Gesundheitskioske

Ein weiterer Punkt des Koalitionsvertrags soll nun umgesetzt werden. In besonders benachteiligten Kommunen und Stadtteilen sollen niedrigschwellige Beratungsangebote für Behandlung und Prävention eingerichtet werden,  um der sozial bedingten Ungleichheit von Gesundheitschancen entgegenzuwirken und die medizinische Unterversorgung in sozial benachteiligten Regionen auszugleichen.

Gesundheitsminister Lauterbach präsentierte Mitte August die Eckpunkte für ein dementsprechendes Gesetz. Die neuen Angebote firmieren unter dem Namen „Gesundheitskioske“.

Danach sollen langfristig 1.000 Gesundheitskioske bundesweit aufgebaut werden. Initiiert werden sollen die Anlaufstellen von den Kommunen, finanziert mehrheitlich von den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen, die Kommunen beteiligen sich. Hauptaufgabe der Kioske ist es, den Zugang zur Versorgung der Patientinnen und Patienten mit besonderem Unterstützungsbedarf zu verbessern und die Versorgung zu koordinieren.

Eckpunkte

Folgende Eckpunkte sind Grundlage für die Gesetzesinitiative:

  • Gesundheitskioske bieten insbesondere in sozial benachteiligten Regionen und Stadteilen niedrigschwellige Beratung an.
  • Die Krankenkassen fördern zusammen mit den Kommunen mit Hilfe der Gesundheitskioske insbesondere die Gesundheitskompetenz von Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf und bieten diesen im Bedarfsfall individuelle Beratung zur Unterstützung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils. Ferner bieten die Krankenkassen und das „GKV-Bündnis für Gesundheit“ in den Gesundheitskiosken Informationen für Kommunen und andere interessierte Stellen über Projekte zur Gesundheitsförderung in den Lebenswelten der Menschen.  

Weitere Aufgaben

  • Die Vermittlung von Leistungen der medizinischen Behandlung, Prävention und Gesundheitsförderung und Anleitung zu deren Inanspruchnahme;
  • allgemeine Beratungs- und Unterstützungsleistungen zur medizinischen und sozialen Bedarfsermittlung;
  • die Koordinierung der erforderlichen Gesundheitsleistungen und Anleitung zu deren Inanspruchnahme;
  • die Unterstützung bei der Klärung gesundheitlicher und sozialer Angelegenheiten;
  • die Bildung eines sektorenübergreifenden Netzwerkes; 
  • Durchführung einfacher medizinische Routineaufgaben wie z.B. Blutdruck und Blutzucker messen, Verbandswechsel, Wundversorgung und subkutane Injektionen – veranlasst von Ärztinnen und Ärzten;
  • perspektivisch: Erweiterung um ergänzende Beiträge zur Sicherstellung der Primärversorgung

Leitung/Personal des Gesundheitskiosks:

Die Leitung sollen examinierte Pflegefachkräfte ausüben, perspektivisch Pflegefachkräfte (Gesundheits- und Kinder-)Krankenpfleger/in, Altenpfleger/in, Pflegefachfrau/Pflegefachmann) mit Heilkundekompetenz (im Sinne von community health nursing – CHN), 

Kooperation

Es ist eine enge Kooperation mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst sicherzustellen (z.B. Mitwirkung bei Prävention und Gesundheitsförderung, Durchführung von Impfungen in den Räumen des Kioskes).

Aufgaben der Kommunen

Das Initiativrecht zur Errichtung eines Kioskes liegt bei den Kommunen, d.h. die Kommunen entscheiden eigenständig über die Errichtung eines Gesundheitskiosks und können von den Krankenkassen den Abschluss eines schiedsamtsfähigen Vertrages über die Einzelheiten verlangen. Ziel ist es, pro 80.000 Einwohner einen Kiosk zu errichten, also bundesweit insgesamt 1.000 Kioske.

Sofern eine Kommune das Initiativrecht ausübt, sind die Landesverbände der Krankenkassen verpflichtet, gemeinsam (also wettbewerbsneutral) in Zusammenwirken mit den Kommunen/ÖGD Kioske zu errichten. Ausdrücklich können solche Angebote auch mobil (z.B. mit Hilfe von Bussen) erfolgen. 

Da die Kioske auch Aufgaben der Daseinsvorsorge vornehmen, besteht die Verpflichtung der Kassen zur Beteiligung an einem Kiosk nur, wenn sich auch die Kommunen insbesondere finanziell an den Kiosken beteiligen.

Kostenaufteilung

Die Finanzierung wird zwischen den Kommunen auf der einen und gesetzlicher und privater Krankenversicherung auf der anderen Seite aufgeteilt. Die gesetzliche Krankenversicherung wird 74,5 % der Gesamtkosten, die private Krankenversicherung 5,5 % und die Kommunen 20 % der Gesamtkosten tragen.

Im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Förderung gesundheitsförderlicher Strukturen unterstützen die Krankenkassen über die Initiative „GKV-Bündnis für Gesundheit“ den Aufbau der Gesundheitskioske in den Kommunen.

