Höheres Kindergeld ab 2021

Das Bundeskabinett hat das Zweite Familienentlastungsgesetz beschlossen. Schon während der Debatte um das Erste Familienentlastungsgesetz im Herbst 2018 wurde bekannt, dass eine weitere Kindergelderhöhung um 15 Euro für den 1.1.2021 geplant sei. Dies wird nun verwirklicht. Die Regierung nimmt damit die Ergebnisse des noch nicht veröffentlichten 13. Existenzminimumberichtes vorweg.

Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag

Zum 1. Januar 2021 steigt das Kindergeld um 15 Euro und beträgt damit

  • für das erste und zweite Kind jeweils 219 Euro,
  • für das dritte Kind 225 Euro und
  • für das vierte und jedes weitere Kind jeweils 250 Euro.

Der Kinderfreibetrag und der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf für die Einkommenssteuer wird pro Elternteil um 144 Euro angehoben. Damit kommt ein Elternpaar insgesamt auf eine Summe von 8.388 Euro jährlich, auf die keine Einkommenssteuer fällig wird.

Erhöhung von Grundfreibetrag und Unterhaltshöchstbetrag

Der Grundfreibetrag für Erwachsene steigt ebenfalls an. Von jetzt 9.408 Euro steigt er

  • 2021 auf 9.696 Euro und
  • 2020 auf 9.984 Euro.

Satire?

Die Bundesregierung schreibt auf ihrer Webseite dazu unter anderem folgende bemerkenswerte Sätze: „Der Koalitionsvertrag sieht aber vor, den Kinderfreibetrag an die Kindergeld-Erhöhung zu koppeln. Deshalb übersteigt der Freibetrag das Kinderexistenzminimum. So setzt sich die Bundesregierung nachhaltig gegen Kinderarmut ein.“

Kinderarmut grassiert hauptsächlich unter den Menschen die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Dort kommt das Kindergeld und natürlich auch die Erhöhung gar nicht an.

Auch Alleinerziehende, die für ihre Kinder Unterhaltsvorschuss beziehen, haben nach einer Kindergelderhöhung nicht mehr Geld zur Verfügung als vorher, weil das Kindergeld – anders als beim Unterhalt – in vollem Umfang auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet wird. Der Betrag des Unterhaltsvorschusses sinkt so um den Betrag, um den das Kindergeld erhöht wurde.

Höhere Einkommen profitieren wie auch bisher von den Kinderfreibeträgen, wie ein Beispiel aus SOLEX zeigt (Zahlen nach dem Stand vom 1.1.2020):

Beispiel

Ein Ehepaar erzielt ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 120.000 EUR (ohne Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages) und hat 2 Kinder.

Variante 1: Kindergeld
Kindergeld für 2 Kinder führt zu einer Vergünstigung in Höhe von 4.896 EUR pro Jahr.
Variante 2: Kinderfreibetrag
Der Kinderfreibetrag beträgt bei Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, pro Kind und Monat 651 EUR. Daraus ergibt sich für zwei Kinder pro Jahr insgesamt ein Freibetrag in Höhe von 15.624 EUR. Bei einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 120.000 EUR ergibt sich eine Steuerbelastung in Höhe von 32.472 EUR. Der Kinderfreibetrag senkt das zu versteuernde Einkommen auf 104.376 EUR und die Steuerbelastung entsprechend auf 26.010 EUR. Damit beträgt die Steuerersparnis aufgrund des Freibetrages 6.462 EUR.
Ergebnis:
Die Steuervariante führt gegenüber der Kindergeldvariante zu einem um 1.566 EUR besserem Ergebnis. Das entspräche einem monatlichen Kindergeld pro Kind von 269 Euro.

Fazit

Für kleine und mittlere Einkommen ist die Kindergelderhöhung positiv, zumal sie vielleicht sogar stärker ausfallen wird als der kommende Existenzminimumbericht hergibt. Höhere Einkommen profitieren wie immer am meisten.

Bei den Kindern, die von Armut betroffen sind, kommt aber gar nichts an. Die großspurig angekündigte Bekämpfung der Kinderarmut durch die Bundesregierung findet nicht statt.

Quellen: Bundesregierung, SOLEX, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: pixabay.com children-593313_1280.jpg

Testpflicht nach dem Urlaub

Das Bundesgesundheitsministerium plant für kommende Woche eine Verordnung zur Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten.

Wesentlicher Inhalt

  • Jeder Einreisende aus einem Risikogebiet soll verpflichtend auf eine Corona-Infektion getestet werden.
  • Die Tests sind für die Reisenden kostenfrei.

Begründung

Wer in ein Gebiet mit hohen Infektionszahlen reist, oder wer sich im Urlaub nicht an Abstands- und Hygieneregeln halten kann oder will, kann möglicherweise ungewollt das Coronavirus mit nach Hause nehmen. Verpflichtende Tests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten sollen eine unbemerkte Ausbreitung verhindern helfen.

