Notfall-BAFöG

In dieser Woche werden im Bundestag diverse Gesetzesvorlagen behandelt, die inhaltlich in den Rahmen von FOKUS-Sozialrecht passen und in den nächsten Tagen auch hier beschrieben werden. Am Mittwoch und Donnerstag (22.9. und 23.9.22) wird unter anderem beraten über das

28. BAFöG-Änderungsgesetz

Über den Kabinettsentwurf des „Notfall-BAFöGs“ haben wir hier schon im Mai 2022 berichtet. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, den Kreis der BAföG-Empfänger in Notlagen erweitern zu können. Viele Auszubildende hätten während der Corona-Pandemie ihre Nebenjobs verloren und seien dadurch in finanzielle Notlagen geraten, heißt es in der Vorlage. Auch wenn der Arbeitsmarkt sich mittlerweile wieder erholt habe, sei es wichtig, für zukünftige Krisenlagen vorbereitet zu sein.

Beschlussempfehlung

Der Bildungsausschuss  hat dazu eine Beschlussempfehlung vorbereitet. Danach solle die Bundesregierung dazu ermächtigt werden, im Falle einer bundesweiten Notlage den Personenkreis der BAföG-Empfänger zu erweitern, sofern die Krise negativen Einfluss auf den „Arbeitsmarkt für ausbildungsbegleitende Nebentätigkeiten“ hat. Dieser Personenkreis soll neben Studierende auch Schülerinnen und Schüler umfassen, die sich in einer förderungsfähigen Ausbildung befinden.

Bundestag beschließt Notlage

Die Notlage werde vom Bundestag beschlossen und müsse alle drei Monate verlängert werden. Bestehe eine Notlage länger als sechs Monate, könne entschieden werden, ob die Bafög-Förderung durch ein Volldarlehen ersetzt werde. Es gehe hier ausdrücklich nur um bundesweite Krisen, die Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben. Um im Krisenfall Bafög zu bekommen, müssen Antragsteller laut Gesetzentwurf nachweisen, dass sie ihren Nebenjob verloren haben. Es muss laut SPD allerdings nicht explizit nachgewiesen werden, dass die Krise auch der Grund für den Wegfall des Jobs ist. Hier reiche die zeitliche Komponente.

Kritik aus der Opposition

Kritisiert wurde im Bildungsausschuss von der Opposition, dass der Notfallmechanismus beispielsweise in der aktuellen Energiekrise nicht greife, obwohl die Inflation viele Studierende in eine finanzielle Notlage bringen könnte. Außerdem werde die ie Implementierung des Notfallmechanismus im Krisenfall zu viel Zeit benötigen. Teilzeitstudierende keine Zusicherung auf Unterstützung. Auch internationale Studierende profitieren im Krisenfall nicht vom Notfallmechanismus.

Zwei Instrumente

Zur Krisenbewältigung stehen zwei Instrumentarien zur Verfügung: Zum einen die hälftige Zuschussförderung bei Studierenden oder der Vollzuschuss bei Schülerinnen und Schülern, die den Nachweis einer individuellen Betroffenheit von der Notlage voraussetzt, etwa durch einen Jobverlust. Zum andern kann der Verordnungsgeber ohne einen solchen Nachweis die Möglichkeit zum Bezug eines zinslosen BAföG-Darlehens eröffnen.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Quarantäne und Urlaub

Ein Thema, das die Arbeitsgerichte seit einiger Zeit beschäftigt ist die Frage, ob eine Quarantäneanordnung während des Urlaubs dazu führten kann, dass der Urlaub nachgeholt werden darf. Beispiel: Ein Arbeitnehmer hat zwischen Weihnachten und Neujahr 4 Tage Urlaub beantragt und gewährt bekommen. Nun tritt in der Familie eine Covid19-Infektion auf und der Arbeitnehmer erhält vom Gesundheitsamt eine Absonderungsanordnung. Auf deutsch, er muss in Quarantäne. Natürlich möchte er die „verlorenen“ Urlaubstage gerne nachholen.