Die privaten Krankenversicherungsunternehmen sind verpflichtet, sich an den Kiosken zu beteiligen, da auch Privatversicherte das Angebot in Anspruch nehmen können.

Andere Sozialleistungsträger

Andere Sozialleistungsträger (z.B. Rentenversicherung) können sich zusätzlich finanziell beteiligen.

Auf die bestehenden Beratungsstrukturen der Pflegeversicherung, insbesondere die Pflegestützpunkte, soll bei Bedarf hingewiesen und ggf. dorthin vermittelt/begleitet werden. Auch die Vernetzung mit anderen Beratungs- oder Servicestellen (z.B. den Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen) ist möglich. Kommunale Strukturen sind einzubeziehen, vorhandene Ressourcen und Synergien sollen sinnvoll genutzt werden (Jugendämter, Familienzentren, Integrationszentren, Ämter für Familie und Jugend, Ämter für Soziale Dienste, Koordinierungsstellen „gesundheitliche Chancengleichheit“, Stadtteil-/Quartiersmanagementbüros, Netzwerk Frühe Hilfen etc.)

Quelle: BMG

Abbildung: pixabay.com varmland-83253_1280.jpg

Entlastung 3 – heiße Luft?

Seit Sonntag Mittag wird das Dritte Entlastungspaket in sämtlichen Medien ausführlich behamdelt, gelobt, verrissen und auseinandergepflückt. Wenn die einzelnen Maßnahmen in tatsächlichen Gesetzentwürfen eingeflossen sind, werden wir hier auch näher darauf eingehen.

Nicht viel Neues

Ein nicht unerheblicher Teil des Entlastungspakets besteht dabei aus Maßnahmen, die entweder schon beschlossen wurden oder ohnehin fällig waren.

  • Die Erhöhung der SGB II – Grundsicherung ist Bestandteil des neuen Bürgergelds.
  • Die Erhöhung des Kindergelds gehört zur jährlichen Anpassung der Einkommenssteuer. Hier soll das Kindergeld aber deutlicher steigen als vom Finanzminister vorgesehen.
  • Eine deutliche Ausweitung des Wohngelds wurde schon im Koalitionsvertrag als Ziel angegeben.
  • Die Absetzbarkeit der Rentenbeiträge bei der Steuer ist eine Vorgabe des Bundesfinanzhofs von 2021.

Vage

Vieles aus dem Entlastungspaket bleibt vage, so der Strompreisdeckel und die Finanzierung desselben. Das muss erst mal mit der EU abgestimmt werden und gegebenenfalls ohne EU zurechtgebastelt werden. Vielleicht sollte man sich mal in Spanien oder Belgien umhören, wie man eine Übergewinnsteuer – so darf man das hierzulande übrigens auf keinen Fall nennen – funktioniert.

x-Euro-Ticket

Einen Nachfolger für das überaus erfolgreiche Neun-Euro-Ticket soll es auch geben. Aber erst nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen mit den Bundesländern. Finanziell schwächere Familien werden aber sicher keine 200 bis 250 Euro monatlich dafür ausgeben können, bei einem Preis von etwa 50 Euro und einer vier- oder fünfköpfigen Familie.

Studenten

200 Euro für Studenten, Problem ist noch, wie man die überhaupt auszahlen will. Man weiß es noch nicht.

Rentner

Keine derartigen Probleme dürfte es bei der Rentenversicherung im Dezember geben, wenn die 300 Euro für die Rentner ausgezahlt werden sollen. Die Probleme haben allerdings die ärmeren Rentner, die nicht wissen, wie sie damit die 1000 Euro Heizkostennachzahlung bezahlen sollen. Und die reicheren Rentner? Die können vielleicht ihren Enkeln ein 50(plus x)-Euro-Ticket davon kaufen.

Quellen: Tagesschau, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: Fotolia_158866271_Subscription_XXL.jpg

Hinzuverdienstgrenzen fallen

Ganz ohne große Medienresonanz wurde der Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (8. SGB IV-Änderungsgesetz – 8. SGB IV-ÄndG) vom Bundeskabinett am 31. August 2022 auf den parlamentarischen Weg gebracht.

weitreichende Änderungen

Das Gesetzespaket ist sehr umfangreich, besteht aus 34 Artikeln und bereitet Änderungen in fast allen Sozialgesetzbüchern und anderen Gesetzen im sozialen Bereich vor. Federführend ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

Hinzuverdienstgrenzen

Die wichtigste Änderung betrifft die Hinzuverdienstgrenzen bei einer vorgezogenen Altersrente und bei Erwerbsminderungsrenten:

  • Die Hinzuverdienstgrenze bei vorgezogenen Altersrenten entfällt ersatzlos.
  • Bei Erwerbsminderungsrenten werden die Hinzuverdienstgrenzen deutlich angehoben.

Altersrente

Mit dem Bezug einer Altersrente kann nunmehr – wie bereits heute schon ab Erreichen der Regelaltersgrenze – hinzuverdient werden, ohne dass es zu einer Anrechnung auf die Rente kommt. Durch die damit einhergehende Flexibilität beim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand, so die Begründung des BMAS, könne ein Beitrag geleistet werden, dem bestehenden Arbeits- und Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Gleichzeitig werde durch den Wegfall das bestehende Recht vereinfacht und Bürokratie abgebaut, insbesondere bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung.

