Handlungsempfehlungen in Zeiten des Coronavirus

Die Ausbreitung des neuen Coronavirus und die daraufhin eingeleiteten Maßnahmen des Bundes bzw. der einzelnen Bundesländer haben massive Auswirkungen auf das Berufsleben rechtlicher Betreuerinnen und Betreuer.

Die Berufsverbände haben daher Informationen und Handlungsempfehlungen veröffentlicht.

Behandelt werden wichtige Aspekte, wie z. B.

  • persönlicher Kontakt zwischen Betreuern und den von ihnen betreuten Personen,
  • Fragen der Gesundheitssorge,
  • Verpflichtungen nach dem Infektionsschutzgesetz,
  • Freiheitsentziehende Maßnahmen von positiv getesteten Heimbewohnern

Bundesverband der Berufsbetreuer/innen (BdB): Empfehlungen für den Berufsalltag

Bundesverband freier Berufsbetreuer (BVfB): Handlungsempfehlungen für rechtliche Betreuerinnen und Betreuer

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Flexiblerer Einsatz von Intensivpflegepersonal

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat angesichts der zu erwartenden Belastungen der Krankenhäuser am Freitag (20.3.2020) in Berlin Beschlüsse gefasst, um den Krankenhäusern ab sofort maximale Flexibilität beim Personaleinsatz von Intensivpflegekräften zu geben.

Nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V kann der G-BA in Richtlinien unter anderem Mindestanforderungen an die Struktur-​, Prozess-​ und Ergebnisqualität für die Durchführung bestimmter Leistungen festlegen. Nur Kliniken, die entsprechend ausgestattet sind und vorgehen, dürfen die betreffenden Leistungen erbringen.

Personaluntergrenzen aufgehoben

Vor ein paar Tagen hat das Bundesgesundheitsministerium bereits Personaluntergrenzen kurzfristig aufgehoben. Der G-BA präzisiert nun, Möglichkeit des Unterschreitens von Personaluntergrenzen auch für komplexe und besonders personalintensive Versorgungsbereiche gelte, wenn die hier besonders gebotene fachliche Qualität der Versorgung der Patienten nicht gefährdet ist.  Flexibilität und Handlungsfähigkeit seien entscheidend, wenn entweder viele Intensivpatienten zu behandeln sind oder in den Krankenhäusern Personal fehle, weil Pflegerinnen und Pfleger selbst krank oder in Quarantäne sind.

Intensivpflegepersonal

Vom G-BA beschlossen wurden Abweichungsmöglichkeiten von der Mindestausstattung mit Intensivpflegepersonal bei bestimmten komplexen Behandlungen. Von den Pflegepersonalvorgaben kann jeweils abgewichen werden, wenn es in einem Krankenhaus zu kurzfristigen krankheits-​ oder quarantänebedingten Personalausfällen oder einer starken Erhöhung der Patientenzahl kommt.

Ausnahmeregelungen

Die Ausnahmeregelungen betreffen die Qualitätsvorgaben des G-BA zu folgenden Bereichen:

  • Versorgung von Früh- und Reifgeborenen (QFR-​RL)
  • Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit hämato-​onkologischen Krankheiten (KiOn-​RL)
  • Kinderherzchirurgie (KiHe-​RL)
  • Behandlung des Bauchaortenaneurysmas (QBAA-​RL)
  • minimalinvasive Herzklappeninterventionen (MHI-​RL)
  • allogene Stammzelltransplantation beim Multiplem Myelom
  • allogene Stammzelltransplantation mit In-​vitro-Aufbereitung des Transplantats bei akuter lymphatischer Leukämie und akuter myelotischer Leukämie bei Erwachsenen

kein Qualitätsverlust

Ungeachtet der bei Vorliegen von Ausnahmetatbeständen zulässigen Abweichung von Mindestanforderungen an die Personalausstattung bleibt es bei der Verpflichtung der Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer, die Leistungen gemäß § 135a Absatz 1 Satz 2 SGB V entsprechend dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und in der fachlich gebotenen Qualität zu erbringen.

ab sofort

Der Beschluss tritt nach Nichtbeanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit und Veröffentlichung im Bundesanzeiger mit Wirkung vom 20. März 2020 in Kraft.

