Bürgerrat zu Ernährung

Die Empfehlungen des Bürgerrates „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ berät der Bundestag am Donnerstag, 14. März 2024. Nach knapp 70-minütiger Debatte soll die Unterrichtung an den federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zur weiteren Beratung überwiesen werden.

Neun Empfehlungen

Der Rat, bestehend aus 160 per Losverfahren ausgesuchten Teilnehmern, hat in dem Bericht neun Empfehlungen für eine „bessere Ernährungspolitik“ zusammengestellt. Zu den Vorschlägen gehören

  • kostenloses Kita-Essen,
  • ein staatliches, verpflichtendes Label für alle in Deutschland und der Europäischen Union verkauften Produkte
  • die Pflicht zur Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln durch den Einzelhandel,
  • Lebensbedingungen und Herkunft von Tieren transparent darstellen
  • ein neuer Steuerkurs für Lebensmittel –  gesunde Lebensmittel ohne Mehrwertsteuer
  • eine gesunde, ausgewogene, angepasste Gemeinschaftsverpflegung,
  • Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls
  • eine Altersgrenze für Energydrinks,
  • mehr Personal für Lebensmittelkontrollen

sowie für Aufklärung und Bildung „als Fundament für alle Empfehlungen“.

Forderung nach einem Verpflichtenden Label

Den größten Zuspruch im Rat erhielt der Unterrichtung zufolge die Forderung nach einem staatlichen, verpflichtenden Label für alle in Deutschland und der Europäischen Union verkauften Produkte. Das Label solle dabei helfen, Produkte besser und einfacher vergleichen zu können, heißt es in der Vorlage. Somit könne das Gesundheitsbewusstsein gefördert und die Wertschätzung von Lebensmitteln gesteigert werden, vor allem in Hinblick auf Kostenbewusstsein und Lebensmittelverschwendung. 

Kostenloses Essen für Kinder

Fast ebenso stark fiel das Votum für die Empfehlung aus, ein kostenfreies und gesundes Mittagessen bundesweit in Kindertagesstätten und Schulen für alle Kinder und Jugendlichen täglich bereitzustellen. Damit solle eine gesunde Ernährung von Kindern gefördert und einer Mangelernährung entgegengewirkt werden. Außerdem solle es die Chancengleichheit zwischen den Kindern fördern und Eltern bei der täglichen Bereitstellung des Essens für ihre Kinder entlasten.

Arbeit des Bürgerrates beschrieben

In der Broschüre zu den Empfehlungen wird ebenfalls detalliert dargestellt, wie der Bürgerrat funktioniert, wie gearbeitet wird, welche wissenschaftliche Begleitung es gab und wie die Entscheidungen und Empfehlungen zustande kamen.

Quelle: Bundestag

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Cannabis

Nach langer politischer Auseinandersetzung hat der Bundestag am Freitag, 23. Februar 2024, den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“ (20/870420/8763) gebilligt. Mit dem Gesetz soll Erwachsenen künftig der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum im privaten Raum erlaubt werden. Im öffentlichen Raum soll die Höchstgrenze bei 25 Gramm liegen. In namentlicher Abstimmung votierten 404 Abgeordnete für das Gesetz, 226 stimmten dagegen und vier enthielten sich ihrer Stimme.

Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses

Zur Abstimmung hatten der Gesundheitsausschuss eine Beschlussempfehlung (20/10426) und der Haushaltsausschuss einen Bericht nach Paragraf 96 der Geschäftsordnung (20/10427) vorgelegt. Der Gesundheitsausschuss hatte in einer teils turbulenten und emotionalen Sitzung am Mittwoch, 21. Februar, noch einige Änderungen am Ursprungsentwurf beschlossen.

Anträge der CDU/CSU (20/8735) und der AfD (20/8869), die beide den Stopp der geplanten Legalisierung forderten, fanden beide keine Mehrheit. Gegen den Antrag der AfD stimmten alle übrigen Fraktionen des Hauses, für den Antrag der Union stimmte auch die AfD. Auch zu diesen Vorlagen hatte der Gesundheitsausschuss Beschlussempfehlungen abgegeben (20/10426).