Absonderung nicht wie Arbeitsunfähigkeit?

Bisher haben die meisten Arbeitsgerichte, zum Beispiel das Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein, entschieden, dass eine Absonderungsanordnung nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs gleichzusetzen sei. Daher könnten die Tage in Quarantäne nicht als Urlaubstage nacgeholt werden.

Auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2021 – 7 Sa 857/21, und das Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 13.12.2021 – 2 Sa 488/21, entschieden ähnlich.

Klarstellung vom Gesetzgeber

Nun hat der Gesetzgeber reagiert, und zwar im Covid-19 Schutzgesetz (Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19), das letzten Freitag im Bundesrat verabschiedet wurde. Dort wurde der § 59 des Infektionsschutzgesetz folgendermaßen neugefasst: „Wird ein Beschäftigter während seines Urlaubs… abgesondert oder hat er sich auf Grund einer… Rechtsverordnung abzusondern, so werden die Tage der Absonderung nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.“

Für die entsprechenden Zeiten haben die Arbeitnehmer nach § 56 einen Entschädigungsanspruch, sofern kein vorrangiger Entgeltfortzahlungsanspruch besteht. Es handelt sich für nicht Erkrankte um eine klarstellende Regelung, die an die Rechtsprechung des BGH (BGHZ 73, 16) anschließt. Die Absonderung ist unverzüglich gegenüber dem Arbeitgeber anzuzeigen und nachzuweisen.

Quellen: Bundestag, Beck-Online, lohn-info.de

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Sonderregelung Kinderkrankengeld verlängert

Die für das Jahr 2022 mit dem „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 22. November 2021 (BGBl. I 2021 Nr. 79, S. 4906) vorgenommene Ausdehnung des Leistungszeitraumes des Kinderkrankengeldes entfaltet aufgrund ihrer zeitlichen Begrenzung nur Wirksamkeit bis zum 31. Dezember 2022.

Regelung für 2023

Mit der Neuregelung durch das heute (16.09.2022) auch im Bundesrat beschlossene „Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19“ soll nun auch für das Jahr 2023 die erhöhte Anzahl an Kinderkrankentagen fortgeführt werden, um der weiterhin erwarteten pandemiebedingt häufigeren Inanspruchnahme zu begegnen.

bis Ende 2023

Der Anspruch auf Krankengeld besteht damit auch für das Jahr 2023 für jedes Kind längstens für 30 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 60 Arbeitstage. Er besteht für Versicherte für nicht mehr als 65 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 130 Arbeitstage.

bis 7.April 2023

Zudem wird die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Kinderkrankengeldes auch in Fällen von Betreuungsbedarf bei nicht erkrankten Kindern über den 23. September 2022 hinaus bis zum Ablauf des 7. April 2023 ausgeweitet. Damit sollen ggf. während der Wintermonate ausgelöste COVID-19-bedingte Schwierigkeiten bei der Betreuung von Kindern abgefedert werden.

Somit besteht der Anspruch damit z. B. auch in den Fällen, in denen eine Kinderbetreuung zu Hause erforderlich wird,

  • weil die Schule, die Einrichtung zur Betreuung von Kindern (Kindertageseinrichtung, Horte, Kindertagespflege) oder die Einrichtung für Menschen mit Behinderung geschlossen ist,
  • für die Klasse oder Gruppe pandemiebedingt ein Betretungsverbot ausgesprochen wurde, oder
  • die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt ist bzw. der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird.

Bescheinigung der Schule

Der Anspruchsgrund (z.B. die Schließung der Betreuungseinrichtung) ist der Krankenkasse auf geeignete Weise nachzuweisen; die Krankenkasse kann die Vorlage einer Bescheinigung der Einrichtung oder der Schule verlangen. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob die geschuldete Arbeitsleistung nicht auch grundsätzlich im Homeoffice erbracht werden kann.