Quelle: G-BA

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Pflegebegutachtung ohne Hausbesuch, Beratungsbesuche ausgesetzt

Das Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter­ium hat am 19. März 2020 in Absprache mit Pflegeverbänden Sofortmaßnahmen beschlossen, um das Infektionsrisiko von Pflegekräften und Pflegebedürftigen zu reduzieren:

Keine Hausbesuche mehr zur Einstufung in den Pflegegrad (§ 18 SGB XI)

Die Medizinischen Dienste werden aus Gründen des Infektionsschutzes keine persönlichen Pflegebegutachtungen in der ambulanten und stationären Pflege mehr durchführen.

Die Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit werden stattdessen künftig nach Aktenlage sowie – falls notwendig – in telefonischen oder digitalen leitfadengestützten Interviews durchgeführt. Gesprächspartner können dabei sein der Pflegebedürftige selbst, ein pflegender Angehöriger, die Pflegekraft und gegebenenfalls der rechtliche Betreuer.

Aussetzung der Beratungsbesuche (§ 37 SGB XI)

Beratungsbesuche zur Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege (sog. Beratungseinsatz, § 37 Abs. 3 Satz 1 SGB XI) werden bis zum 30. September 2020 ausgesetzt.

An sich sind diese Beratungsbesuche für Personen, die ausschließlich Pflegegeld beziehen, verpflichtend – je nach Pflegegrad halb- oder vierteljährlich. Diese Besuche werden regelmäßig von zugelassenen Pflegediensten oder anerkannten Beratungsstellen in der Häuslichkeit des Pflegebedürftigen durchgeführt. Sie dienen der pflegepraktischen Unterstützung der pflegenden Angehörigen und sollen die Qualität der häuslichen Pflege sichern.

Das Pflegegeld wird gekürzt oder im Wiederholungsfall ganz entzogen, wenn Pflegebedürftige die Beratung nicht abrufen. Auch diese gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen bei fehlendem Nachweis werden ausgesetzt. Dies gilt auch für eine rückwirkende Kürzung oder Entziehung des Pflegegelds.

Der Anspruch der Pflegebedürftigen auf Beratung bleibt allerdings bestehen; diese soll dann bei Bedarf telefonisch und oder digital stattfinden.

Quelle: GKV-Spitzenverband

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Corona: Lohnfortzahlung, Entschädigung

Es gibt vorhandene Regelungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kindern, die aufgrund der Schul- und Kitaschließungen zu Hause bleiben müssen, um ihre Kinder zu betreuen

Ebenso gibt es Regelungen für Entschädigungen, wenn jemand wegen einer Quarantäne nicht arbeiten kann.

Lohnfortzahlungen bei Kinderbetreuung

Nach geltender Rechtslage können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Betreuung ihrer Kinder für einen kurzen Zeitraum ohne Lohneinbußen ihrem Arbeitsplatz fernbleiben. Voraussetzung ist, dass sie ihre Kinder nicht anderweitig betreuen können (z.B. Ehepartner, Nachbarschaft). Die Großeltern sollten in der jetzigen Lage nicht einbezogen werden. Allerdings ist diese Möglichkeit, geregelt im § 616 BGB auf wenige, in der Regel zwei bis drei Tage beschränkt.

Kinderkrankengeld

Wenn Kinder krank sind, könnte das Kinderkrankengeld greifen. § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V regelt, dass Krankengeld bei Erkrankung des Kindes für jedes Kind und jeden Versicherten für längstens zehn Arbeitstage gewährt wird. Bei Alleinerziehenden verdoppelt sich die Dauer auf 20 Arbeitstage. In einem Jahr (wenn z. B. mehrere Kinder in Abständen erkranken) kann Krankengeld für längstens 25 Tage (bei 5-Tage-Woche immerhin 5 Wochen) beansprucht werden. Auch diese Dauer verdoppelt sich bei Alleinerziehenden auf 50 Tage.
Krankengeld, bzw. Kinderkrankengeld bedeutet aber auch keinen vollen Ersatz des ausgefallenen Lohnes.

