Teilhabestärkungsgesetz im Bundesrat

Nach dem Bundestag hat am 28. Mai 2021 auch der Bundesrat dem Teilhabestärkungsgesetz zugestimmt, um Teilhabechancen für Menschen mit Behinderungen in deren Alltag und Arbeitsleben zu verbessern.

Mehr zu den Inhalten des Gesetzes

Bundesrat will Kostenbeteiligung

Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vom 26. März 2021, BR-Drucksache 129/21 (Beschluss) gefordert, Artikel 7 Nummer 15 des Teilhabstärkungsgesetzes (samt Folgeänderungen) zunächst aus dem Gesetz auszuklammern, da die Ausarbeitung der Rechtsverordnung, die zur Umsetzung des veränderten § 99 SGB IX erforderlich ist, noch aussteht. Diese Rechtsverordnung wird den leistungsberechtigten Personenkreis wesentlich bestimmen und sollte daher nicht losgelöst von der Gesetzesänderung betrachtet werden. Darauf hatten bereits die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder am 26. November 2020 einstimmig hingewiesen.
Der Bund hat sich entschieden, dieser Forderung der Länder nicht zu entsprechen. Da aber Kostenfolgen für Länder und Kommunen nicht überblickt werden können, solange der Inhalt der Rechtsverordnung zum leistungsberechtigten Personenkreis nicht feststeht, ist der Bund gefordert, etwaige Mehrkosten auszugleichen.

Arbeisgruppe „Leistungsberechtigter Personenkreis“

Der neue § 99 ist also in Kraft. Der Wortlaut entspricht dem Vorschlag der Arbeitsgruppe „Leistungsberechtigter Personenkreis“.

Keine Veränderung des Personenkreises

Nach intensiven Erörterungen im Gesetzgebungsverfahren des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wurde mit Artikel 25a BTHG für § 99 SGB IX eine Regelung zur Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises in der Eingliederungshilfe (SGB IX Teil 2) aufgenommen, die durch ein späteres Bundesgesetz konkretisiert und zum 1. Januar 2023 in Kraft gesetzt werden sollte. Zuvor sollte durch eine wissenschaftliche Untersuchung und eine modellhafte Erprobung der Regelung u. a. ihre Vereinbarkeit mit dem übergeordneten gesetzgeberischen Ziel – keine Veränderung des leistungsberechtigten Personenkreises – überprüft werden. Da die in den Jahren 2017 und 2018 durchgeführte wissenschaftliche Untersuchung zu dem Ergebnis geführt hat, dass die im BTHG vorgesehene Regelung zu einer Veränderung des leistungsberechtigten Personenkreises führen würde, ist dieses Konzept hinfällig.

Angleichung an UN-BRK und ICF

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2018 einen partizipativen Beteiligungsprozess initiiert, um ein alternatives Konzept zu Artikel 25a § 99 BTHG zu entwickeln. Die sich in diesem Rahmen gebildete Arbeitsgruppe „Leistungsberechtigter Personenkreis“ hat sich 2019 auf ein Konzept verständigt, wonach die Kriterien für die Berechtigung zu Leistungen der Eingliederungshilfe durch Orientierung an den Begrifflichkeiten der UN-BRK und der ICF angepasst werden sollen. In diesem Konzept ist – wie im alten Recht der Eingliederungshilfe – neben einer gesetzlichen Regelung eine diese Regelung konkretisierende Rechtsverordnung vorgesehen. Der von der Arbeitsgruppe ausgearbeitete Vorschlag der gesetzlichen Regelung wird nun umgesetzt.

Ziel der Arbeitsgruppe

Ziel der Arbeitsgruppe war es, dass sich Vertreterinnen und Vertreter der Menschen mit Behinderungen, der kommunalen Leistungsträger, der Leistungserbringer und der Länder sowie Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und Praxis auf die Grundzüge eines Modells zur Ausgestaltung des leistungsberechtigten Personenkreises verständigen. 

Die konkreten Vorschläge zur künftigen Ausgestaltung der Regelungen des Leistungszugangs stehen vor dem Hintergrund, dass sich der leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe nicht verändern soll.

Zentrale Ergebnisse

  • Die Kriterien für den Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe werden so angepasst, dass sie sich an den Begrifflichkeiten der UN-BRK und der ICF orientieren.
  • Neben der gesetzlichen Regelung im künftigen § 99 SGB IX wird es eine konkretisierende Rechtsverordnung geben.
  • Für einen Rechtsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe ist auch künftig das Vorliegen einer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX nicht ausreichend. Zusätzlich muss ein weiteres Kriterium erfüllt sein.
  • Der Begriff der „wesentlichen“ Behinderung, der für einen Zugang zu Eingliederungshilfeleistungen erforderlich ist, wird künftig legal in § 99 Abs. 1 SGB IX definiert.
  • Liegt keine „wesentliche“ Behinderung vor, können Personen mit einer anderen geistigen, seelischen, körperlichen oder Sinnesbehinderung auch künftig Leistungen der Eingliederungshilfe im Ermessensweg erhalten.
  • Entscheidend für das Vorliegen einer „wesentlichen“ Behinderung ist, dass die Beeinträchtigung in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren zu einer wesentlichen Einschränkung der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft führt, statt, wie in den bisherigen Regelungen formuliert, zur Einschränkung der Teilhabefähigkeit.

