Pflichtverletzungen, Leistungsminderungen

Details zum Bürgergeld (7)

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 05.11.2019 (Az. 1 BvL 7/16) entschieden, dass die Sanktionen nach §§ 31 ff. SGB II mit dem Grundgesetz dann nicht vereinbar sind, wenn die Minderung nach wiederholten Pflichtverletzungen innerhalb eines Jahres die Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs übersteigt oder gar zu einem vollständigen Wegfall der Leistungen führt. Mit dem Grundgesetz unvereinbar sind die Sanktionen zudem, wenn für alle Leistungsminderungen eine starre Dauer von drei Monaten vorgegeben wird.

Sanktionsmoratorium

Bis zum 31.12.2022 waren Sanktionen vorübergehend nur bei verpassten Terminen und nur in Höhe von 10 % möglich, quasi als Übergangsregelung bis zur Einführung des Bürgergelds.

Mit Einführung des Bürgergelds ist das Sanktionsmoratorium ausgelaufen. Leistungsminderungen sind jetzt in Höhe von bis zu 30 % möglich, also in dem Rahmen, den das Bundesverfassungsgericht erlaubt.

Regelungen ab 2023

Pflichtverletzungen (§ 31 SGB II) sind:

  • bis 30.6.2023: Verstoß gegen in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten/fehlende Eigenbemühungen,
  • ab 1.7.2023: Weigerung der Aufforderung nachzukommen, die im Kooperationsplan festgehaltenen Absprachen einzuhalten,
  • Ablehnung zumutbarer Arbeit, Ausbildung oder geförderter Arbeit,
  • Nichtantritt, Abbruch oder Anlass für Abbruch einer zumutbaren Maßnahme

Eine Pflichtverletzung hat nur dann Auswirkungen, wenn die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person vorher über die Rechtsfolgen schriftlich belehrt wurde oder die Rechtsfolgen kannte. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegt und nachweisen kann.

Leistungsminderungen – Umfang (§ 31a SGB II) und Dauer (§ 31b SGB II):

  • Bei der ersten Pflichtverletzung: Kürzung des Bürgergeldes um 10 % des Regelsatzes für höchstens 1 Monat,
  • Bei der zweiten Pflichtverletzung: Kürzung des Bürgergeldes um 20 % des Regelsatzes für höchstens 2 Monate,
  • Bei der weiteren Pflichtverletzungen: Kürzung des Bürgergeldes um 30 % des Regelsatzes für höchstens 3 Monate.

Wenn zwischen dem Beginn der ersten Minderung und einer weiteren Pflichtverletzung mehr als 1 Jahr vergangen ist, gilt die Pflichtverletzung wieder als 1. Verstoß.

Leistungsminderungen bei Nichtwahrnehmung eines Termins (§ 32 SGB II) von 10 % des Regelsatzes für 1 Monat je verpasstem Termin, auch bei häufigeren Terminversäumnissen.

Zur gleichen Zeit darf es nie mehr als 30 Prozent Kürzung des Regelsatzes geben.

Die Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden. Durch die Begrenzung der Minderungshöhe auf höchstens 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs ist im Regelfall eine Minderung der Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung ausgeschlossen.

Rechtsfolgen für junge Erwachsene

Die bis zum Verfassungsgerichtsurteil geltenden verschärften Sonderregelungen für die unter 25-jährigen Hilfeempfänger entfallen.

Junge Erwachsene (U25) sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

Sanktionen sind kein geeignetes Mittel

Laut einer Studie des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsforschung, INES Berlin im Auftrag des Vereins Sanktionsfrei e.V sind Sanktionen sind kein geeignetes Mittel, um Menschen in Beschäftigung zu bringen. Die Studie kann unter https://sanktionsfrei.de/studie eingesehen werden.

Quellen: BMASSOLEX, Thomas Knoche: Grundlagen – SGB II: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Walhalla Fachverlag; 3., aktualisierte Edition (28. Februar 2023)

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Eckpunkte Kindergrundsicherung

Seit knapp vier Wochen grassiert der Entwurf eines Eckpunktepapiers zur Kindergrundsicherung, herausgegeben vom Bundesfamilienministerium. Darin wird das Projekt, die Ziele und teilweise die Ausgestaltung der zukünftigen Leistung mäher beschrieben. Das Papier war zunächst, warum auch immer, nur für den internen Gebrauch bestimmt, ausgewählte Medien konnten aber schon mal reinschauen. Jetzt hat auch Tacheles e.V. die Eckpunkte veröffentlicht.

