Telefonische Kinderkrankmeldung

Wenn das Kind erkrankt und Betreuung benötigt, können beschäftigte Eltern seit dem 18. Dezember 2023 die ärztliche Bescheinigung zum Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes per Telefon erhalten. Sie müssen dafür nicht mehr mit dem Kind die Kinderarztpraxis aufsuchen. Diese Bedingungen müssen erfüllt sein:

  • Das erkrankte Kind ist der Arztpraxis bereits persönlich bekannt.
  • Die Krankschreibung per Telefon ist medizinisch vertretbar. Die Entscheidung trifft der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin.
  • Die Bescheinigung gilt für maximal 5 Kalendertage.

Es besteht kein rechtlicher Anspruch auf die telefonische Krankschreibung.

Die Regelung gilt vorerst bis zum 30. Juni 2024.

Bundesregierung in den sozialen Medien

Die Bundesregierung veröffentlichte dazu am 20.12. folgenden Text mit Bild: „Was für Erwachsene gilt, soll auch für Kinder möglich sein: per Telefon eine Bescheinigung über deren Erkrankung zu bekommen. Ohne den Gang zum Arzt können Eltern damit Kinderkrankengeld in Anspruch nehmen. Unter folgenden Bedingungen:“

Telefonische Krankschreibung als Vorbild

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) zuvor gebeten, eine solche Regelung zu treffen. Hintergrund ist die inzwischen geltende Möglichkeit zu telefonischen Krankschreibungen bei leichten Erkrankungen, wenn Patienten in Praxen bekannt sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kassen und Kliniken hatte kürzlich eine Dauerregelung nach Vorbild einer Corona-Sonderregelung beschlossen.

Lauterbach hatte in einem Schreiben an die KBV und die Kassen erläutert, die telefonische Krankschreibung solle nicht nur in den Fällen Patienten und Praxen entlasten, in denen Versicherte selbst erkrankt und arbeitsunfähig sind – sondern auch dann, wenn Kinder erkrankt sind und Eltern zur Inanspruchnahme des Kinderkrankengeldes ein ärztliches Zeugnis benötigen.

Quellen: Bundesregierung, Techniker Krankenkasse, Tagesschau

Abbildung: pixabay.com cold-1972619_1280.jpg

Elterngeld – Einkommensgrenze

Mit der Verabschiedung des Haushaltsfinanzierungsgesetz (20/8298) im Bundestag am 15. Dezember 2023 ist nun endgültig geklärt, was aus den Einkommensgrenzen bei Elterngeld wird.

Einkommensgrenze sinkt

Der Beschluss bedeutet, dass die Einkommensgrenze, bis zu der ein Anspruch auf Elterngeld besteht, sinkt. Konkret sollen künftig Personen mit gemeinsamen Elterngeldanspruch ab einem Einkommen von mehr als 175 000 Euro kein Elterngeld mehr erhalten, für Alleinerziehende wird die Einkommensgrenze auf 150.000 Euro reduziert. Es gibt aber Übergangsregelungen.

Nicht mehr möglich wird dem Gesetzentwurf zufolge bis auf Ausnahmen sein, dass beide Elternteile gleichzeitig nach dem 12. Lebensmonat des Kindes das Basiselterngeld beziehen.

Zielsetzung des Elterngeldes

In der Gesetzesbegründung heißt es, die Einkommensgrenze sei an der Zielsetzung des Elterngeldes auszurichten. Das Elterngeld solle es Eltern ermöglichen, weitgehend unabhängig von finanziellen Erwägungen frei zu entscheiden, in welchem Umfang sie auf Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuung des Kindes verzichten möchten.

Wegfall bei hohem Einkommen gerechtfertigt

Eltern erhalten grundsätzlich einen Einkommensersatz in Höhe von 67 Prozent des Einkommensausfalls im Verhältnis zum Einkommen im Bemessungszeitraum. Die Höhe des Einkommensersatzes ist gestaffelt: Bei Einkommen unter 1 000 Euro steigt sie bis auf 100 Prozent, bei Einkommen über 1 200 Euro sinkt sie schrittweise bis auf 65 Prozent, der Höchstbetrag des Elterngeldes beträgt 1 800 Euro.

Diese soziale Ausgestaltung des Elterngeldes trägt dem Umstand Rechnung, dass bei niedrigen Einkommen schon ein geringerer Einkommensausfall deutlich schwerer zu verkraften ist, als bei höheren Einkommen auch weil geringere Möglichkeiten der eigenständigen Vorsorge für einen begrenzten Zeitraum bestehen. Diese nehmen mit
steigendem Einkommen zu.

Der Wegfall des Elterngeldes bei sehr hohen Einkommen, so die Regierung, sei daher gerechtfertigt. Für die Grenze des zu versteuernden Einkommens, deren Erreichen zum Wegfall des Elterngeldes führt, hat der Gesetzgeber einen Einschätzungsspielraum.

Übergangsregelung

Der neu eingefügte § 28 Abs. 5 BEEG ist eine Übergangsvorschrift für die neue Einkommensgrenze, ab der der Anspruch auf Elterngeld ausgeschlossen ist. Für Kinder, die ab dem 1. April 2024 geboren oder mit dem Ziel der Adoption angenommen wurden, gilt vorübergehend die Grenze von 200.000 Euro zu versteuerndem Einkommen bei Personen mit gemeinsamen Elterngeldanspruch. Für Alleinerziehende wird die Einkommensgrenze ab 1. April 2024 auf 150.000 Euro gesenkt. Für Kinder, die ab 1. April 2025 geboren oder mit dem Ziel der Adoption angenommen wurden, gilt die Grenze von 175.000 Euro zu versteuerndem Einkommen.