Nächstes Ziel: Verordnung

Eine vollständige Einigung des Verordnungstextes konnte im Rahmen der Arbeitsgruppe nicht mehr erreicht werden. Zur Klärung der verbliebenen offenen Fragen soll ein Folgeprozess stattfinden.

Umfassende Berichterstattung zum Bundesteilhabegestz und dessen Umsetzung finden Sie hier.

Quellen: Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht, umsetzungsbegleitung-bthg.de

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Sparen durch Bürokratie?

Seit es das Bildungs- und Teilhabepaket gibt, also seit zehn Jahren, verstummt die Kritik nicht, es sei zu kompliziert und bürokratisch, zu undurchschaubar und komme bei den betroffenen Familien mit Hartz IV-Bezug nicht an, obwohl der Anspruch besteht.

Abschreckung durch Antrag

Auch beim Inkrafttreten des „Starke Familien-Gesetzes“ vor drei Jahren war dies einer der Hauptkritikpunkte. Dabei sollte gerade dieses Gesetz dafür sorgen, dass die Leistungen besser angenommen würden. Viel hat sich nicht geändert. Immer noch weiß ein Großteil der Betroffenen gar nicht, worauf sie Anspruch hätten und wenn sie dann doch den Antrag vor sich liegen haben, schreckt dieser durch seine Unmengen an oft nicht verständlichen Fragen und verlangten Nachweisen ab.

Die Bundesagentur für Arbeit hat nun eine Statistik für das Jahr 2020 veröffentlicht, in welchem Umfang Leitungsberechtigte die Leistungen überhaupt abrufen. Insgesam sind etwa zwei Millionen Kinder unter 15 Jahre leistungsberechtigt, davon erhielten aber nur 55 Prozent Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket.

Beispiele:

  • 7,3 % aller leistungsberechtigten Schüler*innen bekam Geld für einen eintägigen Schulausflug,
  • 11,1 % für Lernförderung (Nachhilfe),
  • 14,7 % Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben, z. B. Vereinsbeiträge.

Nur SGB II-Berechtigte in der Statistik

Nicht enthalten in der Statistik der Bundesagentur sind u. a. Daten über leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche aus Familien, die Asylbewerberleistungen, Wohngeld oder den Kinderzuschlag erhalten. Die Bundesagentur für Arbeit weist zudem darauf hin, dass ihre Zahlen aus methodischen Gründen nicht geeignet seien, genaue Inanspruchnahme-Quoten des Bildungs- und Teilhabepakets zu errechnen. Aus Sicht von Experten zeigen sie dennoch eindeutig, dass das Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu viele Kinder nicht erreicht.

Ansprüche eindampfen

Vielleicht hat der Sozialwissenschaftler Stefan Sell recht. Er betreibt den Blog Aktuelle Sozialpolitik und schreibt: „Das komplexe System ist letztendlich nur erklärbar mit der Zielsetzung, die Inanspruchnahme dieser Rechtsanspruchsleistungen einzudampfen und darüber Geld einzusparen.“

Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Tagesschau, Monitor

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Entgeltsystem in Werkstätten

In Deutschland arbeiten mehr als 300.000 Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). WfbM sollen unterschiedliche Funktionen erfüllen (§ 219 SGB IX, rehabilitative Funktion, soziale Funktion, wirtschaftliche Funktion, Inklusionsfunktion), die auch in einem Spannungsverhältnis zueinanderstehen können. In der Diskussion stehen insbesondere die Vergütung der Tätigkeiten in WfbM und deren Öffnung zum allgemeinen Arbeitsmarkt. 

Auftrag des Bundestags

Schon 2019 hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, „innerhalb von vier Jahren unter Beteiligung der Werkstatträte, der BAG WfbM, der Wissenschaft und weiterer maßgeblicher Akteure zu prüfen, wie ein transparentes, nachhaltiges und zukunftsfähiges Entgeltsystem entwickelt werden kann.“

Studie des ISG

Dazu hat das BMAS das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) beauftragt eine entsprechende Studie zu erstellen. Begleitet wird die Studie von einer Steuerungsgruppe, die bei den wesentlichen Weichenstellungen des Projekts und bei der Erstellung der Berichte einbezogen werden soll. Die Steuerungsgruppe besteht aus Vertretern der Ministerien, der Freien Wohlfahrtspflege, des Deutschen Behindertenrats, Werkstatträten, Trägervertretern und Vertretern der Werkstätten für behinderte Menschen (u. a.).

Vierte Sitzung der Steuerungsgruppe

Mitte Mai fand die vierte  Sitzung der Steuerungsgruppe statt. Beratungsgegenstand der vierten Sitzung war der Entwurf eines Fragebogens, der an ca. 1800 Werkstattbeschäftigte im Arbeitsbereich und ca. 600 Teilnehmer im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich versendet werden soll. Er enthält vor allem Aspekte zur Einschätzung der aktuellen Einkommenssituation sowie zu Wünschen und Vorstellungen hinsichtlich Veränderungsmöglichkeiten.

Wie ist die Situation?

Die Werkstätten zahlen aus ihrem Arbeitsergebnis an die im Arbeitsbereich beschäftigten Menschen mit Behinderung ein Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften Menschen mit Behinderung im Berufsbildungsbereich leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzt. Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung der Menschen mit Behinderung, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte.