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Das Gesetz sieht den legalen Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene vor. Ermöglicht wird nun der private Eigenanbau, der gemeinschaftliche nichtgewerbliche Eigenanbau und die kontrollierte Weitergabe von Cannabis durch Anbauvereinigungen. Mit dem Gesetz werde ein verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis erleichtert, heißt es in der Begründung der Bundesregierung.

Das Gesetz zielt den Angaben zufolge darauf ab, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, Aufklärung und Prävention zu stärken, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu verbessern. Die aktuelle Entwicklung zeige, dass der Konsum von Cannabis trotz der bestehenden Verbotsregelungen weiter ansteige. Das vom Schwarzmarkt bezogene Cannabis sei oft mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden, da der Gehalt des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) unbekannt sei und giftige Beimengungen, Verunreinigungen sowie synthetische Cannabinoide enthalten sein könnten.

Privater Cannabis-Anbau

Künftig möglich sein soll zudem der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum. Privat angebautes Cannabis muss jedoch vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche geschützt werden. Außerdem dürfen nichtgewerbliche Anbauvereinigungen Cannabis künftig anbauen und an ihre Mitglieder zum Eigenkonsum weitergeben.

Dafür gelten strenge Vorschriften. So werden für die Anbauvereinigungen maximal 500 Mitglieder zugelassen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben müssen. Zulässig ist nur die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung. In den Anbauvereinigungen darf Cannabis nur in begrenztem Umfang an Mitglieder weitergegeben werden, wobei die Mitgliedschaft und das Alter zu überprüfen sind.

Begrenzte Ausgabe von Cannabis

An Mitglieder weitergegeben werden dürfen maximal 25 Gramm pro Tag oder 50 Gramm pro Monat. Die Ausgabe von Cannabis an Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren ist auf 30 Gramm pro Monat mit einer Begrenzung des THC-Gehalts auf zehn Prozent zulässig. Konsumcannabis darf als Haschisch oder Marihuana nur in kontrollierter Qualität und in Reinform weitergegeben werden. In einer Schutzzone von 100 Metern um Anbauvereinigungen sowie Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen und öffentlich zugängliche Sportstätten wird der Konsum von Cannabis verboten.

Um vor allem Kinder und Jugendliche vor der Droge zu schützen, gilt ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und Anbauvereinigungen. Geplant ist außerdem eine Stärkung der Prävention durch eine Aufklärungskampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) über die Wirkung und Risiken von Cannabis. Die Novelle soll nach vier Jahren auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen hin evaluiert werden. Es bleibt bei der Verschreibungspflicht für Medizinalcannabis.

Geplant ist ein gestuftes Inkrafttreten der Reform. So soll das Gesetz insgesamt am 1. April 2024 in Kraft treten. Die Vorschriften für den gemeinschaftlichen Eigenanbau in den sogenannten Anbauvereinigungen soll jedoch am 1. Juli 2024 in Kraft treten. 

Stellungnahme des Bundesrates

In einer Stellungnahme hatte zuvor der Bundesrat seine Befürchtung vor hohen finanziellen Folgebelastungen der Länder durch Kontroll- und Vollzugs- sowie Präventions- und Interventionsaufgaben zum Ausdruck gebracht (20/8704). Als Beispiel angeführt wurde die Kontrolle der Anbauvereinigungen. Der Bundesrat bezweifelte auch die wirksame Kontrolle des zulässigen Höchstwertes von THC (Tetrahydrocannabinol) und hält neue, hochpotente Cannabis-Sorten für möglich.

