-Artikel gibt es dazu von der Journalistin Susanne Götze, die zusammen mit Annika Joeres 2020 das „großartige, aber auch erschreckende Buch“ (Harald Lesch) „Die Klimaschmutzlobby: Wie Politiker und Wirtschaftslenker unsere Zukunft verkaufen.“ veröffentlichte. Leider benutzt auch der Spiegel oft reißerische Titel a la BILD wie neulich die Titelgeschichte zur Notwendigkeit der Sanierung von Altbauten. Titel: „Kostenfalle Klimaschutz„. Inhaltlich hätte allerdings die Überschrift: „Kostenfalle kein Klimaschutz“ besser gepasst.

Immer mehr Krisen

Nun ist es ja mehr als unangenehm, wenn wir nun schon wieder mit dem leidigen Thema Klima belästigt werden. Haben wir nicht mit der endlosen Pandemie und jetzt auch noch mit einem kriegslüsternen Autokraten genug Sorgen?

Dieser Krieg und die unweigerlich folgende Rüstungsspirale wird den CO2-Ausstoß weltweit weiter anfeuern. Eine weltweite Einigung auf Klimaschutzmaßnahmen wird durch den Krieg fast unmöglich, wenn man nicht mehr miteinander reden kann.

100 Milliarden Euro

Allerdings gibt es auch Lichtblicke: Für alle deutlich ist nun, dass ein schneller Ausstieg aus fossilen Energien nicht nur klimapolitisch geboten ist, sondern eine friedenssichernde Wirkung hat. Das schnelle Bereitstellen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zeigt, dass Geld verfügbar wäre für überlebenswichtige Aufgaben, wenn der politische Wille da ist. Das 100-Milliarden-Euro-Paket zeigt außerdem, dass Deutschland zu jedem Zeitpunkt fähig gewesen wäre, frühzeitig in erneuerbare Energien zu investieren und sich von Russland energiepolitisch unabhängig zu machen. Sowohl in der Pandemie wie auch in der Klimakrise wurden die notwendigen Investitionen zum Schutz von Menschen und Natur bisher aber nicht ermöglicht.

Über die 100 Milliarden freut sich erst mal die Rüstungsindustrie. Sie können für zukünftige Kriege nun kräftig produzieren und verkaufen. Der Ukraine wird damit aber aktuell kaum geholfen.

Klimastreik am 25.März

Um zu verhindern, dass die Regierungspolitik ihr wichtigstes Ziel, nämlich die Klimaneutralität, nicht aus den Augen verliert, ist es wichtig, dass Bürger, Gewerkschaften, Wissenschaftler und auch die Entscheider in der Wirtschaft gemeinsam mit Fridays For Future am 25. März 2022 auf die Straße gehen. Damit wir das kleine Zeitfenster, was bleibt, nutzen, um die schlimmsten Folgen des Klimwandels noch zu verhindern.

Quellen: Spiegel, Heinrich-Böll-Stiftung

Abbildung: fridaysforfuture.de

Alle fürs Klima

Vor zwei Jahren standen hier zwei Artikel zum Thema Klimawandel und die Gefahren, die gerade Kindern durch den weltweiten Temperaturanstieg droht. Anlass war der weltweite Klimastreik am 20.9.2019.

Vom Verfassungsgericht kassiert

Kurz danach legte die Bundesregierung ein völlig unzureichendes Klimaschutzgesetz auf, dass im Jahr darauf vom Bundesverfassungsgericht kassiert wurde. Auch in der Begründung zu diesem Urteil lag der Augenmerk auf die massiven Bedrohungen für die jetzige junge Generation, vor allem der drohenden Einschränkungen der Freiheitsrechte, wenn erst nach 2030 begonnen wird, massiv den Klimawandel zu bekämpfen und bis dahin nur ein moderater Politikwechsel stattfindet.