Bündelung von Leistungen

Mit der Kindergrundsicherung soll nur das Leistungsniveau erhöht, sondern auch mehr Familien und ihre Kinder mit Unterstützungsbedarf erreicht werden. Bisherige finanzielle Förderungen wie das Kindergeld, die Leistungen für Kinder und Jugendliche nach dem SGB II/XII, dem Asylbewerberleistungsgesetz, den Kinderzuschlag und Teile des Bildungs- und Teilhabepaketes werden in einer Leistung gebündelt, die aus zwei Bestandteilen bestehen wird, dem für alle Kinder und Jugendlichen zu zahlenden Garantiebetrag sowie ergänzend einem einkommensabhängigen Zusatzbetrag.

Die Schnittstellen zu Unterhaltsleistungen und Unterhaltsvorschuss, Wohngeld und BAföG sollen möglichst reibungsslos geregelt werden. Die Kindergrundsicherung soll einfach und unbürokratisch sein, das Antragsverfahren digitalisiert un weitgehend automatisiert.

Leistungskomponenten

Die Kindergrundsicherung soll sich aus den Komponenten einkommensunabhängiger Garantiebetrag, der dem heutigen Kindergeld nachfolgt, und vom Einkommen des Kindes und der Eltern abhängigen, altersgestaffelten Zusatzbetrag zusammensetzen.

Garantiebetrag

Das steuerrechtliche Kindergeld soll in den Garantiebetrag der Kindergrundsicherung überführt werden. Die heutigen Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld sollen mit den hierfür geregelten Altersgrenzen (Anspruch für Kinder bis 18 Jahre und darüber hinaus unter weiteren Voraussetzungen, wie z.B. Ausbildung, bis maximal zum 25. Geburtstag) auch für den Garantiebetrag gelten.

Einkommensabhängiger Zusatzbetrag

Der einkommensabhängige Zusatzbetrag soll als Leistung für Eltern für in ihrem Haushalt lebende, unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, ausgestaltet werden. Der Zusatzbetrag soll sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche mit der Kindergrundsicherung bedarfsgerecht finanziell unterstützt werden. Der maximale Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung wird so festgesetzt, dass er in der Summe mit dem Garantiebetrag das pauschale altersgestaffelte Existenzminimum des Kindes abdeckt (altersgestaffelte Regelbedarfe nach SGB II, Wohnkosten, Bildungs- und Teilhabeleistungen).

Der Zusatzbetrag soll eine Kinderwohnkostenpauschale gemäß dem jeweils aktuellen Existenzminimumbericht (derzeit 120 Euro) enthalten.

Die Berechnung des Zusatzbetrags orientiert sich am sozialrechtlichen Einkommensbegriff nach dem SGB II. Erhebliches Vermögen soll dabei berücksichtigt werden.

Mit der Kindergrundsicherung sollen Kinder und Jugendliche weitgehend aus dem Leistungsbezug nach SGB II bzw. SGB XII herausgelöst werden. Wenn Eltern Leistungen nach SGB II bzw. SGB XII (Bürgergeld) für sich beziehen, erhalten ihre Kinder automatisch den maximalen Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung.

Neudefinition kindliches Existenzminimum

Schon der Koalitionsvertrag fordert eine Neudefinition des soziokulturellen Existenzminimums von Kindern. Dies umfasst zum einen die Neugestaltung des Bildungs- und Teilhabepakets und zum anderen eine Neubemessung der altersgestaffelten Regelbedarfe.

Kinder- und Jugendbeteiligung

Bereits im Vorfeld der Einführung der Kindergrundsicherung sollen Kinder- und Jugendliche nach einem wissenschaftlich fundierten Konzept beteiligt werden. Dies umfasst auch die Neudefinition des soziokulturellen Existenzminimums. Künftig soll regelmäßig durch die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sichergestellt werden, dass Veränderungen ihrer Lebenswelten zeitnah bei der Ermittlung des Existenzminimums berücksichtigt werden.

Nach der Sommerpause

Das Gesetzgebungsverfahren soll nach der Sommerpause 2023 begonnen werden.

Quelle: Tacheles e.V.

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Kinder in Coronazeiten

Das Bundesgesundheitsministerium stellte am 8. Februar den Abschlussbericht „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ einer Interministerielle Arbeitsgruppe vor.

