Gesetz zur Selbstbestimmung beim Geschlechtseintrag

Der Bundestag befasst sich am Freitag, 12. April 2024, abschließend mit Erleichterungen zur Änderung von Geschlechtseinträgen. Die Bundesregierung hat dazu einen Gesetzentwurf über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften (20/9049) eingebracht.

Entwurf der Bundesregierung

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/9049) sieht vor, dass Geschlechtseinträge und Vornamen künftig per Erklärung gegenüber dem Standesamt geändert werden können. Die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung soll entfallen. Die Neuregelung soll auch für nichtbinäre Personen gelten, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Das bisher einschlägige Transsexuellengesetz soll aufgehoben werden.

Eine Voraussetzung soll sein, dass eine Änderung drei Monate vorher beim zuständigen Standesamt angemeldet werden muss. Für unter 15-Jährige soll nur der gesetzliche Vertreter die Erklärung abgeben können, über 14-Jährige sollen sie mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters selbst abgeben können. Stimmt dieser nicht zu, soll das Familiengericht die Zustimmung ersetzen können, „wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht“.

Regelungen zur Wirkung der Änderungen

In dem Entwurf werden zudem Regelungen zur Wirkung der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen aufgeführt. Danach sollen grundsätzlich der jeweils aktuelle Geschlechtseintrag und die jeweils aktuellen Vornamen im Rechtsverkehr maßgeblich sein. Ausdrücklich wird ausgeführt, dass „betreffend den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen […] die Vertragsfreiheit und das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers sowie das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, unberührt [bleiben]“. Als Beispiel wird in die Begründung auf den Zugang zu Saunas verwiesen.

Normiert wird auch, welche Folgen die Änderung eines Geschlechtseintrags auf quotierte Gremien hat. Ferner wird angeführt, dass Rechtsvorschriften, die etwa künstliche Befruchtung, Schwangerschaft oder Entnahme von Samenzellen betreffen, unabhängig von dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht der jeweiligen Person gelten sollen, wenn die Person etwa gebärfähig ist. Weitere Regelungen betreffen unter anderem die Änderung von Registern und Dokumenten, das Offenbarungsverbot, das Eltern-Kind-Verhältnis sowie die Wehrpflicht im Spannungs- und Verteidigungsfall.

Langer Weg

Über den langen Weg zum Selbstbestimmungsgesetz und die kontroversen Diskussionen darüber haben wir hier mehrfach berichtet:

Quelle: Bundestag

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Bundestag berät über das Selbstbestimmungsgesetz

Der Bundestag hat am Mittwoch, 15. November 2023, erstmals den Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (20/9049) beraten. Im Anschluss an die Aussprache überwiesen die Abgeordneten die Vorlage zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Geschlechtseinträge und Vornamen künftig deutlich einfacher geändert werden können. Zur Begründung führt die Bundesregierung an, dass sich das „medizinische und gesellschaftliche Verständnis von Geschlechtsidentität“ in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt habe. „Die aktuelle Rechtslage trägt dem nicht ausreichend Rechnung“, heißt es weiter. Ziel des Entwurfs sei es, Regelungen zu vereinheitlichen, zu entbürokratisieren „und zum Schutz der verfassungsrechtlich geschützten Geschlechtsidentität zu regeln“. Der Entwurf treffe „keine Regelungen zu geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen“.

Für Menschen, deren Geschlechtsidentität vom Geschlechtseintrag abweicht, sollen danach künftig nicht mehr die Regelungen des Transsexuellengesetzes (TSG) einschlägig sein. Diese sehen unter anderem vor, dass sich Personen, die Vornamen und Geschlechtseintrag ändern wollen, zweifach begutachten lassen müssen.

Erklärung gegenüber dem Standesamt

Stattdessen ist laut Entwurf vorgesehen, dass eine Person die Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags per Erklärung gegenüber dem Standesamt veranlassen kann. Diese Regelung lehnt sich laut Entwurf an die Regelungen für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung an. Diese haben seit 2018 die Möglichkeit, gegenüber dem Standesamt ihren Geschlechtseintrag streichen oder in „divers“ ändern zu lassen. Die in diesen Fällen vorgesehene Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung soll künftig entfallen.