Wer negativ ist, kann dann in seinen Alltag zurückkehren. Positiv getestete müssen in Quarantäne.

Bisherige Regelung

Wer aus einem Risikogebiet nach Deutschland einreist, muss sich für 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben.

Was sind Risikogebiete?

Welche Gegenden und Länder als Risikogebiete ausgewiesen sind und was die Grundlage dieser Entscheidungen sind, findet man auf den Seiten des Robert Koch-Instituts. Die Bundesregierung prüft fortlaufend, inwieweit Gebiete als Risikogebiete einzustufen sind. Daher kann es auch zu kurzfristigen Änderungen, insbesondere zu einer Erweiterung dieser Liste, kommen.

Rechtsgrundlage

Grundlage der Regelung ist § 5 Abs. 2 Nr. 1 e des Infektionsschutzgesetzes. Hier heißt es:
(Absatz 2) „Das Bundesministerium für Gesundheit wird im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite unbeschadet der Befugnisse der Länder ermächtigt,
1. durch Anordnung Personen, die in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen oder eingereist sind und die wahrscheinlich einem erhöhten Infektionsrisiko für bestimmte bedrohliche übertragbare Krankheiten ausgesetzt waren, insbesondere weil sie aus Gebieten einreisen, die das Robert Koch-Institut als gefährdet eingestuft hat, ausschließlich zur Feststellung und Verhinderung einer Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit zu verpflichten,
….
e) sich ärztlich untersuchen zu lassen;…“

(Absatz 3) „(3) Anordnungen nach Absatz 2 Nummer 1 und 2 werden im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur getroffen.“

Quellen: BMG, RKI

Abbildung: pixabay.com connection-4884862_1280.jpg

Computer als Mehrbedarf

Wer zum schon einmal einen Antrag auf  Hartz IV gestellt hat, kennt die vielen Formulare, die auszufüllen sind. Der Hauptantrag: sechs Seiten. Die Ausfüllhilfe dazu: zwölf Seiten. Diverse Anlagen kommen noch dazu – etwa die über Einkommensverhältnisse, Kosten der Unterkunft und eventuell Kinder oder „weitere erwerbstätige Personen“. Er hat über den Unterschied zwischen Haushaltsgemeinschaft und Bedarsfgemeinschaft gerätselt und kennt die Sorgen, wie man alle nötigen Bescheinigungen zusammen bekommen soll.
Dazu kommt noch, dass diese Prozedur alle 6 bis 12 Monate wiederholt werden muss, oder auch zwischendurch, wenn man einen besonderen Bedarf hat.

Um so ärgerlicher ist es, wenn gerade zusätzliche Bedarfe für Schüler, es geht hauptsächlich um Computer, immer wieder von den Jobcentern zunächst nicht anerkannt werden, so dass die betroffenen Hilfeempfänger gezwungen sind, den nervenaufreibenden und langen Weg zu den Sozialgerichten zu gehen. Die Sozialgerichte heben dann in der Regel die Entscheidungen der Jobcenter auf.

Da könnte man entweder auf die Idee kommen, dass die Mitarbeiter in den Jobcentern nicht genügend über die aktuelle Rechtsprechung informiert sind. Oder hofft man etwa, dass sich möglichst viele nicht trauen, die Gerichte anzurufen?

Urteil Sozialgericht Mannheim

Aktuell hat das Sozialgericht Mannheim entschieden, dass ein Grundsicherungsempfänger, der die Oberstufe eines Gymnasiums besucht, Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Computers oder Laptops als Mehrbedarf hat. Das Gericht hat den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Mehrbedarf in Höhe von maximal 300 Euro zum Erwerb eines Computers bzw. Laptops zu gewähren.

Konkret geht es bei diesen Rechtsstreitigkeiten um die Auslegung de § 21 Absatz 6 des SGB II: „Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht.“ Hier sorgt das Wort „laufender“ vermutlich für Irritationen. Der PC wird zwar in der Schule „laufend“ gebraucht, es handelt sich aber nur um eine einmalige Ausgabe.

So erläutert das Sozialgericht Mannheim denn auch, dass ein direkter Anspruch aus dieser Norm nicht möglich sei, weil es sich bei den Kosten nicht um einen laufenden Bedarf handele. Es konstatiert daher im Normengefüge des SGB II eine planwidrige Regelungslücke, deren Schließung eine analoge Anwendung von § 21 Abs. 6 SGB II notwendig mache. Aus keiner der Anspruchsgrundlagen des SGB II ergebe sich ein direkter Anspruch des Klägers auf Gewährung der Kosten. Sie seien nicht hinreichend vom Regelbedarf umfasst und könnten nicht durch Ansparungen aus diesem bestritten werden. Die Kosten werden nicht durch die sog. „Schulbedarfspauschale“ nach § 28 Abs. 3 SGB II gedeckt. Deswegen stehe dem Schüler ein Anspruch auf Leistungen für die Anschaffung zur Erfüllung der schulischen Anforderungen nach § 21 Abs. 6 SGB II analog zu. 

weitere Urteile

Es ist dies wie gesagt nicht das erste Mal, dass eine Entscheidung der Sozialgerichte so ausgefallen ist, zum Beispiel:

Konsequenzen?

