Pfändungsfreigrenzen 2023

Die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO maßgebenden Beträge ändern sich jedes Jahr entsprechend der Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes. Bis zum 1.7.2021 geschah dies nur alle zwei Jahre. Der nun jährliche Rhythmus wird damit begründet, dass vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens der dafür höhere Verwaltungsaufwand von immer geringerer Bedeutung sei.

Die jährliche Erhöhung wird jeweils in einer eigenen Bekanntmachung veröffentlicht. Zu verwenden sind die Freigrenzen, die sich aus der jeweiligen Bekanntmachung ergeben.

Pfändungsfreibetrag und Unterhaltsfreibeträge

Die Pfändungsfreigrenze steigt zum 1. Juli 2023 auf 1.402,28 Euro (aktuell 1.330,16 Euro).

Der pfändungsfreie Sockelfreibetrag für den Schuldner kann im Einzelfall aufgestockt werden. So können auch Freibeträge gewährt werden, wenn der Schuldner einer oder mehreren Personen Unterhalt gewährt. Der pfändungsfreie Betrag erhöht sich in diesem Fall zum 1.7.2023:

  • für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, um 527,76 EUR, (aktuell 500,62 Euro)
  • für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, um 294,02 EUR, (aktuell 278,90 Euro).

Pfändungsschutz, grundsätzliches

Die Leistung des Sozialstaates besteht nicht nur darin, dem bedürftigen Bürger Geld- oder Sachleistungen zu gewähren, sondern diese Leistungen, die in der Regel gerade ein Existenzminimum sichern, vor dem Zugriff Dritter zu schützen. Dies stellt u.a. der Pfändungsschutz sicher.

Arbeitseinkommen ist grundsätzlich pfändbar; dies gilt auch für Hinterbliebenenbezüge und Renten. Eine ganze Reihe von Einkommensarten sind jedoch unpfändbar. Mehr dazu in SOLEX.

Übersichtstabelle

Der Verein Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg e.V. hat dazu eine Übersichtstabelle erstellt.

Quellen: Bundesanzeiger, Schuldnerberatung Hamburg, SOLEX

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Schulden mit Hartz IV bezahlen?

Dies ist nach dem Wortlaut des § 42 Abs. 4 SGB II nicht möglich. Dort heißt es: „Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes kann nicht abgetreten, übertragen, verpfändet oder gepfändet werden.“

Wohlverstandenes Interesse

Allerdings folgt noch ein zweiter Satz: „Die Abtretung und Übertragung nach § 53 Absatz 2 des Ersten Buches bleibt unberührt.“ Nun stellt sich die Frage, was denn die angesprochene Vorschrift im SGB I bestimmt:

„Ansprüche auf Geldleistungen können übertragen und verpfändet werden

  1. zur Erfüllung oder zur Sicherung von Ansprüchen auf Rückzahlung von Darlehen und auf Erstattung von Aufwendungen, die im Vorgriff auf fällig gewordene Sozialleistungen zu einer angemessenen Lebensführung gegeben oder gemacht worden sind oder,
  2. wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, daß die Übertragung oder Verpfändung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt.“

Unbestimmter Rechtsbegriff

Bei dem „wohlverstandenen Interesse“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung voller gerichtlicher Prüfung unterliegt. Ein wohlverstandenes Interesse an der Übertragung eines Sozialleistungsanspruchs auf einen Dritten, so hat das Bundessozialgericht es definiert, setzt dabei einen gleichwertigen Vorteil zugunsten des Sozialleistungsberechtigten voraus.

So würde eine Abtretung dann als im wohlverstandenen Interesse anzusehen sein, wenn der Berechtigte ohnehin die Geldleistung zu seinem notwendigen Lebensunterhalt verwenden müsste, sodass sich die Abtretung lediglich wie eine Anweisung zur Zahlung an Dritte auswirkt.

Aktueller Fall

Genau darum ging es bei einem Rechtstreit, der jetzt vom Landessozialgericht Niedersachsen/Bremen entschieden wurde. Ein Vermieter verlangte vom Jobcenter die Auszahlung von Grundsicherungsleistungen seiner ehemaligen Mieterin. Hierzu legte er mehrere Vereinbarungen vor, wonach die Frau ihm unwiderruflich je 50 € pro Monat von der Regelleistung abgetreten habe. Es bestünden knapp 2.000 € Rückstände für Betriebs- und Nebenkosten aus den Vorjahren, die hierdurch ratenweise getilgt werden sollten.

Jobcenter lehnt ab

Das Jobcenter lehnte eine monatliche Abzweigung ab. Zur Begründung führte es aus, dass eine solche Auszahlung nicht im wohlverstandenen Interesse der Frau liege. Es gehe nicht um die Abtretung laufender Unterkunftskosten, sondern um die Tilgung von Altschulden. Hierfür habe der Mann bereits Vollstreckungstitel durch das Amtsgericht erwirkt. Grundsicherungsleistungen dienten nicht der Schuldentilgung, sondern der laufenden Existenzsicherung.

LSG bestätigt

Das LSG hat die Rechtsauffassung des Jobcenters bestätigt. Eine Abtretung sei nach den gesetzlichen Vorgaben nur im wohlverstandenen Interesse des Leistungsberechtigten zulässig. Voraussetzung hierfür sei ein gleichwertiger Vermögensvorteil, wie etwa der Schutz der aktuellen Wohnung vor Kündigung. Dies sei schon deshalb nicht mehr möglich, weil die Frau zwischenzeitlich ausgezogen sei.

Außerdem läge es nicht im wohlverstandenen Interesse, Betriebs- und Nebenkosten aus der Regelleistung zu zahlen. Denn durch die Regelleistung solle der laufende Lebensunterhalt gedeckt werden, der durch die Abtretung geschmälert werde. Die Abtretung von zweimal 50 EUR pro Monat sei auch mehr, als ein Jobcenter von einem Hartz-IV-Empfänger zur Darlehenstilgung einbehalten dürfte – nämlich 10 % des Regelsatzes. Grundsätzlich sei die Tilgung von Altschulden aus der Regelleistung mit dem Gedanken der aktuellen Sicherung des Lebensnotwendigen nicht vereinbar. Nach dem Auszug aus der Wohnung dürfe das Jobcenter der Frau auch kein Darlehen zur Tilgung der Mietschulden mehr gewähren.

Quellen: Openjur, Haufe, EU-Schwerbehinderung

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