Appell der Tarifpartner

Weitere Gesetzliche Regelungen gibt es nicht. Deswegen versuchen es das Bundesarbeitsministerium, das Bundeswirtschaftsministerium und der Arbeitgeberverband BDA und der Deutsche Gewerkschaftbund DGB mit einem gemeinsamen Appell (18.3.2020) an alle Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen:

„Die Bundesregierung und die Sozialpartner verstehen die Nöte vieler Beschäftigter, die aufgrund von Schul- oder Kitaschließungen Sorgen um die Betreuung ihrer Kinder haben und denen deshalb Lohneinbußen drohen.
Gemeinsam rufen sie die Arbeitgeber auf, zu vielfältigen, pragmatischen und einvernehmlichen Lösungen zu kommen, damit Beschäftigung und Löhne  gesichert werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind gefordert, über Zeitausgleiche (z.B. Überstundenabbau) oder kurzfristige Inanspruchnahme von Urlaub, die Betreuung ihrer Kinder sicherzustellen. Um im Notfalle unzumutbare Härten zu vermeiden, begrüßen die Sozialpartner Überlegungen der Bundesregierung, entgeltsichernde Maßnahmen für jene Elternteile zu ergreifen, die die Kinderbetreuung nicht anderweitig sicherstellen können (z.B. über eine neue Entschädigungsregelung). “

Entschädigung bei Quarantäne

Dies wird im Infektionsschutzgesetz (§ 56 Infektionsschutzgesetz) geregelt. Wer auf Grund des Infektionsschutzgesetzes einem Tätigkeitsverbot unterliegt oder abgesondert wurde und einen Verdienstausfall erleidet, enthält eine Entschädigung.

Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gewährt (§ 56 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz).

Quelle: BMAS, SOLEX

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Reform des Aufstiegs-BAFöG

Die Reform des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (Aufstiegs-BAFöG, früher: Meister-BAFöG) ist beschlossene Sache, nachdem der Bundesrat am 13.3. der Regierungsvorlage in allen wesentlichen Punkten zugestimmt hat. Es soll zum 1.August 2020 in Kraft treten.

Der Gesetzentwurf sieht folgende Maßnahmen vor, um die Förderleistungen und die Förderstrukturen des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) zu verbessern:

  1. Die Förderung durch das AFBG wird auf die Vorbereitung auf Prüfungen
    aller drei im BBiG (Berufsbildungsgesetz) und in der HwO (Handwerksordnung) verankerten beruflichen Fortbildungsstufen der höherqualifizierenden Berufsbildung erweitert. Damit besteht auf jeder Fortbildungsstufe ein passgenauer, ergänzender Förderanspruch auf der Grundlage des AFBG für Fortbildungsabschlüsse nach dem BBiG und der HwO sowie für solche Fortbildungsabschlüsse, die gleichwertig sind.
  2. Die mit dem 26. BAföG – Änderungsgesetz erfolgte Anhebung der Bedarfssätze und der Einkommensfreibeträge gilt unmittelbar auch für das AFBG. Darüber hinaus werden mit diesem Gesetzentwurf die folgenden Leistungskomponenten des AFBG verbessert:
    – Der Zuschussanteil zum Unterhaltsbeitrag für Vollzeitgeförderte wird von bisher 50 Prozent zu einem Vollzuschuss ausgebaut.
    – Der einkommensunabhängige Kinderbetreuungszuschlag für Alleinerziehende wird von 130 Euro auf 150 Euro angehoben.
    – Der Zuschussanteil zum Maßnahmebeitrag wird von 40 Prozent auf 50 Prozent erhöht. Dies beinhaltet auch die Anhebung des Zuschussanteils von 40 Prozent auf 50 Prozent für die Erstellung der fachpraktischen Arbeit in der  Meisterprüfung des Handwerks und vergleichbarer Arbeiten in anderen Wirtschaftsbereichen.
  3. Der Anreiz, nicht nur an der geförderten Vorbereitungsmaßnahme teilzunehmen, sondern auch erfolgreich die Aufstiegsprüfung zu bestehen, wird durch die Anhebung des Darlehenserlasses bei Bestehen der Prüfung („Bestehenserlass“) von 40 Prozent auf 50 Prozent gesteigert.
  4. Fortbildungsabsolventinnen und Fortbildungsabsolventen, die im Inland ein
    Unternehmen oder eine freiberufliche Existenz gegründet, übernommen oder einen bestehenden Gewerbebetrieb erweitert haben und hierfür überwiegend  die unternehmerische Verantwortung tragen, wird das auf die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren entfallende Restdarlehen vollständig erlassen („Existenzgründungserlass“).
  5. Die Stundungs- und Darlehenserlassmöglichkeiten aus sozialen Gründen werden für Geringverdienende erweitert („Sozialerlass“).

