Kurzarbeit – Verlängerung der Corona-Regeln

Der erleichterte Zugang zur Kurzarbeit ist bis Ende des Jahres verlängert worden. Das Kabinett stimmte einer Verordnung von Arbeitsminister Heil zu.

Stabilisierung des Arbeitsmarkts

Um sicher zu stellen, dass auch im vierten Quartal Beschäftigungsverhältnisse stabilisiert sowie Arbeitslosigkeit und ggf. Insolvenzen vermieden werden können, werden mit dieser Verordnung die bis zum Ende dieses Jahres geltenden Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld allen Betrieben zugänglich gemacht, unabhängig davon, wann sie die Kurzarbeit in ihrem Betrieb einführen. Die geltende Stichtagsregelung zum 30. September 2021 für die Einführung der Kurzarbeit wird damit aufgegeben. Die volle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge wird bis Ende des Jahres 2021 ermöglicht.

Verlängerung der Zugangserleichterungen

Damit werden die bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Zugangserleichterungen für das Kurzarbeitergeld, nach denen statt mindestens einem Drittel nur mindestens zehn Prozent der Beschäftigten von einem Entgeltausfall betroffen sein müssen und auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Gewährung des Kurzarbeitergeldes verzichtet wird, auch den Betrieben eingeräumt, die nach dem 30. September 2021 Kurzarbeit eingeführt haben. Ab dem 1. Januar 2022 gelten die erleichterten Zugangsvoraussetzungen nicht mehr.

Höhe des Kurzarbeitergeldes

Die Regelung zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes ab dem 4. Monat des Bezugs auf 70 Prozent (bzw. 77 Prozent für Haushalte mit Kindern) und ab dem 7. Monat des Bezuges auf 80 Prozent (bzw. 87 Prozent für Haushalte mit Kindern) des pauschalierten Netto-Entgelts für Beschäftigte, die von Kurzarbeit betroffen sind, wurde schon Ende 2020 bis zu 31.12.2021 verlängert.

Quellen: BMAS, FOKUS-Sozialrecht

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SGB VIII – Besteuerung von Einnahmen

Das Bundesministerium der Finanzen hat am 31.8.2021 ein Schreiben zur einkommensrechtlichen Behandlung der Geldleistungen für Kinder in Vollzeitpflege und anderen Betreuungsverhältnissen veröffentlicht. Es geht im Wesentlichen darum, ob bei den jeweiligen Betreuungsleistungen der § 3 Nr.11 Einkommenssteuergesetz gilt, wonach „Bezüge aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung oder Ausbildung, die Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern“ steuerfrei sind.

Mit dem Schreiben des Finanzministeriums gelten nun

  • für Kinder in Vollzeitpflege,
  • für die Erziehung in einer Tagesgruppe,
  • für die Heimerziehung/ Erziehung in sonstiger betreuter Wohnform und
  • für die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung

folgende Regelungen:

Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII)

Die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII dient dazu, einem Kind zeitlich befristet oder dauerhaft im Haushalt der Pflegeeltern ein neues Zuhause zu bieten. Im Rahmen der Vollzeitpflege wird Pflegegeld ausgezahlt, welches die materiellen Aufwendungen und die Kosten der Erziehung abdeckt. Zusätzlich werden anlassbezogene Beihilfen und Zuschüsse geleistet.

keine Erwerbstätigkeit

Sowohl das Pflegegeld als auch die anlassbezogenen Beihilfen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln sind steuerfrei, sofern eine Erwerbstätigkeit nicht vorliegt. Bei einer Betreuung von bis zu sechs Kindern ist ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird.

Erwerbstätigkeit

Werden mehr als sechs Kinder gleichzeitig im Haushalt aufgenommen, wird eine Erwerbstätigkeit vermutet, damit wäre das Pflegegeld nicht steuerfrei.

Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII)

Die Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe soll die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen durch soziales Lernen in der Gruppe, Begleitung der schulischen Förderung und Elternarbeit unterstützen und dadurch den Verbleib des Kindes oder des Jugendlichen in seiner Familie sichern.

institutionelle Tagesgruppe

Die Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe wird durch angestellte Fachkräfte geleistet. Die Einnahmen sind nicht steuerfrei.

in geeigneten Formen der Familienpflege

Wird die Hilfe zur Erziehung in geeigneten Formen der Familienpflege erbracht und mit Geldleistungen der Jugendämter finanziert, handelt es sich um Beihilfen, die unmittelbar die Erziehung fördern und aus öffentlichen Mitteln geleistet werden. Sie sind daher für die Pflegeperson steuerfrei.

Heimerziehung/Erziehung in sonstiger betreuter Wohnform (§ 34 SGB VIII)

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Das langfristige Ziel dieser Form der Pflege ist – entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie -, eine Rückkehr in diese Familie zu erreichen oder – falls dies nicht möglich ist – die Erziehung in einer anderen Familie vorzubereiten oder durch eine auf längere Zeit angelegte Lebensform auf ein selbständiges Leben vorzubereiten. Zur Heimerziehung und sonstigen betreuten Wohnform können u. a. heilpädagogische oder therapeutische Heime, Kinderdörfer, Kinderhäuser zählen.

regelmäßig erwerbstätig

Diese Form der Erziehungshilfe in diesen Einrichtungen wird regelmäßig erwerbsmäßig ausgeübt und stellt daher eine berufliche Tätigkeit dar. Die hierfür gezahlten Gelder sind deshalb steuerpflichtig.