Die praktische Umsetzung der geplanten Jugendschutzzonen im öffentlichen Raum und Schutzvorkehrungen im privaten Raum war nach Einschätzung der Länderkammer ebenfalls kritisch zu hinterfragen. Hier deute sich ein strukturelles Vollzugsdefizit an. Schließlich wies der Bundesrat auf die Notwendigkeit hin, zulässige Grenzwerte für THC im Straßenverkehr festzulegen.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Die Bundesregierung teilte die Bedenken des Bundesrates zum Vollzugsaufwand nicht, wie aus der entsprechenden Unterrichtung (20/8763) hervorgeht. So sei voraussichtlich erst nach fünf Jahren die geschätzte Gesamtzahl von 3.000 Anbauvereinigungen erreicht. Die Länder könnten die Personal- und Sachmittelkapazitäten sukzessive anpassen. Zudem erwartet der Bund mit der Entkriminalisierung hohe Einsparungen der Länder durch weniger Strafanzeigen und weniger Strafverfahren. Die eingesparten Mittel könnten für die Überwachung der Anbauvereinigungen sowie für die Suchtprävention eingesetzt werden.

Aufklärung und Prävention sowie gesetzliche Vorgaben für die Anbauvereinigungen trügen zu einem umfassenden Gesundheits- und Jugendschutz bei, heißt es in der Unterrichtung weiter. Was den zulässigen THC-Wert im Straßenverkehr betrifft, habe eine interdisziplinäre Expertengruppe des Bundesverkehrsministeriums das Ziel, Grenzwerte zu ermitteln. Nach Auffassung der Bundesregierung sei der THC-Grenzwert so zu bemessen, dass die Straßenverkehrssicherheit ausreichend gewahrt bleibe.

Weiterhin umstritten

Während der letzten parlamentarischen Beratungen meldete sich der Präsident der Bundesärztekammer mit massiver Kritik am Gesetzentwurf. Etwa zeitgleich forderten 30 Forscher und Fachleute in einem offenen Brief Bundestagsabgeordnete auf, dem Gesetzentwurf in dieser Woche zuzustimmen.

In einer übersichtlichen Zusammenstellung fasst die Tagesschau die wissenschaftliche Einschätzung zum Für und Wider zusammen.

Quellen: Bundestag, Tagesschau

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Antiziganismus schafft es nicht in den Bundestag

Anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust und des 78. Jahrestages der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945 wurde in diesem Jahr besonders der 500.000 ermordeten Sinti und Roma gedacht.

Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus

Im Mai 2019 wurde der Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus (Perspektivwechsel – Nachholende Gerechtigkeit – Partizipation) veröffentlicht, der am 31. März dem Bundestag zur Beschlussempfehlung erneut (erstmals im Juni 2021) vorgelegt werden sollte.

Die Abstimmung über den Bericht wurde nun schon wieder kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestages am Freitag, 31. März 2023, abgesetzt.

Beauftragter gegen Antiziganismus

In dem mehr als 800 Seiten umfassenden Bericht fordert die 2019 eingesetzte Kommission die Bundesregierung auf, einen „Beauftragten gegen Antiziganismus“zu berufen, der Maßnahmen zur Überwindung von Antiziganismus koordinieren soll. Beraten werden soll er nach dem Willen der Kommission von einem unabhängigen Kreis aus Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft, der von der Bundesregierung in Absprache mit dem Beauftragten berufen wird.

Zur Sicherstellung der Umsetzung zahlreicher in dem Bericht formulierten Empfehlungen fordert die Kommission zudem die Schaffung einer ständigen Bund-Länder-Kommission, da viele Maßnahmen zur Überwindung von Antiziganismus laut Vorlage in die Zuständigkeit der Länder fallen.

Anerkennung des Genozids an Sinti und Roma

Zu den zentralen Forderungen der Kommission zählt zudem die umfassende Anerkennung des nationalsozialistischen Genozids an Sinti und Roma. Für nicht in Deutschland lebende Überlebende des NS-Völkermordes an Sinti_ze und Rom_nja fordert die Kommission die Einrichtung eines Sonderfonds durch das Bundesfinanzministerium für diejenigen, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Bundesrepublik bisher keine oder nur geringfügige Entschädigungen erhalten haben.

