Junge mit Downsyndrom und junge Frau lächeln in die Kamera

Studie Werkstattentgelt

Viel kritisiert wird das bestehende Entgeltsystem in den sogenannten Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Vor allem bei der Erhöhung des Mindestlohns wurde deutlich, dass die Entlohnung in Werkstätten weit unter dem Mindestlohn liegt und viele Beschäftigte dort auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen sind.

Behindertenrechtskonvention

Die Kritiker beziehen sich unter anderem auf die die UN-Behindertenrechtskonvention, die auch Deutschland unterzeichnet hat, und bemängeln, dass Behindertenwerkstätten im Widerspruch zu dem in der UN-BRK garantierten Recht auf Arbeit stünden. Die alternativlose Arbeit in WfbM sei meist nicht frei gewählt und die Beschäftigten könnten ihren Lebensunterhalt damit nicht bestreiten. Sie seien auf staatliche Unterstützung angewiesen. Im Jahr 2015 empfahl daher der Fachausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die Werkstätten in der Bundesrepublik schrittweise abzuschaffen.

Positionspapier der Lebenshilfe

Die Lebenshilfe, Träger von vielen WfbMs, hat nun ein Positionspapier mit neun zentralen Forderungen vorgelegt, in denen unter anderen gefordert wird, dass das Entgeltsystem so ausgestaltet sein muss, dass es Menschen mit Behinderung unabhängig von existenzsichernden Leistungen macht.

ISG-Studie – Zweiter Zwischenbericht

Passend dazu wurde nun Mitte Oktober der zweite Zwischenbericht der Werkstattentgelt-Studie der Bundesregierung veröffentlicht. Beauftragt mit der Studie ist das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG). Im ersten Zwischenbericht, veröffentlicht im November 2021, wurde zunächst der Ist-Zustand aufgezeigt, die rechtlichen Grundlagen und die noch bestehende Diskrepanz zur UN-Behindertenrechtskommission. Danach wurden drei Modelle vorgestellt und jeweils die Auswirkungen für den Einzelnen und die gesamtgesellschaftlichen Kosten bestimmt.

Schwerpunkte

Der zweite Teil der Studie dient dazu, ein transparentes, nachhaltiges und zukunftsfähiges Entgeltsystem in Werkstätten für behinderte Menschen zu entwickeln. Es wird auch untersucht, wie Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verbessert werden können.

Der Schwerpunkt des zweiten Zwischenberichts der „Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“ liegt auf Auswertungen aus der Befragung von Werkstattleitungen und der Befragung von Werkstattbeschäftigten. Weiterhin enthält er Berechnungen zur Einkommenssituation von Werkstattbeschäftigten. Darüber hinaus wird die Umsetzung der (bereits abgeschlossenen) Befragung ehemaliger Werkstattbeschäftigter zusammengefasst.
Schließlich wird über den Stand der Vorbereitung der Befragung anderer Leistungsanbieter, der Befragungen von Werkstatträten und Frauenbeauftragten sowie der Vertiefungsstudie mit acht ausgewählten WfbM und der darin enthaltenen vertiefenden Befragung der Werkstatträte und Frauenbeauftragten berichtet.

unzufrieden mit der Entgeltsituation

Die große Mehrheit der befragten Beschäftigten zeigt sich zwar mit ihrer Tätigkeit und der Arbeitssituation, aber nicht mit ihrer Entgeltsituation zufrieden. Im Durchschnitt erhalten die Beschäftigten im Arbeitsbereich zum Befragungszeitraum im 1. Quartal 2022 220 Euro von der Werkstatt. Für Frauen ergibt sich der Befragung zufolge ein etwas niedrigeres Durchschnittentgelt von 215 Euro im Vergleich zu 224 Euro bei den Männern. Das Arbeitsentgelt der im Arbeitsbereich tätigen Werkstattbeschäftigten steigt dabei mit dem Lebensalter; die jüngste Alterskohorte 15-24 Jahre verdient im Durchschnitt etwa 49 Euro weniger als die älteste Kohorte 55
Jahre und älter. Auch Pflegebedürftigkeit schränkt den Verdienst ein. Von denbefragten Personen, die am Eingangsverfahren/Berufsbildungsbereich teilnehmen, erhalten 42% Ausbildungsgeld und 28% Übergangsgeld (der Rest keine Angabe).

Schlussphase

In der Schlussphase des Studien-Projekts werden die empirisch erhobenen
Befragungsdaten zusammenfassend und übergreifend ausgewertet und aufbereitet. Die Berechnungen alternativer Entgeltsysteme werden erweitert und um einen Expert*innenworkshop zum Thema alternativer Entgeltsysteme ergänzt. Hier erfolgt eine Bilanzierung zu den im Projektverlauf analysierten und entwickelten Reformvorschlägen und zu den Vor- und Nachteilen verschiedener alternativer Entgeltsysteme.

Quellen: BMAS, ISG, Lebenshilfe, FOKUS-Sozialrecht

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