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Fallpauschalen, Personaluntergrenze und Corona

Die akute Corona-Krise macht deutlich, dass eine Krankenhausfinanzierung, die auf Erlösorientierung oder gar Gewinnorientierung baut, keine gute Idee ist.

Fallpauschalen

Die Finanzierung der Krankenhäuser geschieht seit 2004 über Fallpauschalen. Mit diesem System werden Diagnosen in „Fallgruppen“ gruppiert und pauschal vergütet. Der Effekt ist: Patienten rechnen sich – egal wie krank sie sind – in diesem System vor allem, wenn an ihnen viele „Prozeduren“ durchgeführt werden. In der Fallpauschalen-Logik sind das alle Eingriffe von einer Spritze über Magenspiegelungen bis hin zu großen Operationen. Nicht ökonomisch interessant ist es, wenn Krankenhausärzte mit Patienten sprechen, über die richtige Diagnose nachdenken und in der Fachliteratur nachforschen, oder wenn sie Patienten erst beobachten, bevor sie in ungezielten Aktionismus verfallen.

Erst recht nicht wirtschaftlich und betriebswirtschaftlich unsinnig ist es, wenn Kapazitäten freigehalten werden, um bei Krisen, wie der augenblicklichen, gewappnet zu sein.

Zu viele Krankenhäuser?

Mitte letzten Jahres schlug folglich eine Bertelsmann-Studie Alarm: es gebe „Überkapazitäten“ an Bettenplätzen und Krankenhausstandorten in Deutschland. Stattdessen weniger Betten konzentriert an weniger Krankenhausstandorten würden ermöglichen, mit dem vorhandenen Personal die Pflegebedingungen für PatientInnen und Beschäftigte zu verbessern und sogar noch Geld zu sparen.

Folgerichtig, das heißt der kapitalistischen neo-liberalen Ideolgie folgend, mussten in den letzten Jahren schon viele Krankenhäuser schließen. Häufig betraf dies Geburtsstationen und Kinderkliniken.

Dabei sollte die Versorgung von Kranken, genau wie die Betreung von Pflegebedürftigen, aber auch andere Bereiche, wie die Versorgung mit Wasser, Energie und der Öffentliche Personenverkehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. In diesen Bereichen haben Gewinnstreben und Erlösorientierung nichts zu suchen.

Personaluntergrenzen

Die Bundesregierung hatte zu Beginn des Jahres 2019 Personaluntergrenzen für Krankenhäuser eingeführt, als zentrales Instrument zur Verbesserung der Pflegepersonalausstattung der Krankenhäuser. Diese Untergrenzen hat das Bundesministerium jetzt kurzfristig aufgehoben. Wie das Ministerium mitteilte, sollten Kliniken bei der Personalplanung flexibel auf die Ausbreitung des Coronavirus reagieren können. Deshalb würden sie in dieser Lage bis auf Weiteres vom Aufwand der Dokumentation und von anderen Auflagen in der Pflege entlastet. Die Untergrenzen galten insbesondere für die Intensiv-Stationen.

Vereinfacht gesagt bedeutet die Personaluntergrenzen-Vorschrift, dass Stationen mit zu wenig Personal geschlossen werden müssen. Nun da diese Regel nicht mehr gilt, versuchen eineige Krankenhäuser schnell Kasse zu machen. Es wird operiert, was das Zeug hält. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe hält die Aussetzung der Vorschrift für völlig falsch. Besser sei es, planbare Operationen zu verschieben um so Kapazitäten zu schaffen ohne die Qualität herunter zu fahren.

Quellen: DBFK, Bertelsmann-Stiftung, FOKUS-Sozialrecht, BMG

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Erleichterung beim Kurzarbeitergeld

Rekordtempo bei der Verabschiedung des „Gesetzes zur befristeten  krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ (19/17893). Das Gesetz wurde am heutigen Freitag, 13.3.2020, in 1.,2. und 3. Lesung im Bundestag und wenig später im Bundesrat verabschiedet. Die Bundesregierung begründet dies mit den durch die schnell zunehmende Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten konjunkturellen Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft.