Um das ganze Hartz 4 geschehen stressfreier zu gestalten, gäbe es einige Möglichkeiten:

  • der Gesetzgeber könnte die Mehrbedarfsnorm anpassen,
  • die Jobcenter könnten mehr Sozialgerichtsurteile lesen,
  • die Antragsflut könnte vereinfacht werden.

Oder man könnte über eine Abschaffung des Hartz 4 – Systems und über ein bedingungsloses Grundeinkommen nachdenken.

Quellen: juris, DGB, Haufe, Rechtsprechung-im-Internet.de

Abbildung: Fotolia_59650133_Subscription_XXL.jpg

Regelbedarf wird kleingerechnet

In einer Stellungnahme hat der Paritätische Wohlfahrtsverband den Referentenentwurf aus dem BMAS zur anstehenden Neuermittlung der Regelsätze in der Grundsicherung scharf kritisiert. Die ab 2021 vorgesehenen Leistungen seien

  • systematisch kleingerechnet,
  • lebensfern und
  • in keiner Weise bedarfsgerecht, wie insbesondere an den Leistungen für Kinder und Jugendliche deutlich werde.

Das Ziel der Grundsicherung, zumindest in bescheidenem Rahmen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, werde so deutlich verfehlt.

Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes

Die Stellungnahme erinnert an die Grundsatzurteile des Bundesverfassungsgericht von 2010 und 2014:

  • „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.“ (9.2.2010).
  • Das Bundesverfassungsgericht hat 2014 das Verfahren der Regelbedarfsermittlung lediglich als „derzeit noch vereinbar“ mit der Verfassung bewertet, dabei aber auch „Anpassungsbedarf im Zuge der nächsten Neuermittlung der Höhe der Regelbedarfe“ (23.7.2014) konstatiert.

Vom Warenkorb zum Statistikmodell

Bis 1989 wurden die Regelsätze für die damalige „Hilfe zum Lebensunterhalt“ durch einen Warenkorb ermittelt. Im Warenkorbmodell wurden bis dahin existenziell notwendige Waren bestimmt und preislich bewertet. Das daraus resultierende Ergebnis bildete dabei ab, was die beteiligten Sachverständigen nach ihrer Einschätzung für angemessen hielten, es hatte aber keinen Bezug zur gesellschaftlichen Wirklichkeit.

Der Wechsel zum Statistikmodell mit einer Bezugnahme auf die alle fünf Jahre erhobene Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes versprach dabei eine realitätsgerechtere Regelbedarfsermittlung. Das Statistikmodell hat aber eine grundlegende Schwäche: Durch das Statistikmodell wird die Frage danach, was ein Mensch tatsächlich benötigt, nicht mehr gestellt. Jetzt kommt es darauf an, was eine willkürlich zusammengesetzte – einkommensarme – Gruppe an
Ausgaben tätigt. Ob und inwieweit diese Ausgaben Bedarfe decken, wird nicht weiter thematisiert, sondern stillschweigend unterstellt.

und wieder zurück zum Warenkorb?

Rechnet man nun zusammen, was die einkommensschwachen Haushalte, die ja die Referenz für die Regelsätze darstellen, durchschnittlich ausgeben, kommt man auf eine Summe, die etwa 150 Euro höher ist als der vorgesehene Regelsatz für einen Ein-Personenhaushalt (439 Euro). Nun wird stillschweigend doch wieder das Warenkorb-Prinzip eingeführt. Es werden nämlich einzelne Positionen einfach gestrichen, weil sie angeblich nicht zum Existenzminimum gehörten. Nun wird deutlich, was nach Meinung der Experten zum Minimum eines menschen würdigen Daseins nötig ist. Ein Mensch im Grundsicherungsbezug braucht:

  • keinen Urlaub,
  • keine auswärtigen Übernachtungen,
  • keinen Garten und keine Pflanzen,
  • keine Haustiere und
  • keine Besuche von Gaststätten, Cafés oder Kantinen usw.

Das Bundesministerium kann sich anscheinend ein menschenwürdiges Dasein ohne soziale Bezüge vorstellen.