Quelle: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: Fotolia_200192096_Subscription_XXL.jpg

Inflationsausgleich für Betreuer*innen

Selbstständige berufliche Betreuer sowie Betreuungsvereine können in den Jahren 2024 und 2025 eine monatliche Sonderzahlung zum Inflationsausgleich geltend machen: Der Bundesrat stimmte am 15. Dezember 2023 einem entsprechenden Bundestagsbeschluss zu. Das Gesetz kann daher nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Anpassung an gestiegene Kosten

Die Sonderzahlung beträgt 7,50 Euro pro Betreuungsfall und Monat. Sie ist grundsätzlich von der betreuten Person zu bezahlen. Ist diese allerdings mittellos, so springt die Staatskasse ein.

Der Aufschlag soll die stark gestiegenen Kosten in den Bereichen Personal, Mobilität sowie Miet- und Sachkosten abfedern. Diese fielen vor allem bei Betreuungsvereinen an, die ihre Mitarbeiter nach TVöD bezahlen und den jüngsten Tarifabschluss umsetzen müssen, heißt es in der amtlichen Begründung. Die zeitlich begrenzte Sonderzahlung soll sich an diesem Tarifabschluss orientieren.

Jahrespauschale für ehrenamtliche Betreuer

Ehrenamtlich tätige Betreuerinnen und Betreuern können eine Sonderzahlung zum Ausgleich inflationsbedingter Mehrkosten in Höhe von 24 Euro pro Jahr verlangen.

Evaluation bis Ende 2024 geplant

Die Sonderzahlung erfolgt zeitlich begrenzt auf zwei Jahre, um das Ergebnis der Evaluierung des gesamten Vergütungssystems abzuwarten, die im Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22. Juni 2019 beschlossen worden war: Bis Ende Dezember 2024 legt das Bundesministerium der Justiz dazu einen Bericht vor.

Kompensation über Gerichtsgebühren

Durch die Inflationsausgleichs-Sonderzahlung entstehen Kosten für die Länder. Sie sollen durch eine Anhebung der Gerichtsgebühren für Dauerbetreuungen und Dauerpflegschaften über mehrere Jahre hinweg kompensiert werden.

Quelle: Bundesrat

Abbildung: pixabay.com, nattanan23 money-g13f5232b3_1280.jpg

Düsseldorfer Tabelle 2024

Die zum 1. Januar 2024 aktualisierte Düsseldorfer Tabelle ist ab sofort auf der Internetseite des Oberlandesgerichts Düsseldorf abrufbar. Gegenüber der Tabelle 2023 sind im Wesentlichen die Bedarfssätze minderjähriger und volljähriger Kinder, die Einkommensgruppen und der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Eigenbedarf geändert worden.

Angemessener Unterhalt

Die Düsseldorfer Tabelle ist ein allgemein anerkanntes Hilfsmittel für die Ermittlung des angemessenen Unterhalts im Sinne des § 1610 BGB. Die in der Tabelle ausgewiesenen Richtsätze sind Erfahrungswerte, die den Lebensbedarf des Kindes ausgerichtet an den Lebensverhältnissen der Eltern und an seinem Alter auf der Grundlage durchschnittlicher Lebenshaltungskosten typisieren, um so eine gleichmäßige Behandlung gleicher Lebenssachverhalte zu erreichen (BGH, Beschluss vom 20.09.2023 – XII ZB 177/22 –, Rn. 33).

Die Tabelle wird von allen Oberlandesgerichten zur Bestimmung des Kindesunterhalts verwandt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf gibt sie seit dem 1. Januar 1979 heraus. Sie wird unter Beteiligung und in Abstimmung sämtlicher Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages e.V. erarbeitet und erstellt.

Einkommensgruppen erhöht

Die Tabellenstruktur ist gegenüber 2023 unverändert. Es verbleibt bei 15 Einkommensgruppen und dem der Tabelle zugrundeliegenden Regelfall von zwei Unterhaltsberechtigten. Die Einkommensgruppen, die zuletzt zum Jahr 2018 angehoben wurden, werden zum 1. Januar 2024 durchgehend um 200 EUR erhöht. Die erste Einkommensgruppe endet damit nicht mehr bei 1.900 EUR, sondern bei 2.100 EUR. Die 15. Einkommensgruppe endet bei 11.200 EUR (zuvor 11.000 EUR).

1. Bedarfssätze

a) Minderjährige

Die Anhebung der Bedarfssätze minderjähriger Kinder (1. bis 3. Altersstufe) beruht auf der Erhöhung des Mindestbedarfs gemäß der Sechsten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 29.11.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 330). Danach beträgt der Mindestunterhalt gemäß § 1612a BGB ab dem 1. Januar 2024 

–       für Kinder der 1. Altersstufe (bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres) 480 EUR (Anhebung gegenüber 2023: 43 EUR), 

–       für Kinder der 2. Altersstufe (bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres) 551 EUR (Anhebung gegenüber 2023: 49 EUR), 

–       für Kinder der 3. Altersstufe (vom 13. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit) 645 EUR (Anhebung gegenüber 2023: 57 EUR).