Optionen der Länder

Der Zeitpunkt 7. April 2023 ist deswegen gewählt, weil die Länder vom 1. Oktober 2022 bis 7. April 2023 je nach Infektionslage weitere Schutzvorkehrungen eigenständig anordnen können, so etwa eine Maskenpflicht an Schulen für Schüler ab der 5. Klasse, sofern dies für die Aufrechterhaltung des Präsenzbetriebs als notwendig angesehen wird.

Quellen: BMG, Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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Bürgergeld – Kabinettsentwurf

Heute, am 14. September 2022, hat das Bundeskabinett das Bürgergeld (Kabinettsentwurf) auf den parlamentarischen Weg gebracht. Was im Referentenentwurf noch fehlte war die Höhe der Regelsätze für 2023. Folgende Regelsätze sind geplant:

RegelbedarfsstufenPersonenkreis
20232022
Regelbedarfsstufe 1Alleinstehende
502 EUR449 EUR
Regelbedarfsstufe 2volljährige Partner 
innerhalb Bedarfsgemeinschaft
451 EUR404 EUR
Regelbedarfsstufe 3Erwachsene unter 25 Jahren
im Haushalt der Eltern
402 EUR360 EUR
Regelbedarfsstufe 4Jugendliche zwischen 14 bis 17 Jahren
420 EUR376 EUR
Regelbedarfsstufe 5Kinder zwischen 6 – 13 Jahren
348 EUR311 EUR
Regelbedarfsstufe 6Kinder von 0 bis 5 Jahren
318 EUR285 EUR

Keine Änderung an der Systematik

Anders als noch bei der Vorstellung des Referententwurfs angedeutet, wird an der Systematik der Regelbedarfsermittlung nichts geändert. Allerdings sieht der Beschluss des Koalitionsausschusses von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vom 3./4. September 2022 vor, dass bei unveränderter Systematik der jährlichen Fortschreibung die zu erwartende Entwicklung des regelbedarfsrelevanten Preisindexes im Jahr der Anpassung mit einzubeziehen ist. Es wird bei stark steigender Preisentwicklung eine zeitnahe Reaktion gewährleistet, damit es nicht zu einer offensichtlichen und erheblichen Diskrepanz kommt zwischen der tatsächlichen Entwicklung der Preise von regelbedarfsrelevanten Gütern und Dienstleistungen im Vergleich zu der bei der Fortschreibung der Regelbedarfe berücksichtigten Entwicklung. Als Folgewirkung steigen die Regelbedarfe zum 1. Januar 2023 deutlich an.

Teilhabe nicht möglich

Trotzdem sind die Regelleistungen noch weit entfernt von den 678 Euro, die der Paritätische Gesamtverband und andere Sozialverbände fordern. Trotz Erhöhung bleibt das Bürgergeld weit unter dem Existenzminimum, das ein würdevolles Leben und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen sollte. Kinderarmut wird damit nicht bekämpft. Für Alte, Kranke und Menschen mit Behinderung bedeuten das, dass sie weiter lebenslang mit diesen Mangelleistungen auskommen müssen.

Sanktionen

Laut der Bundesagentur für Arbeit lebten im Mai dieses Jahres knapp 4,9 Millionen Menschen von Hartz-IV-Leistungen. 3,5 Millionen davon sind erwerbsfähige Leistungsbezieher, die bei Verstößen gegen Auflagen der Jobcenter sanktioniert werden können. Unter den 1,4 Millionen nicht erwerbsfähigen Beziehern sind vor allem Kinder unter 15 Jahren. Gerade die Sanktionen, die auch im neuen Bürgergeld weiter bestehen bleiben, sorgten in den vergangenen Tagen wieder für Schlagzeilen. Grund war die Veröffentlichung einer Langzeitstudie des Instituts für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung Berlin (INES). Ergebnis: Hartz IV-Sanktionen verfehlen ihre Wirkung. Anstatt Menschen nachhaltig in Arbeit zu bringen, haben Kürzungen der Grundsicherung bei Verstößen gegen Auflagen der Jobcenter einen einschüchternden Effekt und können sogar Krankheiten verursachen.