  • Grund-Betrag: Der Grund-Betrag beträgt seit Januar 2021 mindestens 99 Euro monatlich. Jede Person im Arbeits-Bereich bekommt den gleichen Grund-Betrag.
  • Steigerungs-Betrag: Der Steigerungs-Betrag für Werkstatt-Beschäftigte ist unterschiedlich hoch. Es gibt verschiedene Modelle, die mit dem jeweiligen Werkstatt-Rat abgestimmt werden.
  • Arbeits-Förderungs-Geld: Das Arbeits-Förderungs-Geld heißt kurz auch: AFöG. Viele Beschäftigte bekommen im Arbeits-Bereich ein zusätzliches Arbeits-Förderungs-Geld von derzeit 52 Euro monatlich.

Unterhalb des Mindestlohns

Selbst mit dem Steigerungsbetrag liegt das Entgelt in einer WfbM weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn. Die meisten Beschäftigten dort sind auf Leistungen der Grundsicherung oder auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung angewiesen. Renten- und Krankenkassen-Beiträge müssen sie nicht bezahlen.

Neues Entgeltsystem

Anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai forderte die Bundesvereinigung Lebenshilfe ein neues System der Entlohnung für Menschen mit Beeinträchtigung, die in Werkstätten beschäftigt sind. Einkommensmodelle sollten so weiterentwickelt werden, dass Werkstattbeschäftigte von ihrem Entgelt leben können und nicht auf weitere existenzsichernde Leistungen angewiesen sind. Auch soll das Entgeltsystem gut verständlich und transparent sein.

Quelle: eu-schwerbehinderung.eu, Lebenshilfe, ISG, BMAS

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BAföG-Bedarfssatz vor Gericht

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 20.5.2021 entschieden, dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Vereinbarkeit des Bedarfssatzes mit den Bestimmungen des Grundgesetzes zur Entscheidung vorzulegen.

Anspruch auf Existenzminimum

Die Regelung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG), nach der im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 ein monatlicher Bedarf für Studierende in Höhe von 373 Euro galt (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG), verstößt nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts gegen den aus dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf chancengleichen Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten folgenden Anspruch auf Gewährleistung des ausbildungsbezogenen Existenzminimums (Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG – in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG). 

Soziale Gegensätze ausgleichen

Dieses Teilhaberecht verpflichtet den Gesetzgeber, für die Wahrung gleicher Bildungschancen Sorge zu tragen und im Rahmen der staatlich geschaffenen Ausbildungskapazitäten allen entsprechend Qualifizierten eine (Hochschul-) Ausbildung in einer Weise zu ermöglichen, die den Zugang zur Ausbildung nicht von den Besitzverhältnissen der Eltern abhängig macht, sondern ihn so gestaltet, dass soziale Gegensätze hinreichend ausgeglichen werden und soziale Durchlässigkeit gewährleistet wird.

Ermittlung des Bedarfssatzes

Konkret geht es um die Ermittlung des Bedarfssatzes. Somit hat die Vorlage des BVerwG eine grundsätzliche Bedeutung, auch wenn es im konkreten Fall um eine Berechnung aus dem Jahr 2016 ging.

Das Deutsche Studentenwerk erklärt dazu, dass es seit Jahren die Bundesregierung auffordert, den Bedarfssatz der Studierenden empirisch sauber festzustellen und nicht einfach von Jahr zu Jahr fortzuschreiben. Nach den Berechnungen einer Anfang 2019 vom DSW vorgestellten Studie zur Ermittlung der Lebenshaltungskosten von Studierenden hätte der BAföG-Grundbedarf bereits im Jahr 2016 zwischen 500 und 550 Euro im Monat betragen müssen.

Das BVerwG führt dazu aus, dass dem Gesetzgeber dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe und dass das tatsächliche Gebrauchmachen von dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht nicht an einer unzureichenden finanziellen Ausstattung von Ausbildungswilligen scheitert. 

Kein taugliches Berechnungsverfahren

Die Ermittlung des Bedarfssatzes unterliegt der Prüfung, ob der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat. Dieser Prüfung hält der streitige Bedarfssatz nicht stand. Eine den vorgenannten Anforderungen gerecht werdende Festsetzung kann unter anderem deshalb nicht nachvollzogen werden, weil das gewählte Berechnungsverfahren im Unklaren lässt, zu welchen Anteilen der Pauschalbetrag auf den Lebensunterhalt einerseits und die Ausbildungskosten andererseits entfällt und diese abdecken soll. Zudem fehlt es an der im Hinblick auf die Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten gebotenen zeitnahen Ermittlung des entsprechenden studentischen Bedarfs. Hier lag der Festsetzung aus dem Jahre 2010, die bis 2016 galt, eine Erhebung aus dem Jahr 2006 zugrunde.

Strukturelle BAföG-Reform

Die BAföG-Novellierungen der vergangenen Jahre holten nicht auf, so das DSW, was man in der Vergangenheit versäumt habe. 2012 gab es 671.000 BAföG-geförderte Studierende; 2019 waren es noch 489.000. Deshalb fordert das DSW, die Elternfreibeträge so schnell wie möglich um weitere 15 Prozent zu erhöhen.

Das DSW fordert eine grundlegende, strukturelle BAföG-Reform:

  • BAföG an die Lebens- und Studienrealität anpassen
  • die Förderungshöchstdauer nicht mehr an die Regelstudienzeit koppeln
  • Altersgrenzen weg
  • Förderung in Richtung Vollzuschuss.