Diese Beträge entsprechen den Bedarfssätzen der ersten Einkommensgruppe (bis 2.100 EUR) der Düsseldorfer Tabelle. Die Anhebung der Bedarfssätze der ersten Einkommensgruppe gegenüber 2023 führt zugleich zu einer Änderung der Bedarfssätze der folgenden Einkommensgruppen. Wie in der Vergangenheit werden sie bis zur fünften Einkommensgruppe um jeweils 5 % und in den folgenden Gruppen um je 8 % des Mindestunterhalts angehoben und entsprechend § 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB auf volle Euro aufgerundet.

b) Volljährige

Die Bedarfssätze volljähriger Kinder werden zum 1. Januar 2024 gleichfalls erhöht. Wie im Jahr 2023 beträgt der Bedarf in der ersten Einkommensgruppe 125 % des Mindestbedarfs der 2. Altersstufe. In den folgenden Gruppen wird er um je 5 % bzw. 8 % des Bedarfssatzes der ersten Einkommensgruppe angehoben.

c) Studierende

Der Bedarfssatz eines studierenden Kindes, das nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, bleibt mit 930 EUR gegenüber 2023 unverändert. Von dem Bedarf von 930 EUR kann mit Rücksicht auf die Lebensstellung der Eltern oder bei erhöhtem Bedarf nach oben abgewichen werden.

2. Anrechnung Kindergeld

Auf den Bedarf des Kindes ist nach § 1612b BGB das Kindergeld anzurechnen, und zwar bei minderjährigen Kindern in der Regel zur Hälfte und bei volljährigen Kindern in vollem Umfang. Die sich danach ergebenden Beträge sind in der „Zahlbetragstabelle“ im Anhang aufgeführt. Diese beruht auf der Annahme, dass das Kindergeld im Jahr 2024 weiterhin einheitlich je Kind 250 EUR betragen wird. Sollte sich die Höhe des Kindergeldes ändern, wird die „Zahlbetragstabelle“ entsprechend anzupassen sein. 

3. Selbstbehalte

Die Selbstbehalte – die den Unterhaltsschuldnern für ihren Eigenbedarf zu belassenden Beträge – werden zum 1. Januar 2024 erhöht. Die Anhebung der Selbstbehaltssätze gegenüber 2023 beruht vornehmlich auf der Erhöhung des Bürgergeld-Regelsatzes der Regelbedarfsstufe 1 zum 1. Januar 2024 von 502 EUR auf 563 EUR gemäß Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2024 vom 24.10.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 287).

a) Der notwendige Selbstbehalt bzw. Eigenbedarf beträgt nunmehr für den nicht erwerbstätigen Unterhaltsschuldner 1.200 EUR (statt bisher 1.120 EUR) und für den erwerbstätigen Unterhaltsschuldner 1.450 EUR (statt bisher 1.370 EUR). Dieser Selbstbehaltssatz gilt gegenüber Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder und sogenannter privilegierter volljähriger Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, § 1603 Abs. 2 BGB. Die im notwendigen Selbstbehalt enthaltenen Kosten der Unterkunft (Warmmiete) betragen unverändert 520 EUR.

b) Der angemessene Selbstbehalt gegenüber sonstigen Ansprüchen auf Kindesunterhalt (§ 1603 Abs. 1 BGB) erhöht sich auf 1.750 EUR (2023: 1.650 EUR). Die darin enthaltenen Wohnkosten (Warmmiete) bleiben mit 650 EUR unverändert.

c) Der Eigenbedarf gegenüber Ansprüchen des Ehegatten beläuft sich für den nicht erwerbstätigen Unterhaltsschuldner auf 1.475 EUR (bisher 1.385 EUR), bei Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen auf 1.600 EUR (bisher 1.510 EUR). Hierin sind Wohnkosten (Warmmiete) von 580 EUR enthalten. Diese Beträge gelten auch gegenüber Unterhaltsansprüchen der Mutter oder des Vaters eines nichtehelichen Kindes nach § 1615l BGB.

Die Eigenbedarfe/Selbstbehalte sollen erhöht werden, wenn die darzulegenden tatsächlichen Wohnkosten die in den jeweiligen Eigenbedarfen enthaltenen Wohnkostenpauschalen überschreiten und nicht unangemessen sind.

Der Mindestbedarf des Ehegatten beträgt für den nicht erwerbstätigen Unterhaltsberechtigten 1.200 EUR, bei Erwerbstätigkeit 1.450 EUR.

Quellen: Oberlandesgericht Düsseldorf, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: pixabay.com children-593313_1280.jpg

Mindestunterhalt und Unterhaltsvorschuss

Grundsätzlich haben Kinder den Eltern gegenüber einen Anspruch auf Unterhaltsleistungen. Diese werden zunächst dadurch erbracht, dass die Eltern ihnen Wohnung, Kleidung und Essen gewähren und gegebenenfalls ein Taschengeld. Nichts anderes gilt zunächst bei der Trennung der Eltern. Beide bleiben weiterhin zu Unterhaltsleistungen für die Kinder verpflichtet, nur spaltet sich dann die Unterhaltsverpflichtung auf. Der Elternteil, bei dem die Kinder weiterhin wohnen, kommt für den sogenannten Naturalunterhalt auf, das heißt für die unmittelbare Betreuung, das Wohnen, Essen, Kleidung und die damit zusammenhängenden persönlichen Bedürfnisse.

Mindestunterhalt

Der nicht sorgeberechtigte Elternteil erbringt regelmäßig seine Unterhaltsleistungen durch den sogenannten Barunterhalt. Der finanzielle Unterhalt richtet sich nach der Mindestunterhaltsverordnung, die zuletzt im Ende November 2023 für das Jahr 2024 angepasst wurde, und der die Mindesthöhe des finanziellen Anspruchs regelt.