Psychische Belastung

Der Bericht stützt sich auf sechs Studien zur Kindergesundheit, unter anderem KIDA vom Robert-Koch-Institut und eine Studie der DAK. Die Arbeitsgruppe der Ministerien sah teils sehr unterschiedliche Ergebnisse der Studien und damit einhergehenden Handlungsempfehlungen, in allen Studien sah man aber erhöhte psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie.

erhöhter Unterstützungsbedarf

So träten bei vielen Betroffenen Essstörungen und Depressionen auf, auch würden sich Kinder und Jugendliche weniger bewegen. Auffällig sei, wie sich sprachliche sowie emotionale Entwicklung bei Betroffenen verzögere. Im Bericht der Arbeitsgruppe werden zudem Studien zitiert, die Eigenschaften für einen erhöhte Unterstützungsbedarf identifizieren. Dazu gehören Armut, ein geringerer Bildungsstatus der Eltern, Eltern in keiner festen Partnerschaft sowie ein Migrationshintergrund, beengte Wohnverhältnisse sowie psychische Belastungen bei den Eltern selbst.

Maßnahmepaket

Nun will die Bundesregierung mit einem großen Maßnahmepaket gegensteuern. Aufgelistet und beschrieben werden die Maßnahmen im Abschlussbericht ab Seite 15 in folgenden Handlungsfeldern:

  • Frühe Hilfen
  • Kindertagesbetreuung
  • Schulen
  • Gesundheitswesen
  • Jugendhilfe, Familienhilfe

Empfehlungen wurden ignoriert

Dass die Schulen zu lange geschlossen wurden, räumte auch Minister Lauterbach ein. Er erwähnt aber nicht, auch der Abschlussbericht übrigens nicht, dass es frühzeitig eine vom Robert-Koch-Institut herausgegebene Empfehlung gab, um den Schulbetrieb so weit wie möglich sicher gewährleisten zu können. Diese Empfehlungen wurden nirgends vernünftig umgesetzt, vermutlich aus finanziellen Gründen. Stattdessen gab es beispelsweise ganz schnell etwa im NRW-Landtag Dutzende von Luftreinigern; bis die Finanzierung von Luftreinigern in Schulen langsam in die Gänge kam, war die Pandemie schon fast vorbei.

Unterrichtsausfälle trotz geöffneter Schulen

Als später immer häufiger Schulschließungen ausgeschlossen wurden, verhinderte dies keinigswegs häufige Unterichtsausfälle: Es gab zu viele kranke Lehrer*innen und Schüler*innen. Gleichzeitig wurden wegen der heiligen Kuh „Präsenzpflicht“ viele Eltern vulnerabler Kinder gezwungen ihre Kinder massiven Gesundheitsrisiken auszusetzen.

Kinder an die Macht!

Vernünftig ist es allemal, gerade Kindern aus weniger priveligierten Schichten, die am meisten unter den Schulschließungen gelitten haben, nachträglich Förderangebote zu machen. Aber solange Kinder und Bildung so wenig Bedeutung auf den Proritätenlisten der Politik haben, wird davon vieles im Sande verlaufen.

Quelle: Bundesregierung, taz

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Vereinsversammlungen online

Im letzten Herbst brachte der Bundesrat einen Gesetzentwurf auf Initiative Bayerns ins Rollen, der zukünftig „hybride“ Mitgliederversammlungen möglich macht.

Das Gesetz sollte an die pandemiebedingten Sonderregelungen anknüpfen, die zum 31.8.2022 endeten. Das hat nicht ganz geklappt. Stattdessen legte der Rechtsausschuss am 8. Februar 2023 eine Beschlussfassung dem Bundestag vor, dem sowohl die Koalitionsparteien als auch die CDU/CSU zustimmten.

Mitgliedsrechte auch virtuell

Danach soll die Teilnahme und Ausübung von Mitgliedsrechten sowohl in Präsenz als auch virtuell möglich sein. Zudem sollen durch Beschluss der Mitglieder auch rein virtuelle Versammlungen einberufen werden können.