Erwerbsminderungsrente

Bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung, so das BMAS, soll die bisherige Hinzuverdienstgrenze von 6 300 Euro ab 1. Januar 2023 abgeschafft werden. Stattdessen gelte unter Beachtung des eingeschränkten Leistungsvermögens von weniger als drei Stunden täglich eine kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze von drei Achteln der 14fachen monatlichen Bezugsgröße. Dies entspreche 17 272,50 Euro im Jahr 2022. Bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung werde die kalenderjährliche Mindesthinzuverdienstgrenze entsprechend dem Restleistungsvermögen von unter 6 Stunden täglich sechs Achtel der 14fachen monatlichen Bezugsgröße betragen. Dies entspreche 34 545 Euro im Jahr 2022.

Weitere Änderungen im Gesetzentwurf

  • Im Künstlersozialversicherungsgesetz werden vor allem die Zuverdienstmöglichkeiten der Versicherten bei einer weiteren nicht-künstlerischen selbständigen Tätigkeit im Anschluss an die auslaufende Corona-Sonderregelung dauerhaft erweitert.
  • In Anlehnung an die bereits bestehende Regelung bei einer zusätzlichen abhängigen Beschäftigung soll zukünftig das Kriterium der „wirtschaftlichen Haupttätigkeit“ maßgeblich dafür sein, über welche Tätigkeit die Absicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung stattfindet.
  • Darüber hinaus wird z.B. der Versicherungsschutz für Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung weiterentwickelt.

Digitales

Im Datenaustausch zwischen den Arbeitgebern und den Trägern der sozialen Sicherung sowie den Trägern untereinander sollen die Möglichkeiten, dies digital zu erledigen, erweitert werden. Darüber hinaus sollen noch weitere Verfahren im Bereich der sozialen Sicherung in die digitale Datenübermittlung einbezogen werden, bei denen derzeit noch ein Austausch per Brief oder Fax erfolgt.

Quelle: BMAS,

Abbildung: pixabay.com old-people-1555705_1920.jpg

Chancen-Aufenthaltsrecht

Etwa 135.000 Menschen in Deutschland könnten vom geplanten Chancen-Aufenthaltsrecht profitieren und aus den Kettenduldungen herauskommen. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf Anfang Juli 2022 beschlossen, nun muss die Angelegenheit nach der Sommerpause, voraussichtlich ab Oktober, vom Bundestag diskutiert und beschlossen werden. Dabei können die Parlamentarier*innen auch noch Änderungen einbringen und beschließen. Gelten wird das Chancen-Aufenthaltsrecht dann voraussichtlich etwa ab Dezember 2022.

Fehlende Voraussetzungen nachholen

Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht des § 104c AufenthG-E wird dem Bedürfnis der seit Jahren im Bundesgebiet lebenden geduldeten und zumeist gut integrierten Ausländer nach einer Aufenthaltsperspektive in Deutschland Rechnung getragen. Ihnen wird die Chance eingeräumt, noch fehlende Voraussetzungen für einen dauerhaften Aufenthalt nachzuholen. Hierzu gehören vor allem die Identitätsklärung, die Lebensunterhaltssicherung sowie erforderliche Kenntnisse der deutschen Sprache. Um die Nachholung der fehlenden Voraussetzungen zu erleichtern, wird den Betreffenden eine auf ein Jahr begrenzte Aufenthaltserlaubnis als Chancen-Aufenthaltsrecht erteilt.

Bleiberechtsregelungen

Die geltenden Bleiberechtsregelungen sollen moderat weiterentwickelt werden. Dabei soll die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft im Blick behalten werden. Diejenigen, die gut in Deutschland integriert sind und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen können, sollen schneller einen rechtssicheren Aufenthaltsstatus erhalten.

Jugendliche und junge Volljährige

Gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige sollen bereits nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland sowie bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erhalten.

Antrag

Diejenigen, die die Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht ((fünf Jahre Aufenthalt, nicht straffällig, Bekenntnis zur Grundordnung) erfüllen müssen nach Inkrafttreten den Gesetzes, frühestens im Dezember 2022, bei der für sie zuständigen Ausländerbehörde das Chancen-Aufenthaltsrecht beantragen.

Noch kein Abschiebeschutz

Trotzdem sind Menschen, die die Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht erfüllen werden, aktuell nicht unbedingt vor Abschiebungen sicher. In einigen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, Thüringen, Hessen, Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Schleswig-Holstein gibt es so genannte Vorgriffregelungen, die aber unterschiedlich ausgestaltet sind. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Menschen, die von dem neuen Gesetz profitieren werden, nicht noch in letzter Minute abgeschoben werden dürfen. In anderen Bundesländern gibt es diese Regelungen leider nicht. Hier hängt es von den einzelnen Ausländerbehörden ab, wie sie entscheiden. Genaueres kann man bei pro asyl erfahren.