Methodenkritik

Ein weiterer Kritikpunkt ist die statistische Methode. Bei vielen Hochrechnungen der Ausgaben werden nur 25 oder weniger Haushalte herangezogen. Die statistische Standardabweichung liegt in solchen Fällen zwischen 20 und 100 Prozent, die Gefahr von falschen Zahlen also deutlich zu hoch.

seltsame Steigerungsrate

Die jetzige Einkommen- und Verbrauchsstichprobe (EVS) bezieht sich auf das Jahr 2018. Die ermittelten Regelbedarfe beziehen sich daher ebenfalls auf dieses Jahr und müssen daher nach den Regeln des Gesetzes fortgeschrieben werden. In § 7 Abs.2 des Entwurfs ist für diese zwei Jahre insgesamt eine Steigerung von 0,93 vorgesehen. In den beiden Regelbedarfsstufen – Fortschreibungsverordnungen (RBSFV) aus 2019 und 2020 wurden hingegen Steigerungen von 2,02 bzw. 1,88 Prozent zugrundegelegt. Das wäre für die zwei Jahre insgesamt eine Steigerung von 3,9 %. Somit müsste schon alleine deshlab der angepeilte Regelsatz 13 Euro höher sein (also 452 Euro statt 439 Euro).

Stellungnahme prüft jedes Detail

In der Stellungnahme geht der Paritätische Wohlfahrtsverband ausführlich auf alle Ausgabenposten ein und beleuchtet sie kritisch. Beispielsweise die monatlich veranschlagten Ausgaben für die Anschaffung von Kühlschrank oder Waschmaschine in Höhe von 1,67 / 1,60 Euro. Um davon ein neues Gerät zu kaufen, muss man jahrelang ansparen und hat nach 5 Jahren trotzdem kaum genug, um ein veraltetes stromfressendes Exemplar zu kaufen. Die Alternative wäre ein Kredit vom Jobcenter; für die Rückzahlung desselben muss man dann aber jahrelang auf 10% des ohnehin knappen Regelsatzes verzichten.

Insgesamt wird der Entwurf der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Anpassung in keiner Weise gerecht. Gerade in den aktuellen Krisenzeiten der Corona-Pandemie bedeuten die viel zu geringen Grundsicherungsleistungen für hunderttausende Menschen bittere, existenzielle Not.

Quellen: Paritätischer Wohlfahrtsverband, BMAS, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: Fotolia_113739057_Subscription_XL.jpg

AU per Video – Sprechstunde

In der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ist festgelegt, welche Regeln für die Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit – die sogenannte Krankschreibung – von Versicherten durch Vertragsärztinnen und Ver-tragsärzten sowie im Rahmen des Entlassmanagements aus dem Kran-kenhaus gelten. Grundsätzlich gilt, dass die Beurteilung der Arbeitsunfä-higkeit und ihrer voraussichtlichen Dauer sowie die Ausstellung der Be-scheinigung nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung erfolgen darf.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 16.7.2020 in einer Presseerklärung mitgeteilt, unter welchen Voraussetzungen Vertragsärztinnen und -ärzte können zukünftig die Arbeitsunfähigkeit von Versicherten auch per Videosprechstunde feststellen.

Im SGB V seit 5 Jahren

Im Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen vom 21.12.2015 (BGBl. I S. 2408) war im § 87 Abs. 2a SGB V zum ersten Mal die Rede von „Video-Sprechstunden“. Der gesetzliche Auftrag lautete zu prüfen, inwieweit durch den Einsatz sicherer elektronischer Informations- und Kommunikationstechnologien Videosprechstunden telemedizinisch erbracht werden können. Prüfen soll das der Bewertungsausschuss (BA), ein Gremium der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Voraussetzungen

Als Voraussetzung für die Krankschreibung per Videosprechstunde gilt laut G-BA insbesondere,

  • dass die oder der Versicherte der behandelnden Arztpraxis bekannt ist und
  • dass die Erkrankung eine Untersuchung per Videosprechstunde zulässt.

Die erstmalige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist auf einen Zeitraum von sieben Kalendertagen begrenzt. Eine Folgekrankschreibung über Videosprechstunde ist nur zulässig, wenn die vorherige Krankschreibung aufgrund unmittelbarer persönlicher Untersuchung ausgestellt wurde.

Ausgeschlossen bleibt eine Krankschreibung per Videosprechstunde

  • bei Versicherten, die in der betreffenden Arztpraxis bislang noch nie persönlich vorstellig geworden sind,
  • sowie die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit ausschließlich auf Basis z. B. eines Online-Fragebogens, einer Chat-Befragung oder eines Telefonates.

Ein Anspruch der Versicherten auf Krankschreibung per Videosprechstunde besteht nicht.

Digitalisierte AU-Bescheinigung für die Krankenkasse

Eine weitere Änderung der AU-Richtlinie betrifft die Ausfertigung der AU-Bescheinigung für die Krankenkasse. Sie soll ab 1.1.2021 digitalisiert und elektronisch übermittelt werden.

