Sparen durch Bürokratie?

Seit es das Bildungs- und Teilhabepaket gibt, also seit zehn Jahren, verstummt die Kritik nicht, es sei zu kompliziert und bürokratisch, zu undurchschaubar und komme bei den betroffenen Familien mit Hartz IV-Bezug nicht an, obwohl der Anspruch besteht.

Abschreckung durch Antrag

Auch beim Inkrafttreten des „Starke Familien-Gesetzes“ vor drei Jahren war dies einer der Hauptkritikpunkte. Dabei sollte gerade dieses Gesetz dafür sorgen, dass die Leistungen besser angenommen würden. Viel hat sich nicht geändert. Immer noch weiß ein Großteil der Betroffenen gar nicht, worauf sie Anspruch hätten und wenn sie dann doch den Antrag vor sich liegen haben, schreckt dieser durch seine Unmengen an oft nicht verständlichen Fragen und verlangten Nachweisen ab.

Die Bundesagentur für Arbeit hat nun eine Statistik für das Jahr 2020 veröffentlicht, in welchem Umfang Leitungsberechtigte die Leistungen überhaupt abrufen. Insgesam sind etwa zwei Millionen Kinder unter 15 Jahre leistungsberechtigt, davon erhielten aber nur 55 Prozent Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket.

Beispiele:

  • 7,3 % aller leistungsberechtigten Schüler*innen bekam Geld für einen eintägigen Schulausflug,
  • 11,1 % für Lernförderung (Nachhilfe),
  • 14,7 % Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben, z. B. Vereinsbeiträge.

Nur SGB II-Berechtigte in der Statistik

Nicht enthalten in der Statistik der Bundesagentur sind u. a. Daten über leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche aus Familien, die Asylbewerberleistungen, Wohngeld oder den Kinderzuschlag erhalten. Die Bundesagentur für Arbeit weist zudem darauf hin, dass ihre Zahlen aus methodischen Gründen nicht geeignet seien, genaue Inanspruchnahme-Quoten des Bildungs- und Teilhabepakets zu errechnen. Aus Sicht von Experten zeigen sie dennoch eindeutig, dass das Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu viele Kinder nicht erreicht.

Ansprüche eindampfen

Vielleicht hat der Sozialwissenschaftler Stefan Sell recht. Er betreibt den Blog Aktuelle Sozialpolitik und schreibt: „Das komplexe System ist letztendlich nur erklärbar mit der Zielsetzung, die Inanspruchnahme dieser Rechtsanspruchsleistungen einzudampfen und darüber Geld einzusparen.“

Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Tagesschau, Monitor

Abbildung: pixabay.com children-593313_1280.jpg