Änderungen durch den Rechtsausschuss

Gegenüber dem Entwurf der Länderkammer sieht die nun verabschiedete Fassung unter anderem vor, dass die Teilnahme im Wege der elektronischen Kommunikation möglich sein soll und nicht nur in Form von Videokonferenztechnik. Dies ermöglicht laut Begründung auch die Teilnahme per Chat, Telefonkonferenzen oder Abstimmungen per E-Mail. Zudem bezieht sich die Regelung nicht wie im Entwurf der Länderkammer auf den Vereinsvorstand, sondern ist laut Begründung so ausgestaltet, dass sie auch für andere mögliche Einberufungsorgane gilt.

keine Satzungsänderung nötig

Für die Einberufung rein virtueller Mitgliederversammlungen durch das Einberufungsorgan soll, sofern es keine entsprechende Satzungsregelung gibt, ein Beschluss der Mitglieder notwendig sein. Der Beschluss soll laut Begründung nur für künftige Versammlungen gelten und kann für einzelne oder alle künftigen Veranstaltungen gelten. Zudem muss laut Entwurf bei der Einberufung einer hybriden oder virtuellen Versammlung angegeben werden, „wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“.

Gilt auch für Stiftungen

Wie in der Begründung ausgeführt wird, greifen die neuen Regelungen über Verweisungen in Paragraf 28 BGB beziehungsweise Paragraf 86 Satz 1 BGB auch für Sitzungen von mehrköpfigen Vereins- und Stiftungsvorständen. Zudem sind die Regelungen dispositiv, das heißt, Vereine können in ihren Satzungen davon abweichen und beispielsweise hybride oder rein virtuelle Mitgliederversammlungen ausschließen.

Keine Mehrheit fand ein Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zum Gesetzentwurf des Bundesrates. Nach diesem wäre die Einberufung rein virtueller Versammlungen auch ohne vorherigen Beschluss der Mitglieder möglich gewesen.

Der Gesetzentwurf wurde vom Bundestag am Donnerstag, 9. Februar 2023, nach einstündiger Debatte beschlossen. 

Quelle: Bundestag

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Kurze Frage – lange Geschichte

Als im Herbst letzten Jahres der Gesetzentwurf zur Änderung des SGB IV bekannt wurde, in der die Hinzuverdienstgrenzen bei Renten neu geregelt wurden (das Gesetz ist mittlerweile in Kraft), fand ich dort eine unklare Formulierung bei der Berechnungsvorschrift in § 96a SGB VI. Dort heißt es in Absatz 1c: „Die Hinzuverdienstgrenze beträgt bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung das 9,72fache der monatlichen Bezugsgröße …. bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe drei Achtel der 14fachen monatlichen Bezugsgröße, …

Alte Länder – Neue Länder

Nun gibt es aber noch immer, noch bis Ende 2024, zwei Bezugsgrößen: einmal für die „alten“ Bundesländer, das ist die Bezugsgröße West, zum andern für die „neuen“ Bundesländer („Beitrittsgebiet“), das ist die Bezugsgröße Ost.

Um herauszufinden, welche Bezugsgröße etwa bei einem Rentner aus Leipzig bei der Berechnung der Hinzuverdienstgrenze nun gilt, beschloss ich, mal kurz beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, nachzufragen. Telefonisch war leider nichts zu machen, ich konnte an keinen Mitarbeiter weitergeleitet werden, der sich in der Sache auskennt.

Das Kontaktformular

Aber zum Glück gibt es ja auf der BMAS-Homepage ein Kontaktformular, wo man seine Fragen zu allen brennenden Themen loswerden kann. Ich schrieb also kurz und knapp am 22.Oktober 2022: „Gilt bei der Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen bei Erwerbsminderungsrentnern für Menschen in den neuen Bundesländern die Bezugsgröße nach § 18 Absatz 2 SGB IV?„.

Schnelle Antwort – ohne Antwort

Die Antwort kam prompt. Also 2 Tage später: „Ihre Zuschrift wurde zur Bearbeitung und Beantwortung umgehend an ein Fachreferat weitergeleitet.“ Außerdem wurden mir noch eine Menge Telefonnummern mitgeteilt (die hatte ich ja schon vergeblich ausprobiert) und mir wurde erklärt, dass die Information in dieser Mail äußerst vertraulich sei und dass der Absender dieser Nachricht keine Haftung für die Richtigkeit übernehmen könne. Nun ja, also warten…

Späte Antwort – ohne Antwort

Knapp zwei Monate später, am 20.12.2022 erhielt ich eine längere Email mit zwei pdf-Dateien vom BMAS. Nun gibt es endlich Klarheit. Dachte ich.
Das erste Dokument enthielt sämtliche Adressen von allen Rentenversicherungsträgern in Deutschland. – Okay…

Die zweite pdf-Datei enthielt ein langes Schreiben im Namen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, in dem bedauert wird, dass wegen der Vielzahl der Anfragen… erst jetzt…leider könne die Frage aber nicht beantwortet werden, weil dafür die Rentenversicherungsträger zuständig seien…
Deswegen also die lange Liste.