Bundesverfassungsgericht muss entscheiden

Weil das Bundesverwaltungsgericht als Fachgericht nicht befugt ist, die Verfassungswidrigkeit eines Parlamentsgesetzes selbst festzustellen, hat es das Revisionsverfahren ausgesetzt und die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Quellen. Bundesverwaltungsgericht, DGB, Deutsches Studentenwerk

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Kein Ende des Transsexuellengesetzes

Das Transsexuellengesetz ist mittlerweile 40 Jahre alt. Seitdem hat das Bundesverfassungsgericht einzelne Vorschriften des Gesetzes bereits sechs Mal für verfassungswidrig erklärt. Auch weitere Vorschriften des TSG stehen verfassungsrechtlich in der Kritik, wie der psycho-pathologisierende Begutachtungszwang.

Verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat im Oktober 2017 den Gesetzgeber dazu aufgefordert, bis Ende 2018 eine Neuregelung des Personenstandsrechts auf den Weg zu bringen, eine dritte Option beim Geschlechtseintrag einzuführen oder gänzlich auf einen Geschlechtseintrag zu verzichten (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017, 1 BvR 2019/16). In seiner Urteilsbegründung wird die Selbstbestimmung als Persönlichkeitsrecht eines Menschen klar in den Vordergrund gestellt.

Die CDU/SPD Koalition ist bisher an dem Vorhaben gescheitert. Dafür legten FDP und Grüne jeweils einen Gesetzentwurf vor.

Gesetzentwurf der FDP

Die FDP-Fraktion will mit ihrem Gesetzentwurf „zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung“ (19/20048) das aktuelle Transsexuellengesetz und den Paragrafen 45b des Personenstandsgesetzes abschaffen und durch ein „Gesetz zur Selbstbestimmung über die Geschlechtsidentität“ ersetzen. Wie die Fraktion ausführt, haben Menschen, deren Geschlechtsmerkmale nicht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen, in Deutschland die Möglichkeit, sich medizinisch und juristisch einer Transition zu unterziehen.

Das juristische Änderungsverfahren werde durch das 1981 in Kraft getretene Transsexuellengesetz normiert, das zwei Optionen für Menschen vorsehe, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt: die Änderung des Namens sowie die formelle Änderung der Geschlechtszugehörigkeit über den Personenstand. Voraussetzung für die Änderung des Namens seien nach derzeitiger Rechtslage zwei Gutachten von Sachverständigen, die mit diesem Gebiet ausreichend vertraut und voneinander unabhängig tätig sind.

Zugleich verweisen die Abgeordneten darauf, dass es seit 2018 Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung in Deutschland möglich sei, über den Paragraf 45 b des Personenstandsgesetzes Vornamen und Geschlechtseintrag der eigenen Geschlechtsidentität entsprechend anzupassen. Laut Bundesregierung und Urteil des Bundesgerichtshofs (XII ZB 383/19) sei die Anwendung dieses Paragrafen jedoch auf intergeschlechtliche Personen beschränkt.

Gesetzentwurf der Grünen

Wie die Fraktion ausführt, hat das Parlament mit der Änderung des Personenstandsgesetzes Anfang 2019 eine dritte Option beim Geschlechtseintrag („divers“) geschaffen, doch sei beanstandet worden, dass „die Entscheidung über den Geschlechtseintrag von der Vorlage eines ärztlichen Attestes abhängig gemacht wird“. Zudem bleibe unklar, „ob das Gesetz transsexuelle, transgeschlechtliche und transidente Menschen ausschließt, die sich immer noch durch das unwürdige Verfahren nach dem Transsexuellengesetz quälen müssen“.

Das Transsexuellengesetz stelle für die Änderung der Vornamen und die Berichtigung des Geschlechtseintrages entsprechend der selbst bestimmten Geschlechtsidentität „unbegründete Hürden auf, die das Selbstbestimmungsrecht in menschenunwürdiger Weise beeinträchtigen“. Darüber hinaus verweisen die Abgeordneten darauf, dass in Deutschland an intergeschlechtlichen Kindern immer noch genitalverändernde Operationen vorgenommen würden, „die medizinisch nicht notwendig sind“.

Dem Entwurf (19/19755) zufolge soll das Transsexuellengesetz durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt und im Personenstandsgesetz klargestellt werden, „dass alle Menschen eine Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei einem Standesamt abgeben können“. Zudem soll das Selbstbestimmungsgesetz genitalverändernde chirurgische Eingriffe bei Kindern verbieten sowie unter anderem „einen Anspruch auf Achtung des Selbstbestimmungsrechts bei Gesundheitsleistungen“ statuieren, Bund, Länder und Kommunen zum Ausbau der bisherigen Beratungsangebote verpflichten und eine „Regelung für trans- und intergeschlechtliche Eltern“ einführen.

Es bleibt alles beim Alten

Beide Gesetzentwürfe wurden von CDU, SPD und der AfD abgelehnt. Von der AfD, die in der Bundestagssitzung wieder eindringlich ihre Pöbelqualität unter Beweis stellte, und der CDU war nichts anderes zu erwarten. Die CDU glänzt dabei wieder mit ihrer Blockadehaltung, mit dem Hinweis, der politische Meinungsbildungsprozess sei „noch nicht abgeschlossen“. Vierzig Jahre nach der ersten und fünf Jahre nach der letzten Klatsche durch das Bundesverfassungsgericht.