Kein Neustart

Mit dem Festhalten an Sanktionen und den immer noch zu niedrigen Regelleistungen kann man nicht wirklich von einem Neustart im SGB II reden. Immerhin haben wir dafür einen neuen Namen.

Quelle: BMAS, Paritätischer Gesamtverband, FOKUS-Sozialrecht

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Rechengrößen 2023

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales legt den Referentenentwurf zur Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2023 vor:

Die Rechengrößen werden jedes Jahr gemäß der Einkommensentwicklung angepasst. Maßgebend für 2023 ist das Jahr 2021. Bei der Ermittlung der jeweiligen Einkommensentwicklung zählen die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer. Die den Sozialversicherungsrechengrößen 2023 zugrundeliegende Lohnentwicklung im Jahr 2021 (Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer ohne Personen in Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigung für Mehraufwendungen) betrug

  • im Bundesgebiet 3,30 Prozent,
  • in den alten Bundesländern um 3,31 Prozent.

Die Bezugsgröße, die für viele Werte in der Sozialversicherung Bedeutung hat (unter anderem für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlagen für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung und für die Beitragsberechnung von versicherungspflichtigen Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung), beträgt ab 1. Januar 2023

  • im Westen 3.395 Euro/Monat (2022: 3.290 Euro/Monat),
  • im Osten 3.290 Euro/Monat (2022: 3.150 Euro/Monat).

Die bundesweit einheitliche Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (Jahresarbeitsentgeltgrenze) steigt auf 66.600 Euro (2022: 64.350 Euro).

Die ebenfalls bundesweit einheitliche Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2023 in der gesetzlichen Krankenversicherung steigt auf 59.850 Euro jährlich (2021: 58.050 Euro) bzw. 4. 987,50 Euro monatlich.

Die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung klettert

  • im Westen auf 7.300 Euro/Monat (2021: 7.050 Euro/Monat) und
  • im Osten auf 7.100 Euro/Monat (2021: 6.750 Euro/Monat).

Zusammengefasst ergeben sich nach dem Referentenentwurf folgende Werte:

WestOst
MonatJahrMonatJahr
Beitragsbemessungsgrenze: allgemeine Rentenversicherung7.300€87.600€7.100€85.200€
Beitragsbemessungsgrenze: knappschaftliche RV8.950€107.400€8.700€104.400€
Beitragsbemessungsgrenze: Arbeitslosenversicherung7.300€87.600€7.100€85.200€
Versicherungspflichtgrenze: Kranken- u. Pflegeversicherung5.550€66.600€5.550€66.600€
Beitragsbemessungsgrenze: Kranken- u. Pflegeversicherung4.987,50€59.850€4.987,50€59.850€
Bezugsgröße in der Sozialversicherung3.395€*40.740€*3.290€39.480€
vorläufiges Durchschnittsentgelt/Jahr in der Rentenversicherung für 2023
43.142€
* In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gilt dieser Wert bundeseinheitlich.

Bevor die Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet wird, muss sie von der Bundesregierung beschlossen werden und der Bundesrat muss anschließend zugestimmt haben.

Quelle: BMAS

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Sachbezugswerte 2023

Allmählich trudeln nach und nach die sozialrechtlich bedeutsamen Zahlen für das kommende Jahr 2023 ein. Schon seit Juli ist bekannt, dass der Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung auf 1,6 Prozent steigen wird, dass der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung im Jahr 2023 auf 5,0 Prozent angehoben wird, wissen wir seit August. Nun folgen die Sachbezugswerte und in ein paar Tagen wird es den Gesetzentwurf zur Anhebung der Regelsätze geben.

Sachbezüge

Mit der „Dreizehnten Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung“ für das Jahr 2023 stehen die voraussichtlichen Sachbezugswerte für das Jahr 2023 fest.

Sachbezug Verpflegung 2023

Der Monatswert für Verpflegung soll ab 1.1.2023 auf 288 Euro angehoben werden. Damit sind für verbilligte oder unentgeltliche Mahlzeiten

  • für ein Frühstück 2,00 Euro
  • für ein Mittag- oder Abendessen 3,80 Euro

je Kalendertag anzusetzen. Der kalendertägliche Gesamtwert für Verpflegung liegt demnach bei 9,60 Euro.