Quellen: Bundeskabinett, Paritätischer Gesamtverband, pro asyl

Abbildung: Fotolia_92728962_M.jpg

KiTa-Qualitätsgesetz

Mit dem KiTa-Qualitätsgesetz wird das Gute-KiTa-Gesetz abgelöst, mit dem der Bund von 2019 bis 2022 den Ländern rund 5,5 Milliarden Euro für die Weiterentwicklung der Qualität und die Verbesserung der Teilhabe in der Kindertagesbetreuung zur Verfügung gestellt hat. Um die Qualitätsentwicklung weiter zu stärken, werden mit dem KiTa-Qualitätsgesetz die Ergebnisse des Monitorings und der Evaluation des Gute-KiTa-Gesetzes aufgegriffen.

„Gute-Kita-Gesetz“ wird weiterentwickelt

Das neue Gesetz entwickelt das Gute-Kita-Gesetz weiter. Bislang umfasste es zehn qualitative Handlungsfelder sowie Maßnahmen zur Beitragsentlastung, in die die Bundesländer investieren können. Künftig sollen die Länder überwiegend (über 50 Prozent der Mittel) in die sieben vorrangigen Handlungsfelder investieren. Sofern diese Schwerpunktsetzung sichergestellt ist, können die Länder auch Maßnahmen, die bereits Gegenstand der Bund-Länder-Verträge zum Gute-KiTa-Gesetz waren, fortsetzen. Maßnahmen, die ab 2023 neu begonnen werden, müssen ausschließlich in den vorrangigen Handlungsfeldern ergriffen werden.

Handlungsfelder

Die sieben vorrangige Handlungsfelder sind:

  • Bedarfsgerechtes Angebot,
  • Fachkraft-Kind-Schlüssel,
  • Gewinnung und Sicherung von qualifizierten Fachkräften,
  • Starke Leitung,
  • Maßnahmen zur kindlichen Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung,
  • Sprachliche Bildung und
  • Stärkung der Kindertagespflege

Elternbeiträge

Das Einkommen, die Anzahl der Geschwister und die Betreuungszeiten sollen bundesweit verpflichtende Staffelungskriterien für Kita-Beiträge sein. Familien mit geringem Einkommen, die etwa Sozialleistungen, Kinderzuschlag oder Wohngeld erhalten, bleiben künftig bundesweit von den Beiträgen befreit.

Während die Staffelung der Elternbeiträge bereits jetzt verbindlich in § 90 Abs. 3 S. 1 SGB VIII geregelt ist, werden die Staffelungskriterien, wie das Einkommen oder die Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder bisher nur beispielhaft in § 90 Abs. 3 S. 2 SGB VIII genannt. In Zukunft sollen diese als verpflichtende Kriterien zur Kostenstaffelung gelten. Durch die verbindlichere Regelung der Staffelungskriterien soll auch die Staffelung an sich effektiver werden.

Ab wann?

Die Neuregelung zur Staffelung der Elternbeiträge soll zum 1. August 2023 in Kraft treten, während das übrige Gesetz schon zum 1.1.2023 rechtskräftig werden soll.

Quellen: BMSFSJ, Kompetenzzentrum Jugendcheck, Paritätischer Gesamtverband

Abbildung: Fotolia_84842182_L.jpg

Globaler Klimastreik am 23. September 2022

In knapp einem Monat wird wieder zu einem globalem Klimastreik aufgerufen. Angesichts der weltweit zunehmenden katastrophalen Auswirkungen der Erderwärmung verblassen alle – auch hier in FOKUS-Sozialrecht – behandelten sozialrechtlichen Änderungen, Plänen und Forderungen zu Nebenschauplätzen.

Generationengerechtigkeit

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem wegweisenden Urteil 2021 zum Klimaschutz die Generationengerechtigkeit betont, ohne die letztlich keine der weltweiten sozialen Probleme gelöst werden können. Grundlage für eine gerechte Welt, auch für die nachfolgenden Generationen, ist eine Welt, auf der alle Menschen die Möglichkeit haben zu überleben.

Entscheidungen für nachfolgende Generationen

Wenn die Staaten der Erde nicht sofort anfangen, umzusteuern, hinterlassen wir schon der nächsten Generation, unseren Kindern, die jetzt in Kindergärten und Schulen gehen, in Ausbildung sind oder gerade ihr Leben mit ihrer eigenen Familie aufbauen, eine Erde, die in weiten Teilen lebensfeindlich geworden ist. Alles hängt von den Entscheidungen ab, die jetzt getroffen werden.

Nur führen die Entscheidungen, die zur Zeit getroffen werden, und die Änderungen, die sie bewirken, uns geradewegs in eine 3 Grad wärmere Welt. Wären dieselben Maßnahmen und Entscheidungen vor 30 Jahren in die Wege geleitet worden, als das Ausmaß der drohenden Katastrophe schon bekannt war, es aber keiner glauben wollte, hätten wir eine Chance gehabt, das Schlimmste zu verhindern und die Erderwärmung auf ein erträgliches Maß zu begrenzen.

Was sind schon 3 Grad? Dann ist es eben in Hamburg so warm wie jetzt in Madrid. Was soll daran so furchterregend sein?