Die Neuregelung greift laut Entwurf auch für nichtbinäre Personen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Bisher gab es demnach für diese Personen keine explizite Regelung zur Änderung des Geschlechtseintrags. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes seien auch in diesen Fällen die Regelungen des TSG einschlägig gewesen, heißt es im Entwurf. Mit der Neuregelung soll das TSG aufgehoben werden.

Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag

Kernstück des Entwurfs ist ein neues „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“ (Selbstbestimmungsgesetz). Es soll die Voraussetzungen zur Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags regeln. Grundsätzlich ist vorgesehen, dass eine Änderung drei Monate vorher beim zuständigen Standesamt angemeldet werden muss. Nach einer Änderung soll eine weitere Änderung erst nach Ablauf von einem Jahr (Sperrfrist) möglich sein.

Mit der Erklärung vor dem Standesamt soll die betreffende Person versichern, dass „der gewählte Geschlechtseintrag beziehungsweise die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht“ und „ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist“.

Regelungen für Minderjährige und Betreute

Für Minderjährige und Personen mit Betreuer gelten abweichende Regelungen. Beschränkt geschäftsfähige minderjährige Personen, die mindestens 15 Jahre alt sind, sollen die entsprechende Erklärung selbst abgegeben können, benötigen dazu aber die Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Stimmt dieser nicht zu, soll laut Entwurf das Familiengericht die Zustimmung ersetzen können, „wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht“.

Bei geschäftsunfähigen Minderjährigen beziehungsweise Minderjährigen, die noch nicht 15 Jahre alt sind, soll nur der gesetzliche Vertreter die Erklärung abgeben können. Die Sperrfrist zur erneuten Änderungen soll für Minderjährige und Personen mit Betreuer nicht gelten.

Regelungen zur Wirkung der Änderungen

In dem Entwurf werden zudem Regelungen zur Wirkung der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen aufgeführt. Danach sollen grundsätzlich der jeweils aktuelle Geschlechtseintrag und die jeweils aktuellen Vornamen im Rechtsverkehr maßgeblich sein. Ausdrücklich wird ausgeführt, dass „betreffend den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen […] die Vertragsfreiheit und das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers sowie das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, unberührt [bleiben]“. Als Beispiel wird in die Begründung auf den Zugang zu Saunas verwiesen.

Normiert wird auch, welche Folgen die Änderung eines Geschlechtseintrags auf quotierte Gremien hat. Ferner wird angeführt, dass Rechtsvorschriften, die etwa künstliche Befruchtung, Schwangerschaft oder Entnahme von Samenzellen betreffen, unabhängig von dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht der jeweiligen Person gelten sollen, wenn die Person etwa gebärfähig ist. Weitere Regelungen betreffen unter anderem die Änderung von Registern und Dokumenten, das Offenbarungsverbot, das Eltern-Kind-Verhältnis sowie die Wehrpflicht im Spannungs- und Verteidigungsfall.

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 20. Oktober 2023 eine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf beschlossen. So fordert die Länderkammer unter anderem eine Schärfung des Offenbarungsverbots, die die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung allerdings ablehnt.

Grundsätzlich kritisiert der Bundesrat, „dass die vorgelegten Pläne sich in verschiedenen Bereichen als unzulänglich erweisen, insbesondere mit Blick auf die Interessen von Kindern und Jugendlichen“. Konkret moniert die Länderkammer, dass es in Fällen von Minderjährigen bis 14 Jahre allein dem elterlichen Willen überlassen sein soll, Geschlechtseintrag und Vornamen der Kinder zu ändern, „ohne jede Beratung, Prüfung und Erforschung des Kindeswohls und -willens von außen“. Dies stünde in „eklatantem Widerspruch etwa zur kindzentrierten Ausgestaltung familiengerichtlicher Verfahren“, führt die Länderkammer aus.