Erhöhung des Mindestunterhalts

Der monatliche Mindestunterhalt eines Kindes erhöht sich ab 1. Januar 2024:

  • bis Ende des sechsten Lebensjahres von 437  auf 480 EUR,
  • von sieben bis zum Ende des zwölften Lebensjahres von 502 auf 551 EUR und
  • ab dem 13. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit von 588 auf 645 EUR.

Diese Beträge entsprechen den Bedarfssätzen der ersten Einkommensgruppe (bis 1.900 EUR) der Düsseldorfer Tabelle. Die neuen Zahlen der Düsseldorfer Tabelle werden in den nächsten Tagen (oder Wochen) traditionsgemäß vom Oberlandesgericht Düsseldorf bekanntgegeben. Wir werden zeitnah darüber berichten.

Unterhaltsvorschuss

Auch die Höhe des Unterhaltsvorschusses nach dem Unterhaltsvorschussgesetz richtet sich nach dem gesetzlichen Mindestunterhalt. Unterhaltsvorschuss verfolgt das Ziel, den allein stehenden Elternteil zu entlasten und den Ausfall an Unterhalt für sein Kind nicht entstehen zu lassen.

Ein Kind hat Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn es

1.das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
2.innerhalb des Geltungsbereichs des UVG wohnt,
3.den Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil hat,
4.bei einem Elternteil lebt, der ledig, verwitwet, dauernd getrennt oder geschieden ist und nicht in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit dem anderen Elternteil lebt (Lebenssituation des Elternteils),
5.nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt vom anderen Elternteil bzw. Waisenbezüge in Höhe des Regelbedarfs für nichteheliche Kinder erhält.

Kinder ab Vollendung des 12. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs

Hier gelten die Voraussetzungen (Ziffer 2 bis 5) wie oben. Zudem müssen aber noch die weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UVG vorliegen:

kein SGB II-Leistungsbezug des Kindes, oder
durch den Bezug von UVG-Leistungen kann Hilfebedürftigkeit nach den Grundsätzen des SGB II vermieden werden, oder
mindestens 600 Euro Bruttoeinkommen des alleinerziehenden Elternteils vorliegt.

Höhe des Unterhaltsvorschusses

Der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder wird seit dem 1. Januar 2016 durch eine Rechtsverordnung festgelegt. Dies ist durch eine Änderung des § 1612a BGB möglich geworden. Damit ist der Mindestunterhalt unabhängig von den Kinderfreibeträgen.

Danach beträgt der Mindestunterhalt ab 1. Januar 2024:

Kinder, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Altersstufe 0 bis 5 Jahre): 480 EUR
Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Altersstufe 6 bis 11 Jahre): 551 EUR
Kinder, die das achzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Altersstufe 12 bis 17 Jahre): 645 EUR

Hat der Elternteil, bei dem das Kind lebt, Anspruch auf volles Kindergeld, so mindert sich die Unterhaltsleistung um zu zahlende Kindergeld, also um 250 EUR.

Quellen: Bundesanzeiger, SOLEX, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: Fotolia_48139166_Subscription_XXL.jpg

Telefon-AU

Während der Corona-Pandemie konnten sich Patienten telefonisch beim Arzt krankschreiben lassen. Nun soll die Regelung dauerhaft eingeführt werden.

Gesetzlicher Auftrag

Mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) vom 19. Juli 2023 wurde der G-BA in § 92 Absatz 4a Satz 5 (neu) SGB V beauftragt, bis zum 31. Januar 2024 in seiner AU-RL die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen, und ausschließlich für in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannten Versicherten auch nach telefonischer Anamnese zu ermöglichen.

Änderung vorgezogen

Die für Januar geplante diesbezügliche Änderung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken (G-BA) wurde nun auf vielfachen Wunsch, vor allem aus den zur Zeit wieder überlasteten Arztpraxen, vorgezogen und gilt ab heute, den 7. Dezember 2023.

Voraussetzungen

Für eine Krankschreibung müssen Patientinnen und Patienten ab 7. Dezember 2023 nicht mehr zwingend in die Arztpraxis kommen: Sofern keine Videosprechstunde möglich ist, kann nun auch nach telefonischer Anamnese eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden. 

Dabei gilt jedoch:

  • Die Patientin oder der Patient muss in der jeweiligen Arztpraxis bereits bekannt sein.
  • Zudem darf keine schwere Symptomatik vorliegen, denn in diesem Fall müsste die Erkrankung durch eine unmittelbare persönliche Untersuchung abgeklärt werden.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann die Ärztin oder der Arzt nach telefonischer Anamnese die Erstbescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit für bis zu 5 Kalendertage ausstellen.

Folgebescheinigung bei persönlichem Erscheinen

Besteht die telefonisch festgestellte Erkrankung fort, muss die Patientin oder der Patient für die Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit die Arztpraxis aufsuchen. Im Fall, dass die erstmalige Bescheinigung anlässlich eines Praxisbesuchs ausgestellt wurde, sind Feststellungen einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit auch per Telefon möglich. Ein Anspruch der Versicherten auf eine Anamnese und Feststellung der Arbeitsunfähigkeit per Telefon besteht nicht.