Quelle: G-BA

Abbildung: Fotolia_140592002_Subscription_XL.jpg

Regelbedarfsermittlungsgesetz für das Jahr 2021

Das BMAS hat das Regelbedarfsermittlungsgesetz für das Jahr 2021 als Entwurf vorgelegt, demnach sollen die Regelbedarfe wie folgt festgesetzt werden:

  • Regelbedarfsstufe 1 / Alleinstehende von 432 € auf 439 € / + 7 €
  • Regelbedarfsstufe 2 / Partner innerhalb BG von 389 € auf 395 € / + 6 €
  • Regelbedarfsstufe 3 / U 25 im Haushalt der Eltern von 345 € auf 361 € / + 6 €
  • Regelbedarfsstufe 4 / Jugendliche von 15 bis 17 J. von 328 € auf 367 € / + 39 €
  • Regelbedarfsstufe 5 / Kinder von 6-14 Jahren 308 € / keine Änderung
  • Regelbedarfsstufe 6 / Kinder von 0 bis unter 6 Jahren von 250 € auf 279 € / + 29 €

Von den Verbrauchsausgaben der Referenzgruppe der Einpersonenhaushalte nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 (Einpersonenhaushalten die unteren 15 Prozent der Haushalte) werden für die Ermittlung des Regelbedarfs folgende Verbrauchsausgaben der einzelnen Abteilungen aus der Sonderauswertung für Einpersonenhaushalte der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 für den Regelbedarf berücksichtigt (in Klammern Zahlen für 2020):

Abteilung 1 und 2 (Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren)152,33 €,
(150,44 €)
Abteilung 3 (Bekleidung und Schuhe)36,43 €,
(37,81 €)
Abteilung 4 (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung)37,21 €,
(38,26 €)
Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, laufende Haushaltsführung)26,74 €,
(26,60 €)
Abteilung 6 (Gesundheitspflege)16,75 €,
(16,19 €)
Abteilung 7 (Verkehr)39,37 €,
(35,96 €)
Abteilung 8 (Nachrichtenübermittlung)39,25 €,
(38,59 €)
Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur)42,83 €,
(41,40 €)
Abteilung 10 (Bildungswesen)1,58 €,
(1,10 €)
Abteilung 11 (Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen)11,47 €,
(10,73 €)
Abteilung 12 (Andere Waren und Dienstleistungen)34,97 €,
(34,22 €)

Die dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Stichprobe stammt aus dem Jahr 2018. Berücksichtigt wird bei der genauen Höhe der Regelsätze dann noch die Lohn- und Preisentwicklung.

Für fast alle Personengruppen erhöhen sich die Regelsätze in der Grundsicherung. Bei den sechs- bis 13-jährigen Kindern wurde ein Bedarf von 4 Euro weniger ermittelt, deswegen bleibt hier der Regelsatz gleich.

Auffällig ist, dass in den einzelnen Abteilungen teilweise weniger Bedarf ausgerechnet wurde. Etwa bei der Abteilung 4, obwohl für 2021 mit einer Stromkostensteigerung in Höhe von 10 – 15 % zu rechnen ist.

Der Gesetzentwurf betont, dass nun auch Handy-Kosten berücksichtigt würden. Dies schlägt sich dann in der Abteilung 8 mit einer Erhöhung von mageren 66 Cent nieder.

Quellen:
Den Entwurf hat das BMAS aktuell (Stand: 15.7.2020 19 Uhr) nur an ausgewählte Verbände und Presseorgane übermittelt, deswegen kommen die Informationen vom Redaktionsnetzwerk Deutschland und von einem Twitterbeitrag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Abbildung: Fotolia_113739057_Subscription_XL.jpg

16.07.2020: Hier ist der Referentenentwurf.

DGB-Konzept Kindergrundsicherung

Im letzten November wurde im Bundestag ein Gesetzentwurf der Grünen zur Einführung einer Kindergrundsicherung behandelt. Der Entwurf ist seitdem im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend untergetaucht.

Die SPD kündigte Anfang 2019 eine Gesetzesintitiative dazu an. Immerhin schaffte sie es, auf dem letzten Parteitag im Dezember 2019 dazu einen Beschluss herbeizuführen.

Von der Bundestagsfraktion der Linken gibt es seit Mitte März 2020 ein Positionspapier zur Kindergrundsicherung.

Die übrigen Fraktionen im Bundestag stehen einer Kindergrundsicherung eher ablehnend gegenüber. Jetzt ist erst mal Sommerpause. Vielleicht hilft es ja den Abgeordneten, dass jetzt der DGB mit seinem Konzept auf die Einführung einer bedarfsorientierten Kindergrundsicherung drängt, dass das Vorhaben nicht in Vergessenheit gerät. Das Konzept wurde zwar auch schon Ende März vorgestellt, der DGB macht aber sozusagen als Hausaufgabe für die Ferien noch mal Druck.