Koalitionszwang, Fraktionszwang

Die SPD beruft sich auf den Koalitionszwang. Ihr sei es nicht gelungen mit der CDU einen guten Entwurf auszuhandeln. Das werde sie in der nächsten Legislaturperiode nachholen. Zwar seien die Gesetzentwürfe von FDP und Grüne schon Verbesserungen, aber es sei halt noch nicht gut genug. Also werde sie lieber aus Koalitionsgründen eine Verbesserung ablehnen.

Viele SPD-Abgeordnete würden wohl liebend gerne in diesem Punkt mit FDP/Grüne stimmen; das ist wegen des Fraktionszwangs und um eine Koalition, die faktisch sowieso am Ende ist, zu unterstützen, wohl nicht möglich.

GG Artikel 38

Der Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Er lautet: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Antrag auf Entschädigung

Der Antrag der Linksfraktion, dass Entschädigungszahlungen an trans- und intergeschlechtliche Menschen gezahlt werden, an denen fremdbestimmte normangleichende Genitaloperationen durchgeführt wurden, wurde dagegen angenommen. In ihrem Antrag (19/17791) fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, innerhalb eines Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Zudem solle die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit einem Gutachten zur Aufarbeitung menschenrechtswidriger medizinischer Eingriffe aufgrund des Transsexuellengesetzes beauftragt werden.

Die Linksfraktion verweist darauf, dass im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum „Schutz von Kindern vor geschlechtsverändernden operativen Eingriffen“ die fremdbestimmte Durchführung von normangleichenden Genitaloperationen nun weitgehend verboten werden soll. Im Zusammenhang mit diesem geplanten Verbot sei es notwendig, begangenes Unrecht aufzuarbeiten und zu entschädigen. So seien zwischen 1981 und 2011 gemäß des Transsexuellengesetzes operative Eingriffe an den äußeren Geschlechtsmerkmalen sowie Sterilisationen vorgenommen worden. Nach Schätzungen des Bundesverbandes Trans* seien mehr als 10.000 Menschen in Deutschland zwangsweise sterilisiert worden.

Quelle: Bundestag

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Lieferketten und Kinderrechte

Am 17. Mai fand eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über ein „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ statt.

Ziel

Die Bundesregierung will Unternehmen verpflichten, menschenrechtliche Standards in all ihren globalen Produktionsstätten einzuhalten. Die Verantwortung der Unternehmen soll sich auf die gesamte Lieferkette erstrecken, abgestuft nach den Einflussmöglichkeiten. Die Pflichten sollen durch die Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern umgesetzt werden. Mittelbare Zulieferer sollen einbezogen werden, sobald das Unternehmen über substanzielle Kenntnisse von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene verfügt. Die Unternehmen werden verpflichtet, eine menschenrechtliche Risikoanalyse durchzuführen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, Beschwerdemöglichkeiten einzurichten und über ihre Aktivitäten zu berichten.

Freiwillige Selbstverpflichtung reicht nicht

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Bedeutung der Unternehmensverantwortung bei transnationalen Aktivitäten stetig gestiegen. 2011 hat die Weltgemeinschaft mit den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte erstmals einen globalen Verhaltensstandard für Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte in Lieferketten geschaffen. Die dort verankerten, rechtlich nicht bindenden Sorgfaltspflichten auf dem Gebiet der Menschenrechte sind in die wesentlichen Rahmenwerke der ILO und der OECD zur verantwortungsvollen Unternehmensführung eingeflossen. Gleichzeitig bilden sie die Grundlage für den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und
Menschenrechte (Nationaler Aktionsplan), den die Bundesregierung 2016 beschlossen hat. Im Zuge der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans ist deutlich geworden, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung nicht ausreicht, damit Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Sorgfalt angemessen nachkommen. Deshalb ist eine gesetzliche Verankerung mit behördlichen Durchsetzungsmechanismen geboten.

Nur Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten

Das Lieferkettengesetz sieht vor, ab 2023 Unternehmen ab 3000 Beschäftigten zu verpflichten, menschenrechtliche Risiken in ihren Lieferketten zu analysieren, Beschwerdemöglichkeiten einzurichten und über ihre Aktivitäten zu berichten. Der Anwendungsbereich soll dabei schrittweise auf Unternehmen ab 1000 Beschäftigten ausgeweitet werden.

Nicht die ganze Lieferkette betroffen

Der aktuelle Regierungsentwurf verpflichtet Großunternehmen lediglich dazu, menschenrechtliche Risiken in ihren eigenen Betrieben und bei ihren direkten Zulieferern zu bewerten und auf solche Risiken zu reagieren. Bei Zulieferern, die weiter unten in der Lieferkette angesiedelt sind, sieht das Gesetz vor, dass Unternehmen nur eine „anlassbezogene“ menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung durchführen müssen, sobald sie „substantiierte Kenntnisse“ von potenziellen Menschenrechtsverletzungen haben. Damit fällt der Entwurf hinter die Empfehlungen der EU-Kommission zur Sorgfalts- und Rechenschaftspflicht für Unternehmen zurück, in denen auch die Berücksichtigung branchenspezifischer Leitlinien gefordert wird.