Keine Krankmeldung zweiter Klasse

Der G-BA betont in seiner Pressemitteilung, dass es sich bei der telefonischen Krankmeldung nicht um eine Krankschreibung zweiter Klasse handele. Die Regelungen zur telefonischen Krankschreibung trügen der besonderen Verantwortung Rechnung, dass Krankschreibungen eine hohe arbeits- und sozialrechtliche sowie wirtschaftliche Bedeutung haben. Für den G-BA stehe im Vordergrund, dass die medizinische Sorgfalt bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit immer gewährleistet sein müsse – das gelte selbstverständlich auch für die telefonische Anamnese. Bei Bedarf müssten die Symptome durch eine unmittelbar persönliche Untersuchung abgeklärt werden. Diese stelle nach wie vor den Standard in der ärztlichen Versorgung dar.

Beschlusstext

Der Beschlusstext mit den Regelungsdetails steht unter folgendem Link zur Verfügung: Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie | Beschlüsse

Quelle: G-BA

Abbildung: Stockfotos-MG – fotolia.com AUBescheinigung_HP.jpg

Ganzheitliche Betreuung (Bürgergeld)

Seit 1. Juli 2023 haben die Jobcenter die Möglichkeit ein Coaching (sog. ganzheitliche Betreuung) zu bewilligen, um Bürgergeldbeziehende für eine Beschäftigung zu befähigen.

Informationen vom BMAS und der Agentur für Arbeit

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat aktuelle Informationen zu den Inhalten und zur Durchführung des § 16k SGB II (ganzheitliche Betreuung) herausgegeben. Dieses Finanzierungsinstrument ist mit der Umsetzung der zweiten Stufe des Bürgergeldes zum 1. Juli 2023 in Kraft getreten. Die Betreuung kann sowohl von Jobcentern als auch von ihnen beauftragte Dritte durchgeführt werden.

Mit diesem Instrument, so das BMAS, soll die Beschäftigungsfähigkeit von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten aufgebaut und stabilisiert werden. Junge Menschen sollen zudem an eine Ausbildung herangeführt bzw. während der Ausbildung begleitet werden können. Bei der ganzheitlichen Betreuung soll im Rahmen von Einzelcoachings an den besonderen, individuellen Problemlagen der Leistungsberechtigten gearbeitet werden, die Auswirkungen auf die Beschäftigungsfähigkeit haben. Umfasst ist dabei die beratende wie auch die aufsuchende Betreuung, bei der auch das häusliche und sozialräumliche Umfeld
einbezogen werden kann.

Förderinhalte

Mögliche Förderinhalte finden sich in der fachlichen Weisung der Bundesagentur für
Arbeit zur ganzheitlichen Betreuung nach § 16k SGB II. Dort finden sich auch nähere
Informationen zur Abgrenzung von Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen
Eingliederung nach § 16 SGB II in Verbindung mit § 45 SGB III.

Mögliche Förderinhalte:

  • Individuelle Beratung, Betreuung und Unterstützung der Teilnehmenden und ggf. deren Bedarfsgemeinschaft während des gesamten Förderzeitraums,
  • Unterstützung in der konkreten persönlichen und familiären Situation, z. B. Aufbau von Tagesstrukturen, Stabilisierung der Bedarfsgemeinschaft, soziale Aktivierung, Verbesserung sozialer Handlungskompetenzen, Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
  • Alltagshilfen, z. B. Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Umgang mit Geld, Beratung zum Erscheinungsbild, Hilfestellung bei Behördengängen und Antragstellungen,
  • Krisenintervention bzw. Konfliktbewältigung,
  • Unterstützung bei psychosozialen Problemen, Suchtproblematiken, Schulden, Gesundheitsproblemen, Entwicklung von Sprachkompetenzen durch Aktivierung von Netzwerken zu anderen Leistungsträgern.
  • Unterstützung bei besonderen individuellen Rahmenbedingungen, die der Beschäftigungsfähigkeit entgegenstehen, z. B. von Geflüchteten, Frauen/Männern, die § 10 SGB II (Zumutbarkeit) in Anspruch nehmen,
  • Abstimmung der ganzheitlichen Betreuung mit schon bestehenden Leistungen (z. B. bei Leistungen in Kooperation mit der Jugendhilfe oder bei Therapien),
  • Unterstützung von Bedarfsgemeinschaften mit Kindern bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII oder von Krankenkassen bzw. Rehaträgern,
  • Aufbau beruflicher Handlungskompetenzen, z. B. Unterstützung bei der Entwicklung von Arbeitstugenden, Förderung der beruflichen Flexibilität, Vermittlung der Anforderungen im Arbeitsalltag (u. a. pünktlicher Arbeitsbeginn, Erwartungen des Arbeitgebers),
  • Übergangsmanagement, z. B. Förderung von Anschlussperspektiven
  • Beschäftigungs- und ausbildungsbegleitende Angebote
  • Individuelle Hilfestellungen bei der Heranführung an eine Berufsorientierung, Ausbildung oder zur Begleitung während einer Ausbildung, z. B. Unterstützung bei der Suche nach Ausbildungsbetrieben, Vorbereitung auf und Begleitung zu Bewerbungsgesprächen, individuelle Betreuung am Ausbildungsplatz, Ansprechpartner für den Ausbildungsbetrieb, Koordination von und Begleitung zu Gesprächen mit dem Arbeitgeber, Unterstützung beim Übergang von der Ausbildung in eine anschließende Beschäftigung.

