Mindestlohn auf 12 Euro?

Seit 1.1.2021 beträgt der Mindestlohn 9,50 Euro in der Stunde. Geplant und im Mindestlohngesetz bzw. in der Dritten Mindestlohnanpassungsverordnung (MiLoV3) festgelegt sind weitere Erhöhungen alle halbe Jahre:

• zum 01.07.2021: 9,60 Euro
• zum 01.01.2022: 9,82 Euro
• zum 01.07.2022: 10,45 Euro.

Eckpunkte

Bereits Ende 2018 schrieb Finanzminister Olaf Scholz in der Bild-Zeitung: „Ich finde, dass 12 Euro Mindestlohn angemessen sind. Am Lohn sollten Unternehmen nicht sparen.“ Nun hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zusammen mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Eckpunktepapier vorgelegt, wie der Mindestlohn weiterentwickelt werden kann. Der Mindestlohn soll im Jahr 2022 auf mindestens 12 Euro ansteigen.

Median statt arithmetisches Mittel

Das Mindestlohngesetz soll dafür geändert werden. Dort soll künftig bei der Anpassungsentscheidung der Mindestlohnkommission der Medianlohn stärker berücksichtigt werden. Wenn der Medianlohn statt des Durchschnittslohns für die Berechnungen herangezogen wird, würde der Mindestlohn stärker an die allgemeine Lohnentwicklung gekoppelt und damit höher ausfallen. Im Gegensatz zum arithmetischen Mittel der Löhne teilt der Medianlohn die Verteilung genau in der Mitte: Die eine Hälfte der Beschäftigten erhält geringere, die andere Hälfte höhere Löhne. Mit dem Bezug zum Medianlohn soll sichergestellt werden, dass der Mindestlohn nicht bei jeder Erhöhung automatisch zu einer Erhöhung des Bezugspunktes führt, wie dies beim arithmetischen Mittel der Fall wäre.

Kommission hat sich bewährt

Das Eckpunktepapier bestätigt, dass sich die Anpassung des Mindestlohns durch eine Kommission sachnaher Sozialpartner grundsätzlich bewährt habe. Sie solle deshalb für die Anpassung des Mindestlohns zuständig bleiben. Allerdings habe die Evaluation gezeigt, dass in wirtschaftlich guten Zeiten Spielräume für eine stärkere Anhebung des Mindestlohns nicht genutzt worden seien. Es sei eine Frage der gesellschaftlichen Teilhabe, dass auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zum Mindestlohn beschäftigt werden, an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung partizipieren.

Living Wage

Der Mindestlohn solle deshalb in Richtung eines echten, auf Teilhabe gerichteten „Living Wage“*) fortentwickelt und damit der Erwerbsarmut entgegenwirkt werden. Richtig sei, dass Armut bzw. gesellschaftliche Teilhabe von einer Vielzahl von Faktoren abhängen. Richtig sei aber auch, dass für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmäßig die Vergütungshöhe maßgeblich dafür ist, inwieweit gesellschaftliche Teilhabe möglich ist.

Armutsgefährdung berücksichtigen

Der in in § 9 Absatz 2 Mindestlohngesetz (MiLoG) vorgesehene Prüfkatalog soll daher präzisiert und ergänzt werden. Die Mindestlohnkommission soll im Rahmen des Prüfkriteriums „angemessener Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ auch den Gesichtspunkt der Armutsgefährdung maßgeblich berücksichtigen. Von einer Armutsgefährdung soll regelmäßig bei einem auf Vollzeitbasis erzielten Arbeitsentgelt unterhalb der Schwelle von 60 Prozent des Medianlohns ausgegangen werden.

*) Living Wage: Laut Wikipedia ein Familieneinkommen bzw. ein Lohn in der Höhe, das nicht das bloße physische Überleben, sondern die Existenz einschließlich sozialer und kultureller Teilhabe sichert.

Quelle: BMAS, FOKUS-Sozialrecht

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Dynamisierung des Wohngelds

Ein wichtiger Teil der Wohngeldreform von 2020 betraf die erstmals eingeführte Dynamisierung, festgelegt in § 43 WoGG. Dazu wurde die Ermächtigung der Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrats eine Verordnung zu erlassen (§ 38 WoGG), dahingehend erweitert, dass die Höchstbeträge für Miete und Belastung (Anlage 1) und die Werte für „b“ und „c“ (Anlage 2) aus der Wohngeldformel alle zwei Jahre fortgeschrieben werden. Diese Fortschreibung kann durch einen Beschluss des Bundestags ausgesetzt werden, wenn die weiteren Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt dazu führen, dass grundlegende Anpassungen des Wohngeldsystems erforderlich sind, wie zum Beispiel eine Neufestsetzung der Mietenstufen in den Gemeinden und Kreisen aufgrund veränderter Mietenniveaus, die Einführung weiterer Mietenstufen oder eine Neufestsetzung der Rechenschritte und Rundungen. Die erste Fortschreibung ist für den 01.01.2022 vorgesehen.

Entwurf zur Fortschreibung

Folgerichtig hat das zuständige Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat nun den Entwurf einer „Ersten Verordnung zur Fortschreibung des Wohngeldes nach § 43 des Wohngeldgesetzes (1. WoGFV)“ vorgelegt. Sichergestellt werden soll, dass das nach Wohnkosten verbleibende verfügbare Einkommen der Wohngeldhaushalte dieselbe reale Kaufkraft besitzt wie zum Zeitpunkt der Wohngeldreform zum 1. Januar 2020.