Sachbezug Unterkunft 2023

Ab 1.1.2023 soll der Wert für Unterkunft oder Mieten 265 Euro betragen. Der Wert der Unterkunft kann auch mit dem ortsüblichen Mietpreis bewertet werden, wenn der Tabellenwert nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre (§ 2 Abs. 3 der SvEV). Kalendertäglich soll der Wert ab dem 1.1.2023 8,83 Euro betragen.

Verbraucherpreisindex

Für die Sachbezüge 2023 ist der Verbraucherpreisindex im Zeitraum von Juni 2021 bis Juni 2022 maßgeblich.

Quellen: Haufe, FOKUS-Sozialrecht

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Gesundheitskioske

Ein weiterer Punkt des Koalitionsvertrags soll nun umgesetzt werden. In besonders benachteiligten Kommunen und Stadtteilen sollen niedrigschwellige Beratungsangebote für Behandlung und Prävention eingerichtet werden,  um der sozial bedingten Ungleichheit von Gesundheitschancen entgegenzuwirken und die medizinische Unterversorgung in sozial benachteiligten Regionen auszugleichen.

Gesundheitsminister Lauterbach präsentierte Mitte August die Eckpunkte für ein dementsprechendes Gesetz. Die neuen Angebote firmieren unter dem Namen „Gesundheitskioske“.

Danach sollen langfristig 1.000 Gesundheitskioske bundesweit aufgebaut werden. Initiiert werden sollen die Anlaufstellen von den Kommunen, finanziert mehrheitlich von den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen, die Kommunen beteiligen sich. Hauptaufgabe der Kioske ist es, den Zugang zur Versorgung der Patientinnen und Patienten mit besonderem Unterstützungsbedarf zu verbessern und die Versorgung zu koordinieren.

Eckpunkte

Folgende Eckpunkte sind Grundlage für die Gesetzesinitiative:

  • Gesundheitskioske bieten insbesondere in sozial benachteiligten Regionen und Stadteilen niedrigschwellige Beratung an.
  • Die Krankenkassen fördern zusammen mit den Kommunen mit Hilfe der Gesundheitskioske insbesondere die Gesundheitskompetenz von Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf und bieten diesen im Bedarfsfall individuelle Beratung zur Unterstützung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils. Ferner bieten die Krankenkassen und das „GKV-Bündnis für Gesundheit“ in den Gesundheitskiosken Informationen für Kommunen und andere interessierte Stellen über Projekte zur Gesundheitsförderung in den Lebenswelten der Menschen.  

Weitere Aufgaben

  • Die Vermittlung von Leistungen der medizinischen Behandlung, Prävention und Gesundheitsförderung und Anleitung zu deren Inanspruchnahme;
  • allgemeine Beratungs- und Unterstützungsleistungen zur medizinischen und sozialen Bedarfsermittlung;
  • die Koordinierung der erforderlichen Gesundheitsleistungen und Anleitung zu deren Inanspruchnahme;
  • die Unterstützung bei der Klärung gesundheitlicher und sozialer Angelegenheiten;
  • die Bildung eines sektorenübergreifenden Netzwerkes; 
  • Durchführung einfacher medizinische Routineaufgaben wie z.B. Blutdruck und Blutzucker messen, Verbandswechsel, Wundversorgung und subkutane Injektionen – veranlasst von Ärztinnen und Ärzten;
  • perspektivisch: Erweiterung um ergänzende Beiträge zur Sicherstellung der Primärversorgung

Leitung/Personal des Gesundheitskiosks:

Die Leitung sollen examinierte Pflegefachkräfte ausüben, perspektivisch Pflegefachkräfte (Gesundheits- und Kinder-)Krankenpfleger/in, Altenpfleger/in, Pflegefachfrau/Pflegefachmann) mit Heilkundekompetenz (im Sinne von community health nursing – CHN), 

Kooperation

Es ist eine enge Kooperation mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst sicherzustellen (z.B. Mitwirkung bei Prävention und Gesundheitsförderung, Durchführung von Impfungen in den Räumen des Kioskes).