Die vorgelegten Entwürfe und Konzepte ähneln sich in wesentlichen Punkten. Hier der DGB-Vorschlag:

  • Das Kindergeld, der steuerliche Kinderfreibetrag, der Kinderzuschlag sowie die Hartz-IV-Leistungen für Kinder und Jugendliche werden gebündelt und durch die Kindergrundsicherung ersetzt.
  • Die Kindergrundsicherung setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Einem Sockelbetrag von einem Kindergeld in Höhe von 240 Euro, das alle Eltern je Kind unabhängig von ihrem Einkommen erhalten. Hinzu kommt ein einkommensabhängiger, nach dem Alter der Kinder gestaffelter Zusatzbetrag.
  • Die Höchstbeträge (Summe aus Sockel und Zusatzbetrag) betragen zwischen 364 Euro monatlich (Kind unter sechs Jahren) und 504 Euro (Jugendliche ab 14 Jahre).
  • Die Anrechnung von Elterneinkommen setzt erst ein, wenn der Bedarf der Eltern bzw. des Elternteils durch eigenes Einkommen gedeckt ist und ist so gestaltet, dass die Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit zu spürbaren Einkommenszuwächsen führt.

Die einzelnen Beträge unterscheiden sich in den Konzepten etwas und auch die Zusammensetzung wird unterschiedlich begründet. Beim SPD-Vorschlag setzen sich die Komponenten so zusammen:

  • Aus dem kindlichen Regelbedarf der jedem Kind zur Verfügung stehen muss (in 2020: 250 Euro für 0 bis 5-Jährige, 308 Euro für 6 bis 13-Jährige und 328 Euro für über 14-Jährige).
  • Aus den anteiligen Wohnkosten von Kindern, die im Existenzminimumbericht
    festgestellt werden (in 2020: 104 Euro pro Kind).
  • Aus einem zusätzlichen Betrag für mehr soziale Teilhabe, Freizeitgestaltung und Bildung (46 Euro pro Kind).

Bei den Grünen liegt der Grundbetrag bei 280 Euro, dazu kommen die Plus-Beträge, so dass die Höchstbeträge (für 2019 berechnet)

  • für 0 bis 5 Jahre alte Kinder bei 364 Euro;
  • für 6 bis 13 Jahre alte Kinder bei 475 Euro;
  • für 14 bis 17 Jahre alte Jugendliche bei 503 Euro liegen.

Alle Konzepte haben das Ziel, die Kinderarmut zu bekämpfen und allen Kindern soziale Teilhabe zu ermöglichen. Der DGB will damit alle Kinder und Jugendlichen aus dem Hartz IV-System holen.

Der DGB beziffert die Kosten auf 12,5 Milliarden Euro jährlich. Der Betrag sei im Vergleich zu den milliardenschweren Rettungsschirmen für Unternehmen in der Coronakrise eine kleine Summe, aber mit Sicherheit eine Investition in die Zukunft unseres Landes, die sich auszahlen werde.

Quellen: DGB, SPD-Fraktion, Grünen-Fraktion, Linken-Fraktion, Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Abbildung: Privat: Thomas Knoche

Verordnung von ambulanten Leistungen

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 29.6.2020 in Berlin die Frist für den Beginn einer Heilmittelbehandlung nach einer vertragsärztlichen oder -​zahnärztlichen Verordnung für gesetzlich Krankenversicherte von 14 Tagen auf 28 Tage verlängert. Damit soll einem in den Praxen möglicherweise bestehenden Terminstau bei Heilmittelbehandlungen, die bedingt durch die Corona-​Pandemie nicht begonnen werden konnten, entgegengewirkt werden. Die Sonderregelung gilt bis zum 30. September 2020. Ab dem 1. Oktober 2020 treten die neuen Heilmittel-Richtlinien in Kraft. Ab dann gilt sowieso die Frist von 28 Tagen zum Beginn einer Heilmittelbehandlung.

Ebenfalls bis zum 30. September 2020 verlängerte der G-BA die Sonderregelung, wonach Krankentransportfahrten zu nicht aufschiebbaren, zwingend notwendigen ambulanten Behandlungen von nachweislich an COVID-​19-Erkrankten keiner vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse bedürfen. Dies gilt auch für Versicherte, die aufgrund einer behördlichen Anordnung unter Quarantäne stehen.

Auslaufen von Sonderreglungen seit 1. Juli 2020

Laut Mitteilung des G-BA erlaubt die zur Zeit niedrige Neuinfektionsrate und die Aufhebung bestimmter Einschränkungen des öffentlichen Lebens auch eine schrittweise Rückkehr zur „normalen“ Patientenversorgung. Das G-BA schließt aber neue Sonderregelungen nicht aus, wenn sich die Infektionsdynamik wieder beschleunigen sollte.