Berechnung des IW Köln

Aufgrund der komplexen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Sozialleistungen sind die Wirkungen der Wohngeldverbesserung mithilfe von Mikrosimulationsrechnungen auf Basis der fortgeschriebenen Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 des Statistischen Bundesamts geschätzt worden. Die entsprechenden Berechnungen für die Wohngeldreform hat das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW Köln) im Auftrag des Bundesinnenministeriums vorgenommen.

Erhöhung um 13 Euro

Die Fortschreibung des Wohngeldes führt im Jahr 2022 für die bestehenden Wohngeldhaushalte zu einer durchschnittlichen Erhöhung des Wohngeldes um rund 13 Euro pro Monat.

Insgesamt profitieren drei Gruppen von der Wohngelderhöhung durch die Fortschreibung des Wohngeldes:

  • Die bisherigen Wohngeldhaushalte, die im Jahr 2022 auch ohne Anpassung Wohngeld bezogen hätten: Im Jahr 2022 sind das nach den Simulationsrechnungen des IW Köln rund 610 000 Haushalte.
  • Sogenannte Hereinwachserhaushalte, deren Einkommen bislang die Grenzen für einen Wohngeldanspruch überschritten haben und die aufgrund der Fortschreibung des Wohngeldes 2022 erstmals oder wieder mit Wohngeld bei den Wohnkosten entlastet werden:
    Im Jahr 2022 sind das nach den Simulationsrechnungen des IW Köln voraussichtlich rund 20 000 Haushalte.
  • So genannte Wechslerhaushalte, die zuvor Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII bezogen haben:
    Im Jahr 2022 werden nach den Simulationsrechnungen des IW Köln voraussichtlich rund 10 000 Haushalte aus dem SGB II oder aus dem SGB XII in das Wohngeld wechseln.

Stellungnahme des Paritätischen Wohlfahrtsverbands

In einer Stellungnahme zu dem Entwurf bemängelt der Paritätische Wohlfahrtsverband das Fehlen von einer Energiekostenkomponente und einer Klimakomponente.

Energiekostenkomponente

Die Einführung einer CO2-Komponente sei ein erster Schritt in die Richtung zur Entlastung bei den Heizkosten. Allerdings löse dies nicht das grundlegende Problem, dass Wohngeldhaushalte bisher nicht ausreichend bei ihren Heizkosten als solches unterstützt werden. Die Einführung einer Energiekostenkomponente sei dringend notwendig, damit die Wohngeldhaushalte bei ihren Energiekosten insgesamt unterstützt und die Wirksamkeit des Wohngeldes erhöht werde. 

Klimakomponente

Eine Klimakomponente solle dazu dienen, Wohngeldhaushalten zu ermöglichen, Wohnungen mit höheren Energiestandards anzumieten bzw. ihre Wohnungen nach energetischen Sanierungen zu behalten. Wohngeldhaushalte dürften nicht in die Lage geraten, dass sie aufgrund zu stark gestiegener Mieten durch Sanierungsmaßnahmen übermäßig belastet werden bzw. sogar ihre Wohnung aufgeben müssten. Damit sie nicht durch energetische Gebäudesanierungen benachteiligt würden, müssten die in diesem Rahmen gestiegenen Kaltmieten in einer geeigneten Form bei der Berechnung des Wohngeldes berücksichtigt werden. 

Quellen: Bundeinnenministerium, Paritätischer Wohlfahrtsverband, „WoGG, Das neue Wohngeldrecht“, Thomas Knoche, Walhalla-Verlag

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Impfverordnung – Neufassung

Am 11.8. wurde im Bundesanzeiger die Neufassung der Coronavirus-Impfverordnung bekanntgegeben. Sie tritt rückwirkend zum 8. März 2021 in Kraft.

Die vorliegende Neufassung der CoronaImpfV löst die bisherige CoranaImpfV vom 8. Februar 2021 ab und entwickelt diese im Lichte der Erfahrungen mit den Coronaschutzimpfungen, der unterschiedlichen zugelassenen Impfstoffe und den Aktualisierungen der STIKO-Empfehlung fort.

Prioisierung bleibt

Ein Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 besteht auch weiterhin prioritär für Personen, die aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustandes ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, sowie für Personen, die solche Personen behandeln, betreuen oder pflegen. Als weitere prioritär zu impfende Personengruppe haben insbesondere diejenigen Personen einen Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die beruflich einem sehr hohen Expositionsrisiko ausgesetzt sind und jene, die in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung besitzen.

Änderungen

Geändert gegenüber der CoronaImpfV vom 8. Februar 2021 wird insbesondere:

  • In Hochinzidenzgebieten, z. B. auch durch angrenzenden Grenzregionen, können Anspruchsberechtigte vorrangig geimpft werden.
  • Die Möglichkeit für die Krankenkassen und privaten Krankenversicherungsunternehmen, ihre Versicherten über den möglichen Anspruch auf priorisierte Schutzimpfungen zu informieren, wird konkretisiert. Den Ländern wird es ermöglicht, diese schriftliche versichertenbezogene Information über einen möglichen Anspruch als Berechtigungsnachweis zur priorisierten Schutzimpfung anzuerkennen.
  • Eine flächendeckende Verimpfung durch Arztpraxen, also der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer und der ambulant privatärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzten, sowie der Betriebsärztinnen und -ärzte wird ermöglicht. Arztpraxen und Betriebsärztinnen und -ärzte können Schutzimpfungen erbringen, wenn sie damit beauftragt sind. Die Beauftragung erfolgt durch die Zurverfügungstellung des Impfstoffs. Für die Verimpfung in Arztpraxen werden fallbezogene Vergütungsvorgaben aufgenommen. Die Vergütung wird über die Kassenärztlichen Vereinigungen abgerechnet und aus Bundesmitteln refinanziert. Im Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 3. März 2021 ist für Ende März/Anfang April der Übergang in die nächste Phase der Nationalen Impfstrategie vorgesehen. In dieser Phase sollen die haus- und fachärztlichen Praxen, die in der Regelversorgung routinemäßig Schutzimpfungen anbieten, umfassend in die Impfkampagne eingebunden werden.
  • Abweichungen von der Impf-Priorisierung sollen zudem künftig möglich sein, um eine dynamische Virus-Ausbreitung „aus hochbelasteten Grenzregionen” zu verhindern. Damit könnten etwa Sachsen, Bayern, das Saarland oder weitere Länder die ganze Bevölkerung in solchen Hotspots an der Grenze impfen.
  • eine Altersbegrenzung bezogen auf den Impfstoff von AstraZeneca wird nicht mehr genannt. Hintergrund ist, dass die Ständige Impfkommission ihn nun auch für Menschen ab 65 Jahre empfiehlt und nicht nur für 18- bis 64-Jährige. 
  • Um möglichst viele Erstimpfungen zu ermöglichen, soll bei den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna der Abstand zur Zweitimpfung von sechs Wochen ausgeschöpft werden – beim Mittel von AstraZeneca von zwölf Wochen. Für Zweitimpfungen schon vereinbarte Termine sind davon aber unberührt.

Quelle: BMG

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Assistenzhunde

Das Thema „Assistenzhunde“ ist gerade etwas in den Fokus gekommen. Zum einen wegen des Teilhabestärkungsgesetzes, das Ende März sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat zum ersten Mal beraten wird. Zum anderen gibt es aktuell einen Antrag der Linksfraktion auf ein gesetzliches Recht auf einen Assistenzhund für Menschen mit Behinderungen.

Teilhabestärkungsgesetz

Das Teilhabestärkungsgesetz behandelt das Thema in einem neuen Abschnitt 2b im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). Dort soll das Recht auf Begleitung durch einen Assistenzhund geregelt werden.

Geltungsbereich des Gleichstellungsgesetzes

Ein ausdrücklich normierter Anspruch führt zu deutlich mehr Rechtsklarheit und letztlich auch zu breiterer allgemeiner Akzeptanz von Assistenzhunden und Menschen mit Behinderungen, die auf einen Assistenzhund angewiesen sind. Dies soll sich bei den Anspruchsverpflichteten nicht auf Träger öffentlicher Gewalt beschränken, sondern auch private natürliche und juristische Personen erfassen. Der Geltungsbereich des BGG wird damit ausgeweitet. Um ein hohes Niveau der Assistenzhundeausbildung zu sichern und gleichzeitig Missbrauch vorzubeugen, legt der Gesetzentwurf zudem fest, dass Assistenzhunde im Sinne des BGG immer ganzheitlich, also im Zusammenwirken von Mensch und Tier betrachtet werden (Mensch-Tier-Gespann). Das Mensch-Tier-Gespann muss von einer zertifizierten Ausbildungsstätte ausgebildet und von einer unabhängigen Prüferin oder einem unabhängigen Prüfer geprüft werden. Dadurch können Qualitätsstandards in der Assistenzhundeausbildung gesetzt werden.

Notwendige Begleiter im Alltag

Assistenzhunde sind für viele Menschen mit Behinderungen notwendige Begleiter im Alltag, um am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können. Neben Blindenführhunden dienen Assistenzhunde etwa als Orientierungshilfe bei Gehörlosigkeit und Demenz, als Unterstützung bei Einschränkungen der Mobilität oder auch als emotionale Stütze für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen oder psychischen oder psychiatrischen Erkrankungen. Sie werden genutzt, um epileptische Anfälle, eine durch Diabetes verursachte Unterzuckerung, Schlaganfälle, Addison-Krisen und Herzerkrankungen, Asthmaanfälle, allergische Schocks oder Anfälle von Narkolepsie und Schlafkrankheit zu erkennen.

Streitfälle vor Gericht

In Deutschland gibt es bislang keine ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften, die die Begleitung von Menschen mit Behinderungen durch Assistenzhunde zu öffentlichen und privaten Anlagen und Einrichtungen regeln. Immer wieder kommt es daher zu Streitfällen zwischen Hundehaltern und Betreibern von Arztpraxen, Geschäften und Theatern, die auch in Gerichtsverfahren mit unterschiedlichem Ausgang mündeten.

Antrag der Linksfraktion

Hier geht es um die Dinge, die im Gesetzentwurf nicht geregelt sind. Konkret fordert die Linke unter anderem, die Nutzung von Assistenzhunden prioritär als Teilhabeleistung im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) festzuschreiben sowie in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen. Ausbildung, laufende Kosten und Betreuung von anerkannten Assistenzhundeteams sollen von den Sozialleistungsträgern im Rahmen des SGB IX vollständig finanziert werden. Assistenzhunde sollen außerdem im Schwerbehindertenausweis eingetragen werden können. Es müsse ferner sichergestellt werden, dass Menschen mit Assistenzhunden, darunter auch mit Blinden-Führhunden, Zugang zu allen öffentlichen Institutionen, privaten und öffentlichen Gesundheitseinrichtungen sowie in Einzelhandel und Kultureinrichtungen erhalten.