Eine niedrigschwellige, einmalige Anerkennungsleistung sei für alle Roma und Sinti vorzusehen, die vor der Befreiung ihres damaligen Heimat- oder Emigrationslandes von der NS-Besatzung oder den mit dem NS-Regime kollaborierenden Regierungen geboren wurden, heißt es in der Vorlage weiter. Wer die Anspruchsvoraussetzungen erfülle, solle laufende Leistungen erhalten.

Aniziganismus in Deutschland

Der Bericht listet zu Beginn eine Reihe erschreckender Ereignisse auf, die während der Erstellung des Berichts seit 2019 in Deutschland passierten und die zeigen, dass Rassismus gegen Sinti_ze und Rom_nja hierzulande coh weit verbreitet ist.

Dazu gehören:

  • die gesetzwidrige Sondererfassung von Sinti_ze und Rom_nja bei der Berliner Polizei,
  • antiziganistisch legitimierten Absperrungen ganzer Wohnblocks im Kontext der Corona-Ausnahmesituation,
  • Planungen zu einem Abbau des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas aufgrund des Baus einer S-Bahn-Trasse,
  • Abschiebungen von seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Rom_nja in existenziellen Notlagen,
  • Abführung eines elfjährigen Kindes in Handschellen und seine Inhaftnahme,
  • Äußerungen von prominenten Personen aus der Unterhaltungsbranche, die in ignoranter, verletzender und verächtlichmachender Manier bei mehreren Anlässen vor einem Millionenpublikum ihr Beharren auf der rassistischen Fremdbezeichnung „Zigeuner“ zum Besten gaben,
  • der rechtsterroristische Anschlag in Hanau vom 19. Februar 2020. Unter den neun Todesopfern befinden sich drei Angehörige aus den Communitys von Sinti_ze und Rom_nja: die 35-jährige Mercedes Kierpacz, der 23-jährige Vili Viorel Păun und der 33-jährige Kaloyan Velkov.

Schaden umfassend ausgleichen

Die Kommission fordert darüber hinaus, „den gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Schaden, der durch die massive Benachteiligung in der Wiedergutmachungspraxis und den fortgesetzten Antiziganismus nach 1945 der Zweiten Generation entstanden ist, umfassend auszugleichen“. Den bis 1965 in Deutschland geborenen Kindern der im Nationalsozialismus verfolgten Sinti und Roma seien daher nach dem Vorbild der „Stiftung Anerkennung und Hilfe“ einmalige Pauschalen auszuzahlen.

Des Weiteren dringt das Gremium auf die Einsetzung einer Kommission zur Aufarbeitung des an Sinti und Roma begangenen Unrechts in der Bundesrepublik. Sinti und Roma „wurde und wird durch staatliche Behörden und andere gesellschaftliche Institutionen der Bundesrepublik Deutschland (zum Beispiel Polizei, Justiz, öffentliche Verwaltung, Ausländer- und Sozialbehörden, Schulen, Jugendämter, Kirchen, Wohlfahrtsverbände) gravierendes Unrecht zugefügt“, schreiben die Autoren. Deshalb fordere die Kommission die Bundesregierung auf, einen „umfassenden Prozess der Aufarbeitung dieses auch als Zweite Verfolgung bezeichneten Unrechts einzuleiten“. Dazu solle die Bundesregierung ein mit angemessenen finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattetes Gremium einsetzen.

Anerkennung geflüchteter Roma als schutzwürdig

Ferner pocht die Kommission in ihrem Bericht auf die Anerkennung geflüchteter Roma als „besonders schutzwürdige Gruppe“. Mit Blick auf die praktische Anwendung der Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes sei klarzustellen, dass die in Deutschland lebenden Roma „aus historischen und humanitären Gründen als eine besonders schutzwürdige Gruppe anzuerkennen sind“. Landesregierungen und Ausländerbehörden seien aufgefordert, die Praxis der Abschiebung von Roma sofort zu beenden. Der Bundesregierung und dem Bundesgesetzgeber wird in dem Bericht empfohlen, die Einstufung von Serbien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Montenegro und dem Kosovo als asylrechtlich „sichere Herkunftsstaaten“ zurückzunehmen.

