Geschlechter-Symbole

Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag

Seit ein paar Tagen steht der Entwurf des Selbstbestimmungsgesetz (Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag – SBGG) auch für Otto Normalblogger zur Einsicht verfügbar. Schon vor Ostern sollte das passieren, tat es aber nicht. Danach kamen zunächst ausgewählte Medien in den Genuss des Entwurfes. Die Eckpunkte zum Entwurf sind schon fast ein Jahr alt.

warum nicht mehr Transparenz?

Diese Praxis der Ampelkoalition, Gesetzentwürfe möglichst lange der allgemeinen Öffentlichkeit vorzuenthalten führt bisweilen – wie beim Gebäude-Energie-Gesetz – dazu, dass einige „priveligierte“ Medien ihren Vorteil ausnützen können und mit aus dem Zusammenhang gerissenen Schlagworten („Heizungsverbot“) ungestraft Märchen verbreiten und im Verbund mit den einschlägigen Lobbyisten massive und wirksame Kampagnen starten können. Mehr und frühere Transparenz hätte dafür gesorgt, dass klar wird, was tatsächlich in den Entürfen steht.

Was steht denn nun tatsächlich im Selbstbestimmungsgesetz?

Zunächst wird das Transsexuellengesetz aufgehoben, dass schon mehrfach vom Bundesverfassungsgericht beanstandet wurde. Weitere wesentliche Inhalte:

  • Volljährige Menschen sollen durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt die Änderung ihres Geschlechtseintrags sowie ihrer Vornamen bewirken können. Für die Wirksamkeit dieser Erklärung gilt eine dreimonatige Wartefrist.
  • Für Minderjährige bis 14 Jahre sollen die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben.
  • Für Minderjährige ab 14 Jahren ist geplant, dass die Minderjährigen die notwendige Erklärung selbst mit Zustimmung der Sorgeberechtigten beim Standesamt abgeben können. Um die Persönlichkeitsrechte der jungen Menschen zu wahren, sollen Familiengerichte in den Fällen, in denen die Sorgeberechtigten nicht zustimmen, orientiert am Kindeswohl – wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht – die Entscheidung der Sorgeberechtigten ersetzen können.
  • Nach einer erfolgten Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen soll für eine erneute Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. Damit soll vermieden werden, dass Entscheidungen übereilt getroffen werden. Ab der Erklärung gegenüber dem Standesamt kann eine erneute Änderung also erst nach 15 Monaten vorgenommen werden (drei Monate Wartefrist plus zwölf Monate Sperrfrist).
  • Auf Grundlage des Gesetzes kann ein Bußgeld verhängt werden, wenn jemand die Änderungen des Geschlechtseintrags von transgeschlechtlichen, nichtbinären oder intergeschlechtlichen Personen gegen deren Willen offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt (Offenbarungsverbot).
  • Das Selbstbestimmungsgesetz ändert nichts am privaten Hausrecht und am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Was heute im Rechtsverkehr zulässig ist, das ist auch künftig zulässig. Und was heute verboten ist, bleibt verboten. Das geht aus dem Entwurf und seiner Begründung klar hervor.
  • Die geplante Regelung sieht ausschließlich die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen vor. Die Frage, ob eine Person, die zusätzlich geschlechtsangleichende körperliche oder medizinische Maßnahmen in Erwägung zieht, solche vornehmen kann, wird nicht durch das SBGG geregelt. In diesem Fall gelten wie bisher allein fachmedizinische Prüfkriterien.

Menschenrechtsschutz

Die Reform steht auch im Zusammenhang mit der internationalen Weiterentwicklung des Schutzes aller Menschen vor Diskriminierung. Sie kommt den Empfehlungen nationaler und internationaler Gremien nach, die sich insgesamt für eine stärker durch Selbstbestimmung geprägte Regelung des Geschlechtseintrags für trans- und intergeschlechtliche Menschen ausgesprochen haben. Vor allem aber entspricht das SBGG den Vorgaben des internationalen Menschenrechtsschutzes.