Aufgaben der Kommunen

Das Initiativrecht zur Errichtung eines Kioskes liegt bei den Kommunen, d.h. die Kommunen entscheiden eigenständig über die Errichtung eines Gesundheitskiosks und können von den Krankenkassen den Abschluss eines schiedsamtsfähigen Vertrages über die Einzelheiten verlangen. Ziel ist es, pro 80.000 Einwohner einen Kiosk zu errichten, also bundesweit insgesamt 1.000 Kioske.

Sofern eine Kommune das Initiativrecht ausübt, sind die Landesverbände der Krankenkassen verpflichtet, gemeinsam (also wettbewerbsneutral) in Zusammenwirken mit den Kommunen/ÖGD Kioske zu errichten. Ausdrücklich können solche Angebote auch mobil (z.B. mit Hilfe von Bussen) erfolgen. 

Da die Kioske auch Aufgaben der Daseinsvorsorge vornehmen, besteht die Verpflichtung der Kassen zur Beteiligung an einem Kiosk nur, wenn sich auch die Kommunen insbesondere finanziell an den Kiosken beteiligen.

Kostenaufteilung

Die Finanzierung wird zwischen den Kommunen auf der einen und gesetzlicher und privater Krankenversicherung auf der anderen Seite aufgeteilt. Die gesetzliche Krankenversicherung wird 74,5 % der Gesamtkosten, die private Krankenversicherung 5,5 % und die Kommunen 20 % der Gesamtkosten tragen.

Im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Förderung gesundheitsförderlicher Strukturen unterstützen die Krankenkassen über die Initiative „GKV-Bündnis für Gesundheit“ den Aufbau der Gesundheitskioske in den Kommunen.

Die privaten Krankenversicherungsunternehmen sind verpflichtet, sich an den Kiosken zu beteiligen, da auch Privatversicherte das Angebot in Anspruch nehmen können.

Andere Sozialleistungsträger

Andere Sozialleistungsträger (z.B. Rentenversicherung) können sich zusätzlich finanziell beteiligen.

Auf die bestehenden Beratungsstrukturen der Pflegeversicherung, insbesondere die Pflegestützpunkte, soll bei Bedarf hingewiesen und ggf. dorthin vermittelt/begleitet werden. Auch die Vernetzung mit anderen Beratungs- oder Servicestellen (z.B. den Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen) ist möglich. Kommunale Strukturen sind einzubeziehen, vorhandene Ressourcen und Synergien sollen sinnvoll genutzt werden (Jugendämter, Familienzentren, Integrationszentren, Ämter für Familie und Jugend, Ämter für Soziale Dienste, Koordinierungsstellen „gesundheitliche Chancengleichheit“, Stadtteil-/Quartiersmanagementbüros, Netzwerk Frühe Hilfen etc.)

Quelle: BMG

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Entlastung 3 – heiße Luft?

Seit Sonntag Mittag wird das Dritte Entlastungspaket in sämtlichen Medien ausführlich behamdelt, gelobt, verrissen und auseinandergepflückt. Wenn die einzelnen Maßnahmen in tatsächlichen Gesetzentwürfen eingeflossen sind, werden wir hier auch näher darauf eingehen.

Nicht viel Neues

Ein nicht unerheblicher Teil des Entlastungspakets besteht dabei aus Maßnahmen, die entweder schon beschlossen wurden oder ohnehin fällig waren.

  • Die Erhöhung der SGB II – Grundsicherung ist Bestandteil des neuen Bürgergelds.
  • Die Erhöhung des Kindergelds gehört zur jährlichen Anpassung der Einkommenssteuer. Hier soll das Kindergeld aber deutlicher steigen als vom Finanzminister vorgesehen.
  • Eine deutliche Ausweitung des Wohngelds wurde schon im Koalitionsvertrag als Ziel angegeben.
  • Die Absetzbarkeit der Rentenbeiträge bei der Steuer ist eine Vorgabe des Bundesfinanzhofs von 2021.