Außerdem wurde mir in dem Schreiben noch mal ausführlich erklärt, was die Gesetzesänderungen im SGB IV bedeuten und wie sie sich auf die Hinzuverdienstgrenzen auswirkten. Sogar, dass bei der Berechnung die Bezugsgröße eine Rolle spiele, wurde mir erklärt. Aber welche denn nun? Das stand leider nicht im Text.

Die Hoffnung stirbt…

Ich habe darauf hin kurz geantwortet, ohne große Hoffnung, jemals eine Lösung für mein Problem zu bekommen: „vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort. Leider war sie völlig überflüssig. Ich wollte lediglich wissen, ob bei den Hinzuverdienstgrenzen unterschiedliche Bezugsgrößen (alte/neue Bundesländer) gelten. Diese Frage haben sie in Ihrem umfangreichen Werk leider nicht beantwortet.“

…zuletzt

Heute, am 7.2.2023, bekam ich Post. Also einen Brief. Zum Anfassen. Vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Im Namen von ….Hubertus…bedauert…leider erst jetzt…Verständnis…stelle ich abschließend folgendes klar: Für die neue Hinzuverdienstgrenze bei der Erwerbsminderungsrente gilt bundeseinheitlich die Bezugsgröße (West), unabhängig davon, ob der Hinzuverdienst in den alten oder neuen Bundesländern erzielt wird…“

Danke Hubertus.

Eigentlich hätte ein einfaches „Nein“ auf meine ursprüngliche Frage gereicht. Aber was weiß ich schon.

Quelle: privat

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Regelbedarf und Mehrbedarf 2023

Details zum Bürgergeld (6)

Regelbedarf

Die Regelleistungen werden in 6 Stufen unterteilt. Mit diesen Geldleistungen müssen alle aufkommenden Kosten gedeckt werden. Nur in Ausnahmefällen kann auf andere Leistungen, z. B. Leistungen des SGB XII, zurückgegriffen werden. Die monatliche Höhe der Regelbedarfe (RB) beträgt je nach Regelbedarfsstufe (RBS) ab 1.1.2023:

Mehr zum Sofortzuschlag siehe hier.

Mehrbedarfe

Bestimmte Personengruppen oder Personen in Sondersituationen erhalten über die Regelleistung hinaus höhere Leistungen (Mehrbedarfe). Diese werden (meist) in Form prozentualer Anteile vom monatlichen Regelbedarf (mtl. RB) berücksichtigt.

Werdende Mütter

Mehrbedarf bei Schwangerschaft wird ab der 12. Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, anerkannt. Die Zahlung erfolgt bis zum tatsächlichen Entbindungstermin. Voraussetzung ist, dass die Schwangere erwerbsfähig und hilfebedürftig ist. Die Höhe der Leistung beträgt 17% der maßgebenden Regelbedarfstufe. Daraus ergibt sich:

  • bei Regelbedarfsstufe 1 (502 Euro): 85,34 Euro
  • bei Regelbedarfsstufe 2 (451 Euro): 76,67 Euro
  • bei Regelbedarfsstufe 3 (402 Euro): 68,34 Euro

Alleinerziehende

Alleinerziehende können wegen der erhöhten Kosten für die Kindererziehung Anspruch auf zusätzliche Leistungen haben. Voraussetzung ist, dass das Kind oder die Kinder minderjährig sind und der Alleinerziehende allein für die Pflege und Erziehung sorgt. Es muss also der Fall vorliegen, dass innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft keine andere Person in wirtschaftlicher Hinsicht an der Pflege und Erziehung beteiligt ist. Ausgehend von der Regelbedarfsstufe 1 (502 Euro) wird ein anteiliger Mehrbedarf je nach Anzahl und Alter der Kinder gezahlt:

Erwerbsfähige Menschen mit Behinderung:

Die Höhe des Mehrbedarfs beträgt 35% des maßgeblichen Regelsatzes:

  • bei Regelbedarfsstufe 1 (502 Euro): 175,70 Euro
  • bei Regelbedarfsstufe 2 (451 Euro): 157,85 Euro
  • bei Regelbedarfsstufe 3 (402 Euro): 140,70 Euro

Nichterwerbsfähige Menschen mit Behinderung:

Nicht erwerbsfähige Schwerbehinderte, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind und deshalb einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G haben und die keine vorrangigen Leistungen nach dem SGB II erhalten, bekommen einen Bedarf in Höhe von 17%. Dies gilt aber nicht, wenn bereits ein anderer Mehrbedarf geltend gemacht wird.

