Sachverständigenbeirat „Versorgungsmedizinische Begutachtung“

Der Sachverständigenbeirat „Versorgungsmedizinische Begutachtung“ wurde mit dem „Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts“ zum 1.6.2023 neu ausgerichtet. Der Begriff „Ärztlicher“ wurde aus dem Titel gestrichen, die gesetzliche Grundlage ist nicht mehr die Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV), sondern der neue § 153a Im SGB IX.

Zusammensetzung des Beirats

Verbände für Menschen mit Behinderungen, die Länder sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales benennen je sieben Mitglieder, darunter jeweils mindestens vier Ärztinnen oder Ärzte, die versorgungsmedizinisch oder wissenschaftlich besonders qualifiziert sind. Daneben können und sollen aber auch Sachverständige mit einer anderen Kompetenz (z. B. aus dem Gebiet der Sozial- oder Arbeitswissenschaft, der Teilhabeforschung oder der Disability Studies) benannt werden. Die Zusammensetzung des Beirates folgt damit nicht mehr einem rein medizinisch orientierten Verständnis von Behinderung, sondern einem teilhabeorientierten und ganzheitlichen Ansatz.

Aufgaben des Beirats

Der Beirat hat die Aufgaben,

  • das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in versorgungsmedizinischen Angelegenheiten zu beraten,
  • die Versorgungsmedizinischen Grundsätze auf dem aktuellen Stand zu halten und
  • Begutachtungskriterien zu erarbeiten, die als solche Voraussetzung für die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) bzw. des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) sind.

Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze, die bei der Begutachtung im Schwerbehindertenrecht und im Sozialen Entschädigungsrecht anzuwenden sind, sind in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung enthalten. GdB und GdS bilden entsprechend dem teilhabeorientierten Verständnis von Behinderung das Ausmaß der Teilhabebeeinträchtigung ab.

Änderungen durch Rechtsverordnung

Änderungen, die der Beirat dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales empfiehlt, werden durch eine Rechtsverordnung nach § 153 Absatz 2 SGB IX verbindlich geregelt.

Typisierende Regelungen

Menschen mit Behinderung haben ein Interesse daran, dass bei der Feststellung der Behinderung ihrer individuellen Situation weitestgehend Rechnung getragen wird. Gleichzeitig erwarten sie, dass die Versorgungsämter der Länder und Kommunen die Millionen von Erst- und Folgeanträgen, die dort allein im Schwerbehindertenrecht pro Jahr eingehen, zügig bearbeiten. In diesem Spannungsverhältnis sind im Interesse aller Beteiligten typisierende Regelungen erforderlich, die an einem „typischen Durchschnittsfall“ anknüpfen, damit die Feststellung der Behinderung auf der Grundlage der eingereichten ärztlichen Befundunterlagen ohne weitere Untersuchungen oder Tatsachenermittlungen zügig möglich ist.

Individuell neben der Gesundheitsstörung vorliegende Barrieren oder Ressourcen (z. B. das Fehlen oder Vorhandensein medizinischer Hilfsmittel oder technischer Hilfen, einer Arbeitsassistenz oder Schulbegleitung oder eines barrierefreien Wohn- oder Arbeitsplatzes) sind zwar für die Teilhabe gleichermaßen relevant, aber es würde einen unverhältnismäßig hohen Aufwand nach sich ziehen, diese im Einzelfall zu ermitteln.

Fortschritte können Anpassungen erfordern

Gleichwohl muss der Beirat bei der Formulierung der Begutachtungskriterien auch prüfen, ob Fortschritte bei der barrierefreien Gestaltung der Umwelt, medizinischer oder medizintechnischer Fortschritt die Teilhabe der Menschen mit Behinderungen tatsächlich auf breiter Ebene so verbessern, dass eine Anpassung des GdB bzw. GdS für den „typischen Durchschnittsfall“ in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen angezeigt ist.

Den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen festgelegten GdB bzw. GdS liegen somit stets die im allgemeinen für den Großteil der Betroffenen erreichbaren Behandlungsergebnisse zugrunde.

Quellen: BMAS, FOKUS-Sozialrecht

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Beweislast beim GdB

Der GdB, Grad der Behinderung, ist die Kennzahl fürdie Schwere einer Behinderung.

Schwerbehinderung

Menschen sind schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt. Die Behinderung misst sich also nach dem Grad der Behinderung (im Folgenden mit GdB abgekürzt). Dieser GdB wird auf Antrag des Betroffenen festgestellt.

Bemessen wird der GdB in Zehnerschritten zwischen 20 und 100. Hat ein Mensch mehrere Beeinträchtigungen, so wird der GdB im Wege einer Gesamtschau festgesetzt.

Antrag beim Versorgungsamt

Der Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis muss beim zuständigen Versorgungsamt bzw. der nach Landesrecht zuständigen Behörde gestellt werden.

Zur Prüfung werden vom Amt außer Angaben zur Person auch Angaben zu den Gesundheitsstörungen, zu ärztlichen Behandlungen, Krankenhausaufenthalten, Rehabilitationsverfahren etc. benötigt.

Beweislast beim Antragsteller

Der Antragsteller muss also beweisen, dass und wie sehr er beeinträchtigt ist, er hat die Beweislast.

Verschlechtert sich der Gesundheitszustand, kann ein Antrag zur Neufeststellung des GdB (sog. Verschlimmerungsantrag) gestellt werden. Hierzu ist wie beim Erstantrag zu verfahren. Behandelnde Ärzte und Krankenhäuser werden dann erneut um Auskunft gebeten.

Ergibt die Prüfung der Voraussetzungen, dass sich der Gesundheitszustand gebessert hat oder die vorherige Bewertung unrichtig war, kann der GdB herabgesetzt werden.

Beweislast beim Versorgungsamt

An diesem Punkt ändert sich nun die Beweislast. Die hat nämlich nun das Versorgungsamt. Dies hat jetzt das Landessozialgericht  Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 09.04.2020 zum Akten­zeichen L 13 SB 91/18 entschieden: Die Beweislast in diesen Absenkungs­verfahren trägt das Versorgungs­amt.

In dem Verfahren war das Versorgungs­amt war der Ansicht, dass der sich gegen die Absenkung wendende Kläger nachweisen müsse, dass die Voraus­setzungen des bisherigen GdB weiterhin vorliegen. Dem folgte das Landes­sozial­gericht nicht. Lässt sich bei einer Absenkung des bisherigen GdB nicht nachweisen, dass die Voraussetzungen des bisherigen GdB nicht mehr gegeben sind, kann das Versorgungs­amt keine Absenkung vornehmen. Daher hat das Gericht den Absenkungs­bescheid des Versorgungs­amtes aufgehoben und der Kläger behielt seinen bisherigen GdB.

Quelle: LSG Berlin-Brandenburg, Thomas Knoche: Finanzielle Hilfen für Menschen mit Behinderung, Walhalla-Verlag

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