Wohngruppenzuschlag

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat am 10. September 2020 in drei Revisionsverfahren über den Anspruch auf einen Wohngruppenzuschlag nach § 38a Sozialgesetzbuch Elftes Buch – SGB XI – für pflegebedürftige Bewohner von Wohngruppen entschieden (Aktenzeichen B 3 P 2/19 R, B 3 P 3/19 R, B 3 P 1/20 R).

Die sämtlich den Zuschlag ablehnenden Urteile der Landessozialgerichte sind aufgehoben worden. Der 3. Senat misst dem gesetzlichen Ziel der Leistung, ambulante Wohnformen pflegebedürftiger Menschen unter Beachtung ihres Selbstbestimmungsrechts zu fördern, hohe Bedeutung bei und hält einen strengen Maßstab für die Anforderungen an den Wohngruppenzuschlag nicht für gerechtfertigt.

Wohngruppenzuschlag in ambulant betreuten Wohngruppen

Die Bedeutung ambulant betreuter Wohngruppen für die pflegerische Versorgung wächst. Diese Wohngruppen tragen dem Wunsch nach privater und häuslicher Pflege und Betreuung Rechnung. Vor allem ermöglichen sie es Menschen, die ihren Lebensalltag nicht mehr allein bewältigen können oder möchten, eine gemeinschaftliche Pflege in der Nähe ihres angestammten Wohnumfeldes zu erhalten. Das verhindert Brüche im sozialen Gefüge der Betroffenen. Die überschaubare Größe der Wohngruppen erleichtert es, die Ressourcen der Pflegebedürftigen zu nutzen und zu erhalten sowie Angehörige und das weitere soziale Umfeld der Pflegebedürftigen in den Alltag der Wohngruppe einzubeziehen.

Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen (sog. Pflege-WG), die Pflegesachleistungen oder Pflegegeld beziehen, erhalten seit 1.1.2017 einen Wohngruppenzuschlag in Höhe von 214 EUR je Monat.

Die Voraussetzungen für den Wohngruppenzuschlag und die Ausgestaltung von ambulanten Wohngruppen wurde mit dem Pflegestärkungsgesetzen I und II weiterentwickelt:

  • Der Pflegebedürftige hat Anspruch auf Wohngruppenzuschlag, wenn
  • Er mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zusammenlebt.
  • Davon sind mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig.
  • Die Bewohner müssen Pflegesachleistungen, Pflegegeld, Kombinationsleistungen, Angebote zur Unterstützung im Alltag oder den Entlastungsbetrag beziehen.
  • Zweck der Wohngemeinschaft ist die gemeinschaftlich organisierte pflegerische Versorgung.
  • Eine Person muss durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt werden, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder hauswirtschaftliche Unterstützung zu leisten.
  • Es muss sicher gestellt sein, dass die ambulante Leistungserbringung nicht tatsächlich weitgehend den Umfang einer stationären oder teilstationären Versorgung erreicht, und somit eine Situation vermieden wird, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter für die Mitglieder der Wohngruppe eine Vollversorgung anbietet. Das zentrale Merkmal einer ambulanten Versorgung ist, dass regelhaft Beiträge der Bewohnerinnen und Bewohner selbst, ihres persönlichen sozialen Umfelds oder von bürgerschaftlich Tätigen zur Versorgung notwendig bleiben.

§ 38a SGB XI gilt auch für Personen mit Pflegegrad 1.

Der Medizinische Dienst soll im Einzelfall prüfen, ob in Wohngruppen die Inanspruchnahme der Tages‐ und Nachtpflege erforderlich ist. Nur dann, wenn durch eine Prüfung nachgewiesen ist, dass die Pflege in einer ambulant betreuten Wohngruppe ohne teilstationäre Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden kann, kann die Leistung in Anspruch genommen werden. 

Hinweise des BSG

Das Bundessozialgericht weist in seinem Urteil darauf hin, dass trotz der Zielrichtung des Gesetzes der Zuschlag allerdings zu versagen wäre, wenn es sich nicht im Rechtssinne um eine ambulant betreute Wohngruppe, sondern faktisch um eine (verkappte) vollstationäre Versorgungsform handelte, oder wenn die in der Wohngruppe erbrachten Leistungen nicht über diejenigen der häuslichen Pflege hinausgingen. Für gesetzlich begünstigte Wohn- und Versorgungsformen sei maßgebend, dass die Betroffenen im Sinne einer „gemeinschaftlichen Wohnung“ die Möglichkeit hätten, Gemeinschaftseinrichtungen zu nutzen, und dass sie die Übernahme einzelner Aufgaben außerhalb der reinen Pflege durch Dritte selbstbestimmt organisieren könnten.

Die „gemeinschaftliche Beauftragung“ einer Person zur Verrichtung der im Gesetz genannten, die Wohngruppe unterstützenden Tätigkeiten müsse sich an der Förderung der Vielfalt individueller Versorgungsformen und der Praktikabilität messen lassen. Deshalb unterliege eine gemeinschaftliche Beauftragung keinen strengen Formvorgaben und kann auch durch nachträgliche Genehmigung erfolgen. Dafür reiche es aus, wenn innerhalb der Maximalgröße der Wohngemeinschaft von zwölf Personen einschließlich der die Leistung begehrenden pflegebedürftigen Person mindestens zwei weitere pflegebedürftige Mitglieder an der gemeinschaftlichen Beauftragung mitwirken. Bei der beauftragten Person könne es sich auch um mehrere Personen und ebenfalls um eine juristische Person handeln, die dann wiederum durch namentlich benannte natürliche Personen die für die Aufgabenerfüllung nötige regelmäßige Präsenz sicherstelle. Auch schade es nicht, wenn die Beauftragten noch andere Dienstleistungen im Rahmen der pflegerischen Versorgung übernähmen, solange keine solch enge Verbindung zur pflegerischen Versorgung bestehe, dass diese als stationäre Vollversorgung zu qualifizieren wäre.