Diskriminierung und Armutsgefährdung

Trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Menschen sind häufig Diskriminierung in fast allen Lebensbereichen ausgesetzt (zum Beispiel in der Familie, am Arbeitsplatz oder Gewaltbetroffenheit in der Öffentlichkeit). Insbesondere werden sie von Dritten häufig als angeblich psychisch krank stigmatisiert und massiv herabgewürdigt, sie werden verunglimpft, beleidigt und immer häufiger auch körperlich angegriffen bis hin zu tödlichen Angriffen. Auch diese Situation soll sich mithilfe des Selbstbestimmungsgesetzes verbessern, zum Beispiel durch ein bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot.

2020 wurden laut Bundesinnenministerium 204 politisch motivierte Straftaten im Themenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ erfasst, darunter 40 Gewalttaten. Im Jahr 2021 stieg die Zahl auf 340 Straftaten, darunter 57 Gewalttaten.

In einer Erhebung der EU-Grundrechteagentur gaben 58 Prozent der befragten transgeschlechtlichen Personen aus Deutschland an, in den zurückliegenden zwölf Monaten diskriminiert oder belästigt worden zu sein.

Nach der Studie „Out im Office“ sind transgeschlechtliche und nichtbinäre Menschen besonders armutsgefährdet. Rund ein Viertel der trans* Befragten gab ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1000 Euro an (in der Teilgruppe der nichtbinären Befragten sogar 40 Prozent).

Dreimonatsfrist

Die geplante Dreimonatsfrist wird von Betroffenen allerdings kritisiert, da sie überwiegend Menschen betrifft, deren Transition in allen anderen Lebensbereichen bereits Monate, wenn nicht Jahre, zurückliegt und denen noch einmal eine dreimonatige Wartezeit „aufgebrummt“ wird. Einen Brief an die zuständigen Minister*innen dazu schreibt Felix Reda.

Frauensauna und Hausrecht

In dem Streit zwischen Justiz- und Familienministerium um das Hausrecht von Frauensaunen hat sich FDP-Minister Buschmann durchgesetzt, auch wenn die Ausformulierung im Vergleich zu früheren Äußerungen abgemildert wurde. „Die Rechtslage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bleibt unverändert“, heißt es im Gesetzentwurf. „Es ist daher etwa im Rahmen des Hausrechts weiterhin möglich, aus sachlichem Grund, etwa um den Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung zu tragen (zum Beispiel beim Zugang zu Saunen oder Fitnessstudios für Frauen oder zu Umkleidekabinen) im Einzelfall zu differenzieren.“

Keine Selbstbestimmung im Krieg

Ganz neu wurde ein bislang nicht diskutierter Paragraf zum Verteidigungsfall in den Gesetzentwurf aufgenommen. Damit will die Regierung offenbar verhindern, dass sich cis Männer durch eine Änderung des Geschlechtseintrags einer Einberufung entziehen. Befindet sich Deutschland im Krieg, darf der Geschlechtseintrag nicht mehr von „männlich“ zu „weiblich“ oder „divers“ geändert oder ganz gestrichen werden, heißt es im SBGG, „sofern dies im Einzelfall keine unbillige Härte darstellen würde“.

Weitere Ausnahmen

  • Die Unterbringung von Strafgefangenen „muss sich nicht allein am Geschlechtseintrag orientieren“, heißt es im Entwurf. „Das SBGG gebietet mithin nicht, dass Personen immer entsprechend ihrem personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag in einer entsprechenden Anstalt untergebracht werden.“
  • Das Selbstbestimmungsgesetz erlaubt zudem weiterhin Ungleichbehandlungen im Sport: „Die Bewertung sportlicher Leistungen kann unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden.“
  • Keinen Einfluss haben Transitionen auch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen: „Auf den aktuellen Geschlechtseintrag kommt es nicht an, wenn medizinische Leistungen zu ergreifen sind.“
  • Zudem wird klargestellt, dass das SBGG nicht auf Gesetze und Verordnungen, die Regelungen über Schwangerschaft, Gebär- oder Zeugungsfähigkeit betreffen, angewendet werden kann.
  • Ebenso bleibt ein trans Mann im Rechtsverhältnis zu seinem Kind eine „Mutter“. In Geburtsurkunden kann zumindest die Bezeichnung „Vater“ oder „Mutter“ nachträglich in „Elternteil“ geändert werden.

Quellen: Bundesfamilienministerium, Queer.de, Felix Reda, FOKUS-Sozialrecht

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