Zentrale Forderungen

Schließlich macht sich die Kommission in ihren „zentralen Forderungen“ für die „Umsetzung und Verstetigung von Partizipationsstrukturen“ stark. Unter anderem soll danach die zivilgesellschaftliche Arbeit der Organisationen von Sinti und Roma in Deutschland durch „transparente Strukturen einer dauerhaften finanziellen Förderung“ gestärkt werden.

Quellen: Bundestag

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Wohngeld-Reform 2023

Wohngeld-Plus“ ist im Bundestag angekommen. Am 13.10.2022 fand die erste Lesung statt. Zusammen mit der Neuauflage eines Heizkostenzuschusses wird das Wohngeld-Plus-Gesetz nun weiter in den Ausschüssen beraten.

Heizkosten

Die Bundesregierung plant, Wohngeldempfängerinnen und -empfängern für die Heizperiode von September bis Dezember 2022 einmalig einen zweiten Heizkostenzuschuss zu zahlen: für eine Person 415 Euro, für zwei Personen 540 Euro und für jede weitere Person zusätzliche 100 Euro. Zuschussberechtigte Azubis, Schülerinnen und Schüler und Studierende sollen jeweils 345 Euro erhalten. 

Wohngeld

Ab dem 1. Januar 2023 soll dann das neue „Wohngeld plus“ mit deutlich höheren Zuschüssen zur Miete und einem stark ausgeweiteten Empfängerkreis greifen. Statt bisher rund 180 Euro pro Monat sollen Berechtigte fast das Doppelte bekommen, nämlich rund 370 Euro pro Monat. Die Zahl der anspruchsberechtigten Haushalte soll sich sogar verdreifachen, von 600.000 auf zwei Millionen. Darüber hinaus schlägt die Bundesregierung die Einführung einer dauerhaften Heizkostenkomponente vor, die entweder als Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete ausgezahlt werden oder – im Falle von Wohneigentum – als Belastung in die Wohngeldberechnung eingehen soll. Mit einer ebenfalls dauerhaften Klimakomponente will die Bundesregierung Mieterhöhungen wegen energetischen Gebäudesanierungen abfedern. 

Auszahlung dauert

Die Bauministerin sprach insgesamt von einem „großen Kraftakt“ bei der Umsetzung der Reform. Die Wohngeldstellen der Kommunen würden sich schon jetzt darauf vorbereiten und ihr Ministerium stehe zur Unterstützung bereit.

Dennoch würde die Auszahlung „einige Zeit in Anspruch nehmen“, dämpfte sie die Erwartungshaltungen. Sie ging damit indirekt auf die Alarmsignale der Kommunen ein, die schon seit Wochen warnen, sie könnten die zu erwartende Antragsflut wegen des Personalnotstands in ihren Verwaltungen nicht bewältigen. Das Wohngeld könne daher für die Fülle der neuen Berechtigten kaum zum Jahresanfang 2023 an alle ausgezahlt werden.  

Finanzierungsstreit

Unklar ist noch, wer das neue Wohngeld – die Bundesregierung beziffert die Kosten auf knapp vier Milliarden Euro – bezahlen soll. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen sich Bund und Länder diese je zur Hälfte teilen. Die Länder wollen hingegen, dass der Bund die kompletten Kosten übernimmt. Eine Lösung ist bislang nicht in Sicht.