Quellen: Bundessozialgericht, SOLEXWohngruppenzuschlag

Abbildung: Fotolia_94084249_Subscription_XXL.jpg

Rechengrößen 2021

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales legt den Referentenentwurf zur Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2021 vor:

Die Rechengrößen werden jedes Jahr gemäß der Einkommensentwicklung angepasst. Maßgebend für 2021 ist das Jahr 2019. Bei der Ermittlung der jeweiligen Einkommensentwicklung zählen die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer. So gab es 2019 eine Steigerung

  • im Bundesgebiet um 2,94 Prozent,
  • in den alten Bundesländern um 2,85 Prozent und
  • in den neuen Ländern wird zur Berechnung das Ergebnis für 2021 für die alten Bundesländer durch Wert der Anlage 10 zum SGB VI für 2021 (1,0560) geteilt.

Die Bezugsgröße, die für viele Werte in der Sozialversicherung Bedeutung hat (unter anderem für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlagen für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung und für die Beitragsberechnung von versicherungspflichtigen Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung), erhöht sich

  • im Westen auf 3.290 Euro/Monat (2020: 3.185 Euro/Monat),
  • im Osten auf 3.115 Euro/Monat (2020: 3.010 Euro/Monat).

Die bundesweit einheitliche Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (Jahresarbeitsentgeltgrenze) steigt auf 64.350 Euro (2020: 62.550 Euro).

Die ebenfalls bundesweit einheitliche Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2021 in der gesetzlichen Krankenversicherung beträgt 58.050 Euro jährlich (2020: 56.250 Euro) bzw. 4. 837,50 Euro monatlich (2020: 4.687,50 Euro).

Die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung steigt

  • im Westen auf 7.100 Euro/Monat (2020: 6.900 Euro/Monat) und
  • im Osten auf 6.700 Euro/Monat (2020: 6.450 Euro/Monat).

Zusammengefasst ergeben sich nach dem Referentenentwurf folgende Werte:

WestOst
MonatJahrMonatJahr
Beitragsbemessungsgrenze: allgemeine Rentenversicherung7.100€85.200€6.700€80.400€
Beitragsbemessungsgrenze: knappschaftliche Rentenversicherung8.700€104.400€8.250€99.000€
Beitragsbemessungsgrenze: Arbeitslosenversicherung7.100€85.200€6.700€80.400€
Versicherungspflichtgrenze: Kranken- u. Pflegeversicherung5.362,50€64.350€5.362,50€64.350€
Beitragsbemessungsgrenze: Kranken- u. Pflegeversicherung4.837,50€58.050€4.837,50€58.050€
Bezugsgröße in der Sozialversicherung3.290€*39.480€*3.115€37.380€
vorläufiges Durchschnittsentgelt/Jahr in der Rentenversicherung
41.541€
* In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gilt dieser Wert bundeseinheitlich.

Bevor die Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet wird, muss sie von der Bundesregierung beschlossen werden und der Bundesrat muss anschließend zugestimmt haben.

Quelle: BMAS

Abbildung: Fotolia_158866271_Subscription_XXL.jpg

Höhere Regelsätze

Nach Pressemeldungen, unter anderem in der Tagesschau und im Spiegel, werden die Regelsätze im SGB II und im SGB XII stärker angehoben als geplant.

Danach sollen ab 1.1.2021 folgende Regelsätze gelten:

  • Regelbedarfsstufe 1 / Alleinstehende von 432 € auf 446 € / + 14 €
  • Regelbedarfsstufe 2 / Partner innerhalb BG von 389 € auf 401 € / + 12 €
  • Regelbedarfsstufe 3 / U 25 im Haushalt der Eltern von 345 € auf 357 € / + 12 €
  • Regelbedarfsstufe 4 / Jugendliche von 15 bis 17 J. von 328 € auf 373 € / + 45 €
  • Regelbedarfsstufe 5 / Kinder von 6-14 J. von 308 € auf 309 € / + 1 €
  • Regelbedarfsstufe 6 / Kinder von 0 bis unter 6 Jahren von 250 € auf 283 € / + 33 €

Schon im Referentenentwurf zum Regelbedarfsermittlungsgesetz wurde in der Begründung zu § 7 darauf hingewiesen, dass die für die Fortschreibung zum 1. Januar 2021 benötigten Daten erst Ende August 2020 vollständig vorliegen werden.
Die zu Grunde liegenden Daten stammen aus dem Jahr 2018. In dem Entwurf wurde der zu erwartende Anstieg für die Jahre 2019 und 2020 mit insgesamt geschätzten 0,93 Prozent eingerechnet. Dies war auch schon ein Kritikpunkt der Sozialverbände am Entwurf.

Nun liegen die tatsächlichen Zahlen vor. Danach ergab sich für die Jahre 2019 und 2020 wohl ein tatsächlicher Anstieg um etwa 2,5 Prozent.

Die Erhöhung der Regelsätze ist unter anderem auch relevant für die Höhe der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Hier liegen aber noch keine konkreten Zahlen vor.