Betriebseinnahmen bei Freiberuflichen

Ist die Betreuungsperson freiberuflich tätig, sind die Zahlungen für die Bestreitung der Sach- und Unterhaltsaufwendungen des Kindes als Betriebseinnahmen zu behandeln.

Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII)

Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung soll Jugendlichen gewährt werden, die einer intensiven Unterstützung zur sozialen Integration und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bedürfen. Die Hilfe ist in der Regel auf längere Zeit angelegt und soll den individuellen Bedürfnissen des Jugendlichen Rechnung tragen.

bei nur einem Kind/Jugendlichen, unbefristet

Leistungen, die aus öffentlichen Mitteln der Jugendhilfe für eine intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung verhaltensauffälliger Kinder bzw. Jugendlicher erbracht werden, sind als steuerfreie Bezüge zu behandeln, wenn jeweils nur ein Kind bzw. ein Jugendlicher zeitlich unbefristet in den Haushalt des Betreuers aufgenommen und dort umfassend betreut wird.

mehrere Betreute, zeitlich befristet

Die Annahme einer steuerpflichtigen erwerbsmäßigen Betreuung ist dagegen gerechtfertigt, wenn die Umstände des Pflegeverhältnisses für den Vergütungscharakter der gezahlten Gelder sprechen (Anzahl der betreuten Kinder, kurzfristige Betreuung) -> nicht steuerfrei.

Leistungen des Jugendamtes nach § 39 SGB VIII über einen zwischengeschalteten Träger der freien Jugendhilfe

Auch dies steht der Einstufung als steuerfreie Beihilfen grundsätzlich nicht entgegen. Voraussetzung ist, dass der Finanzbedarf für die zur Betreuung erforderlichen Leistungen in den Haushaltsplänen des Trägers des zuständigen Jugendamts festgestellt wird und die Verwendung der Mittel der Rechnungskontrolle durch die Jugendhilfebehörde unterliegt.

Vorgaben ab 2022

Ab dem 1.1.2022 werden Pflegegelder eines freien Trägers der Jugendhilfe nur noch dann anerkannt, wenn anhand geeigneter Unterlagen dokumentiert ist, dass die folgenden Vorgaben erfüllt sind:

  • Das zuständige Jugendamt weiß, ob und in welcher Höhe der freie Träger einen Eigenanteil einbehält, und billigt dies.
  • Dem zuständigen Jugendamt steht gegen den freien Träger ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch zu, aufgrund dessen es eine Rechnungslegung über die Mittelverwendung und die Vorlage geeigneter Nachweise verlangen kann.

Noch bis Ende des Jahres kein Nachweis

Es wird eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2021 gewährt, wonach für Pflegegelder eines freien Trägers der Jugendhilfe die Kriterien als erfüllt gelten.

Quellen: Bundesfinanzministerium, Paritätischer

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Rechengrößen 2022

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales legt den Referentenentwurf zur Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2022 vor:

Die Rechengrößen werden jedes Jahr gemäß der Einkommensentwicklung angepasst. Maßgebend für 2022 ist das Jahr 2020. Bei der Ermittlung der jeweiligen Einkommensentwicklung zählen die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer. Diesmal war ein Rückgang zu verzeichen, so dass die Rechengrößen im Jahr 2022 teilweise leicht niedriger ausfallen als letztes Jahr oder gleich bleiben. So gab es 2020 einen Rückgang bei den Bruttolöhnen

  • im Bundesgebiet um 0,15 Prozent,
  • in den alten Bundesländern um 0,34 Prozent und
  • in den neuen Ländern wird zur Berechnung das Ergebnis für 2021 für die alten Bundesländer durch Wert der Anlage 10 zum SGB VI für 2022 (1,0420) geteilt.

Die Bezugsgröße, die für viele Werte in der Sozialversicherung Bedeutung hat (unter anderem für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlagen für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung und für die Beitragsberechnung von versicherungspflichtigen Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung), ändert sich im Westen nicht und steigt leicht im Osten.

  • im Westen 3.290 Euro/Monat (2021: 3.290 Euro/Monat),
  • im Osten 3.150 Euro/Monat (2021: 3.115 Euro/Monat).

Die bundesweit einheitliche Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (Jahresarbeitsentgeltgrenze) bleibt bei 64.350 Euro.

Die ebenfalls bundesweit einheitliche Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2022 in der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt bei 58.050 Euro jährlich (2021: 58.050 Euro) bzw. 4. 837,50 Euro monatlich.

Die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung sinkt im Westen und steigt im Osten

  • im Westen auf 7.050 Euro/Monat (2021: 7.100 Euro/Monat) und
  • im Osten auf 6.750 Euro/Monat (2021: 6.700 Euro/Monat).

Zusammengefasst ergeben sich nach dem Referentenentwurf folgende Werte:

WestOst
MonatJahrMonatJahr
Beitragsbemessungsgrenze: allgemeine Rentenversicherung7.050€84.600€6.750€81.000€
Beitragsbemessungsgrenze: knappschaftliche Rentenversicherung8.650€103.800€8.350€100.200€
Beitragsbemessungsgrenze: Arbeitslosenversicherung7.050€84.600€6.750€81.000€
Versicherungspflichtgrenze: Kranken- u. Pflegeversicherung5.362,50€64.350€5.362,50€64.350€
Beitragsbemessungsgrenze: Kranken- u. Pflegeversicherung4.837,50€58.050€4.837,50€58.050€
Bezugsgröße in der Sozialversicherung3.290€*39.480€*3.150€37.800€
vorläufiges Durchschnittsentgelt/Jahr in der Rentenversicherung für 2022
38.901€
* In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gilt dieser Wert bundeseinheitlich.