Zusammenfassung vom Klimaforscher

Stefan Rahmstorf, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat in einem 30-Seiten-Papier beschrieben, was es bedeutet, in einer Welt zu leben, deren Durchschnittstemperatur um 3 Grad gestiegen ist. Die 3 Grad beziehen sich auf die globale Temperatur im späten 19. Jahrhundert. Bislang sind wir laut Weltklimarat bei 1,1 Grad Erwärmung angelangt. Die Auswirkungen sind deutlich.

Drei Grad

1,1 Grad weltweit bedeuten für Landgebiete jetzt schon eine mittlere Erwärmung von etwa 2 Grad, denn viele Landgebiete erwärmen sich etwa doppelt so rasch wie
der globale Mittelwert, der zu 70 Prozent aus Meerestemperaturen gebildet wird. Deutschland liegt jetzt bei 2,3 Grad Erwärmung. Drei Grad weltweit würde für Deutschland eine Erwärmung ungefähr 6 Grad bedeuten.

Gesundheitsgefahren

Das Kühlsystem des menschlichen Körpers funktioniert durch Schwitzen, also durch die Verdunstung von Wasser an der Hautoberfläche, und diese hängt von Temperatur und Luftfeuchtigkeit ab – je feuchter die Luft bereits ist, desto geringer ist ihre Fähigkeit, weiteren Wasserdampf aufzunehmen und desto schlechter läuft die Verdunstungskühlung. Die relevante Maßzahl für Hitzestress ist die Kühlgrenztemperatur: das ist die tiefste Temperatur, die sich durch direkte Verdunstungskühlung erreichen lässt. Dabei steht die Wasserabgabe einer feuchten Oberfläche mit dem Wasseraufnahmevermögen der umgebenden Luft im Gleichgewicht. Aufgrund der Verdunstungskälte liegt die Kühlgrenztemperatur in Abhängigkeit von der relativen Luftfeuchte unterhalb der Lufttemperatur. Die Kühlgrenztemperatur spielt unter anderem für die Wärmeregulation von Lebewesen eine wichtige Rolle. Liegt sie zu hoch, können Organismen wie der Mensch keine Wärme mehr in die Umgebung abgeben und es kommt zu einer lebensbedrohlichen Überhitzung. Bei einer Luftfeuchte von 70 Prozent (typisch für Deutschland im Sommer) wird die selbst für gesunde Menschen nach einigen Stunden tödliche Kühlgrenztemperatur von 35 Grad bei einer Lufttemperatur von 40 Grad Celsius erreicht.

Weitere Gefahren

Gefährlich wird es, wie Rahmstorf beschreibt, durch Extremwetter, wie

  • Extremniederschläge
  • Dürren
  • Tropische Wirbelstürme,
  • Meersespiegelanstieg,
  • Eisschmelze

Kipppunkte

Dazu kommen die Kipppunkte, bei denen Ökosysteme „kippen“ und eine Rückkehr zum vorherigen Zustand ausgeschlossen ist. Die wichtigsten Kipppunkte sind

  • das Eis in der Arktis, Grönland und der Antarktis,
  • die Regenwälder und die borealen Wälder,
  • der Permafrostboden,
  • Korallenriffe und
  • die Atlantikzirkulation.

Fatalerweise hängen die Kipppunkte durch Wechselwirkungen voneinander ab, so dass sich Teilsysteme gegenseitig zum Umkippen bringen können.

Eine Erde voller Schrecken

Niemand könne genau vorhersagen, schreibt Rahmstorf, wie eine drei Grad wärmere Welt genau aussehe, aber ziemlich sicher „wäre diese Erde voller Schrecken für die Menschen, die sie erleben müssten. Wetterchaos mit tödlichen Hitzewellen, verheerenden Monsterstürmen und anhaltenden verbreiteten Dürren, die weltweite Hungerkrisen auslösen könnten. Steigende Meeresspiegel, die unsere Küsten verwüsten. Umkippende Ökosysteme, verheerendes Artensterben, brennende und verdorrende Wälder, versauerte Ozeane. Failed States, riesige Menschenzahlen auf der Flucht.“

Umschalten in den Krisenmodus

Noch besteht ein Funken Hoffnung, so Rahmstorfs Fazit, dass diese 3-Grad-Welt kein unvermeidliches Schicksal sei. Noch sei es sogar möglich, die Erwärmung auf nahe der 1,5-GradMarke zu begrenzen – was 2015 in Paris von allen Ländern einstimmig beschlossen wurde und wozu hierzulande fast alle Politiker Lippenbekenntnisse abgeben. Die weltweite Klimapolitik mache durchaus Fortschritte: Mit den beim Klimagipfel in Glasgow angekündigten Maßnahmen rückt die Begrenzung auf 2 Grad in Reichweite, wenn diese Maßnahmen nicht nur versprochen, sondern konsequent umgesetzt werden. Doch die Begrenzung auf 2 Grad reicht nicht aus. Um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, muss die Welt endlich in den ernsthaften Krisenmodus schalten, wie die jungen Menschen von Fridays for Future völlig zu Recht einfordern. Klimaschutz muss dazu die höchste Priorität bekommen.

