Am kommenden Freitag wird im Bundestag der Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes und Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes (SelbstBestG) beraten. Der Gesetzentwurf stammt von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen.
Verfassungswidrig
Das Transsexuellengesetz ist mittlerweile 40 Jahre alt. Seitdem hat das Bundesverfassungsgericht einzelne Vorschriften des Gesetzes bereits sechs Mal für verfassungswidrig erklärt.
- Beschluss vom 16. März 1982 – 1 BvR 983/81,
- Beschluss vom 26. Januar 1993 – 1 BvL 38, 40, 43/92,
- Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvL 3/03,
- Beschluss vom 18. Juli 2006 – 1 BvL 1 und 12/04,
- Beschluss vom 27. Mai 2008 – 1 BvL 10/05,
- Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3295/07.
Auch weitere Vorschriften des TSG stehen verfassungsrechtlich in der Kritik, wie der psycho-pathologisierende Begutachtungszwang.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Oktober 2017 den Gesetzgeber dazu aufgefordert, bis Ende 2018 eine Neuregelung des Personenstandsrechts auf den Weg zu bringen, eine dritte Option beim Geschlechtseintrag einzuführen oder gänzlich auf einen Geschlechtseintrag zu verzichten (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017, 1 BvR 2019/16). In seiner Urteilsbegründung wird die Selbstbestimmung als Persönlichkeitsrecht eines Menschen klar in den Vordergrund gestellt.
Änderung des Personenstandsgesetzes
Mit der Änderung des Personenstandsgesetzes zum 1. Januar 2019 hat der Deutsche Bundestag auf den Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes reagiert und eine dritte Option beim Geschlechtseintrag („divers“) geschaffen. Das beschlossene Gesetz wurde allerdings von den Verbänden und der Fachöffentlichkeit als ambitionslos und bevormundend kritisiert.
Geltende Regelung
Das noch geltende Transsexuellengesetz regelt, wie Menschen, die trans sind, in Deutschland ihren Vornamen und Geschlechtseintrag in ihrer Geburtsurkunde und im Pass ändern können. Dazu ist ein Verfahren bei einem Amtsgericht erforderlich. Gerichte bestellen zwei unabhängige Gutachter*innen. Die Gutachten sollen belegen, dass die antragstellende Person tatsächlich trans ist und, so will es das Gesetz, dass sich das Geschlecht der Person auch nicht mehr ändern wird.
Begutachtete Personen werden häufig gezwungen, sich auszuziehen, obwohl die Begutachtenden für eine anatomische Begutachtung weder bestellt noch qualifiziert sind. Häufig werden auch Fragen über Unterwäsche, sexuelle Orientierung, gemochte und praktizierte Sexualität oder sexuelle Phantasien gestellt.
Das ganze Verfahren ist durch die verpflichtenden Gutachten nicht nur aufwendig und bürokratisch, sondern auch sehr teuer. Laut Gesetz muss der Antragsteller oder die Antragstellerin sich dem anderen Geschlecht als zugehörig empfinden und seit „mindestens drei Jahren unter dem Zwang“ stehen, „ihren Vorstellungen entsprechend zu leben“ (§ 8 Transsexuellengesetz). Die weiteren Voraussetzungen des § 8, (Dauerhafte Fortpflanzungsunfähigkeit, die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernder operativer Eingriff) wurden vom BVerfG kassiert.
Operationen an Kindern
Des Weiteren werden in Deutschland an intergeschlechtlichen Kindern immer noch genitalverändernde Operationen vorgenommen, die medizinisch nicht not-wendig sind. Betroffene und ihre Verbände sowie nationale, europäische und internationale Organisationen kritisieren diese Praxis seit Jahren und fordern die Einführung eines Verbots genitalverändernder Operationen im Kindesalter.
Inhalt des Gesetzentwurfs
Das Transsexuellengesetz wird durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt. Im § 45b des Personenstandsgesetzes wird im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts klargestellt, dass alle Menschen eine Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei einem Standesamt abgeben können.
Zudem
- verbietet das Selbstbestimmungsgesetz genitalverändernde chirurgische Eingriffe bei Kindern,
- statuiert einen Anspruch auf Achtung des Selbstbestimmungsrechts bei Gesundheitsleistungen,
- konkretisiert das Offenbarungsverbot und sanktioniert die Verstöße dagegen,
- verpflichtet Bund, Länder und Kommunen zum Ausbau der bisherigen Beratungsangebote und
- führt eine Regelung für trans- und intergeschlechtliche Eltern ein.
Somit wird dem Selbstbestimmungsrecht und den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen.
Quellen: https://allegutendinge.jetzt, Bundestag, eu-schwerbehinderung.eu
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