Die Bundesregierung hält den Vorwurf, dass der Entwurf die Interessen von Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend berücksichtige, für nicht zutreffend. Sie lehnt vor allem die generelle Beteiligung der Familiengerichte bei Minderjährigen ab. „Für eine generelle Kontrolle des Staates durch die Familiengerichte zum Schutz des Minderjährigen besteht keine Veranlassung, zumal eine erneute Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen bei Minderjährigen ohne Einhaltung einer Sperrfrist erklärt werden kann“, entgegnet die Bundesregierung.

Langer Weg

Den langen Weg des Selbstbestimmungsgesetzes begleiteten wir hier in mehreren Beiträgen:

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag

Seit ein paar Tagen steht der Entwurf des Selbstbestimmungsgesetz (Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag – SBGG) auch für Otto Normalblogger zur Einsicht verfügbar. Schon vor Ostern sollte das passieren, tat es aber nicht. Danach kamen zunächst ausgewählte Medien in den Genuss des Entwurfes. Die Eckpunkte zum Entwurf sind schon fast ein Jahr alt.

warum nicht mehr Transparenz?

Diese Praxis der Ampelkoalition, Gesetzentwürfe möglichst lange der allgemeinen Öffentlichkeit vorzuenthalten führt bisweilen – wie beim Gebäude-Energie-Gesetz – dazu, dass einige „priveligierte“ Medien ihren Vorteil ausnützen können und mit aus dem Zusammenhang gerissenen Schlagworten („Heizungsverbot“) ungestraft Märchen verbreiten und im Verbund mit den einschlägigen Lobbyisten massive und wirksame Kampagnen starten können. Mehr und frühere Transparenz hätte dafür gesorgt, dass klar wird, was tatsächlich in den Entürfen steht.

Was steht denn nun tatsächlich im Selbstbestimmungsgesetz?

Zunächst wird das Transsexuellengesetz aufgehoben, dass schon mehrfach vom Bundesverfassungsgericht beanstandet wurde. Weitere wesentliche Inhalte:

  • Volljährige Menschen sollen durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt die Änderung ihres Geschlechtseintrags sowie ihrer Vornamen bewirken können. Für die Wirksamkeit dieser Erklärung gilt eine dreimonatige Wartefrist.
  • Für Minderjährige bis 14 Jahre sollen die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben.
  • Für Minderjährige ab 14 Jahren ist geplant, dass die Minderjährigen die notwendige Erklärung selbst mit Zustimmung der Sorgeberechtigten beim Standesamt abgeben können. Um die Persönlichkeitsrechte der jungen Menschen zu wahren, sollen Familiengerichte in den Fällen, in denen die Sorgeberechtigten nicht zustimmen, orientiert am Kindeswohl – wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht – die Entscheidung der Sorgeberechtigten ersetzen können.
  • Nach einer erfolgten Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen soll für eine erneute Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. Damit soll vermieden werden, dass Entscheidungen übereilt getroffen werden. Ab der Erklärung gegenüber dem Standesamt kann eine erneute Änderung also erst nach 15 Monaten vorgenommen werden (drei Monate Wartefrist plus zwölf Monate Sperrfrist).
  • Auf Grundlage des Gesetzes kann ein Bußgeld verhängt werden, wenn jemand die Änderungen des Geschlechtseintrags von transgeschlechtlichen, nichtbinären oder intergeschlechtlichen Personen gegen deren Willen offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt (Offenbarungsverbot).
  • Das Selbstbestimmungsgesetz ändert nichts am privaten Hausrecht und am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Was heute im Rechtsverkehr zulässig ist, das ist auch künftig zulässig. Und was heute verboten ist, bleibt verboten. Das geht aus dem Entwurf und seiner Begründung klar hervor.
  • Die geplante Regelung sieht ausschließlich die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen vor. Die Frage, ob eine Person, die zusätzlich geschlechtsangleichende körperliche oder medizinische Maßnahmen in Erwägung zieht, solche vornehmen kann, wird nicht durch das SBGG geregelt. In diesem Fall gelten wie bisher allein fachmedizinische Prüfkriterien.