Quellen: Stefan Rahmstorf: „Klima und Wetter bei 3 Grad mehr“, wikipedia, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: pixabay.com fridays-for-future-4161573_1280.jpg

Künstlersozialabgabe 2023

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Ressort- und Verbändebeteiligung zur Künstlersozialabgabe-Verordnung 2023 (KSA-VO 2023) eingeleitet. Nach der neuen Verordnung wird der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung im Jahr 2023 auf 5,0 Prozent angehoben.

Erste Steigerung seit 2018

Der Künstlersozialabgabesatz lag seit 2018 – auch während der schwierigen Phase der Corona-Pandemie – unverändert bei 4,2 Prozent. Dies wurde durch zusätzliche Bundesmittel in Höhe von insgesamt 117 Mio. Euro in den Jahren 2021 und 2022 gewährleistet. Angesichts der großen wirtschaftlichen Schäden in der Kunst- und Kulturwirtschaft infolge der Pandemie hätte der Abgabesatz für 2023 eigentlich auf 5,9 Prozent angehoben werden müssen. Dank weiterer Bundesmittel („Stabilisierungszuschuss“) in Höhe von rund 58,9 Mio. Euro wird der Anstieg des Abgabesatzes im Jahr 2023 auf 5,0 Prozent begrenzt.

Künstlersozialversicherung

Über die Künstlersozialversicherung werden mehr als 190.000 selbständige Künstler und Publizisten als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einbezogen. Die selbständigen Künstler und Publizisten tragen, wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge. Die andere Beitragshälfte wird durch einen Bundeszuschuss (20 Prozent) und durch die Künstlersozialabgabe der Unternehmen (30 Prozent), die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten, finanziert. Die Künstlersozialabgabe wird als Umlage erhoben. Der Abgabesatz wird jährlich für das jeweils folgende Kalenderjahr festgelegt. Bemessungsgrundlage sind alle in einem Kalenderjahr an selbständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte.

Quelle: BMAS

Abbildung: pixabay.com manhattan-1674404_1280.jpg

Krankenhaus-Begleitungs Richtlinie (KHB-RL)

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat nun die Erstfassung der Krankenhaus-Begleitungs Richtlinie (KHB-RL) vorgestellt und damit die Voraussetzungen für einen Krankengeldanspruch von Begleitpersonen geschaffen. Ab dem 1. November 2022 haben Begleitpersonen von Menschen mit Behinderung bei einem Verdienstausfall Anspruch auf Krankengeld. (§ 44b SGB V ab 1. November 2022).

Erster Entwurf erntete Kritik

Sorgte der im Juni dazu erschienene Entwurf für Kritik bei den Sozialverbänden und Betroffenen, zeigt sich die Patientenvertretung im G-BA mit dem jetzigen Ergebnis zufrieden. Kritikpunkte waren vor allem, dass in den ursprünglichen zwei Fallgruppen von „erheblicher“ und „kompletter“ Schädigung der mentalen Funktion oder von „erheblicher“ und „kompletter“ Beeinträchtigung der Kommunikation gesprochen.

Die jetzige Fassung enthält drei Fallgruppen, in denen die einengenden Adjektive nicht mehr vorkommen.

Personenkreis

Aus medizinischen Gründen kann eine Begleitung bei einem Krankenhausaufenthalt notwendig sein bei Menschen, die aufgrund einer schweren geistigen Behinderung oder fehlender sprachlicher Verständigungsmöglichkeiten durch eine vertraute Bezugsperson unterstützt werden müssen. In seiner Richtlinie konkretisiert der G-BA drei Fallgruppen:

  • Begleitung, um während der Krankenhausbehandlung eine bestmögliche Verständigung mit der Patientin oder dem Patienten zu gewährleisten,
  • Begleitung, damit die Patientin oder der Patient die mit ihrer Krankenhausbehandlung verbundenen Belastungssituationen besser meistern kann, insbesondere bei fehlender Kooperations- und Mitwirkungsfähigkeit sowie
  • Begleitung, um die Patientin oder den Patienten während der Krankenhausbehandlung in das therapeutische Konzept einbeziehen zu können oder zur Einweisung in die anschließend weiterhin notwendigen Maßnahmen.

Die in den jeweiligen Fallgruppen aufgeführten Schädigungen und Beeinträchtigungen begründen jeweils für sich alleine als auch in ihrer Kombination die medizinische Notwendigkeit für die Mitaufnahme einer Begleitperson.

Bescheinigung über den Bedarf

Der medizinische Bedarf für die Mitaufnahme einer Begleitperson im Krankenhaus kann im Zusammenhang mit der Krankenhauseinweisung festgestellt und auf dem dafür vorgesehenen Vordruck (Verordnung von Krankenhausbehandlung) bescheinigt werden: aufgrund von mindestens einem medizinischen Kriterium der Fallgruppen oder einer vergleichbaren Schädigung oder Beeinträchtigung. Zudem ist es möglich, den Bedarf einer Begleitung unabhängig von einer konkreten Krankenhauseinweisung medizinisch einzuschätzen und festzustellen. Befristet für die Dauer von bis zu 2 Jahren erhält die Patientin oder der Patient dann eine entsprechende Bescheinigung.