Maßnahmen

Konkret sieht die Gesetzesinitiative eine Änderung im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (neuer Absatz 5 im § 109)  vor, die es durch eine Verordnung der Bundesregierung ermöglicht,

  • dass nur zehn Prozent der Beschäftigten eines Betriebes vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen. Bisher ist vorgesehen, dass mindestens ein Drittel der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen.
  • Zudem soll auf den Aufbau von negativen Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes ganz oder teilweise verzichtet werden können.
  • Weiter sollen den Arbeitgebern die Sozialversicherungsbeiträge vollständig oder teilweise erstattet werden können.

Durch Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (neuer § 11a) wird die Möglichkeit für eine Verordnung durch die Bundesregierung geschaffen, damit Kurzarbeitergeld auch an Leiharbeitskräfte gezahlt werden kann. Voraussetzung für eine solche Verordnung ist eine krisenhafte Situation, die für Branchen oder Regionen übergreifend erhebliche Auswirkungen auf Beschäftigungsverhältnisse und den Arbeitsmarkt hat.

Aus der Begründung:

„Trotz der insgesamt robusten Arbeitsmarktsituation steht die deutsche Wirtschaft vor konjunkturellen Herausforderungen, die sich durch die schnell zunehmende Verbreitung des Coronavirus COVID19 aktuell deutlich verstärken. Erkrankungen oder Quarantäne von Beschäftigten haben unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeit von Unternehmen. Zugleich zeigen sich verstärkt mittelbare Folgen für einzelne Branchen und Regionen etwa durch die Absage von Messen und Großveranstaltungen oder ein eingeschränktes Reiseverhalten. Noch nicht absehbar ist, wie sich möglicherweise abreißende Lieferketten oder ein Auftragsrückgang auf die Konjunktur und damit auf den Arbeitsmarkt auswirken.“

Die Verordnungsermächtigung ist zeitlich bis zum 31. Dezember 2021 befristet.

Noch Anfang der Woche hieß es, die Regelungen zum Kurzarbeitergeld würden in dem vom BMAS vorgelegten Gesetzentwurf zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung („Arbeit von morgen“) umgesetzt. Der Gesetzentwurf sollte deshalb am 11.03.2020 vom Bundeskabinett beschlossen werden und in einem verkürzten Verfahren in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten. Nun wurde wegen der Dringlichkeit ein eigenständiges Gesetz gebastelt, dass sofort in Kraft treten kann.

Quellen: Bundestag, Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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Grundsicherung – mehr als doppelt so viele hätten Anspruch

Ende letzten Jahres veröffentlichte das Deutsche Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) eine Studie zur Inanspruchnahme von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

62 Prozent verzichten auf Grundsicherung

Die Untersuchung ergab, dass knapp 62 Prozent oder hochgerechnet etwa 625.000 Privathaushalte, denen die Grundsicherung im Alter zustünde, diese nicht in Anspruch nehmen.
Besonders hoch ist die Quote bei Personen, die älter als 76 Jahre (73 Prozent) oder verwitwet (77 Prozent) sind. Auch ein niedriger Bildungsstatus geht damit einher, dass die Grundsicherung seltener in Anspruch genommen wird.

Vor allem aber nehmen diejenigen, die monatliche Beträge bis 200 Euro aus der Grundsicherung zu erwarten haben, diese häufig nicht in Anspruch (80 Prozent).

Dagegen nehmen vier von fünf Haushalten mit Ansprüchen von mehr als 600 Euro nehmen diese auch in Anspruch.

zu aufwendig, zu bürokratisch

Vielen ist das Verfahren vermutlich zu aufwendig – gerade bei kleinen Beträgen – oder sie wissen gar nicht, dass sie den Rechtsanspruch haben. Auch die Angst, als „Almosenempfänger“ abgestempelt zu werden, könne eine Rolle spielen.

Unter Umständen spielt auch noch die Angst eine Rolle, dass ihre Kinder die staatliche Hilfe zurückzahlen müssten. Die Gefahr besteht in der Regel nicht mehr. Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz wurde die Einkommensgrenze, unter der unterhaltspflichtige Angehörige nicht zu den Kosten für Sozialhilfe-Leistungen herangezogen können zum 1.1.2020 auf 100.000 EUR angehoben.

Um diesem Missstand zu begegnen, wären bessere Informationen und vereinfachte Verfahren nötig.