Quellen: Bundestag, Bundesrat

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Vormundschafts- und Betreuungsrecht

Letzte Woche hat der Bundestag die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts beschlossen. Das Vormundschaftsrecht und das Betreuungsrecht sollen grundlegend reformiert und an die Bedürfnisse der Gegenwart angepasst werden.

Vormundschaftsrecht von 1896

Das Vormundschaftsrecht stammt in weiten Teilen noch aus dem Jahr 1896, das Betreuungsrecht wurde 1992 eingeführt. Mit der Reform wird der Gesetzesaufbau sowohl im Vormundschaftsrecht als auch im Betreuungs- und Pflegschaftsrecht insgesamt neu strukturiert. Die Regelungen zur Vermögenssorge werden mit den Regelungen zur Aufsicht durch das Gericht und zu Aufwendungsersatz und Vergütung aus dem Vormundschaftsrecht herausgenommen und in das Betreuungsrecht eingegliedert. Der Abschnitt 3 „Vormundschaft, Rechtliche Betreuung, Pflegschaft“, §§ 1773 bis 1921, des Buchs 4 „Familienrecht“ des BGB, wird zu diesem Zweck insgesamt neu gefasst.

Vormundschaftsrecht

Beim Vormundschaftsrecht soll künftig die zu betreuende Person im Mittelpunkt stehen. Die Erziehungsverantwortung des Vormunds wird deutlicher hervorgehoben. Zudem sollen die Rechte der Pflegepersonen gestärkt und die Vergütung der Vormundschaftsvereine eingeführt werden. Bisher enthält das Vormundschaftsrecht vor allem detaillierte Regelungen zur Vermögenssorge.

Betreuungsrecht

Auch das Betreuungsrecht wird grundlegend modernisiert. Ziel der Reform ist es, die Selbstbestimmung der betroffenen Menschen zu stärken. Zudem soll die Qualität der rechtlichen Betreuung verbessert und sichergestellt werden, dass eine Betreuung nur dann bestellt wird, wenn dies zum Schutz des betroffenen Menschen erforderlich ist.

Dabei sind die Wünsche des Betreuten der zentrale Maßstab. Die Gesetzesänderungen sollen sicherstellen, dass die betroffene Person in sämtlichen Stadien des Betreuungsverfahrens besser informiert und stärker eingebunden wird.

Betreuungsvereine

Ebenfalls enthält die Reform eine Neuregelung zur Anerkennung, Aufgaben und finanzieller Ausstattung der Betreuungsvereine. Dadurch wird ihre unverzichtbare Arbeit bei der Begleitung und Unterstützung ehrenamtlicher Betreuer gestärkt und für die Zukunft eine verlässliche öffentliche Förderung durch Länder und Kommunen sichergestellt.

Ehegattenvertretung

Eingeführt wird ein auf eine Notvertretung beschränktes Vertretungsrecht der Ehegatten füreinander für den Fall, dass ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder einer Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht mehr besorgen kann. Das Vertretungsrecht soll den Zeitraum im Anschluss an die Akutversorgung nach einem Unfall oder einer schweren Erkrankung abdecken, bis der Patient wieder in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, was häufig nach wenigen Tagen oder Wochen der Fall ist, wenn nicht eine dauerhafte Beeinträchtigung der rechtlichen Handlungsfähigkeit eingetreten ist.

Mit der Neuregelung sollen Ehegatten sich befristet auf drei Monate in Angelegenheiten der Gesundheitssorge kraft Gesetzes gegenseitig vertreten können.

Beschlussfassung

Der Gesetzentwurf ist genauso wie seine Begründung sehr umfangreich und umfasst insgesamt über 500 Seiten. Auch die dazu gehörende Beschlussfassung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ist nicht ohne. Wesentliche Änderungen sind in der Beschlussfassung aber nicht vorgesehen.

Ab 2023

Das neue Vormundschafts- und Betreuungsrecht soll zum 1.1.2023 in Kraft treten.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung

Seit 2.3.2020 gibt es einen Referentenentwurf zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung. (Zehnte Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung).

Steuerfreie Bonuszahlungen

Da die an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezahlten Corona-Boni nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei sind, wurden sie bis zum 31. Dezember 2020 im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) auch nicht als Einkommen berücksichtigt. Die steuerliche Begünstigung der Corona-Boni wurde bereits bis 30. Juni 2021 verlängert. Aus diesem Grund soll auch die Nichtanrechnung im SGB II entsprechend verlängert werden.

Durch die Anpassungen werden Corona-Boni im SGB II so lange nicht als Einkommen berücksichtigt, wie sie nach dem EStG steuerfrei gewährt werden können.

Unterstützungen in der Pandemie

Ferner werden die Unterstützungsleistungen des Bundes oder der Länder, die aufgrund der COVID-19-Pandemie für pandemiebedingte Mehraufwendungen gewährt werden, im SGB II nicht als Einkommen berücksichtigt. Außerdem wird die „Neustarthilfe“ für alle Anspruchsberechtigten im SGB II weder als Einkommen berücksichtigt noch bei der Berechnung des Einkommens aus unselbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft einbezogen.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales

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Steuer-ID für alles

Was Google, Facebook und Co. können, will der Staat jetzt auch: nämlich vollständige Profile von seinen Kunden bzw. Bürgern erstellen. Zumindest ist das die Befürchtung der Kritiker, unter anderem der Opposition im Bundestag am Registermodernisierungsgesetz, das am 5.3.2021 im Bundesrat verabschiedet wurde.