Quellen: Tagesschau, Spiegel, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: Fotolia_113739057_Subscription_XL.jpg

Verkehrsminister und Rassismus

Am 9. Juni wurde hier darüber berichtet, wie das Verkehrsministerium mittels einer Verordnungsänderung zur Schiffsicherheit verhindern will, dass private Seenotretter Flüchtlingen im Mittelmeer das Leben retten.

Die Verordnung bestimmt, dass Schiffe ein Schiffsicherheitszeugnis brauchen, wenn sie nicht zu „Sport- und Erholungszwecken“ benutzt werden. Ursprünglich hieß es in der Verordnung „Sport- und Freizeitzweck“. Damit hatte das Rettungsschiff „Mare Liberum“ vor einem Jahr beim Oberverwaltungsgericht Hamburg durchsetzen können, dass der Begriff „Freizeit“ auch die „der persönlichen Entfaltung dienende politische Tätigkeiten, was gemeinnützige und humanitäre Tätigkeiten ohne weiteres einschließt, beinhaltet.“ 

Freizeit oder Erholung

In der Verordnung wurde nun der Begriff „Freizeit“ durch „Erholung“ ersetzt. Dass es dabei nicht um die Schiffsicherheit ging, wie offiziell begründet, sondern darum, Seenotrettung zu verhindern, belegt jetzt die Veröffentlichung der internen Schreiben des Bundesverkehrsministeriums und des Innenministeriums durch FragDenStaat.de, ein gemeinnütziges Projekt des Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.

Empfehlung zur Rechtsänderung

Kurz nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts kommt folgende Empfehlung von Ministerialdirektor Dr. Norbert Salomon, Abteilungsleiter Schifffahrt im Bundesverkehrsministerium:

„Möglichkeit einer Rechtsänderung prüfen (Klarstellung, was unter den Begriff des Sport- und Freizeitzwecks zu subsumieren) entweder zu weiter laufendem Hauptsacheverfahren oder nach Abhilfe des Widerspruchs, d.h. ohne Hauptsacheverfahren und ohne weitere Festhalteverfügung gegen vergleichbare Schiffe.
Für die Prüfung einer Rechtsänderung ist anzuführen, dass ohne eine Änderung ein Betrieb bestimmter Schiffe zur Verfolgung professionalisierter Vereinszwecke (z.B. der Flüchtlingsrettung oder dem Umweltschutz) ohne Schiffssicherheitszeugnisse und damit faktisch ohne staatliche Kontrolle möglich wäre.
Dem ließe sich durch eine Änderung der Schiffssicherheitsverordnung entgegen wirken….“
„Eine solche Rechtsänderung sollte nur aus Sicherheitserwägungen heraus erfolgen
Eine Spezialregelung nur für Boote, die zur Beobachtung und Rettung von Flüchtlingen eingesetzt werden, würde das BMVI (Verkehrsministerium, JL) in den Fokus der allgemeinpolitischen Flüchtlingsdebatte ziehen und würde auch weit über den Zuständigkeitsbereich des BMVI hinausgehen.“ (Seite 44)

Formulierungsvorschlag mit Begründung

Eine konkrete Formulierung wird vom Ministerialrat Jan Reche vom Referat WS23 vorgeschlagen:

„Die Wörter ‚für Sport-und Freizeitzwecke‘ werden durch die Wörter ‚und ausschließlich für Sport- oder Erholungszwecke‘ ersetzt.“
Begründung: Eine Befreiung von Schiffssicherheitszeugnissen soll nur noch ausgestellt werden, „wenn der alleinige Einsatzzweck dieprivste sportliche Betätigung oder Erholung ist. In diesen Fällen kann von einem geringeren Risikoprofil ausgegangen werden….“
Bei der Verfolgung anderer Zwecke, auch wenn diese in der Freizeit erfolgt, kann ein geringeres Risikoprofil nicht generell angenommen werden. Dies gilt insbesondere auch für die von Vereinen zu anderen Zwecken professionalisiert eingesetzten Schiffe, zum Beispiel im Umweltschutz oder zur Flüchtlingsrettung.“ (Seite 86)

Keine Anhörung

Das Auswärtige Amt schlug vor, NGOs bei der Änderung der Verordnung anzuhören und zu beteiligen – sonst wolle es den Entwurf nicht mitzeichnen. Das BMVI lehnte dies ab und behauptete gegenüber dem AA, dass Seenotrettung nicht behindert werden solle. Eine Anhörung fand nicht statt. (Seite 679)

Rassismus

Aus den veröffentlichten Unterlagen geht hervor, dass die Verordnungsänderung eindeutig das Ziel hat, private Seenotrettung zu verhindern, in dem sie Sicherheitsvorgaben verlangt, die in absehbarer Zeit nicht zu erfüllen sind und finanziell für die Seenotretter kaum tragbar sind.
Da staatlicherseits keine Seenotrettung stattfindet, ist davon auszugehen, dass der Tod von Flüchtlingen billigend in Kauf genommen wird. Das ist Rassismus.

Die Fraktionen im Bundestag – inklusive Grüne, Linke – hatten keine Einwände gegen das Gesetz, falls sie es überhaupt zur Kenntnis genommen haben (die Tragweite der Änderung des Begriffs „Freizeit“ in „Erholung“ wurde vielleicht nicht erfasst?), der Bundesrat war nicht zustimmungspflichtig.