Menschenrechtsschutz

Die Reform steht auch im Zusammenhang mit der internationalen Weiterentwicklung des Schutzes aller Menschen vor Diskriminierung. Sie kommt den Empfehlungen nationaler und internationaler Gremien nach, die sich insgesamt für eine stärker durch Selbstbestimmung geprägte Regelung des Geschlechtseintrags für trans- und intergeschlechtliche Menschen ausgesprochen haben. Vor allem aber entspricht das SBGG den Vorgaben des internationalen Menschenrechtsschutzes.

Diskriminierung und Armutsgefährdung

Trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Menschen sind häufig Diskriminierung in fast allen Lebensbereichen ausgesetzt (zum Beispiel in der Familie, am Arbeitsplatz oder Gewaltbetroffenheit in der Öffentlichkeit). Insbesondere werden sie von Dritten häufig als angeblich psychisch krank stigmatisiert und massiv herabgewürdigt, sie werden verunglimpft, beleidigt und immer häufiger auch körperlich angegriffen bis hin zu tödlichen Angriffen. Auch diese Situation soll sich mithilfe des Selbstbestimmungsgesetzes verbessern, zum Beispiel durch ein bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot.

2020 wurden laut Bundesinnenministerium 204 politisch motivierte Straftaten im Themenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ erfasst, darunter 40 Gewalttaten. Im Jahr 2021 stieg die Zahl auf 340 Straftaten, darunter 57 Gewalttaten.

In einer Erhebung der EU-Grundrechteagentur gaben 58 Prozent der befragten transgeschlechtlichen Personen aus Deutschland an, in den zurückliegenden zwölf Monaten diskriminiert oder belästigt worden zu sein.

Nach der Studie „Out im Office“ sind transgeschlechtliche und nichtbinäre Menschen besonders armutsgefährdet. Rund ein Viertel der trans* Befragten gab ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1000 Euro an (in der Teilgruppe der nichtbinären Befragten sogar 40 Prozent).

Dreimonatsfrist

Die geplante Dreimonatsfrist wird von Betroffenen allerdings kritisiert, da sie überwiegend Menschen betrifft, deren Transition in allen anderen Lebensbereichen bereits Monate, wenn nicht Jahre, zurückliegt und denen noch einmal eine dreimonatige Wartezeit „aufgebrummt“ wird. Einen Brief an die zuständigen Minister*innen dazu schreibt Felix Reda.

Frauensauna und Hausrecht

In dem Streit zwischen Justiz- und Familienministerium um das Hausrecht von Frauensaunen hat sich FDP-Minister Buschmann durchgesetzt, auch wenn die Ausformulierung im Vergleich zu früheren Äußerungen abgemildert wurde. „Die Rechtslage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bleibt unverändert“, heißt es im Gesetzentwurf. „Es ist daher etwa im Rahmen des Hausrechts weiterhin möglich, aus sachlichem Grund, etwa um den Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung zu tragen (zum Beispiel beim Zugang zu Saunen oder Fitnessstudios für Frauen oder zu Umkleidekabinen) im Einzelfall zu differenzieren.“

Keine Selbstbestimmung im Krieg

Ganz neu wurde ein bislang nicht diskutierter Paragraf zum Verteidigungsfall in den Gesetzentwurf aufgenommen. Damit will die Regierung offenbar verhindern, dass sich cis Männer durch eine Änderung des Geschlechtseintrags einer Einberufung entziehen. Befindet sich Deutschland im Krieg, darf der Geschlechtseintrag nicht mehr von „männlich“ zu „weiblich“ oder „divers“ geändert oder ganz gestrichen werden, heißt es im SBGG, „sofern dies im Einzelfall keine unbillige Härte darstellen würde“.