Mehrbedarf für Schulbücher und Arbeitshefte

Hintergrund ist die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom Mai 2019 (Az. u. a. B 14 AS 6/18 R), wonach die Kosten für Schulbücher als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen sind, wenn Schülerinnen und Schüler mangels Lernmittelfreiheit ihre Schulbücher selbst kaufen müssen.

Mit dem eigenständigen Mehrbedarf als Ausgleich für Aufwendungen für Kauf oder entgeltlicher Ausleihe von Schulbüchern sind auch Arbeitshefte umfasst, soweit sie den Schulbüchern gleichstehen. Das ist der Fall, wenn sie über eine ISBN-Nummer verfügen. Voraussetzung für die Anerkennung als Mehrbedarf ist, dass für die betreffende Schülerin bzw. den Schüler im jeweiligen Bundesland oder in der jeweiligen Schule – ganz oder teilweise – keine Lernmittelfreiheit und damit keine Möglichkeit einer unentgeltlichen Anschaffung oder Ausleihe der Schulbücher bzw. der Arbeitshefte besteht. Zudem muss die Benutzung des Buches bzw. Arbeitshefts durch die Schule oder den jeweiligen Fachlehrer vorgegeben sein.

Mehrbedarf für Ernährung

Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen eine kostenaufwändige Ernährung benötigen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Bei der Prüfung der Voraussetzungen ist ein dreistufiges Prüfschema anzuwenden.

  • Stufe 1:
    Hier ist ein Kausalzusammenhang zwischen einer Erkrankung und einer hierdurch indizierten Ernährungsweise nachzuweisen. Dieser Nachweis wird in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung erbracht.
  • Stufe 2:
    Hier ist glaubhaft zu machen, dass ein konkreter Bedarf bestehen, diese angeziegte kostenaufwändige Ernährung in Anspruch zu nehmen. Der Leistungsberechtigte muss konkrete Umstände vortragen, dass er sich der Notwendigkeit der Diät bewusst ist und sich diätgemäß ernährt bzw. ernähren will.
  • Stufe 3:
    Hier erfolgt ein Kostenvergleich zwischen der notwendigen aufwendigeren Ernährung und dem in der Regelleistung anerkannten Betrag für Ernährung und Getränke.

Die Höhe des Mehrbedarfs bestimmt sich dann nach dem ernährungswissenschaftlich erforderlichen Bedarf. Hier werden häufig – sowohl von der Bundesagentur für Arbeit wie auch den Gerichten – die „Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostenzulagen“ (DV 25/08 AF III) des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zugrunde gelegt (siehe auch www.deutscher-verein.de).

Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung

Bei dezentral erzeugtem Warmwasser erfolgt die Abrechnung aber über die Haushaltsenergie (Strom oder Gas). Die Haushaltsenergie ist zwar grundsätzlich mit dem Regelbedarf abgedeckt, Nicht berücksichtigt ist jedoch ein erhöhter Energieverbrauch, wie er durch die dezentrale Warmwassererzeugung mit Strom oder Gas entsteht. Zum Ausgleich dieses Mehraufwands ist bei betroffenen Leistungsberechtigten ein in der Regel pauschalierter Mehrbedarf anzuerkennen.

RBSMehrbedarf in %Mehrbedarf in Euro
12,3%11,55
22,3%10,37
32,3%9,25
41,4%5,88
51,2%4,18
60,8%2,54

Dann gibt es noch atypische Bedarfslagen, Härtefälle, Einmalbedarfe und Sonderbedarfe, alles ausführlich beschrieben in der Sozialleistungsdatenbank SOLEX.