Trägerzulassung

Voraussetzung für die Umsetzung ist eine Trägerzulassung, wobei eine zentrale Anforderung dabei ist, ein Qualitätssystem zu etablieren. Damit können sich die Träger bereits an den entsprechenden Ausschreibungsverfahren durch das Jobcenter beteiligen. Die Durchführung als sog. „Gutscheinmaßnahme“ setzt eine Träger- und Maßnahmezulassung voraus. Sowohl die Träger- als auch die Maßnahmezulassung erfolgt durch akkreditierte Fachkundige Stellen.

Quellen: BMAS, Arbeitsagentur, Paritätischer Gesamtverband

Abbildung: fotolia.com Fotolia_59650133_Subscription_XXL.jpg

Schutz von Schwangeren vor Beratungsstellen

Eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes soll den Schutz von Schwangeren vor Beratungsstellen zum Schwangerschaftsabbruch sicherstellen.

Gehsteigbelästigungen

Schwangere sollen vor Schwangerschaftsberatungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, wirksamer vor sogenannten Gehsteigbelästigungen durch Abtreibungsgegner und -gegnerinnen geschützt werden. Mit einer Reform des Schwangerschaftskonfliktgesetzes sollen die Rechte der Schwangeren sowie das Beratungs- und Schutzkonzept in seiner Gesamtheit gestärkt werden.

Schwangerschaftskonfliktberatung

Unter den Voraussetzungen des § 218a StGB ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland straffrei. Damit ein Schwangerschaftsabbruch, für den keine medizinische oder kriminologische Indikation (§ 218a Absatz 2 und 3 StGB) vorliegt, straffrei ist, muss die Schwangere sich zuvor einer Schwangerschaftskonfliktberatung unterziehen (§ 218a Absatz 1 Nummer 2 StGB). Die Inanspruchnahme der Beratung und der Zugang zu Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sind daher auch mit Blick auf den Versorgungsauftrag der Länder und die Schutzpflicht des Staates zu gewährleisten.

Schwangere und Fachpersonal wirksamer schützen

Vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, finden mit zunehmender Häufigkeit Protestaktionen von Abtreibungsgegnern und -gegnerinnen statt. Dabei werden sowohl Schwangere als auch das Fachpersonal zum Teil gezielt gegen ihren Willen angesprochen, um ihnen zum Beispiel eine andere Meinung zu Schwangerschaftsabbrüchen aufzudrängen. Oder sie werden mit unwahren oder verstörenden Inhalten, die geeignet sind, die Beratung zu beeinträchtigen, konfrontiert. Die Schwangeren trifft das oftmals in einer schon bestehenden besonderen physischen und psychischen Belastungssituation.

Solche Verhaltensweisen, die nicht auf einen einvernehmlichen Austausch von Argumenten und sachlich zutreffenden Informationen abzielen, können das gesetzlich geschützte Regelungskonzept unterlaufen und die Inanspruchnahme der Schwangerschaftskonfliktberatung oder den Zugang zu Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, beeinträchtigen. Deshalb ist es zum einen erforderlich, die Letztverantwortung der Schwangeren in dieser höchstpersönlichen Angelegenheit sicherzustellen. Zum anderen geht es auch darum, dass das Fachpersonal seine Aufgabe möglichst ungestört ausüben kann. Diese Ziele will das geplante Zweite Gesetz zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes erreichen, indem es einen bundeseinheitlichen und rechtssicheren Umgang mit sogenannten Gehsteigbelästigungen festlegt.

Nicht hinnehmbare Verhaltensweisen als Ordnungswidrigkeiten untersagen

Durch die geplanten Änderungen im Schwangerschaftskonfliktgesetz sollen bestimmte, nicht hinnehmbare Verhaltensweisen untersagt werden, wenn diese geeignet sind, die Inanspruchnahme der Beratung in der Beratungsstelle oder den Zugang zu Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, zu beeinträchtigen. Dies gilt nur für wahrnehmbare Verhaltensweisen in einem Bereich von 100 Metern um den Eingangsbereich der Beratungsstellen und Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.

Unter diesen Voraussetzungen soll mit dem geplanten Gesetz beispielweise untersagt werden, das Betreten der Einrichtungen durch Hindernisse absichtlich zu erschweren, eine Schwangere gegen ihren erkennbaren Willen die eigene Meinung aufzudrängen, sie erheblich unter Druck zu setzen oder sie mit unwahren Tatsachenbehauptungen oder verstörenden Inhalten zu konfrontieren.

Verstöße gegen diese Verbote stellen dann eine Ordnungswidrigkeit dar und werden mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro belegt.

Bundesstatistik wird angepasst

Das geplante Gesetz enthält außerdem Änderungen zur Bundesstatistik zu Schwangerschaftsabbrüchen. Sie dienen einem genaueren Überblick über die Versorgungssituation in den Ländern. Bisher werden die Daten zu Schwangerschaftsabbrüchen nur auf Bundes- und Länderebene ausgewertet. Damit die Länder ihrem Versorgungsauftrag besser nachkommen können, gibt die Bundesstatistik mit Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes jährlich auch Auskunft über die regionale Verteilung der Schwangerschaftsabbrüche unterhalb der Länderebene. Zudem werden die Stellen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, künftig jährlich auf Bundes- und Länderebene nach Größenklassen gestaffelt dargestellt, um das Bild der Versorgungslage zu verbessern.

