Das Transsexuellengesetz ist mittlerweile 40 Jahre alt. Seitdem hat das Bundesverfassungsgericht einzelne Vorschriften des Gesetzes bereits sechs Mal für verfassungswidrig erklärt. Auch weitere Vorschriften des TSG stehen verfassungsrechtlich in der Kritik, wie der psycho-pathologisierende Begutachtungszwang.
Verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht hat im Oktober 2017 den Gesetzgeber dazu aufgefordert, bis Ende 2018 eine Neuregelung des Personenstandsrechts auf den Weg zu bringen, eine dritte Option beim Geschlechtseintrag einzuführen oder gänzlich auf einen Geschlechtseintrag zu verzichten (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017, 1 BvR 2019/16). In seiner Urteilsbegründung wird die Selbstbestimmung als Persönlichkeitsrecht eines Menschen klar in den Vordergrund gestellt.
Die CDU/SPD Koalition ist bisher an dem Vorhaben gescheitert. Dafür legten FDP und Grüne jeweils einen Gesetzentwurf vor.
Gesetzentwurf der FDP
Die FDP-Fraktion will mit ihrem Gesetzentwurf „zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung“ (19/20048) das aktuelle Transsexuellengesetz und den Paragrafen 45b des Personenstandsgesetzes abschaffen und durch ein „Gesetz zur Selbstbestimmung über die Geschlechtsidentität“ ersetzen. Wie die Fraktion ausführt, haben Menschen, deren Geschlechtsmerkmale nicht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen, in Deutschland die Möglichkeit, sich medizinisch und juristisch einer Transition zu unterziehen.
Das juristische Änderungsverfahren werde durch das 1981 in Kraft getretene Transsexuellengesetz normiert, das zwei Optionen für Menschen vorsehe, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt: die Änderung des Namens sowie die formelle Änderung der Geschlechtszugehörigkeit über den Personenstand. Voraussetzung für die Änderung des Namens seien nach derzeitiger Rechtslage zwei Gutachten von Sachverständigen, die mit diesem Gebiet ausreichend vertraut und voneinander unabhängig tätig sind.
Zugleich verweisen die Abgeordneten darauf, dass es seit 2018 Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung in Deutschland möglich sei, über den Paragraf 45 b des Personenstandsgesetzes Vornamen und Geschlechtseintrag der eigenen Geschlechtsidentität entsprechend anzupassen. Laut Bundesregierung und Urteil des Bundesgerichtshofs (XII ZB 383/19) sei die Anwendung dieses Paragrafen jedoch auf intergeschlechtliche Personen beschränkt.
Wie die Fraktion ausführt, hat das Parlament mit der Änderung des Personenstandsgesetzes Anfang 2019 eine dritte Option beim Geschlechtseintrag („divers“) geschaffen, doch sei beanstandet worden, dass „die Entscheidung über den Geschlechtseintrag von der Vorlage eines ärztlichen Attestes abhängig gemacht wird“. Zudem bleibe unklar, „ob das Gesetz transsexuelle, transgeschlechtliche und transidente Menschen ausschließt, die sich immer noch durch das unwürdige Verfahren nach dem Transsexuellengesetz quälen müssen“.
Das Transsexuellengesetz stelle für die Änderung der Vornamen und die Berichtigung des Geschlechtseintrages entsprechend der selbst bestimmten Geschlechtsidentität „unbegründete Hürden auf, die das Selbstbestimmungsrecht in menschenunwürdiger Weise beeinträchtigen“. Darüber hinaus verweisen die Abgeordneten darauf, dass in Deutschland an intergeschlechtlichen Kindern immer noch genitalverändernde Operationen vorgenommen würden, „die medizinisch nicht notwendig sind“.
Dem Entwurf (19/19755) zufolge soll das Transsexuellengesetz durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt und im Personenstandsgesetz klargestellt werden, „dass alle Menschen eine Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei einem Standesamt abgeben können“. Zudem soll das Selbstbestimmungsgesetz genitalverändernde chirurgische Eingriffe bei Kindern verbieten sowie unter anderem „einen Anspruch auf Achtung des Selbstbestimmungsrechts bei Gesundheitsleistungen“ statuieren, Bund, Länder und Kommunen zum Ausbau der bisherigen Beratungsangebote verpflichten und eine „Regelung für trans- und intergeschlechtliche Eltern“ einführen.
Es bleibt alles beim Alten
Beide Gesetzentwürfe wurden von CDU, SPD und der AfD abgelehnt. Von der AfD, die in der Bundestagssitzung wieder eindringlich ihre Pöbelqualität unter Beweis stellte, und der CDU war nichts anderes zu erwarten. Die CDU glänzt dabei wieder mit ihrer Blockadehaltung, mit dem Hinweis, der politische Meinungsbildungsprozess sei „noch nicht abgeschlossen“. Vierzig Jahre nach der ersten und fünf Jahre nach der letzten Klatsche durch das Bundesverfassungsgericht.
Koalitionszwang, Fraktionszwang
Die SPD beruft sich auf den Koalitionszwang. Ihr sei es nicht gelungen mit der CDU einen guten Entwurf auszuhandeln. Das werde sie in der nächsten Legislaturperiode nachholen. Zwar seien die Gesetzentwürfe von FDP und Grüne schon Verbesserungen, aber es sei halt noch nicht gut genug. Also werde sie lieber aus Koalitionsgründen eine Verbesserung ablehnen.
Viele SPD-Abgeordnete würden wohl liebend gerne in diesem Punkt mit FDP/Grüne stimmen; das ist wegen des Fraktionszwangs und um eine Koalition, die faktisch sowieso am Ende ist, zu unterstützen, wohl nicht möglich.
GG Artikel 38
Der Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Er lautet: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
Antrag auf Entschädigung
Der Antrag der Linksfraktion, dass Entschädigungszahlungen an trans- und intergeschlechtliche Menschen gezahlt werden, an denen fremdbestimmte normangleichende Genitaloperationen durchgeführt wurden, wurde dagegen angenommen. In ihrem Antrag (19/17791) fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, innerhalb eines Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Zudem solle die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit einem Gutachten zur Aufarbeitung menschenrechtswidriger medizinischer Eingriffe aufgrund des Transsexuellengesetzes beauftragt werden.
Die Linksfraktion verweist darauf, dass im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum „Schutz von Kindern vor geschlechtsverändernden operativen Eingriffen“ die fremdbestimmte Durchführung von normangleichenden Genitaloperationen nun weitgehend verboten werden soll. Im Zusammenhang mit diesem geplanten Verbot sei es notwendig, begangenes Unrecht aufzuarbeiten und zu entschädigen. So seien zwischen 1981 und 2011 gemäß des Transsexuellengesetzes operative Eingriffe an den äußeren Geschlechtsmerkmalen sowie Sterilisationen vorgenommen worden. Nach Schätzungen des Bundesverbandes Trans* seien mehr als 10.000 Menschen in Deutschland zwangsweise sterilisiert worden.
Quelle: Bundestag
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