Identifikationsnummer

Natürlich soll es mit dem Gesetz laut Bundesregierung um etwas anderes gehen, nämlich um Verwaltungsvereinfachung, Vernetzung und Bürgerfreundlichkeit. Die seit 2007 eingeführte Steuer-ID war bislang nur dem Finanzamt zugänglich. Nun soll die Nummer in Bürger-ID („Identifikationsnummer“) umbenannt werden und 51 Behörden und Datenbanken zugänglich gemacht werden, u. a. Einwohner-Meldeämter, Führerscheinstellen, Rentenversicherungen und Krankenkassen.

Die Bürger-Identifikationsnummer dient der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes für Serviceleistungen von Bund und Ländern. Bürgerinnen und Bürger sollen beim Kontakt mit der Verwaltung nicht immer wieder die gleichen Daten angeben müssen, obwohl diese bei einer anderen Stelle in der Verwaltung bereits bekannt sind.

Eindeutigere Zuordnung

Bisher dienen bei Behördenleistungen Name, Geburtsdatum und Adresse zur Identifizierung des Betroffenen – was in der Praxis manchmal fehleranfällig oder auch aufwändig war, etwa wenn Betroffene ihre Geburtsurkunde vorlegen mussten. Die Verwendung der bereits an die Bürgerinnen und Bürger ausgegebenen individuellen Steuer-Identifikationsnummer soll den Datenaustausch künftig eindeutiger und anwenderfreundlicher gestalten.

Datencockpit für mehr Transparenz

Das Gesetz regelt zudem die Bedingungen für den Datenaustausch konkreter: Dieser ist nur auf gesetzlicher Grundlage bzw. mit Zustimmung des Einzelnen möglich. Mehr Transparenz soll ein so genanntes Datencockpit schaffen: Zukünftig können Bürger nachsehen, welche Behörde welche Daten zu welchem Zweck verarbeitet hat.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Die Bundesregierung hatte wiederholt betont, alle Vorgaben der Verfassung würden beachtet. Die Opposition stimmte dagegen geschlossen gegen das Gesetz, weil sie es für unvereinbar mit dem Grundgesetz hält. Für den Bundesrat scheinen die Bedenken offenbar ausgeräumt, sonst hätte er nach anfänglichen Bedenken nicht zudestimmt.

Quelle: Bundesrat, Bundestag, ökotest

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Verlängerung von Sonderregelungen in der Pflege

Der Bundestag berät am Donnerstag, 4. März 2021, abschließend über den von CDU/CSU und SPD vorgelegten Gesetzentwurf „zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen“ (19/26545).

Mit diesem Gesetz sollen  die Sonderregelungen im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI, Pflegeversicherung) zugunsten von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen, zugelassenen Pflegeeinrichtungen und Angeboten zur Unterstützung im Alltag um weitere drei Monate verlängert werden.

Das betrifft folgende Regelungen:

Qualitätsprüfungen

§ 114 SGB XI

Die gesetzliche Pflicht der Pflegekassen, in jeder Pflegeeinrichtung zwischen dem 1. Oktober 2020 und dem 31. Dezember 2021 eine Prüfung durchführen zu lassen (Absatz 2 Satz 2 alte Fassung), wird mit der Neuregelung in Absatz 2a entsprechend der anhaltenden SARS-CoV-2-Pandemie zugunsten einer flexibleren Handhabung modifiziert. Mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz vom 27. März 2020 wurden die Qualitätsprüfungen ausgesetzt. Seit dem 1. Oktober 2020 sollen Qualitätsprüfungen wieder regulär stattfinden.

Die Pflicht, jede Einrichtung im Jahr 2021 einmal zu prüfen, wird grundsätzlich aufrechterhalten, dem pandemischen Geschehen soll aber flexibel Rechnung getragen werden. Die Spitzenverbände der Kassen und der Medizinische Dienst bestimmen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und mit dem Ziel, die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu unterstützen, verbindlich das Nähere zur Durchführbarkeit von Qualitätsprüfungen und passen die Regelungen gegebenenfalls an.

Die Gemeinschaft der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung hat ein Hygienekonzept herausgegeben, das Empfehlungen für die Durchführung der Qualitätsprüfungen in der Pandemie abgibt. Die gesetzlich geforderten Konkretisierungen durch den Spitzenverband Bund der Pflegekassen könnten zum Beispiel auf dieses Hygienekonzept sowie auf bereits durchgeführte Impfungen Bezug nehmen. Die Lockerung der Prüfpflicht gilt bis Ende 2021.

Pflegegutachten

§ 147 SGB XI

Abweichend von § 18 Absatz 2 Satz 1 können nach § 147 Absatz 1 Gutachten aufgrund der zur Verfügung stehenden Unterlagen erstellt werden. Dies gilt für Anträge auf Pflegeleistungen, die zwischen dem 1. Oktober 2020 und dem 31. März 2021 gestellt werden. Zugleich werden die antragstellende Person und andere zur Auskunft fähige Personen von den Gutachterinnen und Gutachtern zur Person des Antragstellers in strukturierten Interviews telefonisch oder auf digitalem Weg befragt. § 147 Absatz 1 setzt voraus, dass eine Begutachtung ohne Untersuchung des Versicherten in seinem Wohnbereich zur Verhinderung des Risikos einer Ansteckung des Versicherten oder des Gutachters mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zwingend erforderlich ist (bei Lockdown gegeben). Die Feststellung, wann eine Untersuchung im Wohnbereich des Versicherten unterbleibt, treffen der Medizinische
Dienst oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachterinnen und Gutachter aufgrund der entwickelten Maßgaben nach § 147 Absatz 1 Satz 3.
Aufgrund der Pandemielage ist eine Verlängerung der Möglichkeit einer Begutachtung ohne persönliche Untersuchung auch für Anträge auf Pflegeleistungen, die zwischen dem 1. April 2021 und dem 30. Juni 2021 gestellt werden, angezeigt.