Weitere Ausnahmen

  • Die Unterbringung von Strafgefangenen „muss sich nicht allein am Geschlechtseintrag orientieren“, heißt es im Entwurf. „Das SBGG gebietet mithin nicht, dass Personen immer entsprechend ihrem personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag in einer entsprechenden Anstalt untergebracht werden.“
  • Das Selbstbestimmungsgesetz erlaubt zudem weiterhin Ungleichbehandlungen im Sport: „Die Bewertung sportlicher Leistungen kann unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden.“
  • Keinen Einfluss haben Transitionen auch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen: „Auf den aktuellen Geschlechtseintrag kommt es nicht an, wenn medizinische Leistungen zu ergreifen sind.“
  • Zudem wird klargestellt, dass das SBGG nicht auf Gesetze und Verordnungen, die Regelungen über Schwangerschaft, Gebär- oder Zeugungsfähigkeit betreffen, angewendet werden kann.
  • Ebenso bleibt ein trans Mann im Rechtsverhältnis zu seinem Kind eine „Mutter“. In Geburtsurkunden kann zumindest die Bezeichnung „Vater“ oder „Mutter“ nachträglich in „Elternteil“ geändert werden.

Quellen: Bundesfamilienministerium, Queer.de, Felix Reda, FOKUS-Sozialrecht

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Kein Ende des Transsexuellengesetzes

Das Transsexuellengesetz ist mittlerweile 40 Jahre alt. Seitdem hat das Bundesverfassungsgericht einzelne Vorschriften des Gesetzes bereits sechs Mal für verfassungswidrig erklärt. Auch weitere Vorschriften des TSG stehen verfassungsrechtlich in der Kritik, wie der psycho-pathologisierende Begutachtungszwang.

Verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat im Oktober 2017 den Gesetzgeber dazu aufgefordert, bis Ende 2018 eine Neuregelung des Personenstandsrechts auf den Weg zu bringen, eine dritte Option beim Geschlechtseintrag einzuführen oder gänzlich auf einen Geschlechtseintrag zu verzichten (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017, 1 BvR 2019/16). In seiner Urteilsbegründung wird die Selbstbestimmung als Persönlichkeitsrecht eines Menschen klar in den Vordergrund gestellt.

Die CDU/SPD Koalition ist bisher an dem Vorhaben gescheitert. Dafür legten FDP und Grüne jeweils einen Gesetzentwurf vor.

Gesetzentwurf der FDP

Die FDP-Fraktion will mit ihrem Gesetzentwurf „zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung“ (19/20048) das aktuelle Transsexuellengesetz und den Paragrafen 45b des Personenstandsgesetzes abschaffen und durch ein „Gesetz zur Selbstbestimmung über die Geschlechtsidentität“ ersetzen. Wie die Fraktion ausführt, haben Menschen, deren Geschlechtsmerkmale nicht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen, in Deutschland die Möglichkeit, sich medizinisch und juristisch einer Transition zu unterziehen.

Das juristische Änderungsverfahren werde durch das 1981 in Kraft getretene Transsexuellengesetz normiert, das zwei Optionen für Menschen vorsehe, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt: die Änderung des Namens sowie die formelle Änderung der Geschlechtszugehörigkeit über den Personenstand. Voraussetzung für die Änderung des Namens seien nach derzeitiger Rechtslage zwei Gutachten von Sachverständigen, die mit diesem Gebiet ausreichend vertraut und voneinander unabhängig tätig sind.

Zugleich verweisen die Abgeordneten darauf, dass es seit 2018 Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung in Deutschland möglich sei, über den Paragraf 45 b des Personenstandsgesetzes Vornamen und Geschlechtseintrag der eigenen Geschlechtsidentität entsprechend anzupassen. Laut Bundesregierung und Urteil des Bundesgerichtshofs (XII ZB 383/19) sei die Anwendung dieses Paragrafen jedoch auf intergeschlechtliche Personen beschränkt.

Gesetzentwurf der Grünen

Wie die Fraktion ausführt, hat das Parlament mit der Änderung des Personenstandsgesetzes Anfang 2019 eine dritte Option beim Geschlechtseintrag („divers“) geschaffen, doch sei beanstandet worden, dass „die Entscheidung über den Geschlechtseintrag von der Vorlage eines ärztlichen Attestes abhängig gemacht wird“. Zudem bleibe unklar, „ob das Gesetz transsexuelle, transgeschlechtliche und transidente Menschen ausschließt, die sich immer noch durch das unwürdige Verfahren nach dem Transsexuellengesetz quälen müssen“.