Bevor die Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2022 im Bundesgesetzblatt verkündet wird, muss sie von der Bundesregierung beschlossen werden und der Bundesrat muss anschließend zugestimmt haben.

Quelle: BMAS

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Entlohnung in der WfbM

Eines der Wahlkampfthemen ist eine Erhöhung des Mindestlohns. In diesem Zusammenhang taucht auch die Frage auf, ob nicht auch Beschäftigte in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung Anspruch auf Zahlung des Mindestlohs haben.

Behindertenrechtskonvention

Beschäftigte in den Werkstätten verdienen oft nur 180 bis 230 Euro im Monat. Das ist aber nicht der einzige Kritikpunkt an den Werkstätten. Ausgehend von der UN-Behindertenrechtskonvention, die auch Deutschland unterzeichnet hat, bemängeln sie, dass Behindertenwerkstätten im Widerspruch zu dem in der UN-BRK garantierten Recht auf Arbeit stünden. Die alternativlose Arbeit in WfbM sei meist nicht frei gewählt und die Beschäftigten könnten ihren Lebensunterhalt damit nicht bestreiten. Sie seien auf staatliche Unterstützung angewiesen. Im Jahr 2015 empfahl daher der Fachausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die Werkstätten in der Bundesrepublik schrittweise abzuschaffen.

Artikel 27

Artikel 27 Absatz 1 der UN-BRK lautet: „Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird.

Nicht vergleichbar

Befürworter der WfbM führen dagegen an, dass ein Vergleich zwischen Werkstattbeschäftigten und Arbeitnehmern aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zielführend sei. Man müsse die Komplexität des Systems verstehen und dürfe das Bild nicht verzerren. Werkstätten würden aber nicht dem Mindestlohngesetz unterliegen, weil deren Beschäftigte keine Arbeitnehmer seien. Das Arbeitsentgelt „besteht aus einem Grundbetrag in Höhe eines Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit leistet, und einem leistungsangemessenem Steigerungsbetrag. Hinzu kommt ein öffentlich finanziertes Arbeitsförderungsgeld.

Unterstützungsangebote

In einer Behindertenwerkstatt stehe nicht die reine Erwerbsarbeit im Vordergrund. Sie biete zusätzlich pflegerische Unterstützung, Ergo- und Physiotherapie, Logopädie sowie Angebote aus dem Sport- und Kulturbereich – auch während der Arbeitszeit.

Außerdem sei der allgemeine Arbeitsmarkt in seiner jetzigen Form sei nicht in der Lage, alle Menschen mit Behinderungen aufzunehmen. 

Rechtslage

Laut § 221 SGB IX stehen Menschen mit Behinderung im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten  in einem „arbeitnehmerähnlichen“ Rechtsverhältnis.

Das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis bedeutet, dass arbeitsrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Grundsätze angewandt werden müssen, insbesondere arbeitsrechtliche Grundsätze und Vorschriften über:

  • Arbeitszeit,
  • Urlaub,
  • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen,
  • Erziehungsurlaub (Elternzeit) und Mutterschutz,
  • Persönlichkeitsschutz und
  • Haftungsbeschränkung.

Der Inhalt des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses wird unter Berücksichtigung des zwischen den Menschen mit Behinderung und dem Rehabilitationsträger bestehenden Sozialleistungsverhältnisses durch Werkstattverträge zwischen den Menschen mit Behinderung und dem Träger der Werkstatt näher geregelt.

Arbeitsentgelt

Die Werkstätten zahlen aus ihrem Arbeitsergebnis an die im Arbeitsbereich beschäftigten Menschen mit Behinderung ein Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften Menschen mit Behinderung im Berufsbildungsbereich leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzt. Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung der Menschen mit Behinderung, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte.

Die an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich teilnehmenden behinderten Menschen erhalten Lohnersatzleistungen von den zuständigen Rehabilitationsträgern, soweit die Bundesagentur für Arbeit zuständig ist, i. d. R. Ausbildungsgeld 

Arbeitergebnis

Bei der Ermittlung des Arbeitsergebnisses der Werkstatt nach § 12 Absatz 4 der Werkstättenverordnung werden die Auswirkungen der Vergütungen auf die Höhe des Arbeitsergebnisses dargestellt. Das Arbeitsergebnis der Werkstatt darf nicht zur Minderung der Vergütungen nach Absatz 3 verwendet werden. Verluste aus den Vergütungsvereinbarung (können beispielsweise entstehen, wenn etwa tarifliche Erhöhungen im Vereinbarungszeitraum höher ausfallen als in der Vergütungsvereinbarung prognostiziert) dürfen nicht aus dem Arbeitsergebnis gedeckt werden. Erzielte Überschüsse aus den Vergütungsvereinbarungen fließen dagegen in das Arbeitsergebnis ein und müssen in dem in § 12 Abs. 5 Werkstättenverordnung (WVO) vorgeschriebenen Umfang auch für die Entlohnung der behinderten Menschen verwendet werden. Das bedeutet, dass das Arbeitsentgelt zwar angehoben werden darf, aber es darf nicht gekürzt werden.