Je moderater die Veränderung, desto radikaler die Katastrophe

Denn an einem radikalen Politikwechsel wird kein Weg vorbeiführen. Tatsache ist, je später man mit der wirklichen Bekämpfung der Erderhitzuung beginnt, desto teurer wird es, desto mehr Menschenleben wird es kosten und desto radikaler muss nach 2030 nachgebessert werden. Sinn macht nur, jetzt sofort mit einem massiven Poltikwechsel zu beginnen, damit die Kosten noch begrenzt werden können und der vielbeschworene „Wohlstand“ noch einigermaßen erhalten werden kann.

Politik versagt weltweit

Leider gibt es noch von keiner Regierung auf der Welt konkrete Pläne, um die von allen beschlossenen Pariser Klimaziele einzuhalten. Auch keine der bundesdeutschen Parteien hat für die kommende Bundestagswahl ein Programm vorgelegt, dass geeignet wäre, das 1,5 Grad Ziel einzuhalten. Selbst die Grünen und Linken würden das Ziel mit ihren Programmen verfehlen, auch wenn sie gegenüber den anderen Parteien noch um einiges besser dastehen.

Diagramm der Klimawirksamkeit der Parteiprogramme
DIW ECON

Die Grafik stammt aus der Studie „Wie viel Klimaneutralität steckt in den Wahlprogrammen?“ des DIW ECON, erstellt für die Stiftung Klimaneutralität.

Hoffnung durch Gerichte, durch Proteste…

Hoffnungschimmer gibt es zur Zeit nur von Gerichten, die auch in anderen Ländern Urteile gefällt haben, die Regierungen zu mehr Klimaschutz verpflichten. Und es gibt die Hoffnung, dass massiver Druck durch die Bevölkerung, vor allem der jungen Generation, die um eine lebenswerte Zukunft kämpft, auf den Strassen die Politik zur Besinnung bringt. Deswegen soll auch hier dazu aufgerufen werden, den globalen Klimastreik am 24.9.2021 zu unterstützen. Durch Teilnahme und/oder durch Spenden. Mit aufgerufen zum Klimastreik haben die Gewerkschaften und viele Sozialverbände. Alles zum Klimastreik und zu Mitmachmöglichkeiten und vieles mehr auf der Webseite von Fridays for Future.

…und durch die Wissenschaft

Auch die Wissenschaft steht hinter den Forderungen der FFF-Bewegung. Unabhängige Institute, wie DIW oder das Wuppertal-Institut haben gezeigt, wie ein sozialverträglicher Umstieg noch zu schaffen ist:

Quellen: Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende, Fraunhofer-Institut, DIW, Wuppertal-Institut, DIW-Econ, Fridays For Future

Abbildung Fridays For Future AllefürsKlima.jpg

Klimakrise und Menschen mit Behinderung

Zwölf Bewohner einer Einrichtung der Behindertenhilfe sind bei der Unwetterkatastrophe in Sinzig gestorben. Das Wasser hatte das Erdgeschoss des Wohnheims geflutet. Die Menschen konnten sich nicht retten und nicht gerettet werden.

Das legt den Fokus darauf, ob Menschen mit Behinderungen generell stärker durch Katastrophen gefährdet sind. Katastrophen, die durch den Klimawandel immer häufiger auftreten werden.

Auswirkungen

In einem Beitrag in dem Projekt „Die Neue Norm“ des Vereins Sozialhelden e.V. hat die Autorin Andrea Schöne beschrieben, welche Auswirkungen der Klimawandel speziell auf Menschen mit Behinderungen hat.

Es geht um die Fragen:

  • Sind behinderte Menschen stärker gefährdet?
  • Wie kann man sie besser schützen?
  • Wie barrierefrei und inklusiv sind Proteste gegen die Klimakrise?
  • Was tun behinderte Menschen selbst, um das Klima zu retten?
  • Was sagt die Wissenschaft zum Verhältnis von Klima und Behinderung?