Expertenanhörung

Klar ist bisher nur, dass der Bund die auf etwa 550 Millionen Euro bezifferten Ausgaben für den zweiten Heizkostenzuschuss übernimmt. Mit dieser Einmalzahlung befasst sich der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen am Montag, dem 17. Oktober 2022, im Rahmen einer Expertenanhörung.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Bürgergeld im Bundestag

Gestern, am 13. Oktober wurde im Bundestag über den Gestzentwurf zum Bürgergeld teilweise heftig gestritten, so dass sich die Bundestagspräsidentin genötigt fühlte, die Abgeordneten zu ermahnen, auf Beschimpfungen zu verzichten.

wesentlicher Inhalt

Die Bundesregierung möchte mit dem Gesetz, „Hartz IV hinter sich lassen“. Geplant sind unter anderem grundlegende Reformen in der Zusammenarbeit zwischen Arbeitssuchenden und Jobcenter-Mitarbeitern (Kooperationsplan statt Eingliederungsvereinbarung), die Einführung einer zweijährigen Karenzzeit, in der das Vermögen und die Angemessenheit der Wohnung nicht überprüft werden und die Stärkung der Qualifizierung und Weiterbildung unter anderem durch finanzielle Anreize. Ferner soll der Soziale Arbeitsmarkt verstetigt und Sanktionen deutlich abgemildert werden. Außerdem werden die monatlichen Regelleistungen um einen Inflationsausgleich deutlich angehoben (siehe dazu auch Eckpunkte zum Bürgergeld, Bürgergeld – Referentenentwurf und Bürgergeld – Kabinettsentwurf).

„eklatante Gerechtigkeitslücke“

Die Kritik der CDU zielt darauf ab, dass die Regelsätze so hoch seien, so dass es sich nicht lohne, arbeiten zu gehen, dass die Sanktionen entschärft würden und dass es eine „eklatante Gerechtigkeitslücke“ sei,  in den ersten zwei Jahren des Bürgergeldbezugs Vermögen und Wohnung nicht zu prüfen.

„Verarsche auf dem Rücken der Langzeitarbeitslosen“

Die Linksfraktion sieht ein verbessertes Hartz IV, eine bedarfsgerechte Erhöhung der Regelsätze gebe es aber nicht und die Ideen für einen Sozialen Arbeitsmarkt und Weiterbildung seien „Verarsche auf dem Rücken der Langzeitarbeitslosen“, wenn gleichzeitig die Mittel dafür gestrichen würden.

dauerhafte Arbeitsmarktintegration

Die Koalitionsfraktionen betonen, dass Menschen im Leistungsbezug sich stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitsuche konzentrieren können sollen. Ziel sei eine dauerhafte Arbeitsmarktintegration. Außerdem solle die Berechnung der Regelbedarfe neu gestaltet werden: Die Bedarfe sollen künftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst werden.

zwei Jahre Karenzzeit

Damit die Leistungsberechtigten sich auf die Arbeitsuche zu konzentrieren können, soll laut Bundesregierung in den ersten zwei Jahre des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit gelten: Die Kosten für Unterkunft und Heizung würden in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen. Vermögen werde nicht berücksichtigt, „sofern es nicht erheblich ist“. Nach Ablauf der Karenzzeit werde eine entbürokratisierte Vermögensprüfung durchgeführt. Es sollen zudem höhere Freibeträge gelten.

Kooperationsplan

Vorgesehen ist auch, die bisherige Eingliederungsvereinbarung durch einen Kooperationsplan abzulösen, der von den Leistungsberechtigten und den Integrationsfachkräften gemeinsam erarbeitet wird. Dieser Plan diene dann als „roter Faden“ im Eingliederungsprozess und sei ein Kernelement des Bürgergeld-Gesetzes, betont die Bundesregierung. Mit Abschluss des Kooperationsplans gelte eine Vertrauenszeit. In diesem Zeitraum werde ganz besonders auf Vertrauen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesetzt. Lediglich wiederholte Meldeversäumnisse würden sanktioniert – mit maximal zehn Prozent Leistungsminderung.

umfassende Betreuung

Abgeschafft werden solle der „Vermittlungsvorrang in Arbeit“. Stattdessen sollen Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung solle Leistungsberechtigten helfen, „die aufgrund vielfältiger individueller Probleme besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen“.

weitere Beratung

Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. 

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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