Folgende Sonderregelungen endeten am 1. Juli 2020:

  • Verlängerte Frist zur Vorlage von Verordnungen
    Die Frist zur Vorlage von Verordnungen von häuslicher Krankenpflege, spezialisierter ambulanter Palliativversorgung sowie Soziotherapie bei der Krankenkasse beträgt wieder 3 Tage statt 10 Tage.
  • Folgeverordnungen nach telefonischer Anamnese
    Folgeverordnungen für häusliche Krankenpflege, für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel, Krankentransporte und Krankenfahrten sowie Heilmittel (letztere auch von Zahnärztinnen und Zahnärzten verordnete) können nicht länger nach telefonischer Anamnese ausgestellt werden. Ebenso kann die Verordnung nicht länger postalisch an die Versicherte oder den Versicherten übermittelt werden.
  • Weitere Regelungen zu Folgeverordnungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege
    Im Bereich der häuslichen Krankenpflege können Folgeverordnungen nicht länger für bis zu 14 Tage rückwirkend erfolgen. Die Begründung der Notwendigkeit bei einer längerfristigen Folgeverordnung von häuslicher Krankenpflege und die 3-​Tages-Frist zur Ausstellung der Folgeverordnung sind nun wieder zu berücksichtigen.

Quelle: Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)

Abbildung:  pixabay.com connection-4884862_1280.jpg

Behindertenpauschbetrag

Das Finanzministerium hat einen Referentenentwurf zur Erhöhung der Be­hin­der­ten-Pausch­be­trä­ge und An­pas­sung wei­te­rer steu­er­li­cher Re­ge­lun­gen (Be­hin­der­ten-Pausch­be­trags­ge­setz) vorgelegt,

Nach § 33b EStG wird wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die behinderten Menschen unmittelbar infolge der Behinderung erwachsen, ein Pauschbetrag vom Einkommen abgezogen. Für Steuerpflichtige mit einer Behinderung besteht damit die Möglichkeit anstelle eines Einzelnachweises für ihre Aufwendungen für den täglichen behinderungsbedingten Lebensbedarf einen Behinderten-Pauschbetrag zu beantragen.

Unverändert seit 45 Jahren

Die Behinderten – Pauschbeträge sind seit 1975 nicht mehr angepasst worden. Deswegen soll es jetzt nahezu eine Verdoppelung geben.

Darüber hinaus sollen verschiedene Steuervereinfachungen die Steuerpflichtigen mit einer Behinderung von Nachweispflichten und die Verwaltung von Prüfungstätigkeiten entlasten.

Zur Anpassung der Behinderten-Pauschbeträge und Steuervereinfachung sind die folgenden Maßnahmen vorgesehen:

  • die Verdopplung der Behinderten-Pauschbeträge inkl. Aktualisierung der Systematik,
  • die Einführung eines behinderungsbedingten Fahrtkosten-Pauschbetrags und
  • der Verzicht auf die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung eines Behinderten-Pauschbetrags bei einem Grad der Behinderung kleiner 50.

Pauschbeträge

Vorgesehen sind die Beträge:

  • bei einem Grad der Behinderung von 20      384 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 30     620 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 40     860 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 50  1.140 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 60   1.440 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 70  1.780 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 80  2.120 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 90   2.460 EUR
  • bei einem Grad der Behinderung von 100 2.840 EUR
  • bei hilflosen und blinden Personen              7.400 EUR

GdB kleiner als 50

Derzeit wird der Pauschbetrag Steuerpflichtigenmit einem Grad der Behinderung kleinervon 50 (sog. „Minderbehinderten“) nur gewährt, wenn die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat, die Behinderung auf einer typischen Berufskrankheit beruht oder dem Steuerpflichtigen wegen seiner Behinderung eine gesetzliche Rente oder Bezug zusteht. Diese Zusatzvoraussetzungen sollen ab dem Veranlagungszeitraum 2021 auch aus Gründen der Steuervereinfachung ersatzlos entfallen. Im Ergebnis können alle Steuerpflichtigen mit einem anerkannten Grad der Behinderung – unabhängig davon, ob es sich um „Minderbehinderte“oder „Schwerbehinderte“ (Grad der Behinderung mindestens 50) handelt die Gewährung eines Behinderten-Pauschbetrags beantragen, wenn ein Grad der Behinderung von mindestens 20 anerkannt wurde.

Fahrtkosten-Pauschbetrag

Anstelle des bisherigen individuellen und aufwändigen Einzelnachweises der behinderungsbedingt entstandenen Fahrtkosten wird eine Pauschbetragsregelung in Höhe der bisher geltenden Maximalbeträge eingeführt. Der Pauschbetrag beträgt

  • 900 Euro bei geh- und stehbehindertenSteuerpflichtigen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“.

Für Menschen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen „aG“), Blinde (Merkzeichen„Bl“) und hilflose Menschen (Merkzeichen „H“) können nach den bisher geltenden Regelungen in den Grenzen der Angemessenheit nicht nur Aufwendungen für durch die Behinderung veranlasste unvermeidbare Fahrten, sondern auch für Freizeit-, Erholungs- und Besuchsfahrten berücksichtigtwerden.

  • Aus diesem Grund wird für diese Fallkonstellationen ein Pauschbetrag von 4 500 Euro normiert.