Quellen: fragdenstaat.de, mission-lifeline, FOKUS-Sozialrecht, Deutschlandfunk

Abbildung  pixabay.com: city-736807_1280.jpg

Gedenken an die Euthanasie-Opfer

Anfang September wird an die Opfer der Euthanasie unter der Nazi-Herrschaft gedacht. In Berlin an der Tiergartenstraße 4 fand am 4. September eine Gedenkveranstaltung statt, um an die 300.000 Opfer der NS-Euthanasie zu erinnern.

In der Tiergartenstraße 4 entstanden diverse Tarnorganisationen (T4-Zentrale), die von da aus den Mord an psychisch Kranken und behinderten Menschen organisierte.

Kinder-Euthanasie

Die ersten Opfer der nationalsozialistischen Tötung „lebensunwerten Lebens“ waren Kinder. Mit der Gründung des „Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ durch die Kanzlei des Führers wurde im Frühjahr 1939 eine erste Tarnorganisation geschaffen, mit deren Hilfe kurz darauf die sogenannte Kinder-Euthanasie begonnen wurde, die Ermordung von Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahren mit größtenteils schweren und schwersten Behinderungen. Ähnlich wie kurz darauf wurden bereits hier die zur Tötung infrage kommenden Kinder mittels eines Meldebogens systematisch erfasst. Diese Gruppe der Opfer wurde noch im Sommer desselben Jahres erweitert, als der Reichsinnenminister am 18. August eine Meldepflicht für „missgebildete“ Neugeborene einführte. Insgesamt wurden im Rahmen der „Kinder-Euthanasie“ in beinahe 40 Kinderfachabteilungen von Krankenhäusern und Anstalten im gesamten Reichsgebiet schätzungsweise mindestens 5000 Kinder und Jugendliche durch die Verabreichung von Medikamenten wie Luminal, Morphin u. a. sowie systematische Unterernährung ermordet.

Befehl Hitlers

Im Oktober verfasste Hitler ein Schreiben, das er auf den 1. September 1939 (Kriegsbeginn) zurückdatierte und das folgenden Wortlaut besaß:
Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, daß nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.“

Insgesamt wurden in sechs Anstalten Patienten durch das Giftgas Kohlenmonoxid in eigens hierfür eingerichteten Gaskammern ermordet: in Brandenburg an der Havel, Hadamar bei Limburg, Grafeneck, Sonnenstein/Pirna, Hartheim bei Linz und Bernburg an der Saale. Das Gas lieferte die IG Farben, also die heutige BASF. Die Leichen wurden eingeäschert und die Angehörige über erfundene Todesursachen in Kenntnis gesetzt. Nicht in allen sechs Anstalten wurden zeitgleich Patienten umgebracht, vielmehr wurde die Anstalt Brandenburg im September 1940 von Bernburg, Grafeneck Ende 1940 von Hadamar abgelöst.

300.000 Morde

Die Morde waren der Öffentlichkeit bekannt. Es gab Proteste, vor allem auch von Seiten der Kirchen. Im Herbst 1941 ließ Hitler die Massenvergasungen an Anstaltsinsassen offiziell einstellen. Das bedeutet aber nicht das Ende der Morde.

Alleine die Aktion „T4“ kostete bis zu ihrer Einstellung im September 1941 Schätzungen zufolge etwa 70.000 Menschen das Leben. In den folgenden Tötungsaktionen starben wohl mindestens 30.000 weitere behinderte und kranke Menschen. Auch kranke Zwangsarbeiter und Häftlinge in Konzentrationslagern wurden gezielt getötet. Insgesamt wurden im Rahmen der „Euthanasie“-Aktionen in ganz Europa etwa 200.000 bis 300.000 Menschen getötet, die als nicht rentabel oder nützlich für die Gesellschaft galten. Opfervertreter gehen von einer noch größeren Zahl aus.

Hadamar

In der Gaskammer von Hadamar wurden von Januar bis August 1941 ca. 10.000 Patientinnen und Patienten getötet. Nach einer Pause von einem Jahr nahm die vormalige Landesheilanstalt Hadamar die Funktion einer Tötungsanstalt wieder auf. Als solche war sie eingebunden in die „zweite Mordphase“, in der vor allem mit überdosierten Medikamenten und gezielter Mangelernährung gemordet wurde. Von August 1942 bis Kriegsende starben noch einmal ca. 4.500 Menschen in Hadamar.

Wanderung gegen das Vergessen

Vor 25 Jahren, im Sommer 1995, hat sich eine Gruppe von Menschen mit geistiger Behinderung aus dem Rhein-Sieg-Kreis in den Zug gesetzt und fuhr nach Hadamar, um die dortige Gedenkstätte zu besuchen. Von Hadamar aus folgte eine fünf-tägige Wanderung durch den Westerwald zurück nach Hause.

Die Wanderung wurde zusammen mit der damaligen Leiterin der Gedenkstätte in Hadamar vorbereitet. Sie sollte in einfachen Worten verständlich machen, was damals unter der Herrschaft der Nationalsozialisten in Hadamar geschah. Es gab wenig Erfahrung, wie Menschen mit Behinderung sich mit dieser Thematik auseinander setzen könnten. Für die Wanderer waren die Informationen verständlich, sie kamen sehr bewegt zurück. Die Presse berichtete damals intensiv. Die Überschrift lautete „Wanderung gegen das Vergessen“. Für diese Wanderung erhielt die Gruppe den Elisabeth Preis des Diözesan-Caritasverbandes Köln für ein innovatives Projekt. Die Wanderung wurde 2011 wiederholt. Mittlerweile gab es ein Konzept für die Führung durch die Gedenkstätte in leichter Sprache vom Verein „Mensch zuerst“. Die Teilnehmer waren tief beeindruckt und haben verstanden, was dort geschehen ist. Die Wanderung wurde in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Gemeinde veranstaltet.