Beratung

§ 148 SGB XI

Wenn Pflegebedürftige angesichts der erneut außerordentlich dynamischen Entwicklung der COVID-19-Pandemie lieber keinen fremden Menschen in ihrer Wohnung haben möchten, um sich insbesondere keinem zusätzlichen Infektionsrisiko auszusetzen, haben sie die Möglichkeit den Beratungsbesuch telefonisch, digital oder mittels Einsatz von Videotechnik abzurufen. Im Hinblick auf die außerordentlich dynamische Entwicklung des Pandemiegeschehens in den vergangenen Wochen und Monaten besteht die Notwendigkeit, diese Regelung bis zum Juni 2021 zu verlängern.

Versorgungsengpass

§ 150 Abs. 5

Pflegekassen können nach ihrem Ermessen zur Vermeidung von im Einzelfall im häuslichen Bereich verursachten pflegerischen Versorgungsengpässen, wenn vorrangige Maßnahmen nicht ausreichend sind, Kostenerstattung in Höhe der ambulanten Sachleistungsbeträge gewähren. Etwa, wenn kein ambulanter Pflegedienst eingesetzt werden kann. Die Regelung bleibt bis 30. Juni 2021.

Entlastungsbetrag

§ 150 Absätze 5b und 5c

Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1, die zu Hause leben, haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro monatlich (§ 45b SGB XI). Der Einsatz dieses Betrages ist eingeschränkt auf Maßnahmen von in den einzelnen Bundesländern zugelassenen Diensten. Bis zum 30.06.2021 haben Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 nun die Möglichkeit, den Entlastungsbetrag auch abweichend vom geltenden Landesrecht für andere Hilfen bzw. andere – professionelle und nicht professionelle – Anbieter zu verwenden (z. B. durch Nachbarn). Voraussetzung ist, dass die Hilfe erforderlich ist, um coronabedingte Versorgungsengpässe zu überwinden.

Die Übertragbarkeit der nicht verbrauchten Leistungsbeträge aus den Jahren 2019 und 2020 wird bis zum 30. September 2021 verlängert.

Vor dem Hintergrund der Umsetzung der Coronavirus-Testverordnung und der Impfstrategie ab dem Frühjahr 2021 wird mit einer sukzessiven Verbesserung der Leistungserbringung für zugelassene ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen sowie für nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag gerechnet. Es ist somit davon auszugehen, dass es sich für die angesparten Leistungsbeträge aus dem Jahr 2019 um die letzte Verlängerung der Übertragbarkeit handelt. Ebenso ist im Hinblick auf die angesparten Leistungsbeträge aus dem Jahr 2020 nach derzeitigem Stand davon auszugehen, dass auch sie keiner weiteren Verlängerung über den 30. September 2021 hinaus bedürfen.

Pflegezeitgesetz

§ 9 Pflegezeitgesetz

Das Recht, der Arbeit zur Bewältigung einer pandemiebedingten akuten Pflegesituation bis zu 20 Arbeitstage fernzubleiben, bleibt bis zum 30. Juni 2021 bestehen.

Anspruchsdauer auf Pflegeunterstützungsgeld bzw. Betriebshilfe von 20 Arbeitstagen je Pflegebedürftigem. Keine Anrechnung von davor bereits beanspruchten Tagen Pflegeunterstützungsgeld auf die o. g. 20 Arbeitstage, ebenfalls bis 30. Juni.

Beschäftigte haben weiterhin das Recht, aufgrund der aktuellen Pandemie mit Zustimmung des Arbeitgebers Familienpflegezeit nach einer Pflegezeit in Anspruch zu nehmen, ohne dass die Freistellungen unmittelbar aneinander anschließen müssen. Die Familienpflegezeit muss spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2021 enden. Gleiches gilt auch für die Inanspruchnahme einer Pflegezeit oder Freistellung nach § 3 Absatz 5 nach einer Familienpflegezeit. Die Pflegezeit muss spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2021 enden.

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Pflegezeit für die Pflege oder Betreuung desselben nahen Angehörigen, auch wenn eine bereits in Anspruch genommene Pflegezeit beendet ist, wird verlängert. Damit haben Beschäftigte weiterhin die Möglichkeit, bislang nicht genutzte Monate in Anspruch zu nehmen, wenn sich Pflegearrangements aufgrund der Pandemie ändern. Die Pflegezeit muss spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2021 beendet sein.

Familienpflegezeitgesetz

§ 3 Familienpflegezeitgesetz

Aufgrund des sich fortsetzenden Infektionsgeschehens und der andauernden SARS-CoV-2-Pandemie werden auf Antrag im Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2021 auch weiterhin Kalendermonate bei der Berechnung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts durch das Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben außer Betracht gelassen, in denen das Einkommen, zum Beispiel infolge von Kurzarbeit, abgesenkt war. Der Zusammenhang des geringeren Arbeitsentgelts mit der SARS-CoV-2-Pandemie wird weiterhin vermutet.