Quelle: BMFSFJ

Abbildung: pixabay.com baby-1531060_1280.jpg

Bürgergeld für Straffällige bei Sucht-Therapien

Eine Gesetzeslücke schließen will das Land NRW mit einem Gesetzesänderungsantrag im Bundesrat. Es geht um § 7 SGB II, in dem die Leistungsberechtigten des Bürgergelds beschrieben sind. Dort heißt es in Absatz 4: „Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, … in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung …untergebracht ist.“ Dort soll nun folgender Satz angefügt werden: „Hiervon ausgenommen ist der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung auf Grundlage des § 35 des Betäubungsmittelgesetzes…“

§ 35 Zurückstellung der Strafvollstreckung

Die Vollstreckung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder eines Strafrestes von nicht mehr als zwei Jahren bei von Betäubungsmitteln abhängigen Verurteilten kann zurückgestellt werden, wenn sie die Tat aufgrund ihrer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen haben und sich wegen ihrer Abhängigkeit in einer ihrer Rehabilitation dienenden Behandlung befinden oder zusagen, sich einer bereits gewährleisteten Therapie zu unterziehen.

Therapie statt Strafe

Voraussetzung für die Gewährleistung des Therapiebeginns und damit für einen
Antrag auf Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG ist die Kostenzusage des zuständigen Trägers, um die Übernahme der für die therapeutische Maßnahme selbst anfallenden Kosten sicherzustellen. In der Vergangenheit wurden den betroffenen Personen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) gewährt, um ihren Lebensunterhalt während der Therapiemaßnahme zu sichern.

BSG-Urteil

Mit Urteil vom 5. August 2021 (B 4 AS 58/20 R) hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für verurteilte
Personen, die sich nach Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG in
einer stationären Entwöhnungstherapie befinden, gemäß § 7 Absatz 4 Satz 2 SGB
ausgeschlossen ist, da es sich bei Therapieeinrichtungen im Sinne des § 35 BtMG
um Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen im
Sinne des § 7 Absatz 4 Satz 2 SGB II handelt.

Therapie nicht mehr möglich

In der Praxis hat diese Rechtsprechung zur Folge, dass für Gefangene, gegen die
eine nach § 35 BtMG zurückstellungsfähige Strafe vollstreckt wird, eine Vermittlung in eine notwendige Therapie nach § 35 BtMG faktisch unmöglich wird.

Der bislang erfolgreiche Ansatz des § 35 BtMG, „Therapie statt Strafe“, droht daher
künftig weitgehend ins Leere zu laufen. Dies hat gesamtgesellschaftlich, aber auch
für den einzelnen Gefangenen/die einzelne Gefangene und sein/ihr unmittelbares
Umfeld dramatische Auswirkungen, da Gefangene ohne die dringend erforderliche
Drogentherapie in die Gesellschaft entlassen werden müssen.

Therapie soll nicht zu Leistungsausschluss führen

Um die geschilderten negativen Auswirkungen der sozialgerichtlichen
Rechtsprechung zu vermeiden und um die Anwendung des Ansatzes „Therapie statt
Strafe“ sicherzustellen, soll eine Regelung im SGB II dahingehend vorgenommen werden, dass der Aufenthalt in einer stationären Therapieeinrichtung nicht zu einem Leistungsausschluss von Bürgergeld führt. Ziel der Gesetzesänderung ist dabei die Sicherstellung eines Anspruchs auf Leistungen für verurteilte Personen, die sich nach Zurückstellung der Strafvollstreckung in einer stationären Entwöhnungstherapie befinden, ohne dabei in die Systematik der Sozialgesetzbücher einzugreifen.

Der Bundesrat hat bisher noch nicht über den Antrag beraten.

Quellen: Bundesrat, Bundestag, BSG

Abbildung: pixabay.com man-597178_1280.jpg

Anhörung im Bundestag zur COP28

Seit 2015, als die Pariser Klimaziele beschlossen wurden, brachten alle nachfolgenden Klimakonferenzen enttäuschende Ergebnisse. Auch die am 30. November in Dubai stattfindende Klimakonferenz – COP 28 – weckt keine großen Hoffnungen und steht schon vor Beginn unter massiver Kritik. Vor allem der Veranstaltungsort und der Präsident der Weltklimakonferenz, Sultan Ahmed al-Dschaber, der gleichzeitig Chef von ADNOC ist, eines der weltweit größten Erdölkonzerne, sorgen bei Klimaschützern für Kopfschütteln.

Erdöl-Multi als Gastgeber

So schrieben im Januar hunderte Nichtregierungsorganisationen in einem offenen Brief an UN-Generalsekretär António Guterres, dessen Ernennung bedrohe die „Legitimität“ der Konferenz in Dubai. Keine guten Vorzeichen für die Rettung des Planeten also.

Anhörung im Bundestag

Trotzdem fand am 28. November im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags eine Anhörung von geladenen Sachverständigen statt, die durchweg mehr Anstrengungen zur Erreichung der Pariser Klimaziele forderten. Ausgenommen der von der AFD geladene Christopher Monckton of Brenchley, der wieder ein Bühne bekam für den Schwachsinn, den er im Auftrag des menschenverachtenden Heartland-Instituts verbreiten durfte. (Die Heartland-Stiftung ist übrigens Teil des Atlas-Netzwerks, dem anderem führende FDP-Politiker angehören, zum Beispiel Frank Schäffler, der vor kurzem durch die Torpedierung des von seiner eigenen Partei mitbeschlossenen Gebäude-Einergie-Gesetzes aufgefallen ist. Das nur am Rande.)