Grundbetrag

Die Zahlung eines Grundbetrages in Höhe des Ausbildungsgeldes stellt sicher, dass die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen kein geringeres Arbeitsentgelt erhalten als den Betrag, den die überwiegende Zahl der behinderten Menschen in der Zeit der Maßnahme im Berufsbildungsbereich zuletzt erhalten hat.

Das Ausbildungsgeld nach § 125 SGB III wurde zum 1.8.2019 auf 117 EUR und zum 1.8.2020 auf 119 EUR monatlich erhöht.

Um eine finanzielle Überforderung der Werkstätten zu vermeiden wurde mit § 241 Abs. 9 SGB IX eine Übergangslösung geschaffen, durch die der Grundbetrag erst zum 1.1.2023 wieder die gleiche Höhe wie das Ausbildungsgeld erreicht.

Grundbetrag abHöhe mindestens
1. August 201980 EUR
1. Januar 202089 EUR
1. Januar 202199 EUR
1. Januar 2022109 EUR
1. Januar 2023119 EUR

Je nach wirtschaftlicher Situation der Werkstätten kann die Erhöhung des Grundbetrags dazu führen, dass der Steigerungsbetrag für leitungsstärkere Menschen in den Werkstätten geringer ausfällt.

Arbeitsgericht zum Mindestlohn

Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 19.6.2015: „Der gesetzliche Mindestlohn soll Arbeitnehmer vor Niedriglöhnen schützen und existenzsichernde Arbeitsentgelte sichern. Das setzt allerdings reguläre Austauschverhältnisse zwischen Arbeitsleistung und Entgelt voraus und umfasst nicht sozialstaatliche und sozialversicherungsrechtliche Aufgaben zur Teilhabe von schwerbehinderten Menschen am Arbeitsleben. Da für ein Werkstattverhältnis die soziale Betreuung und Anleitung von entscheidender Bedeutung ist, muss dieser Aspekt der angemessenen Vergütung für schwerbehinderte Menschen in Werkstätten berücksichtigt werden. Hierfür sind die Regeln für eine zweipolige Bewertung (Arbeit gegen Vergütung) nicht geeignet. Der Umstand, dass der Beschäftigte ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringt, ist kein Kennzeichen für ein Arbeitsverhältnis, sondern Aufnahmevoraussetzung für die Werkstatt nach § 219 Abs. 2 SGB IX“

Forderungen

Behindertenverbände fordern eine umfassende Reform des „Systems“ der Behindertenwerkstätten. Zum einen die Umsetzung der UN-BRK. Außerdem müssten Behindertenwerkstätten endlich konsequent an ihrem Hauptauftrag, Werkstattbeschäftigte langfristig in Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bringen, gemessen werden. Eine umfassende Darstellung des Werkstatt-Systems hat das Projekt JOBinklusive auf seiner Homepage zusammengestellt.

Quellen: RND, JOBinklusive, SOLEX

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Kostenbeiträge junger Volljähriger

Eine wichtige Neuerung durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) vom Juni 2021, der Reform des SGB VIII ist die Reduzierung der Kostenheranziehung bei jungen Volljährigen von 75 % auf höchstens 25 %.

Hilfe für junge Volljährige

Hilfe für junge Volljährige wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Junger Volljähriger ist nach den Begriffsbestimmungen in § 7 SGB VIII wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist.

Ferienjobs werden nicht herangezogen

Neben Kostenheranziehung von höchstens 25 % wird ein Betrag von 150 Euro des Einkommens aus Schülerjobs bzw. Praktika oder einer Ausbildungsvergütung von der Kostenheranziehung ausgenommen. Einkommen aus Ferienjobs und aus ehrenamtlichen Tätigkeiten werden ebenfalls nicht berücksichtigt.

Aktuelles Monatseinkommen zählt

Für die Ermittlung des Einkommens als Grundlage der Berechnung des Kostenbeitrags von jungen Menschen gilt nicht das durchschnittliche Monatseinkommen des Jahres, das dem Jahr der Leistung vorangeht, sondern das aktuelle Monatseinkommen maßgeblich ist. Damit wird hier von § 93 Abs. 4 SGB VIII abgewichen.

Vermögen unberücksichtigt

Eventuell vorhandenes Vermögen von jungen Erwachsenen wird bei der Kostenbeteiligung nicht berücksichtigt (§ 92 Abs. 1a SGB VIII).

Leistungen mit Kostenbeteiligung

Junge Volljährige können mit ihrem Einkommen zur Kostenbeteiligung herangezogen werden, wenn sie

während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform leben (§ 13 Abs.3 SGB VIII),
bei notwendiger Unterbringung junger Menschen in einer geeigneten Wohnform zur Erfüllung der Schulpflicht und zum Abschluss der Schulausbildung (§ 21 SGB VIII)
bei Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche durch geeignete Pflegepersonen sowie in Einrichtungen über Tag und Nacht und in sonstigen Wohnformen (§ 35a Abs.2 SGB VIII)
bei Hilfe zur Erziehung
– in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII),
– in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform (§ 34 SGB VIII),
– in intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung, sofern sie außerhalb des Elternhauses erfolgt (§ 35 SGB VIII),
– in stationärer Form auf der Grundlage von § 27 SGB VIII

Einkommen

Das zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehende Einkommen wird zur Grundlage für den Einkommenseinsatz genommen.