§ 16 Familienpflegezeitgesetz

Verlängert wird die Regelung in Absatz 3, wonach die oder der Beschäftigte das Recht hat, mit Zustimmung des Arbeitgebers Familienpflegezeit nach einer beendeten Pflegezeit in Anspruch zu nehmen, ohne dass die Freistellungen unmittelbar aneinander anschließen müssen. Die Familienpflegezeit kann längstens bis zum Ablauf des 30. Juni 2021 in Anspruch genommen werden. Gleiches gilt auch für die Inanspruchnahme der Pflegezeit oder Freistellung nach § 3 Absatz 1 oder Absatz 5 des Pflegezeitgesetzes nach einer Familienpflegezeit gemäß Absatz 4. Auch hier muss die Pflegezeit spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2021 enden.
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Familienpflegezeit für die Pflege oder Betreuung desselben nahen Angehörigen, auch wenn eine bereits in Anspruch genommene Familienpflegezeit beendet ist, wird verlängert.
Die Familienpflegezeit muss spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2021 beendet sein.

Quellen: Bundestag

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Corona im Bundestag

Heute, am 26.2.2021 beriet der Bundestag in zweiter und dritter Lesung gleich über zwei Gesetzespakete, die dazu beitragen sollen, die Folgen der Pandemie möglichst erträglich zu machen. Der Bundesrat kann dazu in seiner nächsten Sitzung am 5.3.2021 grünes Licht geben.

Drittes Corona-Steuerhilfepaket 

Gesetzentwurf und Beschlussempfehlung

  • Das Gesetz sieht Steuerentlastungen für Familien, Gaststätten sowie Unternehmen und Selbstständige vor:
  • Wie schon im vergangenen Jahr erhalten auch 2021 Familien einen einmaligen Kinderbonus von 150 Euro für jedes kindergeldberechtigte Kind.
  • Der bereits geltende ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Speisen in der Gastronomie wird über den 30. Juni 2021 hinaus bis Ende 2022 verlängert. Für Getränke bleibt es beim regulären Steuersatz von 19 Prozent.
  • Der steuerliche Verlustrücktrag für Unternehmen und Selbstständige wird auf 10 Millionen Euro angehoben, bei Zusammenveranlagung auf 20 Millionen Euro. Dies gilt für die Jahre 2020 und 2021.

Sozialschutz-Paket III

Gesetzentwurf und Beschlussempfehlung (mit veränderten Fristen)
siehe auch: Drittes Sozialschutzpaket und Nachbesserungen am Sozialschutzpaket angemahnt

Einmalzahlung

Mit dem Gesetz sollen zusätzliche pandemiebedingte Härten für die Bezieher von Grundsicherung für den Zeitraum Januar 2021 bis Juni 2021 mit einer Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro abgemildert werden. Das entspricht einer monatlichen Kompensation von 25 Euro. Ein besonderer Antrag ist hierfür nicht erforderlich.

Beibehaltung der Maßnahmen aus dem Sozialschutz-Paket I

Die Verlängerung des vereinfachten Zugangs zu den Grundsicherungssystemen soll sicherstellen, dass diejenigen, die weiterhin unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie leiden, auch künftig möglichst einfach und schnell die nötige Unterstützung erhalten. Daher werden die meisten im Sozialschutz-Paket I getroffenen Sonderregelungen bis zum 31. Dezember 2021 verlängert. So bleibt es bei der vereinfachten Vermögensprüfung. Außerdem gelten die tatsächlichen Aufwendungen für Mieten weiter automatisch als angemessen. Entsprechend verlängert hat der Bundestag auch die leichtere Vermögensprüfung beim Kinderzuschlag.

Mittagsverpflegung für Bedürftige

Der Gesetzesbeschluss verlängert außerdem die Sonderregelung zur Mittagsverpflegung aus dem Sozialschutz-Paket II bis maximal zum 31. Dezember 2021. Damit können zum Beispiel bedürftige Schul- und Kita-Kinder bei pandemiebedingten Schließungen der Schulen und Kitas weiter mit Mittagessen versorgt werden. Gleiches gilt für Leistungsberechtigte in Werkstätten für behinderte Menschen und vergleichbaren Angeboten.

Unterstützung für soziale Dienstleister

Längere Unterstützung gibt es auch für soziale Dienstleister und Einrichtungen der Fürsorge in Deutschland, die in ihrem Bestand gefährdet sind: Der Sicherstellungsauftrag der öffentlichen Hand, über den sie zur Bewältigung der Pandemie beitragen müssen, wird ebenfalls verlängert.

Versicherungsschutz für Künstler

Für die Künstlersozialversicherung gilt, dass ein Unterschreiten des für eine Versicherung mindestens erforderlichen Jahreseinkommens von 3 900 Euro auch im Jahr 2021 keine negativen Auswirkungen auf den Versicherungsschutz in der Künstlersozialversicherung hat.

Fortgeltung der epidemischen Lage

Gesetzentwurf
siehe auch: Fortgeltung der epidemischen Lage

Bereits am 12.2.2021 befasste der Bundestag sich in erster Lesung mit dem Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD „zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen“. Der Entwurf wird nun im federführenden Gesundheitsausschuss weiterberaten.

Überprüfung alle drei Monate

Die Koalitionsfraktionen beabsichtigen mit ihrem Gesetzentwurf, dass die mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite eingeführten Regelungen länger gelten. Der Bundestag hatte am 25. März 2020 nach Paragraf 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine epidemische Lage von nationaler Tragweite und am 18. November 2020 deren Fortbestehen festgestellt. Die an die Feststellung anknüpfenden Regelungen sind bis Ende März 2021 befristet.

Die zugrunde liegende Norm nach Paragraf 5 Absatz 1 des IfSG sowie die Regelungen zu Anordnungen und zum Erlass von Rechtsverordnungen in den Absätzen zwei bis fünf des Paragrafen 5 des IfSG sollen dem Entwurf zufolge nicht aufgehoben werden. Die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite soll jedoch als aufgehoben gelten, sofern der Bundestag nicht spätestens drei Monate danach das Fortbestehen feststellt.