Vorschläge

Vorschläge der Verfasser der Studie sind unter anderem:

  • Die Bewilligungsphase von derzeit zwölf Monate verlängern, da sich die Einkommenssituation der Seniorinnen und Senioren in der Regel nicht mehr häufig grundlegend ändert.
  • Keine aufwendige Vermögensprüfung, da Vermögende in der Regel hohe Kapitaleinkünfte haben, die schon in der Einkommensprüfung zu Buche schlagen

Eine vereinfachte Antragstellung und weniger Bürokratie könnte ein effizienter Weg sein, um die verdeckte Altersarmut etwas einzudämmen. Abschaffen kann man sie nur, wenn die Leistungen ohne Beantragung ausgezahlt würden.

Nähmen tatsächlich alle Grundsicherungsberechtigten ihre Ansprüche wahr, würde dies den Staat rund zwei Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich kosten.

Quellen: DIW, SOLEX

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Kurzfristige Maßnahmen wegen Covid-19

Die Bundesregierung gibt zur Eindämmung des SARS-CoV-2-Virus hauptsächlich Empfehlungen heraus. Entscheiden müssen die örtlichen Verantwortlichen. Appeliert wird auch an jeden Einzelnen. Es geht um

  • Einhaltung der Hygiene (Händewaschen)
  • Vermeiden des Besuchs von großen Menschenansammlungen.
  • Empfehlung, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen.

Konkrete Maßnahmen gibt es aber seit heute (9.3.2020) aber auch:

Krankschreibung per Telefon

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband haben sich heute darauf verständigt, dass ab sofort Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt eine Bescheinigung auf Arbeitsunfähigkeit (AU) bis maximal sieben Tage ausgestellt bekommen können. Sie müssen dafür nicht die Arztpraxen aufsuchen. Die Regelung gilt für Patienten, die an leichten Erkrankungen der oberen Atemwege leiden und keine schwere Symptomatik vorweisen oder Kriterien des Robert-Koch-Instituts (RKI) für einen Verdacht auf eine Infektion mit COVID-19 erfüllen. Diese Vereinbarung gilt ab sofort und zunächst für vier Wochen.

Maßnahmen des Koalitionsauschusses für betroffene Unternehmen

Die Bundesregierung wird bis Ende 2021 Verordnungsermächtigungen einführen, mit der sie die Voraussetzungen für den Bezug von  Kurzarbeitergeld absenken und die Leistungen wie folgt erweitern kann:

  • Absenken des Quorums der im Betrieb Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, auf bis zu 10 %·
  • Teilweise oder vollständiger Verzicht auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden
  • Ermöglichung des Kurzarbeitergeldbezugs auch für Leiharbeitnehmer
  • Vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit.
  • Die Verordnungen selbst sollen zunächst bis Ende 2020 befristet werden.

Bei den am 29.01.2020 bereits beschlossenen Verbesserungen bei Kurzarbeit in Kombination mit Weiterbildung wird es bleiben. Sie sollen gesetzlich umgesetzt werden. Die Regelungen zum Kurzarbeitergeld werden in dem vom BMAS vorgelegten Gesetzentwurf zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung („Arbeit von morgen“) schnellstmöglich umgesetzt. Der Gesetzentwurf soll deshalb am 11.03.2020 vom Bundeskabinett beschlossen werden und in einem verkürzten Verfahren in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten.

Quellen: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Bundesregierung

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Eingliederungshilfe – leistungsberechtigter Personenkreis

Im Rahmen der Reform der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) sollte nicht nur eine Neudefinition des Behinderungsbegriffs, sondern auch des Kriteriums der „Wesentlichkeit“ beim leistungsberechtigten Personenkreis in der Eingliederungshilfe in Anlehnung an die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und in Orientierung an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) erfolgen.

Konsens im Gesetzgebungsverfahren des BTHG war, dass durch eine Neudefinition der bisherige leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe nicht verändert werden soll.