Das Foto oben zeigt ein Kindergrab an der Gedenkstätte Hadamar.

Quellen:
Bundeszentrale für politische Bildung,
Gedenkort T4,
Virtueller Gedenktag,
Aktion T4 in leichter Sprache,
Gedenkstätte Hadamar
Youtube: Kontaktgespräch Psychiatrie im Rahmen der Gedenkveranstaltung 2020

Abbildung: privat Hadamar.jpg

Vereinfachter Zugang zum Kinderzuschlag

Beim Kinderzuschlag wird die ursprünglich bis 30. September 2020 vereinfachte Berücksichtigung des Vermögens entsprechend der durch den Koalitionsausschuss beschlossenen Verlängerung des erleichterten Zugangs in die Grundsicherungssysteme bis zum 31. Dezember 2020 verlängert.

Im Rahmen des Gesetzes für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV- 2 (Sozialschutz-Paket) vom 27. März 2020 wurde geregelt, dass bei Anträgen auf Kinderzuschlag, die in der Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2020 eingehen, eine vereinfachte Vermögensprüfung erfolgt. Gleiches gilt im Anwendungsbereich des SGB II für Fälle, in denen der Bewilligungszeitraum in der Zeit vom 1. März 2020 bis 30. September 2020 beginnt.

Vereinfachte Vermögensprüfung

Diese vereinfachte Vermögensprüfung sieht vor, dass die Vermögensprüfung ausgesetzt wird, sofern die antragstellende Person nicht angibt, über erhebliches Vermögen zu verfügen. Dies ist eine unbürokratische Hilfe bei den entsprechenden Fällen.

Bei durch die Krise verursachten Einnahmeausfällen sollen Betroffene gerade nicht erst ihr Vermögen einsetzen müssen, bevor staatliche Hilfen in Anspruch genommen werden können. Zudem werden Betroffene und auch die Familienkassen von dem mit der Vermögensprüfung verbundenen Aufwand entlastet.

Analog zu der am 25. August 2020 vom Koalitionsausschuss beschlossenen Verlängerung des erleichterten Zugangs in die Grundsicherungssysteme wird die im Kinderzuschlag seit dem 1. April 2020 geltende vereinfachte Vermögensprüfung über den 30. September 2020 hinaus bis zum 31. Dezember 2020 verlängert; im Anwendungsbereich des SGB II wird dies über die Verordnungsermächtigung aus § 67 Absatz 6 SGB II erfolgen. Dadurch wird den weiterhin bestehenden pandemiebedingten Einschränkungen Rechnung getragen. Zudem werden sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Familienkassen bei der Antragstellung bzw. Bearbeitung entlastet, um eine schnellere und unbürokratische Aufgabenerledigung zu gewährleisten.

Gesetzespaket: „Krankenhauszukunftsgesetz“

Das Bundeskabinett hat am 2.9.2020 ein Gesetzespaket beschlossen, das in erster Linie ein Investitionsprogramm für Krankenhäuser ermöglichen soll. In den Formulierungshilfen für einen entsprechenden Gesetzesentwurf sind auch die Ende August im Koalitionsausschuss beschlossenen Verlängerungen von Corona-Maßnahmen eingearbeitet.

Ebenso in Gesetzesform gegossen wird hier, dass im Jahr 2020 das Kinderkrankengeld für jeweils fünf weitere Tage (für Alleinerziehende weitere 10 Tage) gewährt wird.

Quelle: Bundesregierung

Abbildung:  pixabay.com children-593313_1280.jpg

Neue Vereinbarungen zu Tests

Zur Teststrategie ergibt sich aus den Ergebnissen der Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 27. August 2020 folgendes:

Nicht-Risikoländer: Keine kostenlosen Tests mehr

Am 15. September – Ende der Sommerferien aller Bundesländer – endet die Möglichkeit zur kostenlosen Testung für Einreisende aus Nicht-Risikogebieten. Bei den freiwilligen Testungen von Rückreisenden aus Nicht-Risikogebieten war die Zahl der festgestellten Infektionen außerordentlich gering.

Risikogebiete: 14 Tage Quarantäne

Reiserückkehrer aus Risikogebieten sind in jedem Fall verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort zu isolieren (Quarantäne).

Eventuell entfällt die Entschädigung bei Verdienstausfall

Durch geeignete Informationsmaßnahmen an den Grenzen und in den Urlaubsgebieten wird der Bund hierüber verstärkt aufklären. Bund und Länder appellieren mit Nachdruck an alle Reiserückkehrer, ihre Quarantänepflicht einzuhalten und damit ihrer Verantwortung für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger nachzukommen. Wo immer möglich, ist auf Reisen in ausgewiesene Risikogebiete verzichten.
Es wird eine Änderung des § 56 Infektionsschutzgesetz (Entschädigung bei Verdienstausfall aufgrund Quarantäne) angestrebt, dass bundeseinheitlich eine Entschädigung für den Einkommensausfall dann nicht gewährt wird, wenn eine Quarantäne aufgrund einer vermeidbaren Reise in ein bei Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet erforderlich wird.