Definition Einkommen

Einkommen im Sinne dieser Vorschrift sind somit – bis auf wenige Ausnahmen – alle Einkünfte in Geld und Geldeswert. Leistungen, die dem selben Zweck dienen wie Leistungen der Jugendhilfe, sind kein Einkommen, sondern sind unabhängig vom Kostenbeitrag einzusetzen. Dies können zum Beispiel Beihilfen für Kinderbetreuung sein. Zum Einkommen zählen auch nicht Leistungen, die auf Grundlage öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden z. B. Mittel, die zur Gebäudesanierung bestimmt sind (§ 93 Abs. 1 SGB VIII).

Geschwister-Kindergeld

Mit Urteil vom 12.5.2011 hat das Bundesverwaltungsgericht (Az. 5 C 10.10) entschieden, dass der Jugendhilfeträger Geschwisterkindergeld nicht zum Einkommen des Klägers rechnen darf. Kindergeld dient in erster Linie der Sicherung „des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung“ und ist danach eine für das jeweilige Kind bestimmte Leistung.

Mit diesem Zweck ist es unvereinbar, wenn das für Geschwister gezahlte Kindergeld zur Leistung eines Kostenbeitrags zu Jugendhilfemaßnahmen für ein anderes Kind in Anspruch genommen werde. Dies würde zu einer indirekten Kostenbeteiligung der Geschwister führen.

Kindergeld nur bei vollstationären Leistungen

Nur das für ein untergebrachtes Kind selbst gezahlte Kindergeld muss nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§ 93 SGB VIII i.V.m. § 7 Kostenbeitragsverordnung) für die Jugendhilfekosten eingesetzt werden, aber nur bei vollstationären Leistungen.

Abzüge vom Einkommen

Von den Bruttobeträgen des Einkommens werden Steuern, Sozialversicherungsbeträge und angemessene Beiträge für Versicherungen zur Absicherungen im Falle von Alter, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Arbeitslosigkeit angesetzt. So ergibt sich das zu berücksichtigende Nettoeinkommen.

weitere Belastungen

Von diesem Nettoeinkommen werden nun weitere Belastungen abgesetzt. Dabei handelt es sich um weitere Versicherungsbeiträge, Werbungskosten (mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben) und Schuldverpflichtungen. Die Berücksichtigung von Schuldverpflichtungen stellt sicher, dass die planmäßige Abwicklung von Maßnahmen der Schuldenregulierung durch die Berechnung von Kostenbeiträgen zu Maßnahmen der Jugendhilfe nicht gefährdet wird.

Diese Belastungen werden ohne Nachweis mit 25 % des Nettoeinkommens angerechnet. Soweit höhere Aufwendungen bestehen, müssen diese nachgewiesen werden. Sie können im Rahmen einer Billigkeitsprüfung anerkannt werden (vgl. § 93 Abs. 3 SGB VIII).

Quelle: SOLEX

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Regelsatzverordnung für 2022

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat den Entwurf einer Verordnung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2022 (RBSFV 2022) vorgelegt. Die Regelsätze sollen demnach so aussehen:

Regelbedarfsstufen nach § 28 in Euro

Gültig

ab
Regel
bedarfs
stufe 1
Regel
bedarfs
stufe 2
Regel
bedarfs
stufe 3
Regel
bedarfs
stufe 4
Regel
bedarfs
stufe 5
Regel
bedarfs
stufe 6
1.1.2022449404360376311285
Das wären in allen Stufen jeweils 3 Euro mehr als 2021,
Kinder unter 6 Jahren bekommen nur einen Zuschlag von 2 Euro.

Gesetzeskonforme Berechnung der Regelsätze

Grundlage für die Regelbedarfsermittlung ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die alle fünf Jahre vom Statistischen Bundesamt durchgeführt wird. Die EVS liefert statistische Angaben zu den Lebensverhältnissen der privaten Haushalte in Deutschland, insbesondere über deren Einkommens-, Vermögens- und Schuldensituation sowie die Konsumausgaben.
In Jahren, für die keine Neuermittlung von Regelbedarfen nach § 28 SGB XII erfolgt – so wie im letzten Jahr – wird eine Fortschreibung der Regelbedarfsstufen vorgenommen.
Die Höhe der jährlichen Fortschreibung der Regelbedarfsstufen ergibt sich aus der Berücksichtigung der Veränderungsraten zweier Größen, nämlich der Preisentwicklung regelbedarfsrelevanter Güter und Dienstleistungen einerseits und der Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer andererseits (§ 28a SGB XII). Beide Entwicklungen münden in einen Mischindex, an dem die Preisentwicklung einen Anteil von 70 Prozent und die Nettolohn- und -gehaltsentwicklung einen Anteil von 30 Prozent hat.

  • Die Entwicklung der regelbedarfsrelevanten Preise beträgt +0,1 Prozent.
  • Die entsprechende Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer beläuft sich auf +2,31 Prozent.

Die Veränderungsrate für die Fortschreibung der Regelbedarfe beträgt demnach

70 Prozent von 0,1% = 0,07%
plus
30 Prozent von 2,31% = 0,69%
gleich:
0,76%.

Die aktuelle Berechnung ergibt also eine Erhöhung um 0,76%. Danach muss der Regelsatz 2022 für alleinstehende Erwachsene von 446 Euro auf 449 Euro steigen.

Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf

Der nach § 34 Absatz 3 SGB XII anzuerkennende Teilbetrag für ein erstes Schulhalbjahr eines Schuljahres wird kalenderjährlich mit dem in der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung bestimmten Prozentsatz fortgeschrieben. Der fortgeschriebene Wert wird kaufmännisch gerundet. Entsprechend steigt der Teilbetrag von bisher 103 Euro für das erste Schulhalbjahr auf 104 Euro (1,0076 X 103 Euro = 103,7828 Euro)). Der Betrag für das zweite Schulhalbjahr steigt dadurch auf 52 Euro.

Blanker Hohn

Der Paritätische hatte bereits früh vor einer ungenügenden Fortschreibung gewarnt und die zu geringe Erhöhung öffentlich kritisiert und die minimale Erhöhung gerade für Kinder als „blanken Hohn“ bezeichnet. Die Steigerung falle geringer aus als die Inflationsrate.

Quellen: BMAS, Paritätische

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Verbesserungen beim Elterngeld

Für Eltern, deren Kinder seit dem 1. September 2021 geboren sind, gelten nun die Änderungen im Elterngeldgesetz. Das Bundesfamilienministerium veröffentlichte dazu eine Pressemitteilung.

Wesentliche Änderungen

Mehr Teilzeitmöglichkeiten

  • Die während des Elterngeldbezugs und der Elternzeit zulässige Arbeitszeit wird von 30 auf 32 Wochenstunden – also auf volle vier Arbeitstage – angehoben.
  • Auch der Partnerschaftsbonus, der die parallele Teilzeit beider Eltern unterstützt, kann künftig mit 24–32 Wochenstunden (statt mit bisher 25–30 Wochenstunden) bezogen werden und wird auch sonst an vielen Stellen vereinfacht und flexibler gestaltet.
  • Eltern, die während des Elterngeldbezugs Teilzeit arbeiten, nur im Ausnahmefall nachträglich Nachweise über ihre Arbeitszeit erbringen. Ab jetzt wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die im Antrag angegebenen Arbeitsstunden nicht überschritten werden.

Länger Elterngeld für Frühchen

Kommt das Kind sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin oder früher auf die Welt, erhalten Eltern zusätzliche Monate Elterngeld, um in dieser herausfordernden Situation mehr Zeit für das Kind zu haben. Damit fokussiert das Elterngeld stärker als zuvor den individuellen zeitlichen Bedarf und unterstützt mehr Eltern, sich um ihr Kind in dieser besonderen Lebenssituation zu kümmern. Bis zu vier zusätzliche Monate Basiselterngeld sind möglich, abhängig vom Geburtstermin:

  • bei einer Geburt mindestens 6 Wochen vor dem errechneten Termin:
    1 zusätzlicher Monat Basiselterngeld
  • bei einer Geburt mindestens 8 Wochen vor dem errechneten Termin:
    2 zusätzliche Monate Basiselterngeld
  • bei einer Geburt mindestens 12 Wochen vor dem errechneten Termin:
    3 zusätzliche Monate Basiselterngeld
  • bei einer Geburt mindestens 16 Wochen vor dem errechneten Termin:
    4 zusätzliche Monate Basiselterngeld

Verwaltungsvereinfachungen 

Einnahmen von Eltern mit geringen selbständigen Nebeneinkünften werden auf Antrag besser im Elterngeld berücksichtigt.

Einkommensgrenzen

Nur noch Eltern, die gemeinsam 300.000 Euro oder weniger im Jahr verdienen, erhalten Elterngeld.  Bisher lag die Grenze für Paare bei 500.000 Euro. Für Alleinerziehende liegt die Grenze weiterhin bei 250.000 Euro.

Quelle: BMFSFJ

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Drei-Stufen-Plan zur Inklusion

Mit der Reform des SGB VIII, also der Kinder- und Jugenhilfe, sollen bis 2028 die Zuständigkeiten der Leistungen für junge Menschen mit Behinderungen unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe im SGB VIII zusammengeführt werden. Dies wird als „Inklusive Lösung“ bezeichnet.

Debatte sei 2012

Die Diskussion um eine Gesamtzuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für alle jungen Menschen, ob mit oder ohne Behinderung wird eigentlich schon seit Einführung des SGB VIII im Jahr 2012 geführt. Auf dem Weg zu einem inklusiven Leistungssystem ist man seitdem noch nicht vorangekommen.

Nach langer Debatte und mehreren vergeblichen Anläufen soll dies nun das im Juni verabschiedetete „Kinder- und Jugendstärkungsgesetz“ (KSJG) richten. Das KSJG beschreibt einen Fahrplan, wie die Inklusive Lösung bis 2028 zu erreichen ist.

Warum Inklusive Lösung?

Inklusion beinhaltet das Wahrnehmen und Anerkennen unterschiedlicher Bedürfnisse, die aus vielfältigen Lebenskontexten entstehen. Gesellschaftliche und staatliche Aufgabe ist es, dabei Teilhabebarrieren, soziale Ausgrenzungen und strukturelle Benachteiligungen abzubauen. Diese können schon allein durch die bestehende Zuständigkeeitsspaltung zwischen der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung im SGB IX und der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit seelischer Behinderung im SGB VIII entstehen.

Wer ist betroffen?