Das Transsexuellengesetz stelle für die Änderung der Vornamen und die Berichtigung des Geschlechtseintrages entsprechend der selbst bestimmten Geschlechtsidentität „unbegründete Hürden auf, die das Selbstbestimmungsrecht in menschenunwürdiger Weise beeinträchtigen“. Darüber hinaus verweisen die Abgeordneten darauf, dass in Deutschland an intergeschlechtlichen Kindern immer noch genitalverändernde Operationen vorgenommen würden, „die medizinisch nicht notwendig sind“.

Dem Entwurf (19/19755) zufolge soll das Transsexuellengesetz durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt und im Personenstandsgesetz klargestellt werden, „dass alle Menschen eine Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei einem Standesamt abgeben können“. Zudem soll das Selbstbestimmungsgesetz genitalverändernde chirurgische Eingriffe bei Kindern verbieten sowie unter anderem „einen Anspruch auf Achtung des Selbstbestimmungsrechts bei Gesundheitsleistungen“ statuieren, Bund, Länder und Kommunen zum Ausbau der bisherigen Beratungsangebote verpflichten und eine „Regelung für trans- und intergeschlechtliche Eltern“ einführen.

Es bleibt alles beim Alten

Beide Gesetzentwürfe wurden von CDU, SPD und der AfD abgelehnt. Von der AfD, die in der Bundestagssitzung wieder eindringlich ihre Pöbelqualität unter Beweis stellte, und der CDU war nichts anderes zu erwarten. Die CDU glänzt dabei wieder mit ihrer Blockadehaltung, mit dem Hinweis, der politische Meinungsbildungsprozess sei „noch nicht abgeschlossen“. Vierzig Jahre nach der ersten und fünf Jahre nach der letzten Klatsche durch das Bundesverfassungsgericht.

Koalitionszwang, Fraktionszwang

Die SPD beruft sich auf den Koalitionszwang. Ihr sei es nicht gelungen mit der CDU einen guten Entwurf auszuhandeln. Das werde sie in der nächsten Legislaturperiode nachholen. Zwar seien die Gesetzentwürfe von FDP und Grüne schon Verbesserungen, aber es sei halt noch nicht gut genug. Also werde sie lieber aus Koalitionsgründen eine Verbesserung ablehnen.

Viele SPD-Abgeordnete würden wohl liebend gerne in diesem Punkt mit FDP/Grüne stimmen; das ist wegen des Fraktionszwangs und um eine Koalition, die faktisch sowieso am Ende ist, zu unterstützen, wohl nicht möglich.

GG Artikel 38

Der Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Er lautet: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Antrag auf Entschädigung

Der Antrag der Linksfraktion, dass Entschädigungszahlungen an trans- und intergeschlechtliche Menschen gezahlt werden, an denen fremdbestimmte normangleichende Genitaloperationen durchgeführt wurden, wurde dagegen angenommen. In ihrem Antrag (19/17791) fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, innerhalb eines Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Zudem solle die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit einem Gutachten zur Aufarbeitung menschenrechtswidriger medizinischer Eingriffe aufgrund des Transsexuellengesetzes beauftragt werden.

Die Linksfraktion verweist darauf, dass im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum „Schutz von Kindern vor geschlechtsverändernden operativen Eingriffen“ die fremdbestimmte Durchführung von normangleichenden Genitaloperationen nun weitgehend verboten werden soll. Im Zusammenhang mit diesem geplanten Verbot sei es notwendig, begangenes Unrecht aufzuarbeiten und zu entschädigen. So seien zwischen 1981 und 2011 gemäß des Transsexuellengesetzes operative Eingriffe an den äußeren Geschlechtsmerkmalen sowie Sterilisationen vorgenommen worden. Nach Schätzungen des Bundesverbandes Trans* seien mehr als 10.000 Menschen in Deutschland zwangsweise sterilisiert worden.

Quelle: Bundestag

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