Begleitpersonen

Wer als Begleitperson in Frage kommt, ist bereits gesetzlich geregelt: Das kann eine nahe Angehörige oder ein naher Angehöriger wie zum Beispiel Eltern, Geschwister und Lebenspartner sein oder eine Person aus dem engsten persönlichen Umfeld, zu der die gleiche persönliche Bindung wie zu einem nahen Angehörigen besteht.

Bescheinigung über die Begleitung

Das Krankenhaus bescheinigt der Begleitperson für den Krankengeldantrag bei ihrer Krankenkasse, dass ihre Mitaufnahme aus medizinischen Gründen notwendig ist. Dies kann im Vorfeld oder während der Krankenhausbehandlung geschehen. Bei Bedarf kann sich die Begleitperson für ihren Arbeitgeber auch eine Aufenthaltsbescheinigung über die Anwesenheitstage im Krankenhaus ausstellen lassen.

rechtliche Voraussetzungen

Gesetzliche Voraussetzung für ein Anspruch auf Begleitung ist,

  • dass die behinderten Versicherten Eingliederungshilfe beziehen,
  • dass die Begleitpersonen gesetzlich krankenversichert sind und
  • dass die Begleitung mindestens 8 Stunden am Tag beträgt.

Ausweitung gefordert

Die Patientenvertreter weisen in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass es oft auch dringenden Bedarf einer Begleitung im Krankenhaus bei vielen behinderten Menschen ohne Eingliederungshilfeanspruch gibt sowie bei älteren beeinträchtigen Menschen gegeben. Hier mahnen die maßgeblichen Patientenorganisationen an, dass der Gesetzgeber weiter gefragt sei, eine Ausweitung des Personenkreises, für den eine Begleitung unabdingbar ist, vorzunehmen.

Gültig ab 1. November 2022

Der Beschluss zur Erstfassung der Krankenhausbegleitungs-Richtlinie (KHB-RL) wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur rechtlichen Prüfung vorgelegt. Bei Nichtbeanstandung wird sie im Bundesanzeiger veröffentlicht und tritt – gegebenenfalls auch rückwirkend – am 1. November 2022 in Kraft.

Quellen: G-BA, Paritätischer Gesamtverband, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: Fotolia_87266480_Subscription_XXL.jpg

Lindners Mogelpackung

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat Eckpunkte für ein Inflationsausgleichsgesetz vorgestellt. Es sieht vor, für rund 48 Millionen Bürgerinnen und Bürger die Steuerlast an die Inflation anzupassen, um so Mehrbelastungen zu vermeiden. Zudem sollen Familien gezielt steuerlich unterstützt werden. Im Einzelnen soll das so aussehen:

Einkommensteuertarif (§ 32a EStG)

  • Anhebung des Grundfreibetrags 2023 von 10.347 Euro auf 10.632 Euro
  • Anhebung des Grundfreibetrags 2024 von 10.632 Euro auf 10.932 Euro

Kinderfreibetrag (§ 32 Absatz 6 EStG)

  • Rückwirkende Anhebung 2022 von 2.730 Euro auf 2.810 Euro
  • Anhebung 2023 von 2.810 Euro auf 2.880 Euro
  • Anhebung 2024 von 2.880 Euro auf 2.994 Euro

Kindergeld (§ 66 EStG)

Bisher für das erste und zweite Kind monatlich jeweils 219 Euro, für das dritte Kind 225 Euro und für das vierte und jedes weitere Kind jeweils 250 Euro.

Ab 1. Januar 2023:

  • Erhöhung für das erste und zweite Kind um 8 Euro und für das dritte Kind um 2
    Euro monatlich
  • für das vierte und jedes weitere Kind weiterhin 250 Euro

Ab 1. Januar 2024:

  • Erhöhung für das erste, zweite Kind und dritte Kind um 6 Euro monatlich, sodass
    das Kindergeld monatlich für das erste, zweite und dritte Kind einheitlich 233
    Euro beträgt
  • für das vierte und jedes weitere Kind weiterhin 250 Euro

„Kalte Progression“ und Unterhaltsleistungen

Dazu werden die Steuertarif-Eckwerte erhöht, um die „kalte Progression“ aufzufangen und der Höchstbetrag für den steuerlichen Abzug von Unterhaltsleistungen angehoben und rückwirkend ab dem Jahr 2022 dynamisiert.