Leistungsberechtigter Personenkreis soll unverändert bleiben

Nach intensiven Erörterungen im parlamentarischen Verfahren des BTHG wurde letztlich in Artikel 25a § 99 BTHG nur eine richtungsweisende Regelung zur Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises aufgenommen, deren unbestimmte Rechtsbegriffe erst zum 1. Januar 2023 nach einer wissenschaftlichen Untersuchung der rechtlichen Wirkungen auf den leistungsberechtigten Personenkreis konkretisiert werden sollten. Diese Untersuchung, die von der Arbeitsgemeinschaft ISG und transfer in Kooperation mit Prof. Dr. Welti und Dr. med. Schmidt-Ohlemann durchgeführt wurde, kam jedoch 2018 zu dem Ergebnis, dass das in Artikel 25a § 99 BTHG angelegte Konzept nicht gewährleisten könne, dass der leistungsberechtigte Personenkreis gegenüber dem Status Quo unverändert bleibt (vgl. BTDrs. 19/4500). Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses wird § 99 SGB IX in der Fassung des Art. 25a BTHG nicht zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Ohne Änderung würde daher die ursprünglich nur als Übergangslösung gedachte seit 1. Januar 2020 in Kraft getretene Fassung des § 99 SGB IX, die auf das bisherige Recht im SGB XII verweist, zur Dauerlösung werden. Damit würde nicht nur der Bezug zum Fürsorgesystem (SGB XII) erhalten bleiben, sondern durch den Verweis auf das ab dem 1. Januar 2020 nicht mehr geltende Recht perspektivisch auch die Transparenz über die Zugangskriterien zu Leistungen der Eingliederungshilfe verloren gehen.

Beteiligungsprozess und Arbeitsgruppe

Zur Klärung dieser Frage hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Ende 2018 einen Beteiligungsprozess gestartet, aus der die Arbeitsgruppe „Leistungsberechtigter Personenkreis in der Eingliederungshilfe“ hervorgegangen ist. Nun liegen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe vor.

Ziel der Arbeitsgruppe war es, dass sich Vertreterinnen und Vertreter der Menschen mit Behinderungen, der kommunalen Leistungsträger, der Leistungserbringer und der Länder sowie Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und Praxis auf die Grundzüge eines Modells zur Ausgestaltung des leistungsberechtigten Personenkreises verständigen. Das Ergebnis ist ein Arbeitspapier, das den Entwurf des § 99 SGB IX sowie den Entwurf der Verordnung über die Leistungsberechtigung in der Eingliederungshilfe enthält.

Das Arbeitspapier erläutert die bisherige Rechtslage und den Handlungsbedarf, der sich durch das BTHG ergeben hat. Die konkreten Vorschläge zur künftigen Ausgestaltung der Regelungen des Leistungszugangs stehen vor dem Hintergrund, dass sich der leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe nicht verändern soll.

Zentrale Ergebnisse

  • Die Kriterien für den Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe werden so angepasst, dass sie sich an den Begrifflichkeiten der UN-BRK und der ICF orientieren.
  • Neben der gesetzlichen Regelung im künftigen § 99 SGB IX wird es eine konkretisierende Rechtsverordnung geben.
  • Für einen Rechtsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe ist auch künftig das Vorliegen einer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX nicht ausreichend. Zusätzlich muss ein weiteres Kriterium erfüllt sein.
  • Der Begriff der „wesentlichen“ Behinderung, der für einen Zugang zu Eingliederungshilfeleistungen erforderlich ist, wird künftig legal in § 99 Abs. 1 SGB IX definiert.
  • Liegt keine „wesentliche“ Behinderung vor, können Personen mit einer anderen geistigen, seelischen, körperlichen oder Sinnesbehinderung auch künftig Leistungen der Eingliederungshilfe im Ermessensweg erhalten.
  • Entscheidend für das vorliegen einer „wesentlichen“ Behinderung ist, dass die Beeinträchtigung in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren zu einer wesentlichen Einschränkung der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft führt, statt, wie in den bisherigen Regelungen formuliert zur Einschränkung der Teilhabefähigkeit.

Folgeprozess

Eine vollständige Einigung des Verordnungstextes konnte im Rahmen der Arbeitsgruppe nicht mehr erreicht werden. Zur Klärung der verbliebenen offenen Fragen soll ein Folgeprozess stattfinden. Dabei sollen in erster Linie die strittigen Textpassagen evaluiert werden. Hierbei soll untersucht werden, ob sich durch die unterschiedlichen innerhalb der Arbeitsgruppe vertretenen Formulierungen in der Praxis Veränderungen mit Blick auf den leistungsberechtigten Personenkreis in der Eingliederungshilfe ergeben würden.

Quellen: umsetzungsbegleitung-bthg.de, FOKUS-Sozialrecht

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