Untersuchung zu Katrina

Aktuell ist gerade die erste Frage relevant. Andrea Schöne kommt zu dem Ergebnis, dass behinderte Menschen mehr von Naturkatastrophen bedroht sind, weil sie etwa in Notfällen schlechter flüchten können. Als Beispiel wird eine Untersuchung über die Auswirkungen des Hurrikans Katrina 2005 genannt: Damals waren Menschen mit Behinderung stark betroffen, sowohl vor und während als auch nach der Katastrophe:

  • Vor der Katastrophe: Keine barrierefreien Warnsysteme oder Berichterstattung, sodass behinderte Menschen über die Situation nicht Bescheid wissen. Beispielsweise war die Gebärdensprachdolmetschung beim Hurrikan Katrina im Fernsehen nicht gut sichtbar und somit unverständlich.
  • Während der Katastrophe: Barrierefreie Evakuierung und Unterbringung oftmals nicht gegeben. Die Notunterkünfte beim Hurrikan Katrina hatten keine barrierefreien Toiletten und Betten oder waren erst gar nicht zugänglich.
  • Nach der Katastrophe: Erschwerter Zugang zu neuen Wohnmöglichkeiten, Essen, Wasser und Gesundheitsversorgung. Nach dem Hurrikan Katrina fehlten vielen Familien mit behinderten Kindern wichtige Dokumente über deren Behinderung, was deren Zugang zu Nachteilsausgleichen in der Bildung erschwerten, weil sie dann keine Assistenz mehr erhielten. 

Flucht erschwert

In vielen Regionen der Erde wird den Menschen kaum etwas anderes übrig bleiben als zu fliehen, wenn die Lage vor Ort lebensbedrohlich wird. Aber auch dabei sind Menschen mit Behinderung benachteiligt. Oft sind sie gar nicht in der Lage zu fliehen und müssen bleiben ohne sichere Wohnverhältnisse, Arbeit, unterstützende Netzwerke oder Gesundheitsversorgung.

Bildung

Besonders wichtig scheint es zu sein, den Zugang zu Bildung für behinderte Menschen weltweit mehr zu fördern, um sie auf Naturkatastrophen besser vorzubereiten.

International

Der UN-Menschenrechtsrat verabschiedete am 12. Juli 2019 eine Resolution über die Zusammenhänge von Menschenrechten und dem Klimawandel, wobei explizit auch auf die Lage und den Schutz von behinderten Menschen im Klimawandel eingegangen wird. Darin wird festgehalten, dass Menschen mit Behinderungen häufig zu den am stärksten betroffenen Menschen im Notfall gehören. Sie haben eine unverhältnismäßig höhere Morbiditäts- und Sterblichkeitsrate und gehören gleichzeitig zu denjenigen, die am wenigsten Zugang zu Nothilfe haben.

Klimaproteste

Ausführlich beschreibt Andrea Schöne in ihrem Beitrag, wie es um die Teilhabe an den Protesten gegen die aktuell unzureichende Politik gegen den Klimawandel bestellt ist. Auch hier gibt es Nachholbedarf wahrzunehmen, dass Klimagerechtigkeit auch ein Thema für behinderte Menschen ist. In den großen Netzwerken der Klimabewegung wie Fridays For Future und Extinction Rebellion sind Aktivist*innen mit Behinderung deutlich in der Unterzahl, oftmals fehle es an Wissen zu Barrierefreiheit auf Seiten der Netzwerke, um Menschen mit Behinderung für eine Mitarbeit bei ihren Organisationen zu interessieren und zu erreichen.

Ein Anstoß?

Die Katastrophe von Sinzig könnte ein Anstoß sein, Menschen mit Behinderungen bei den Folgen des Klimawandels besser wahrzunehmen, sie besser zu schützen und sie gleichberechtigt in der gesellschaftlichen Debatte teilhaben zu lassen.

Quelle: Andrea Schöne, dieneuenorm.de: Inklusion in Zeiten der Klimakrise
Human Rights Watch, Spiegel

Abbildung: pixabay.com fridays-for-future-4161573_1280.jpg