Zusage an Entwicklungsländer nicht eingehalten

Bertha Aguerta, Referentin für Klimafinanzierung und Entwicklung beim Verein Germanwatch, erinnerte daran, dass die Industriestaaten hätten zugesagt haben, seit 2020 100 Milliarden Dollar pro Jahr bereitzustellen, um den Entwicklungsländern zu helfen, Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen. 2021 sei dieses Ziel leider nicht erreicht worden. Zwar habe Deutschland seinen Beitrag geleistet. Andere Industriestaaten hätten dies jedoch nicht getan. Insofern müsse von einem Scheitern gesprochen werden. Anpassungsmaßnahmen, so Aguerta, seien jedoch besonders wichtig für die Entwicklungsländer, da die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher würden und die nachhaltige Entwicklung bedrohten.

Zielkonflikte

„Für mich ist proaktive internationale Klimapolitik Krisen- und Konfliktprävention“, sagte der von der Unionsfraktion nominierte Professor Jan Christoph Steckel vom Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Die globale Reduktion von Emissionen sei im globalen Interesse. Steckel forderte, die eigenen Ziele und Interessen klar zu formulieren, Zielkonflikte klar zu benennen, „und diese nach Möglichkeit auch aufzulösen“. Zielkonflikte gebe es international wie auch national. Der Anstieg der Kohleverstromung in den letzten Jahren in Ländern wie China, Indien, Indonesien und den Philippinen sei darauf zurückzuführen, dass es in diesen Ländern die günstigste Möglichkeit war, schnell viel Stromkapazität ans Netz zu bringen. „Ziele, wie Energiesicherheit oder kurzfristig günstiger Strom wurden von den nationalen Regierungen höher gewertet als klimapolitische Ziele.“

Dies bedeute aber nicht, dass es keine klimafreundlichen Alternativen gebe oder Kohle eine unumstößliche Bedingung für ökonomische Entwicklung sei, betonte Steckel. Diese Alternativen seien aber mit höheren Kosten verbunden. „Daher ist eine internationale Politik der ausgestreckten Hand, wie sie es unter anderem mit den Just Energy Transition Partnerships (JETPs) versucht wird, der richtige Weg“, sagte er.

Weit entfernt von den nötigen Klimazielen

Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Sachverständige benannte Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Kira Vinke, sieht die Welt in einer „wirklich brenzligen Krise“. Aktuell würden Prozesse im Erdsystem losgetreten, die sich auf viele hunderte Jahre auswirken könnten. „Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Ambitionen im Klimaschutz steigern, auch national“, sagte sie. Die deutsche Klima-Außenpolitik gründe sich schließlich in ihrer Legitimierung auf ihrer Klima-Innenpolitik.

Um das 1,5 Grad-Ziel bis Ende des Jahrhunderts noch im Blick behalten zu können, müssten die Emissionen weltweit um 40 Prozent bis 2030 gesenkt werden, sagte Vinke. „Davon sind wir weit entfernt“, fügte sie hinzu. Benötigt werde der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien. Ein Ziel könne sein, bis 2030 11.000 Gigawatt hinzuzubauen. Die Expertin sprach sich für mehr multilaterale oder bilaterale Abkommen aus, um eine neue Dynamik auch mit Blick auf den Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung zu erzielen. Wenn es beispielsweise derzeit nicht möglich sei, einen globalen CO2-Preis zu erreichen, könne in kleineren Gruppen etwa ein Methanpreis ausgemacht werden. Dazu müsse versucht werden, „auch mit den Amerikanern eine stärkere Partnerschaft einzugehen“.

Vinke ging auch auf die Kreditvergabe für Klimaanpassungsmaßnahmen ein. Benötigt würden mehr Zuwendungen, „weil es für viele Länder nicht möglich ist, für bestimmte Anpassungsmaßnahmen Kredite aufzunehmen und diese fristgerecht zurückzuzahlen“.

Klimaclubs als Alternative

Professor Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, von der FDP-Fraktion zu der Anhörung eingeladen, blickt wenig hoffnungsvoll auf die anstehende Konferenz von Dubai. Erwartet worden sei, dass nun der Mechanismus des „Naming and Shaming“ einsetze. In den vorliegenden Dokumenten stehe davon aber gar nichts. Es sei nur eine kollektive statt einer individuellen Bestandsaufnahme geplant. Im Grunde vertage man sich bei dieser Bestandsaufnahme schon wieder bis zur nächsten in fünf Jahren, bemängelte er. „Es ist also nicht zu erwarten, dass dort der zentrale Vollzugsmechanismus des Paris-Abkommens greift“, so Schwarze.

Realistischer sei ohnehin derzeit ein Klimastabilisierungsszenario jenseits von zwei Grad. Schon 2026 werde wohl das 1,5 Grand-Ziel dauerhaft verletzt werden. Alternativen zum Paris-Abkommen seien die Klimaclubs. „Diese Idee ist für Ökonomen außerordentlich charmant“, sagte Schwarze. Sie stelle die CO2-Bepreisung in den Mittelpunkt aller Ziele, was viele Vorteile habe. Allerdings sei diese Zielsetzung etwa im Rahmen der G7 aufgegeben worden. Schwarze nannte dies ernüchternd. Es gelte nun, den klimafreundlichen technischen Fortschritt durch internationale Forschungskooperation stärker zu fördern.

Quellen: Bundeszentrale für politische Bildung, wikipedia, t-online, Bundestag

Abbildung: http://solex.walhalla.de/wp-content/uploads/2023/09/heat-g24cd09263_640.jpg