Kinderarbeit am Beginn der Kette

Unicef und andere Kinderrechtsorganisationen (Kindernothilfe, Plan International Deutschland, Save the Children) betonen in einem gemeinsamen Appell, die Größe eines Unternehmens sei nicht in jedem Fall aussagekräftig. Auch kleinere Unternehmen in Risikobranchen, wie dem Textilsektor oder in der Landwirtschaft, können zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden beitragen. Daher ist aus kinderrechtlicher Sicht ein risikobasierter Ansatz zielführender als die ausschließliche Konzentration auf die Größe der Unternehmen.

Die meisten der Rechtsverletzungen, darunter auch Kinderarbeit, finden am Beginn der Wertschöpfungskette statt, wie in Minen und in der Landwirtschaft. Deshalb sollte ein Sorgfaltspflichtengesetz den gesamten Lebenszyklus eines Produkts oder einer Dienstleistung und deren umfassende Wertschöpfung einbeziehen.

Quelle: Bundestag, Unicef

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Armuts- und Reichtumsbericht

Das Bundeskabinett hat den Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht (6. ARB) beschlossen. Damit kommt die Bundesregierung dem Auftrag des Deutschen Bundestags nach, in jeder Legislaturperiode einen Bericht über die Entwicklung von Armut und Reichtum vorzulegen.

Stabile soziale Lage

Das Bundesarbeitsministerium schreibt dazu, der Bericht zeige, dass der überwiegende Teil der Menschen in stabilen sozialen Lagen lebe. Es bestünden gute Aufstiegschancen aus der Mitte nach Oben. Problematisch sei die Verfestigung in den unteren sozialen Lagen, aus denen es im Zeitablauf immer weniger Personen gelungen sei, aufzusteigen.

Armutsquote kaum verändert

Nachdem die Armut in Deutschland lange Zeit zunahm, hat sie sich mittlerweile um 16 Prozent der Bevölkerung eingependelt. Dabei gibt es allerdings unterschiedliche Befunde zur Entwicklung seit 2014. Einigen Statistiken zufolge sinkt die Armutsquote, ein anderer Indikator weist aufwärts. 

Dass die Armut seit dem Jahr 2000 zunahm, lag unter anderem an den Hartz-Gesetzen. Die Trendwende basiert nicht zuletzt auf der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. 

Arm und reich

Auch die Kluft zwischen arm und reich ist gewaltig. So besitzen 1 Prozent der Deutschen 35 Prozent des privaten Vermögens. Das sind 3,6 Billionen Euro. Zum Vergleich: Finanzminister Scholz schätzt die Folgekosten der Corona-Pandemie auf 1,5 Billionen Euro.

Pandemie-Folgen

Hinsichtlich der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie deuten die vorliegenden Befragungs- bzw. erste Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Sozialschutzpakete bislang negative Verteilungseffekte weitgehend vermieden haben und durch die Regelungen des Kurzarbeitergeldes die Beschäftigung gesichert werden konnte. Langfristig gilt es aber, die Bereiche Bildung und Betreuung besonders im Blick zu behalten, da sich hier in den Belastungen sozioökonomische Unterschiede gezeigt haben.

Überprüfen und Anregen

Der Bericht dient dazu, die Lebenslagen der Bürgerinnen und Bürger zu analysieren, die Wirksamkeit der bisherigen Politikansätze zu überprüfen und neue Maßnahmen anzuregen. Die soziale Lage in Deutschland wird dafür ausführlich beschrieben. Zugrunde liegen die vorliegenden Statistiken und eigens für den Bericht in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben. Die aktuellen Daten bewertet der Bericht mit Blick auf die Entwicklung der sozialen Aufstiegschancen und Abstiegsrisiken innerhalb der Biographie und – soweit möglich – auch im Vergleich zu früheren Alterskohorten und Generationen.

Quelle: BMAS, Frankfurter Rundschau

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Dritter Teilhabebericht

Am Freitag, den 30. April 2021, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den Dritten Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen veröffentlicht. Mit dem Teilhabebericht geht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales der Frage nach, wie Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrer sozialen Teilhabe gefördert oder beeinträchtigt werden. Der Bericht zeigt, wie sich die Teilhabe von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen unterscheidet und welche Entwicklungen im Zeitlauf zu beobachten sind.

Positive Ergebnisse:

  • Die Arbeitslosenquote von Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung ist von 2015 bis 2019 um 13 Prozent gesunken.
  • Die Wahlbeteiligung von Menschen mit Behinderungen ist von 78,2 Prozent im Jahr 2013 auf 84,2 Prozent im Jahr 2017 gestiegen.
  • Mehr Menschen als zuvor leben in ambulant betreuten Wohnformen.
  • Es wurden viele Verbesserungen im öffentlichen Personenverkehr erzielt.

Nachholbedarf bei der Inklusion

  • Die soziale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist nach wie vor eingeschränkt.
  • 33 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen leben allein, bei Menschen ohne Beeinträchtigungen beträgt dieser Anteil lediglich 18 Prozent.
  • Einsam fühlen sich 33 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen; bei Menschen ohne Beeinträchtigungen sind dies nur 16 Prozent.
  • Auch bei der Bildung und Ausbildung von Menschen mit Behinderungen fehlen nach wie vor wichtige Inklusionsfortschritte.

Auswirkungen der Corona-Pandemie

Im dritten Teilhabebericht konnten Entwicklungen über einen Zeitraum von mehr als acht Jahren miteinander verglichen werden. Erstmals fließen auch Erkenntnisse aus der noch bis Ende 2021 laufenden, vom BMAS beauftragten Repräsentativbefragung von Menschen mit Behinderungen mit ein. Besonders hervorzuheben ist, dass dieser 800 Seiten starke Bericht bereits erste Daten und Erkenntnisse über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Menschen mit Beeinträchtigungen beinhaltet.