Nichts Neues und nichts Dolles

Dabei fällt auf, dass sämtliche „Wohltaten“ von Herrn „Porsche“ (so die Bezeichnung für den Finanzminister Lindner in der Gebärdensprache) nichts weiter als die üblichen jährlichen Anpassungen bei Steuerfreibeträgen und Kindergeld sind. Und das auch nicht in besonderer Höhe, sondern im Rahmen des üblichen wie jedes Jahr. Offensichtlich bemüht sich der Finanzminister, der in der Ampelkoalition bisher als Bremsklotz aufgetreten ist, wenn es um die erklärten Ziele des Koalitionsvertrags wie Energiewende und soziale Gerechtigkeit geht. Dazu kommen noch Äußerungen wie „Gratismentalität“ zu den Befürwortern der Verlängerung des 9 Euro-Ticket und gleichzeitig strikte Ablehnung von Übergewinnsteuern bei den Krisen- und Kriegsgewinnlern in der Energiebranche oder von der Abschaffung des Dienstwagenprivilegs. Auch andere Subventionen in die Fossilwirtschaft werden nicht angetastet.

Beachtliche soziale Schieflage

Die Steuerpläne haben eine „beachtliche sozialer Schieflage„, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Von einem höheren Grundfreibetrag profitieren Reiche deutlich stärker als Niedrigeinkommensbezieher. Die Anhebung des Kinderfreibetrags sorgt dafür, dass reichere Familien deutlich mehr bekommen als einfache Kindergeld-Bezieher. Und natürlich nutzen denjenigen, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind, weder Steuererleichterungen noch Kindergelderhöhung. Die gehen mit Verweis auf die Schuldenbremse mal wieder leer aus.

Quellen: Bundesfinanzministerium, Paritätischer Gesamtverband, FAZ

Abbildung: pixabay.com bluff-2757392_1280.jpg

Bürgergeld – Referentenentwurf

Jetzt liegt der Referentenentwurf zum Bürgergeld vor. Inhaltlich gibt es keine Überraschungen, die wesentlichen Änderungsvorhaben wurden schon in den Eckpunkten vorgestellt.

Wesentlicher Inhalt

Auch die Beschreibung des Referentenentwurfs auf der BMAS-Homepage wiederholt die schon veröffentlichten Eckpunkte:

  • Vereinbarung eines „Kooperationsplans“ zwischen Arbeitssuchenden und Jobcenter,
  • 6 Monate „Vertrauenszeit“, in denen  keine Leistungen gemindert werden.
  • der „Vermittlungsvorrang“  (also die bevorzugte Vermittlung in Erwerbstätigkeit) wird abgeschafft,
  • zusätzlicher finanzieller Ausgleich und neue Angebote für Weiterbildungen,
  • der Soziale Arbeitsmarkt (§ 16i SGB II) wird dauerhaft fortgeführt, dafür sollen – Referentenentwurf, Seite 59 – 2024 200 Mio, 2025 550 Mio Euro und noch mehr in den Folgejahren eingeplant werden. (wird schwierig, wenn der Kollege Finanzminister die ensprechenden Ausgaben in den nächsten Jahren auf 5 Mio Euro runterfahren will, siehe Haushaltsentwurf 2023 Seite 1534),
  • Überprüfung von Vermögen und Angemessenheit der Wohnung erst nach 24 Monaten Leistungsbezug,
  • Nach Ablauf der 24 Monate höheres Schonvermögen, Rücklagen für die Altersvorsorge werden geschützt,
  • Für Auszubildende, Schüler*innen und Studierende, die Bürgergeld beziehen, gelten höhere Freibeträge für die Ausbildungsvergütung oder den Nebenjob.

Was ist mit den Regelsätzen?

Dazu heißt es lediglich, dass sie zum 1. Januar 2023 angemessen und deutlich steigen.  Einzelheiten würden im Gesetzentwurf ergänzt, sobald die erforderlichen Berechnungen abgeschlossen sind. Ob damit eine neue Berechnungsgrundlage gemeint ist, also etwa die Einbeziehung der unteren 30 % der Haushalte, statt wie bisher die unteren 20 %, oder ob nur die übliche jährliche Steigerung gemeint ist, die aufgrund der gestiegenen Preise deutlich höher ausfallen dürfte als die letzte Erhöhung, bleibt unklar.

Anrechnung von Kindergeld

Auch bei der Anrechnung von Kindergeld sieht es nicht nach einer Änderung aus. Zwar wird in § 11 SGB II der Satz eingefügt, dass „…Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind“, was man ja ohne weiteres auf die Bundesrechtsvorschriften des Kindergelds im Einkommenssteuergesetz beziehen könnte, aber eine konkrete Änderung im EStG ist im Referentenentwurf nicht vorgesehen.

umfangreiche Änderungen

Das Bürgergeld-Gesetz ist eine sehr umfangreiche Gestzgebung. Nicht nur wegen der vielen Änderungen im SGB II, sondern sie erfordert auch weitreichende Änderungen im SGB XII, SGB III, SGB IV, SGB VI und anderen Gesetzen. Außerdem zieht sie einen Rattenschwanz an Änderungen nach sich, schon allein, um in allen Gesetzen, Verordnungen und anderen öffentlichen Verlautbarungen, die Wörter „Arbeitslosengeld II“ und „Sozialgeld“ durch „Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch“ und „Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 des zweiten Buches Sozialgesetzbuch“ zu ersetzen. Manchmal reicht auch einfach „Bürgergeld“.

Quellen: BMAS, BMF, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: Fotolia_113739057_Subscription_XL.jpg