Grundrentengesetz verabschiedet

Der Bundesrat hat am 3. Juli 2020 der Grundrente zugestimmt: Damit erhalten rund 1,3 Millionen Menschen mit kleinen Renten ab 2021 einen Zuschlag zu ihrer Altersversorgung.

Kernstück des Gesetzes ist die Einführung einer Grundrente für langjährig Versicherte, die an bestimmte Bedingungen geknüpft ist: Wenn mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten vorliegen (aus Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflegezeiten), soll die Rente um einen Zuschlag erhöht werden, wenn die Entgeltpunkte des Erwerbslebens unterdurchschnittlich, aber nicht ganz gering waren. Dabei soll der Zuschlag in einer Staffelung von 33 bis 35 Jahren ansteigend berechnet werden. Allerdings sollen diejenigen keine Grundrente erhalten, deren Arbeitsentgelte häufig lediglich die Bedeutung eines ergänzenden Einkommens hatten (zum Beispiel durch Minijobs).

Die Höhe des Zuschlags soll durch eine Einkommensprüfung ermittelt werden. Dabei soll zunächst ein monatlicher Einkommensfreibetrag in Höhe von 1.250 Euro für Alleinstehende und 1.950 Euro für Eheleute oder Lebenspartner gelten. Für die Einkommensprüfung soll auf das zu versteuernde Einkommen abgestellt werden. Gleich hohe Renten sollen gleichbehandelt werden. Daher soll das zu versteuernde Einkommen unter Hinzurechnung des steuerfreien Teils der Rente beziehungsweise eines Versorgungsfreibetrages und der Einkünfte aus Kapitalvermögen zugrunde gelegt werden. Die Übermittlung des zu versteuernden Einkommens soll durch einen automatisierten Datenabgleich zwischen der Rentenversicherung und den Finanzbehörden erfolgen.

Das Gesetz sieht in einem weiteren Aspekt die Einführung von Freibeträgen im Wohngeld in der Grundsicherung für Arbeitsuchende des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II), in der Hilfe zum Lebensunterhalt, in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) und in den fürsorgerischen Leistungen der Sozialen Entschädigung vor.

Änderungen zum ursprünglichen Entwurf behandeln vor allem rechtstechnische Anpassungen und die Einführung einer Widerspruchsabweisung gegen Bescheide bis Ende 2022. Diese Zeit brauche die Rentenversicherung für die Einführungsphase, so die Begründung. Ebenfalls neu ist eine Anhebung der Einkommensgrenze beim BAV-Förderbetrag (Betriebliche Altersvorsorge) von 2.200 auf 2.575 Euro und auf eine Anhebung des BAV-Förderbetrags auf 288 Euro ab 2020. Damit haben auch 2,5 Millionen Geringverdiener einen Zugang zu dieser Vorsorge, ohne Beiträge einzahlen zu müssen.

Die Opposition kritisiert mangelnde Zielgenauigkeit, überbordende Bürokratie beim Verfahren der Einkommensprüfung und eine ungeklärte Finanzierung.

Das Gesetz wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt. Danach kann es im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es soll zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.

Quellen: Bundestag, Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: pixabay.com dependent-100345_1280.jpg

Mindestlohn

Die Mindestlohn-Kommission hat am 30.06.2020 ihren Anpassungsbeschluss gefasst und ihren Bericht vorgestellt. Es ist turnusgemäß der dritte Bericht seit der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland im Januar 2015. Dieser liegt derzeit bei 9,35 Euro brutto je Zeitstunde. Die Kommission empfiehlt eine Erhöhung des Mindestlohns in mehreren Schritten auf 10,45 Euro zum 01.07.2022.

Die Erhöhungen alle halbe Jahre:

• zum 01.01.2021: 9,50 Euro
• zum 01.07.2021: 9,60 Euro
• zum 01.01.2022: 9,82 Euro
• zum 01.07.2022: 10,45 Euro.

12 Euro angemessen

Bereits Ende 2018 schrieb Finanzminister Olaf Scholz in der Bild-Zeitung: „Ich finde, dass 12 Euro Mindestlohn angemessen sind. Am Lohn sollten Unternehmen nicht sparen.“ Im Laufe des vergangenen Jahres häuften sich die Stimmen, die diese Zielsetzung unterstützten. Die gesellschaftliche Zustimmung zu einer deutlichen Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro und darüber hinaus war sehr hoch.

Im Zeichen der Pandemie

Die Beschlussfassung der Mindestlohnkomission fällt in diesem Jahr in eine Zeit großer Unsicherheit angesichts der Corona – Pandemie und deren wirtschaftlichen Folgen. Für das Gesamtjahr 2020 wird gesamtwirtschaftlich eine deutliche Rezession erwartet, wobei es erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Branchen gibt. Für das Jahr 2021 gehen die aktuellen Prognosen von einer wirtschaftlichen Erholung aus. Ab 2022 ist eine Rückkehr auf das Niveau des Bruttoinlandsprodukts von vor der Pandemie zu erwarten.

Senkung oder…

In der Corona-Krise wurden die niedrigen Verdienste in einigen „systemrelevanten“ Berufen kritisiert und dort eine grundsätzliche Erhöhung gefordert. Der wirtschaftliche Einbruch gab allerdings den Kritikern einer stärkeren Mindestlohnanhebung in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wieder Auftrieb. Die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Energie der CDU/CSU im Bundestag plädierte sogar dafür, den Mindestlohn in Deutschland zu senken oder ihn wenigstens nicht zu erhöhen.

kräftiger Anstieg?

Im Gegenzug argumentiert die Böckler-Stiftung, mit einer kräftigen Erhöhung könne die private Nachfrage in der Corona-Krise stabilisiert werden. Mittelfristig sei eine Anhebung auf einen Wert von 60 Prozent des Medianlohns notwendig. Damit ließe sich eine nachhaltige Reduzierung des Niedriglohnsektors und die Etablierung existenzsichernder Löhne erreichen. 

Anpassung alle 6 Monate

Der Umstieg auf eine halbjährliche Anpassung des Mindestlohnes, den die Kommission mit ihrem neuen Beschluss vorgenommen hat, zeigt, dass sie das starre und vergleichsweise unflexible Modell einer zweijährigen Anpassung in zwischen aufgegeben hat.

Tariflöhne stiegen stärker

Für einen Zeitraum von sechs Jahren, seit Einführung des Mindestlohns ergibt sich eine Steigerung des Mindestlohns um 10 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg der Tarifindex um gut 14 Prozent. So gab es in den ersten zwei Jahren keine Anpassung des Mindestlohns, während die Tariflöhne deutlich stiegen. 

Evaluation in diesem Jahr

Die Bundesregierung wird wahrscheinlich den Kommissionsbeschluss so umsetzen. Die Hoffnungen durch einen politischen Eingriff auf 12 Euro zu kommen sind vergeblich. Das Thema Mindestlohn wird die Politik aber weiter beschäftigen. Laut Mindestlohngesetz steht im Jahr 2020 eine Überprüfung desr gesetzlichen Regelungen an. Die Bundesregierung wird spätestens zum Jahresende einen Bericht vorlegen.

Quellen: Mindestlohn-Kommission, ZEIT, Spiegel, Hans-Böckler Stiftung, Reinhard Bispinck in Gegenblende (DGB)

Abbildung: pixabay.com münzen.jpg