360 000 Kinder und Jugendliche haben eine seelische, geistige oder körperliche Behinderung. Bisher ist die Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII nur für Leistungen der Eingliederungshilfe für rund 100 000 Kinder mit einer seelischen Behinderung zuständig. Ca. 260 000 Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung sind dem Träger der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX zugewiesen (vgl. BT-Drs. 19/26107, S. 42).

Die erste Stufe

Die erste Stufe sieht die Gestaltung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe und die Bereinigung der insbesondere zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Eingliederungshilfe bestehenden Schnittstellen vor. Diese Regelungen traten unmittelbar am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft und umfassen insbesondere:

  • Verankerung des Leitgedankens der Inklusion auf Grundlage der VN-BRK bezogen auf die Kinder- und Jugendhilfe insgesamt und in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen,
  • Weiterentwicklung der inklusiven Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege,
  • Zusammenarbeit der Sozialleistungsträger beim Zuständigkeitsübergang,
  • Beratung zu Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie zur Orientierung an den Schnittstellen zu anderen Leistungssystemen
  • fallbezogene Zusammenarbeit im Teilhabe-, Gesamt- und Hilfeplanverfahren.

Die zweite Stufe

Die zweite Stufe sieht die Einführung der Funktion eines „Verfahrenslotsen“ beim Jugendamt im Jahr 2024 vor (vgl. § 10b SGB VIII, gültig ab 1.1.2024). Eltern und andere Erziehungsberechtigte sowie junge Menschen bekommen somit einen verbindlichen Ansprechpartner und werden von einer einzigen Stelle durch das gesamte Verfahren begleitet. Möglich ist aber auch, dass Modellprojekte in den Bundesländern bereits jetzt weitergeführt werden bzw. Bundesländer Verfahrenslotsen bereits früher einführen.

Einen Zwischenschritt bei der Umsetzung der zweiten Stufe markiert die Verkündung eines Bundesgesetzes bis spätestens 01.01.2027. Es muss (mindestens)

  • konkrete Regelungen zum leistungsberechtigten Personenkreis,
  • zu Art und Umfang der Leistung,
  • zum Verfahrensrecht und zur Kostenbeteiligung enthalten.

Grundlagen für die Ausgestaltung dieses Bundesgesetzes sollen die Ergebnisse einer prospektiven Gesetzesfolgenabschätzung und einer (wissenschaftlichen) Umsetzungsbegleitung sein. Wenn es dieses Bundesgesetz bis zum 01.01.2027 gibt, kann die dritte Stufe verwirklicht werden.

Die dritte Stufe

Sie sieht die Übernahme der vorrangigen Zuständigkeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen der Eingliederungshilfe auch an junge Menschen mit (drohenden) körperlichen oder geistigen Behinderungen, die nach derzeitiger Rechtslage Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) Teil 2 erhalten, im Jahr 2028 vor.

Quellen: Bundestag, SOLEX, Walhalla Fachredaktion Kinder- und Jugendstärkungsgesetz: Weiterentwicklung des SGB VIII

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Ombudstellen

Das Wort Ombud ist abgeleitet von dem altnordischen Begriff für ‚Auftrag‘ oder ‚Vollmacht‘. Ein Ombudsmann bzw. Ombudsfrau oder Ombudsperson erfüllt die Aufgabe einer unparteiischen Schiedsperson. In Deutschland gibt es mit den ‚Beauftragten‘ (Wehrbeauftragter, Gleichstellungsbeauftragter, Behindertenbeauftragter) schon mehrere bei der Bundes-, oder Landesregierung oder kommunalen Verwaltungen angesiedelte Stellen, deren Aufgabe als Vermittler zwischen Bürger*innen und Staat den Ombudspersonen ähnelt.

Ombudsstellen in der Kinder- und Jugendhilfe

§ 9a SGB VIII

Mit dem Inkrafttreten des Kinderjugendstärkungsgesetz (KJSG) am 10. Juni 2021 ist erstmals die verbindliche Einrichtung von unabhängigen, fachlich nicht weisungsgebundenen Ombudsstellen durch die Länder gesetzlich geregelt.

Zu finden sind die Ombudsstellen über das „Bundesnetzwerk Ombudschaft Kinder- und Jugendhilfe“. Dort findet man die Ombudsstellen der Budesländer.

Entwicklung

Initiativen zur ombudschaftlichen Beratung und Unterstützung, die seit einigen Jahren die herkömmlichen Beratungs- und Unterstützungsangebote der Kinder- und Jugendhilfe ergänzen, sind aus dem wachsenden Bewusstsein entstanden, dass die Kinder- und Jugendhilfe in besonderer Weise von einer strukturellen Machtasymmetrie zwischen professionellen Helfern und Hilfe- bzw. Leistungsempfängern geprägt ist.

Die erste Ombudsstelle, Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e.V., wurde 2002 gegründet; in den folgenden Jahren entstanden weitere Ombudsstellen und Initiativen mit dem Ziel Betroffene in der Sicherstellung ihrer Rechte zu unterstützen. Anlass für diese Entwicklung, insbesondere in Berlin, waren die drastischen Kürzungen öffentlicher Ausgaben in der Kinder- und Jugendhilfe, die dazu führten, dass es Personensorgeberechtigten (Anspruchsberechtigte bei Hilfen zur Erziehung) und jungen Volljährigen sehr schwer gemacht oder gar verwehrt wurde, ihren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB VIII zu realisieren.