Vage

Vieles aus dem Entlastungspaket bleibt vage, so der Strompreisdeckel und die Finanzierung desselben. Das muss erst mal mit der EU abgestimmt werden und gegebenenfalls ohne EU zurechtgebastelt werden. Vielleicht sollte man sich mal in Spanien oder Belgien umhören, wie man eine Übergewinnsteuer – so darf man das hierzulande übrigens auf keinen Fall nennen – funktioniert.

x-Euro-Ticket

Einen Nachfolger für das überaus erfolgreiche Neun-Euro-Ticket soll es auch geben. Aber erst nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen mit den Bundesländern. Finanziell schwächere Familien werden aber sicher keine 200 bis 250 Euro monatlich dafür ausgeben können, bei einem Preis von etwa 50 Euro und einer vier- oder fünfköpfigen Familie.

Studenten

200 Euro für Studenten, Problem ist noch, wie man die überhaupt auszahlen will. Man weiß es noch nicht.

Rentner

Keine derartigen Probleme dürfte es bei der Rentenversicherung im Dezember geben, wenn die 300 Euro für die Rentner ausgezahlt werden sollen. Die Probleme haben allerdings die ärmeren Rentner, die nicht wissen, wie sie damit die 1000 Euro Heizkostennachzahlung bezahlen sollen. Und die reicheren Rentner? Die können vielleicht ihren Enkeln ein 50(plus x)-Euro-Ticket davon kaufen.

Quellen: Tagesschau, FOKUS-Sozialrecht

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Hinzuverdienstgrenzen fallen

Ganz ohne große Medienresonanz wurde der Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (8. SGB IV-Änderungsgesetz – 8. SGB IV-ÄndG) vom Bundeskabinett am 31. August 2022 auf den parlamentarischen Weg gebracht.

weitreichende Änderungen

Das Gesetzespaket ist sehr umfangreich, besteht aus 34 Artikeln und bereitet Änderungen in fast allen Sozialgesetzbüchern und anderen Gesetzen im sozialen Bereich vor. Federführend ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

Hinzuverdienstgrenzen

Die wichtigste Änderung betrifft die Hinzuverdienstgrenzen bei einer vorgezogenen Altersrente und bei Erwerbsminderungsrenten:

  • Die Hinzuverdienstgrenze bei vorgezogenen Altersrenten entfällt ersatzlos.
  • Bei Erwerbsminderungsrenten werden die Hinzuverdienstgrenzen deutlich angehoben.

Altersrente

Mit dem Bezug einer Altersrente kann nunmehr – wie bereits heute schon ab Erreichen der Regelaltersgrenze – hinzuverdient werden, ohne dass es zu einer Anrechnung auf die Rente kommt. Durch die damit einhergehende Flexibilität beim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand, so die Begründung des BMAS, könne ein Beitrag geleistet werden, dem bestehenden Arbeits- und Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Gleichzeitig werde durch den Wegfall das bestehende Recht vereinfacht und Bürokratie abgebaut, insbesondere bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung.

Erwerbsminderungsrente

Bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung, so das BMAS, soll die bisherige Hinzuverdienstgrenze von 6 300 Euro ab 1. Januar 2023 abgeschafft werden. Stattdessen gelte unter Beachtung des eingeschränkten Leistungsvermögens von weniger als drei Stunden täglich eine kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze von drei Achteln der 14fachen monatlichen Bezugsgröße. Dies entspreche 17 272,50 Euro im Jahr 2022. Bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung werde die kalenderjährliche Mindesthinzuverdienstgrenze entsprechend dem Restleistungsvermögen von unter 6 Stunden täglich sechs Achtel der 14fachen monatlichen Bezugsgröße betragen. Dies entspreche 34 545 Euro im Jahr 2022.

