Lieferketten und Kinderrechte

Am 17. Mai fand eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über ein „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ statt.

Ziel

Die Bundesregierung will Unternehmen verpflichten, menschenrechtliche Standards in all ihren globalen Produktionsstätten einzuhalten. Die Verantwortung der Unternehmen soll sich auf die gesamte Lieferkette erstrecken, abgestuft nach den Einflussmöglichkeiten. Die Pflichten sollen durch die Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern umgesetzt werden. Mittelbare Zulieferer sollen einbezogen werden, sobald das Unternehmen über substanzielle Kenntnisse von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene verfügt. Die Unternehmen werden verpflichtet, eine menschenrechtliche Risikoanalyse durchzuführen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, Beschwerdemöglichkeiten einzurichten und über ihre Aktivitäten zu berichten.

Freiwillige Selbstverpflichtung reicht nicht

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Bedeutung der Unternehmensverantwortung bei transnationalen Aktivitäten stetig gestiegen. 2011 hat die Weltgemeinschaft mit den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte erstmals einen globalen Verhaltensstandard für Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte in Lieferketten geschaffen. Die dort verankerten, rechtlich nicht bindenden Sorgfaltspflichten auf dem Gebiet der Menschenrechte sind in die wesentlichen Rahmenwerke der ILO und der OECD zur verantwortungsvollen Unternehmensführung eingeflossen. Gleichzeitig bilden sie die Grundlage für den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und
Menschenrechte (Nationaler Aktionsplan), den die Bundesregierung 2016 beschlossen hat. Im Zuge der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans ist deutlich geworden, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung nicht ausreicht, damit Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Sorgfalt angemessen nachkommen. Deshalb ist eine gesetzliche Verankerung mit behördlichen Durchsetzungsmechanismen geboten.

Nur Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten

Das Lieferkettengesetz sieht vor, ab 2023 Unternehmen ab 3000 Beschäftigten zu verpflichten, menschenrechtliche Risiken in ihren Lieferketten zu analysieren, Beschwerdemöglichkeiten einzurichten und über ihre Aktivitäten zu berichten. Der Anwendungsbereich soll dabei schrittweise auf Unternehmen ab 1000 Beschäftigten ausgeweitet werden.

Nicht die ganze Lieferkette betroffen

Der aktuelle Regierungsentwurf verpflichtet Großunternehmen lediglich dazu, menschenrechtliche Risiken in ihren eigenen Betrieben und bei ihren direkten Zulieferern zu bewerten und auf solche Risiken zu reagieren. Bei Zulieferern, die weiter unten in der Lieferkette angesiedelt sind, sieht das Gesetz vor, dass Unternehmen nur eine „anlassbezogene“ menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung durchführen müssen, sobald sie „substantiierte Kenntnisse“ von potenziellen Menschenrechtsverletzungen haben. Damit fällt der Entwurf hinter die Empfehlungen der EU-Kommission zur Sorgfalts- und Rechenschaftspflicht für Unternehmen zurück, in denen auch die Berücksichtigung branchenspezifischer Leitlinien gefordert wird.

Kinderarbeit am Beginn der Kette

Unicef und andere Kinderrechtsorganisationen (Kindernothilfe, Plan International Deutschland, Save the Children) betonen in einem gemeinsamen Appell, die Größe eines Unternehmens sei nicht in jedem Fall aussagekräftig. Auch kleinere Unternehmen in Risikobranchen, wie dem Textilsektor oder in der Landwirtschaft, können zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden beitragen. Daher ist aus kinderrechtlicher Sicht ein risikobasierter Ansatz zielführender als die ausschließliche Konzentration auf die Größe der Unternehmen.

Die meisten der Rechtsverletzungen, darunter auch Kinderarbeit, finden am Beginn der Wertschöpfungskette statt, wie in Minen und in der Landwirtschaft. Deshalb sollte ein Sorgfaltspflichtengesetz den gesamten Lebenszyklus eines Produkts oder einer Dienstleistung und deren umfassende Wertschöpfung einbeziehen.

Quelle: Bundestag, Unicef

Abbildung: pixabay.com child-labour-62922_1280.jpg