Aussteigekarte abgeben

Reiserückkehrer aus Risikogebieten müssen innerhalb eines Tages nach Rückkehr die Aussteigekarte an ihr zuständiges Gesundheitsamt übermitteln. Das dient der Überwachung der Einreisequarantänepflicht. In Zukunft soll der Prozess der Einreiseüberwachung zunehmend digitalisiert werden.

Ende der Quarantäne frühestens ab dem 5. Tag

Ab 1. Oktober, so die Planung zur Regelung der Selbstisolation (Quarantäne), ist eine vorzeitige Beendigung der Selbstisolation frühestens durch einen Test ab dem 5. Tag nach Rückkehr aus einem Risikogebiet möglich. Zur Zeit gibt es die Möglichkeit durch einen Test kurz vor oder nach der Einreise nach Deutschland die Selbstisolation frühzeitig beenden. Dadurch werden aber Infektionen am Ende der Reise oder auf der Rückreise nicht erfasst.

Teststrategie

Im Rahmen der Teststrategie werden symptomatische Verdachtsfälle und enge Kontaktpersonen wie bisher prioritär getestet. Gleiches gilt für Testungen, um in gefährdeten Bereichen vorzubeugen, etwa in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Angesichts der weitgehenden Rückkehr zum Regelbetrieb in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen sehen die Länder je nach Infektionsgeschehen daneben auch zielgerichtete Testungen, vor allem bei den Lehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern, vor.

Weiterhin wollen Bund und Länder die Testkapazitäten ausbauen und den Personalbestand im Öffentlichen Gesundheitsdienst massiv ausbauen.

Quellen: Bundesregierung, BMG

Abbildung: pixabay.com connection-4884862_1280.jpg

Weitere Koalitionsbeschlüsse

Neben den Verlängerung von Corona-Maßnahmen und einem Wahlrechtsreförmchen hat die Bundesregierung im Koaltionsausschuss am 25.8.2020 weitere Vorhaben beschlossen:

  • Klimaanlagen
  • Aufbau-und Resilienzplan- digitale Bildungsoffensive
  • weitere Arbeitsgruppen

Klimaanlagen in öffentlichen Gebäuden

Es soll ein auf 2020 und 2021 befristetes Förderprogramm in Höhe von 500 Mio. Euro zur Corona-gerechten Umrüstung von Klimaanlagen in öffentlichen Gebäuden und Versammlungsstätten finanziert werden. Bei bisherigen Ausbruchsgeschehen ist wiederholt ein begünstigender Faktor gewesen, dass Klimaanlagen durch nicht ausreichend gefilterte Umluftrückführung in geschlossenen Räumen zum Infektionsgeschehen erheblich und auch über größere Entfernungen beigetragen haben.

Aufbau-und Resilienzplan – digitale Bildungsoffensive

Die Staats-und Regierungschefs haben sich auf dem Europäischen Rat im Juli neben dem „Mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027“ auch ein Aufbauinstrument zur Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der SARS-Cov2-Pandemie geeinigt.

Deutschland wird die zu erwartenden EU-Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfaszilität sowie aus dem Fonds für einen gerechten Übergang für vom Bund zu finanzierende Vorhaben des Konjunktur- und Zukunftspaketes einsetzen sowie zur Erfüllung der Zusagen des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen.

Das Bundeskanzleramt und das Bundesministerium der Finanzen werden einen Vorschlag für den entsprechenden Aufbauplan vorbereiten und mit den Ressorts und den Koalitionsfraktionen abstimmen.

Ferner soll aus diesen Mitteln eine digitale Bildungsoffensive finanziert werden, die zum einen aus 500 Mio. Euro für die Ausstattung von Lehrkräftenmit digitalen Endgeräten besteht und zum anderen aus dem Aufbau einer bundesweiten Bildungsplattform, die einen geschützten und qualitätsgesicherten Raum für hochwertige digitale Lehrinhalte, für die Durchführung von Unterricht und Konferenzen, für die Kommunikation sowie für Prüfungen und Prüfungsnachweise bilden soll. Diese soll über offene Standards verfügen und auch bestehende Cloud-und Lernmanagementsysteme über ein Gateway vernetzen. Diese Plattform soll zugänglich sein für alle Bildungsbereiche wie etwa der Erwachsenbildung, der Weiterbildung, der beruflichen Bildung und der schulischen Bildung.

Zudem werden Bildungskompetenzzentren gegründet, die wissenschaftliche und praktische methodisch-didaktische Kompetenz vernetzen und verfügbar machen und die den Schulen Unterstützung bei der Medienplanung sowie bei der Schulentwicklung und Personalentwicklung zur Verfügung stellen.

Arbeitsgruppen mit Arbeitsaufträgen

Vertagt wurden Beschlüsse zu folgenden Themen. Stattdessen werden sich „hochrangige“ Arbeistgruppen damit befassen und Lösungen erarbeiten:

  • Regelungsinhalte für ein Bürokratienentlastungsgesetz IV,
  • Erweiterung des Geltungsbereiches für die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst,
  • Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziels, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.

Quelle: Koalitionsausschuss, abgerufen von SPD.de

Abbildung:  pixabay.com geralt4.png

Verlängerung von Corona-Maßnahmen

In vielen An- und Verordnungen, die im Laufe der Corona-Krise in Kraft traten, gibt es die Klausel, dass die Regelungen verlängert werden können, solange der Bundestag die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ (§ 5 Infektionsschutzgesetz (IfSG)) nicht aufgehoben hat.