Grundlage für Verbesserungen

Der Bericht erschien 2013 zum ersten Mal und muss seitdem einmal in jeder Wahlperiode veröffentlicht werden.

Anhand der Daten des Teilhabeberichtes werden Politik, Verwaltung und Gesellschaft in die Lage versetzt, Fortschritte bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) zu beurteilen. Auf dieser Grundlage sollen dann geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen ergriffen werden.

Der Teilhabebericht in verschiedenen Formaten

Auf der Website des BMAS steht der Dritte Teilhabebericht zum Download zur Verfügung – als PDF-Datei sowie in weiteren barrierefreien Formaten: in Leichter Sprache und in Deutscher Gebärdensprache. Eine gedruckte Version in Braille sowie der Bericht als Hörbuch können bestellt werden.

Hier finden Sie die direkten Links zu den verschiedenen Versionen:

Quelle: BMAS, Kobinet-Nachrichten.org, Bundesfachstelle Barrierefreiheit, AWO

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Barrierefreiheitsgesetz

Große Enttäuschung bei Betroffenen und deren Verbänden herrscht über das „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz„, das in der Bundestagssitzung am 20. Mai in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden soll. Nachzulesen etwa bei barrierefreiheitsgesetz.org. Hier unser Beitrag vom 2. April 2021 zum Referentenentwurf.

Noch kein Gesetz

Deutschland gehört zu den wenigen OECD-Staaten, die noch keine allgemeingültige Gesetzgebung zur Barrierefreiheit hat, insbesondere für wirtschaftliche Akteur/innen. Alltägliche Barrieren begegnen Menschen mit Behinderung immer wieder: Stufen vor Geschäften, fehlende zugängliche WC-Anlagen oder zugestellte Leitstreifen. Ein gutes Barrierefreiheitsstärkungsgesetz könnte diesen Zustand erheblich verbessern.

Umsetzung von EU-Vorgaben

Das Barrierefreiheitsstärkungs­gesetz ist Umsetzungsgesetz einer EU-Richtlinie, die bis 28. Juni 2022 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die Richtline gibt Dinge vor, die geregelt werden müssen (Shortlist) und Dinge, die geregelt werden sollten (Longlist).

Der vorliegende Gesetzentwurf setzt allerdings nur die Shortlist um, also das Minimum. Das führt beispielsweise dazu, dass ein Ticketautomat barrierefrei sein muss, aber nicht das Gebäude, in dem er steht.

Verschlechterungen

Darüber hinaus enthält der jetzt vorliegende Gesetzentwurf laut BAGFW (Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege) gegenüber dem ersten Referentenentwurf auch noch einige Verschlechterungen.

  • Stellt die Marktüberwachungsbehörde fest, dass Dienstleistungen nicht die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen, fordert sie den anbietenden Wirtschaftsakteur unverzüglich auf, innerhalb einer von ihr festgesetzten angemessenen Frist geeignete Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Kommt der Dienstleistungserbringer der Aufforderung nicht nach, kann die Marktüberwachungsbehörde die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Nichtkonformität der Dienstleistung abzustellen. Zur Durchsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen ist hier aus Sicht der BAGFW eine Kann-Vorschrift nicht ausreichend, vielmehr ist eine Soll-Vorschrift erforderlich.
  • Anstatt die Übergangsbestimmungen zu kürzen, wurden sie für den Einsatz von Selbstbedienungsterminals noch einmal um fünf Jahre auf nun 15 Jahre nach Inbetriebnahme 2025 verlängert. Dies führt in Zeiten rasanten technischen Fortschritts zu einer nicht akzeptablen weiteren Verzögerung bei der Herstellung von Barrierefreiheit und führt dazu, dass Menschen mit Behinderungen in einem wichtigen Themenfeld unangemessen benachteiligt werden. Die Übergangsfristen für die Dienstleistungserbringer sollten verkürzt werden.

Größere Barrierefreiheit gefordert

Die BAGFW fordert den Gesetzgeber in seiner Stellungnahme auf, noch im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens durch folgende Maßnahmen für eine größere Barrierefreiheit ernsthaft Sorge zu tragen:

  • Die BAGFW schlägt vor, Anforderungen an die bauliche Umwelt der Produkte und Dienstleistungen analog zu § 8 BGG aufzunehmen.
  • Der Geltungsbereich der Barrierefreiheit sollte auch regionale, städtische, vorstädtische Verkehrsdienste und Fahrzeuge umfassen.
  • Der Anwendungsbereich des Gesetzes sollte auf beruflich genutzte Produkte und Dienstleistungen ausgeweitet werden.
  • Den Rechten von Verbraucher/innen, anerkannten Verbänden und qualifizierten Einrichtungen im Verwaltungsverfahren kommt durch § 32 eine besondere Rechtsstellung zu. Der vorliegende Regierungsentwurf ermächtigt bisher nur Menschen mit Hör- und Sprachbeeinträchtigungen ihre Verbraucherrechte zu nutzen. Menschen mit anderen Sinnesbeeinträchtigungen oder Menschen mit Lernschwierigkeiten werden so vom Genuss ihrer Verbraucherrechte ausgeschlossen.
  • Gemäß § 7 BGG ist die Versagung angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen eine Benachteiligung. Die BAGFW fordert daher ausdrücklich, dass die Kosten für barrierefreie Information und Kommunikation in wahrnehmbarerer Form einheitlich geregelt werden. Die Rechte auf barrierefreie Dokumente gemäß § 10 BGG, auf Leichte Sprache gemäß § 11 BGG im Verwaltungsverfahren und angemessene Vorkehrungen gemäß § 7 BGG sind gesetzlich zu normieren. Die Kosten hierfür sind ebenfalls von den Marktüberwachungsbehörden zu tragen.
  • Die Definition von Barrierefreiheit sollte vollumfänglich im Sinne des § 4 Behindertengleichstellungsgesetz erfolgen, ohne jedwede inhaltliche Kürzungen.