Schwerpunkte

In der Arbeit der Beschwerde- und Ombudsstellen in der Jugendhilfe sind heute zwei Schwerpunkte zu beobachten:

  1. die Unterstützung der Ratsuchenden zur Sicherstellung ihrer Rechte bei der Leistungsgewährung durch ein Jugendamt und
  2. die Unterstützung während der Leistungserbringung durch einen Träger der freien Jugendhilfe.

Die Ombudsstellen dienen als Anlaufstellen für junge Menschen und ihre Familien zur Vermittlung und Klärung von Konflikten im Kontext sämtlicher Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe. Zum Aufgabenprofil der Ombudsstellen gehört die Beratung junger Menschen und ihrer Familien im Kontext der Vermittlung und Klärung von Konflikten zwischen Leistungsträgern und Leistungsempfängern, nicht jedoch die allgemeine Beratung.

Vorgaben

Die Länder sind verpflichtet – vorbehaltlich Artikel 84 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz (Bundesaufsicht bei landeseigener Verwaltung) – zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Infrastruktur Ombudsstellen einzurichten. Dabei ist zu gewährleisten, dass im Hinblick auf den Gesamtbestand und die jeweilige Ausstattung ausreichend Ombudsstellen zur Verfügung stehen, um den Bedarf junger Menschen und ihrer Familien nach ombudsschaftlicher Beratung und Unterstützung zu befriedigen.

Unabgängig – nicht weisungsgebunden

Ombudsstellen müssen unabhängig arbeiten und dürfen fachlich nicht weisungsgebunden sein, damit die mit der verbindlichen Einrichtung von Ombudsstellen intendierte Stärkung unterstützender Strukturen zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien realisiert werden kann. Nur dann ist ein niedrigschwelliger Zugang für die betroffenen Eltern, Kinder und Jugendlichen sichergestellt und kann eine für die Beratung, Unterstützung und Aufarbeitung häufig sehr komplexer Fallkonstellationen notwendige Vertrauensbasis und Akzeptanz entstehen.

Verpflichtung der Länder

Die Verpflichtung zur Errichtung einer zentralen Ombudsstelle wird in § 9a Satz 4 SGB VIII bei den Ländern geregelt, die nun gefordert sind, bedarfsgerecht regionale Ombudsstellen einzurichten. Gleichzeitig ermöglicht der Landesvorbehalt, dass schon bestehende „ombudschaftliche“ Strukturen erhalten bzw. weiterentwickelt werden können. Für den Aufbau der Ombudsstellen wird ein Erfüllungsaufwand von 108 Tsd. Euro veranschlagt, für den Unterhalt der Ombudsstellen auf regionaler Ebene wird ein jährlicher Aufwand von 26 Mio. Euro geschätzt (Drs. 19/26107, S. 61).

Quellen: Bundestag, SOLEX, Walhalla Fachredaktion Kinder- und Jugendstärkungsgesetz: Weiterentwicklung des SGB VIII

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Grundrente – Ärger mit Ansage

„Intransparent und für Laien nicht zu durchschauen! Grundrente startet mit vorhersehbaren Mängeln“ – so titelt die Pressemitteilung des Bundesverbandes der Rentenberater e.V. Er sieht deutlichen Verbesserungsbedarf bei Umsetzung der Grundrentenzuschläge.

Das „neue Grundrente“ ist zwar schon seit Januar 2021 in Kraft; seit Juli treffen nun die ersten Bescheide mit den errechneten Grundrentenzuschlägen ein. Aber: diese Bescheide erweisen sich als intransparent und nicht nachvollziehbar: „Leider bestätigt sich unsere Befürchtung, dass überhaupt nicht klar wird, wie die Zuschläge zustande kommen. Die Grundlagen für die Berechnung sind schlicht nicht aufgeführt und damit auch nicht nachvollziehbar. Die Betroffenen sollen offenbar dankbar nehmen was kommt und keine (weiteren) Fragen stellen.“, so Anke Voss, die Präsidentin des Bundesverbands der Rentenberater e.V.

Dieses Manko sei auch bei den regulären Bescheiden seit einiger Zeit bemerkbar, auch ihnen fehlen nun Berechnungsinformationen. Die Deutsche Rentenversicherung habe die Bescheide in einem mehrstufigen Prozess dahingehend ‚optimiert‘, was sowohl von Verbänden als auch von den Landessozialgerichten moniert worden sei.

In der gegenwärtigen Ausgestaltung können nur Experten überprüfen, ob wirklich alle infrage kommenden Zeiten des Arbeitslebens berücksichtigt und die Berechnungen korrekt ausgeführt wurden.

„Allem Anschein nach ist eine Überprüfung der Grundrentenzuschläge schlicht nicht gewollt. Zumindest sind die Hürden so hoch, dass sich viele Betroffene vermutlich einfach damit zufriedengeben werden.“, bedauert Voss.

Die Höhe des Grundrentenzuschlages hänge von sehr vielen, unterschiedlichen Faktoren ab. Betroffene können viele wichtige Aspekte erst erkennen, wenn es vielleicht schon zu spät ist – nämlich, wenn sie in Rente gehen. Mit entsprechendem Vorlauf lassen sich allerdings vor dem Renteneintritt noch die richtigen Weichen stellen.

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Der neue Grundrentenzuschlag

Anspruchsvoraussetzungen – Berechnung – Verhältnis zu anderen Leistungen

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