Weitere Änderungen im Gesetzentwurf

  • Im Künstlersozialversicherungsgesetz werden vor allem die Zuverdienstmöglichkeiten der Versicherten bei einer weiteren nicht-künstlerischen selbständigen Tätigkeit im Anschluss an die auslaufende Corona-Sonderregelung dauerhaft erweitert.
  • In Anlehnung an die bereits bestehende Regelung bei einer zusätzlichen abhängigen Beschäftigung soll zukünftig das Kriterium der „wirtschaftlichen Haupttätigkeit“ maßgeblich dafür sein, über welche Tätigkeit die Absicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung stattfindet.
  • Darüber hinaus wird z.B. der Versicherungsschutz für Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung weiterentwickelt.

Digitales

Im Datenaustausch zwischen den Arbeitgebern und den Trägern der sozialen Sicherung sowie den Trägern untereinander sollen die Möglichkeiten, dies digital zu erledigen, erweitert werden. Darüber hinaus sollen noch weitere Verfahren im Bereich der sozialen Sicherung in die digitale Datenübermittlung einbezogen werden, bei denen derzeit noch ein Austausch per Brief oder Fax erfolgt.

Quelle: BMAS,

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Chancen-Aufenthaltsrecht

Etwa 135.000 Menschen in Deutschland könnten vom geplanten Chancen-Aufenthaltsrecht profitieren und aus den Kettenduldungen herauskommen. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf Anfang Juli 2022 beschlossen, nun muss die Angelegenheit nach der Sommerpause, voraussichtlich ab Oktober, vom Bundestag diskutiert und beschlossen werden. Dabei können die Parlamentarier*innen auch noch Änderungen einbringen und beschließen. Gelten wird das Chancen-Aufenthaltsrecht dann voraussichtlich etwa ab Dezember 2022.

Fehlende Voraussetzungen nachholen

Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht des § 104c AufenthG-E wird dem Bedürfnis der seit Jahren im Bundesgebiet lebenden geduldeten und zumeist gut integrierten Ausländer nach einer Aufenthaltsperspektive in Deutschland Rechnung getragen. Ihnen wird die Chance eingeräumt, noch fehlende Voraussetzungen für einen dauerhaften Aufenthalt nachzuholen. Hierzu gehören vor allem die Identitätsklärung, die Lebensunterhaltssicherung sowie erforderliche Kenntnisse der deutschen Sprache. Um die Nachholung der fehlenden Voraussetzungen zu erleichtern, wird den Betreffenden eine auf ein Jahr begrenzte Aufenthaltserlaubnis als Chancen-Aufenthaltsrecht erteilt.

Bleiberechtsregelungen

Die geltenden Bleiberechtsregelungen sollen moderat weiterentwickelt werden. Dabei soll die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft im Blick behalten werden. Diejenigen, die gut in Deutschland integriert sind und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen können, sollen schneller einen rechtssicheren Aufenthaltsstatus erhalten.

Jugendliche und junge Volljährige

Gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige sollen bereits nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland sowie bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erhalten.

Antrag

Diejenigen, die die Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht ((fünf Jahre Aufenthalt, nicht straffällig, Bekenntnis zur Grundordnung) erfüllen müssen nach Inkrafttreten den Gesetzes, frühestens im Dezember 2022, bei der für sie zuständigen Ausländerbehörde das Chancen-Aufenthaltsrecht beantragen.

Noch kein Abschiebeschutz

Trotzdem sind Menschen, die die Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht erfüllen werden, aktuell nicht unbedingt vor Abschiebungen sicher. In einigen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, Thüringen, Hessen, Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Schleswig-Holstein gibt es so genannte Vorgriffregelungen, die aber unterschiedlich ausgestaltet sind. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Menschen, die von dem neuen Gesetz profitieren werden, nicht noch in letzter Minute abgeschoben werden dürfen. In anderen Bundesländern gibt es diese Regelungen leider nicht. Hier hängt es von den einzelnen Ausländerbehörden ab, wie sie entscheiden. Genaueres kann man bei pro asyl erfahren.

Quellen: Bundeskabinett, Paritätischer Gesamtverband, pro asyl

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