Der Koalitionsausschuss hat nun vereinbart, welche Maßnahmen er verlängern will:

Kurzarbeit

Bezugsdauer Kurzarbeit

Die Bezugsdauer wird für Betriebe, die bis zum 31.12.2020 Kurzarbeit eingeführt haben, auf bis zu 24 Monate, längstens bis zum 31.12.2021, verlängert. Zur Zeit schreibt § 104 SGB III eine Höchstdauer von 12 Monaten vor.

Verlängerung der Maßnahmen vom 13.3.2020

(siehe: Erleichterung beim Kurzarbeitergeld 13.03.2020)

  • Die aktuell geltenden Sonderregelungenüber den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld, dass kein Aufbau negativer Arbeitszeitsalden erforderlich ist und nur 10% der Belegschaft eines Betriebes von einem Entgeltausfall betroffen sein müssen, gilt bis zum 31.12.2021 fort für alle Betriebe, die bis zum 31.3.2021 mit der Kurzarbeit begonnen haben.
  • Die Sozialversicherungsbeiträge werden bis 30.6.2021 vollständig erstattet. Vom 1.7.2021 bis längstens zum 31.12.2021 werden für alle Betriebe, die bis zum 30.6.2021 Kurzarbeit eingeführt haben, die Sozialversicherungsbeiträge hälftig erstattet. Diese hälftige Erstattung kann auf 100% erhöht werden, wenn eine Qualifizierung während der Kurzarbeit erfolgt. Voraussetzung ist, dass ein Weiterbildungsbedarf besteht, die Maßnahme einen Umfang von mehr als 120 Stunden hat und sowohl der Träger als auch die Maßnahme zugelassen sind.
  • Für Verleihbetriebe, die bis zum 31.3.2021 in Kurzarbeit gegangen sind, wird die Möglichkeit, dass Beschäftigte in Leiharbeit Kurzarbeitergeld beziehen können, bis 31.12.2021 verlängert.

Erhöhung des Kurzarbeitergelds

(siehe: Kurzarbeitergeld erhöht – Arbeitslosengeld verlängert 25.04.2020)

  • Die Regelung zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes (auf 70/77 % ab dem 4. Monat und 80/87 % ab dem 7. Monat) wird verlängert bis zum 31.12.2021 für alle Beschäftigten, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31.3.2021 entstanden ist.
  • Von den bestehenden befristeten Hinzuverdienstmöglichkeiten wird die Regelung, dassgeringfügig entlohne Beschäftigungen (Minijobs bis 450 Euro) generell anrechnungsfrei sind, bis 31.12.2021 verlängert.

Steuerlicher Hilfsmaßnahmen

19.06.2020 (BGBl. I S. 1385)

  • Die derzeit geltende Steuererleichterung für Arbeitgeberzuschüsse auf das Kurzarbeitergeld wird bis zum 31.12.2021 gewährt. (§ 3 Abs.28a EStG)

Um die Handlungsfähigkeit der Bundesagentur für Arbeit auch in Zukunft zu erhalten, verzichtet der Bund auf mögliche Rückforderungen der von der Bundesagentur für Arbeit gewährten Bundeshilfen in der Höhe der durch das so verlängerte Kurzarbeitergeld zusätzlich entstehenden Kosten.
Im Lichte der weiteren Entwicklung der SARS-Cov2-Pandemie wird die Koalition über weitere Anpassungs-und Verlängerungsbedarfe des Kurzarbeitergeldes bei Bedarf beraten.

Weitere Maßnahme-Verlängerungen

Mittagessen

(siehe Zweites Sozialschutz-Paket 2.5.2020)

  • Kommt es zu Schul- bzw. Kitaschließungen werden die Kinder weiterhin bis 31.12.2020 mit Mittagessen im Rahmen des Bildungspakets versorgt.

Pflege

(siehe Corona: Hilfen bei der Pflege 6.8.2020)

  • Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Akuthilfe Pflege wird bis 31.12.2020 verlängert. Wer coronabedingt Angehörige pflegt oder Pflege neu organisieren muss, kann dadurch bis zu 20 Arbeitstage der Arbeit fernbleiben. Das Pflegeunterstützungsgeld kann ebenfalls bis zu 20 Arbeitstage in Anspruch genommen werden, wenn die Pflege aufgrund von Corona-bedingten Versorgungsengpässen zu Hause erfolgt.

Überbrückungshilfen

(siehe Corona-Rettungsschirm: Sozialschutz-Paket (1) 24.3.2020 und
Schutzschirm für viele soziale Dienste und Einrichtungen 7.4.2020)

  • Um Sicherheit in unsicheren Zeiten zu bieten, wird der erleichterte Zugang in die Grundsicherungssysteme bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. In diesem Zuge soll der Zugang insbesondere von Künstlern, Soloselbstständigen und Kleinunternehmerndurch eine geeignete Ausgestaltung des Schonvermögens verbessert werden.
  • Mit dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz werden die Sozialen Dienstleister in ihrem Bestand gesichert. Auch diese Regelung wird bis 31.12.2020 verlängert.
  • Die Laufzeit des Überbrückungshilfen-Programms für kleine und mittelständische Betriebe wird bis zum 31.12.2020 verlängert.
  • Die Regelung über die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Insolvenzantragsgrund der Überschuldung wird bis zum 31.12.2020 weiterhinausgesetzt.