Pandemie-Recht soll an epidemische Lage anknüpfen

Pandemiebedingte Verordnungsermächtigungen und Rechtsverordnungen sollen nur noch an die Feststellung der epidemischen Lage anknüpfen. Sie sollen nicht mehr Ende März 2021 oder im Fall einer Verordnung nach Paragraf 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 10 des IfSG (Gesundheitsberufe) Ende März 2022 außer Kraft treten.

Die Regelung in Paragraf 56 Absatz 1a des IfSG (Entschädigungsregelung für erwerbstätige Eltern) soll ebenfalls an die Feststellung der epidemischen Lage geknüpft und die Befristung zum 31. März 2021 aufgehoben werden.

Impfziele sollen festgelegt werden

Festgelegt werden in einem neuen Abschnitt, in Paragraf 20 Absatz 2a des IfSG, die Impfziele. Damit werde der rechtliche Rahmen für die Prioritäten beim Impfen gestärkt. In der Rechtsverordnung nach Paragraf 20i Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) soll die Priorisierung nach Personengruppen festgelegt werden können, wenn darin ein Anspruch auf Schutzimpfung gegen Sars-CoV-2 festgelegt wird.

In Paragraf 87b Absatz 2a des SGB V (Krankenversicherung) soll geregelt werden, dass durch die Pandemie gefährdete vertragsärztliche Leistungserbringer ihren Versorgungsauftrag trotz Rückgangs der Fallzahlen fortsetzen können.

Sonderregelungen im Bereich Pflege sollen verlängert werden

Ferner sollen die Sonderregelungen im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI, Pflegeversicherung) zugunsten von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen, zugelassenen Pflegeeinrichtungen und Angeboten zur Unterstützung im Alltag um weitere drei Monate verlängert werden. Um die Mehrausgaben zu decken, soll mittels einer Rechtsverordnung die Möglichkeit geschaffen werden, dass der Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung einen Bundeszuschuss erhält.

Schließlich soll das Bundesgesundheitsministerium eine externe wissenschaftliche Evaluation der gesamten Regelungen zur epidemischen Lage in Auftrag geben. Das Ergebnis soll bis Ende 2021 vorgelegt werden. 

Quellen. Bundestag, Bundesrat

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Nachbesserungen am Sozialschutzpaket angemahnt

Am kommenden Freitag, den 26. Februar, findet die zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten „Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und zur Änderung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie“ (Sozialschutz-Paket III) statt. (Drucksache 19/26542)

Ergebnisse der Anhörung

Bei der Anhörung am 22.2. forderten insbesondere Sozialverbände Nachbesserungen für einkommensschwache Haushalte, die nicht im Grundsicherungsbezug sind. Arbeitgebervertreter wollen die erleichterten Zugangsbedingungen für die Grundsicherung nach dem Ende der Corona-Pandemie verhindern.

Inhalt des Pakets

Das neue Sozialschutzpaket sieht vor,

  • den erleichterten Zugang in die Grundsicherungssysteme sowie
  • die erleichterte Vermögensprüfung beim Kinderzuschlag bis zum 31. Dezember 2021 zu verlängern.
  • Außerdem werden die Sonderregeln zu den Bedarfen für gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in Schulen, Kitas und Werkstätten für behinderte Menschen bis zum 30. Juni 2021 verlängert.
  • Erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme erhalten eine einmalige finanzielle Unterstützung in Höhe von 150 Euro je Person für das erste Halbjahr 2021.
  • Die besondere Sicherstellungsauftrag nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) wird bis zum 30. Juni 2021 verlängert.

Wohngeld- und Kinderzuschlag

Die Sozialverbände und der DGB fordern, auch Menschen, die mit einem Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherung zurechtkommen müssen, die Einmalzahlung von 150 Euro zu gewähren. Die Existenznot bei Wohngeldberechtigten und Kinderzuschlagsberechtigten sei ebenso groß, betonte etwa Anna John vom Sozialverband Deutschland. Unter anderem Werner Hesse vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband-Gesamtverband wie auch Martin Künkler vom DGB forderten, die Sonderzahlung zu erhöhen, da sie den tatsächlichen Mehrbedarf in der Krise nicht abdecke. Martin Rücker von foodwatch Deutschland verwies darauf, dass 2020 allein die Preise für Obst um zehn Prozent gestiegen seien und forderte eine Erhöhung des monatlichen Regelsatzes in der Grundsicherung auf 600 Euro.

Monatelang Mehrausgaben

Kritisiert wird außerdem, dass nur Menschen berücksichtigt würden, die im Mai, wenn das Geld ausbezahlt werden soll, auch leistungsberechtigt sind. Viele leben seit Monaten mit erheblichen Einschränkungen und zusätzlichen Ausgaben. Sollten sie im Mai nicht mehr Leistungsbeziehende sein, würden sie noch nicht einmal mehr den Zuschlag von einmalig 150 Euro erhalten.

Keine Kürzung bei Heimbewohnern

Der noch im ersten Entwurf reduzierte Zuschlag für Pflegeheimbewohner, die Sozialhilfe beziehen („eine Einmalzahlung in Höhe von mindestens 27 Prozent“), ist im vorliegenden Gesetzentwurf gestrichen. Pflegeheimbewohner erhalten also im Mai zusätzlich zum Barbetrag ebenfalls 150 Euro (und nicht 40,50 Euro).

Quelle: Bundestag

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