Darüber hinaus schlägt die BAGFW vor, begleitende Investitionen in Barrierefreiheit z. B. durch ein Bundesprogramm zu fördern. Dieses sollte vor allem auf Kleinstunternehmen ausgerichtet werden, die bisher von den EAA-Verpflichtungen weitestgehend ausgenommen sind.

Detaillierte Änderungsbedarfe

Hinsichtlich der detaillierten Änderungsbedarfe aus Sicht der BAGFW wird auf die weiterhin bestehenden Kritikpunkte in seiner Stellungnahme vom 12. März 2021 zum Referentenentwurf des Barrierefreiheitsgesetzes verwiesen.

Quellen: Paritätischer Wohlfahrtsverband, BADFW, dieneuenorm.de

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Arbeitsmarktrente

Vor ein paar Tagen gab es die Meldung, die DRV (Deutsche Rentenversicherung) habe eine Klage beim Bundessozialgericht zurückgenommen, in der es um ein Urteil des Landessozialgerichts Hessen ging. Damit bleibt das Urteil des LSG Hessen vom 16. Oktober 2019 gültig. Es ging um eine Arbeitsmarktrente.

Was ist eine Arbeitsmarktrente?

Bei Vorliegen einer teilweisen Erwerbsminderung kann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung als sogenannte Arbeitsmarktrente gewährt werden, wenn der (Teilzeit-)Arbeitsmarkt als verschlossen gilt. Das ist der Fall, wenn der Versicherte länger als ein Jahr keinen seinem Restleistungsvermögen entsprechenden (Teilzeit-)Arbeitsplatz innehat oder ihm kein solcher angeboten werden kann. Der Rentner hat dann Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

§ 43 SGB VI

Teilweise erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur zwischen drei und weniger als sechs Stunden arbeiten kann.

Voll erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weniger als drei Stunden arbeiten kann.

Ob jemand teilweise oder voll erwerbsgemindert ist, hat für die rentenversicherte Person erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, da eine Rente wegen voller Erwerbsminderung doppelt so hoch wie eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist.

Teilzeit nicht beantragt

In dem Fall, den das hessische Sozialgericht verhandelte, ging es darum, dass ein Arbeitnehmer nach Eintreten einer teilweisen Erwerbsminderung beim Arbeitgeber keinen Teilzeitarbeitsplatz beantragt habe. Er habe stattdessen gleich Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt und sich auf die Aussage des Arbeitgebers verlassen, dass ihm eine Teilzeitstelle nicht angeboten werden könne.

Verschlossener Teilzeitarbeitsmarkt

Die Rentenversicherung verwies darauf, dass er gegenüber seinem Arbeitgeber seinen Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit geltend machen müsse. Das Sozialgericht gab aber dem Rentenversichten recht. Versicherte hätten einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung trotz eines nur teilweise geminderten Restleistungsvermögens, wenn der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen sei, der Versicherte also praktisch nicht damit rechnen könne, dass sich ihm eine Gelegenheit zur entgeltlichen Nutzung seiner reduzierten Arbeitsfähigkeit biete.

Eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liege nach jahrzehntelanger ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor, wenn weder der Rentenversicherungsträger noch die Agentur für Arbeit dem Versicherten innerhalb eines Jahres nach Rentenantragstellung einen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnten. In der Praxis sähen die Rentenversicherungsträger allerdings bislang wegen der geringen Vermittlungschancen grundsätzlich von einer Prüfung im Einzelfall ab.

Keine Mitwirkungspflicht

Nicht verschlossen sei der Arbeitsmarkt, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz tatsächlich innehabe und daraus Arbeitsentgelt beziehe. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, da das konkrete Arbeitsverhältnis ruhe. Auch sei dem Versicherten von seinem Arbeitgeber kein leidensgerechter Arbeitsplatz angeboten worden.
Dass der Versicherte eine Reduzierung der Arbeitszeit nicht beantragt habe, stehe dem Anspruch auf Vollzeitrente nicht entgegen. Zwar kämen gesetzliche und tarifvertragliche Ansprüche auf Teilzeitbeschäftigung in Betracht, soweit eine solche für den Arbeitgeber zumutbar sei bzw. betriebliche Gründe nicht entgegenstünden. Auf diese arbeitnehmerrechtlichen Ansprüche könne sich die Rentenversicherung jedoch nicht berufen. Dem Versicherten obliege weder eine gesetzliche noch eine ungeschriebene Mitwirkungspflicht, diese Ansprüche gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen. Das Verhalten des Versicherten sei auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Quellen: Haufe.de, Hessisches Landessozialgericht

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