Behinderungsbedingte Fahrtkostenwerden zukünftig nur noch im Rahmen des Fahrtkosten-Pauschbetrags berücksichtigt. Dem Steuerpflichtigen wird dadurch der aufwändige Einzelnachweis erspart. Bei Erfüllen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen werden die Aufwendungen in Höhe der in der Verwaltungspraxis bislang maximal möglichen Beträge vereinfacht und pauschaliert anerkannt. Sollten die Anspruchsvoraussetzungen für beide Pauschbeträge (Nummer 1 und Nummer 2) erfüllt sein, ist immer nur der höhere Pauschbetrag zu gewähren.

Quellen: Bundesfinanzministerium, FOKUS-Sozialrecht, SOLEX

Abbildung: Fotolia_63831114_Subscription_XXL.jpg

Intensivpflegegesetz – keine Rechtssicherheit

Das Intensivpflegegesetz wurde dreimal umgeschrieben. Nach vielen Protesten und Petitionen wurde nun die endgültige Form vom Bundestag verabschiedet.

Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusse

In der vom Gesundheitsausschuss empfohlenen Änderung heißt es: “Berechtigten Wünschen der Versicherten ist zu entsprechen.” Entfallen ist der bisherige Zusatz “… soweit die medizinische und pflegerische Versorgung an diesem Ort tatsächlich und dauerhaft sichergestellt werden kann”. Das war von Kritikern als Einfallstor für die Krankenkassen gesehen worden, die Betroffenen gegen ihren Willen in einem Pflegeheim unterzubringen. Denn die Versorgung dort ist kostengünstiger als die Betreuung zu Hause.

Laut Änderungsantrag werden die Krankenkassen künftig verpflichtet, für eine Verbesserung der Versorgung des Patienten zu sorgen, sollte dort die Pflegequalität nicht gewährleistet sein.

Begründung

In der Begründung heißt es: „Es wird klargestellt, dass die Krankenkasse berechtigten Wünschen der Versicherten zum Ort der Leistungserbringung zu entsprechen hat. Die medizinische und pflegerische Versorgung am Leistungsort muss sichergestellt sein oder durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden können. Über geeignete Nachbesserungsmaßnahmen hat die Krankenkasse mit dem Versicherten eine Zielvereinbarung abzuschließen. Es wird geregelt, dass eine Übernahme von Eigenanteilen bei stationärer Versorgung auch nach einer Besserung des Gesundheitszustandes für mindestens sechs Monate weiter erfolgt; die Krankenkasse kann diesen Zeitraum durch Satzung ausweiten. Mit der Änderung wird geregelt, dass in Fällen, in denen die Krankenkasse nicht in der Lage ist, eine geeignete Pflegefachkraft zu stellen, die Kosten für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft in angemessener Höhe zu erstatten sind. Klargestellt wird zusätzlich,
dass daneben die Möglichkeit der Leistungserbringung im Rahmen eines persönlichen Budgets erhalten bleibt. Die Zuzahlungspflicht bei Versorgung in der eigenen Häuslichkeit wird auf 28 Tage im Kalenderjahr begrenzt.“

Festzuhalten ist:

  • Das Ziel des BMG war und ist es, Kosten einzusparen. Deswegen wird das Gesetz von den Krankenkassen begrüßt. Intensivpflege in häuslicher Umgebung ist wesentlich teurer als in Heimen.
  • Der Gesundheitsminister wollte sein Gesetz möglichst geräuschlos über die Bühne bringen. Das hat nicht geklappt. Stattdessen gab es vor allem von Betroffenen, als auch von Sozialverbänden massive Proteste. Das wiederum bewirkte die Korrekturen am Gesetz.
  • Nun steht eine Formulierung im umstrittenen Paragrafen, die auf den ersten Blick wie ein Zugeständnis an die Betroffenen aussieht. „Berechtigten Wünschen ist zu entsprechen“.

Was ist berechtigt?

Die Entscheidung, welche Wünsche aber berechtigt sind, trifft der Medizinische Dienst und die Krankenkassen. Somit sind die Betroffenen immer noch nicht sicher vor einer Zwangseinweisung in ein Heim. Betroffene müssen damit rechnen, dass sie erst nach einem langen Weg durch die Sozialgerichte zu ihrem Recht kommen. Das ist für viele Betroffene und ihre Angehörigen, die sich sowieso in  in einer existenziell schwierigen Lebenslage befinden schlicht unzumutbar. Dazu kommt, dass der geänderte Gesetzentwurf ein sogenanntes Teilhabeplanverfahren vorsieht, so wie es bereits im Sozialgesetzbuch IX vorgeschrieben ist, was ebenfalls für alle Betroffenen mit großem Aufwand verbunden ist, selbst wenn man diese Regelung für vernünftig hält.

Behindertenrechtskonvention

Die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sich »mit Artikel 19 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK), zu gewährleisten, dass „Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben“. Dies gilt nach Artikel 26 – wie nach anderen Artikeln der Konvention auch – gleichermaßen für alle Menschen mit Pflegebedarf infolge ihrer meist dauerhaften Beeinträchtigungen.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: pixabay.com walk-2708122_1280.jpg