Neu: Kinderkrankengeld – 10 Tage länger

Versicherte der GKV haben Anspruch auf Kinderkrankengeld. Angesichts der Corona-Pandemie kann der bestehende Anspruch in manchen Fällen nicht ausreichen. Deshalb soll § 45 SGB V dahingehend geändert werden, dass im Jahr 2020 das Kinderkrankengeld für jeweils fünf weitere Tage (für Alleinerziehende weitere 10 Tage) gewährt wird.

Quelle: Koalitionsausschuss, abgerufen von SPD.de; FOKUS-Sozialrecht

Abbildung:  pixabay.com connection-4884862_1280.jpg

Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege

Das ist das Ziel des jetzt vorgestellten Referentenentwurfs aus dem Hause Spahn. Behandelt werden in diesem Entwurf so unterschiedliche Dinge wie Liquiditätshilfen für Zahnarztpraxen bis zu der Verbesserung der stationären Hebammenversorgung. Im Einzelnen:

Abrechnungen von Liquiditätshilfen an Zahnärzte während der COVID-19-Pandemie

Zahnarztpraxen verzeichnen während der Pandemie einen erheblichen Fallzahlrückgang und bekamen daher finanzielle Hilfen in Form von Vorschüssen von den Krankenkassen. Hier wird nun geregelt, dass die Zahlungen in den Jahren 2021 und 2022 vollständig an die Kassen zurückgezahlt werden. Dazu wird die Regelung aus der COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung vom 30.4.2020 als § 85a in das SGB V aufgenommen.

Erweiterte Möglichkeiten für Selektivverträge

Bei Selektivverträgen ermöglichen die aktuellen gesetzlichen Regelungen zur besonderen Versorgung (Paragraf 140a SGB V) nur in engen Grenzen Vernetzungen über die gesetzliche Krankenversicherung hinaus. Die Spielräume hierfür sollen erweitert werden, um regionalen Bedürfnissen besser Rechnung zu tragen. Gleichzeitig sollen die Krankenkassen bisher durch den Innovationsfonds geförderte Projekte auf freiwilliger Basis weiterführen können.

Hebammenstellen-Förderprogramm

Zur Verbesserung der Versorgung von Schwangeren in der stationären Geburtshilfe und zur Entlastung von Hebammen und Entbindungspflegern wird ein dreijähriges Hebammenstellen-Förderprogramm für die Jahre 2021 bis 2023 aufgelegt. Damit werden den Krankenhäusern zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, mit denen die Neueinstellung und Aufstockung vorhandener Teilzeitstellen von Hebammen und von assistierendem medizinischem Fachpersonal zur Versorgung von Schwangeren in der Geburtshilfe gefördert wird. Mit dem Hebammenstellen-Förderprogramm wird eine Verbesserung der Betreuungsrelation von Hebammen/Entbindungspflegern zu Schwangeren angestrebt, die im Regelfall bei 1:2 und unter optimalen Bedingungen bei 1:1 liegen soll.

Einbeziehung der Kinder- und Jugendmedizin in die pauschale Förderung für ländliche Krankenhäuser

Damit Kinderkrankenhäuser und Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin, die künftig in die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen einbezogen werden sollen, bereits im Jahr 2021 von der pauschalen Förderung von 400 000 Euro jährlich profitieren, muss die bereits vereinbarte Krankenhäuserliste einmalig bis zum 31. Dezember 2020 erweitert werden.

Personalausstattung für vollstationäre Pflegeeinrichtungen

Die nach dem SGB XI zugelassenen vollstationären Pflegeeinrichtungen einschließlich der Kurzzeitpflege erhalten auf Antrag die Möglichkeit, zusätzliche Pflegehilfskräfte finanziert zu bekommen, ohne dass dies mit einer finanziellen Belastung der von der Pflegeeinrichtung versorgten Pflegebedürftigen verbunden ist. Die Berechnung des Anspruchs erfolgt auf Grundlage der Ergebnisse des Projekts zur Ermittlung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in stationären Pflegeeinrichtungen nach § 113c SGB XI.

Regelungen im Hinblick auf pandemiebedingte Sonderregelungen im SGB XI und im
Pflegezeitgesetz

Die während der Pandemie getroffen Regelungen zur Verwendbarkeit des Entlastungsbetrags sowie zum Pflegeunterstützungsgeld werden über den 30. September bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. Noch nicht verbrauchte Leistungsbeträge aus dem Jahr 2019 können weiter verwendet werden und Arbeitstage, die im Geltungszeitraum der pandemiebedingten Sonderregelungen in Anspruch genommen worden sind, werden nicht die regulären Ansprüche auf Pflegeunterstützungsgeld von bis zu insgesamt zehn Arbeitstagen je Pflegebedürftigen angerechnet. Auch das reguläre Recht, im Rahmen einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach dem Pflegezeitgesetz der Arbeit fernzubleiben, soll in unverändertem zeitlichem Umfang erhalten bleiben.

Verfahrensvereinfachung hinsichtlich Hilfsmittelempfehlungen bei der Pflegebegutachtung

Die Regelung, dass bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit ausgesprochene Empfehlungen zum Hilfsmittelbedarf bei Zustimmung des Versicherten für bestimmte Hilfsmittel als Antrag auf Leistungen gelten, hat sich aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums in der Praxis bewährt. Die ursprüngliche Befristung bis zum 31. Dezember 2020 soll deshalb aufgehoben werden.

Quelle: BMG

Abbildung: Fotolia_87266480_Subscription_XXL.jpg