Quellen: Bundesregierung, SOLEX, Fokus-Sozialrecht

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Ende der Kostenheranziehung junger Menschen im SGB VIII

Mit dem Gesetz zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe (gültig seit 1. Januar 2023) wird die Kostenheranziehung von jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII (Gemeinsame Wohnformen für Mütter oder Väter mit Kindern) sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aus ihrem Einkommen und Vermögen abgeschafft. Dadurch können die jungen Menschen und Leistungsberechtigten sowie ihre Ehegatten und Lebenspartner vollständig über das Einkommen, das sie erzielen, verfügen. Die Heranziehung der Elternteile aus ihrem Einkommen bleibt unverändert.

Finanzielle Entlastung

Dadurch können junge Menschen, die diese Leistungen beziehen, finanziell entlastet werden. Betroffene junge Menschen könnten dann leichter Geld für Kosten ansparen, welche mit dem oftmals mit der Volljährigkeit anstehenden Auszug aus der Einrichtung oder Pflegefamilie entstehen, wie z.B. eine Wohnungskaution.

Die Abschaffung der Kostenheranziehung könnte dazu führen, dass junge Menschen in vollstationären Formen der Jugendhilfe wie auch ihre Ehegattinnen und Ehegatten bzw. Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern motivierter sind eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, da sie nun eigenständig über ihr gesamtes Einkommen verfügen können.

Ausnahmen

Ausnahmen gibt es beim Kindergeld und anderen zweckgleichen Leistungen.
Weiterhin ist es möglich, dass Kinder und Jugendliche, junge Volljährige, Leistungsberechtigte in Gemeinsamen Wohnformen für Mütter oder Väter mit Kindern und Elternteile wie bisher unabhängig vom Einkommen zu den Kosten herangezogen werden können. Diese Möglichkeit besteht zum einen wie bisher, wonach Geldleistungen, die dem gleichen Zweck wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienen, unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen sind (§ 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII). Zum anderen ist weiterhin von der Person, die das Kindergeld bezieht, ein Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu zahlen (§ 94 Absatz 3 SGB VIII). Die Ehegatten und Lebenspartner wurden aus dem Personenkreis herausgenommen, da diese keine zweckgleiche Leistung oder das Kindergeld für den jungen Menschen oder für alleinstehende Mütter/Väter mit Kindern in gemeinsamen Wohnformen (§ 19 SGB VIII) erhalten.

Zweckgleiche Leistungen

Zweckgleiche Leistungen neben dem Kindergeld sind beispielsweise

  • Leistungen aus der Unterhaltsvorschusskasse und sonstige Leistungen mit Unterhaltsersatzfunktion
  • Halb- und Vollwaisenrenten
  • Kinderbetreuungskosten
  • Krankenhilfe

Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld

Bis Ende 2022 mussten junge Menschen die Berufsausbildungsbeihilfe und das Ausbildungsgeld vollständig als zweckgleiche Leistung an das Jugendamt abgeben. Auch im ursprünglichen Gesetzentwurf war hier keine Abhilfe geplant.

Dies hätte bedeutet, dass sich in der Ausbildung befindende junge Menschen mit der Neuregelung der Kostenheranziehung nun gegenüber jungen Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt noch schlechter gestellt würden, da ihr Ausbildungslohn bereits jetzt in vollem Umfang zu den Kosten herangezogen wird und sie nicht, wie die Auszubildenden auf dem ersten Arbeitsmarkt, zumindest einen Teil davon behalten dürfen. Nach längerer Debatte und Einwänden der Sozialverbände gibt es nun folgende Lösung:

Um diesen jungen Menschen in ihrer schwierigen Lage eine Chance für ihre wirtschaftliche Emanzipation zu bieten, sollen sie ab 1. Januar 2023 einen bestimmten Teil ihrer Berufsausbildungsbeihilfe oder ihres Ausbildungsgeldes behalten dürfen.

  • Bei der Berufsausbildungsbeihilfe soll der Betrag, der als Einkommen gilt, der Höhe des Betrages für sonstige Bedürfnisse entsprechen, das sind aktuell 109,00 EUR.
  • Beim Ausbildungsgeld soll der Betrag, der als Einkommen gilt, der Höhe des Betrages für den Bedarf entsprechen, das sind aktuell 126 EUR.
  • Beträgt die Höhe der Berufsausbildungsbeihilfe oder des Ausbildungsgeldes gleich viel oder weniger als die genannten Beträge, so gilt die gesamte Berufsausbildungsbeihilfe oder das gesamte Ausbildungsgeld als Einkommen und ist von dem Einsatz für die Kosten der Leistung der Kinderund Jugendhilfe ausgenommen.

Quellen: Bundesregierung, FOKUS Sozialrecht, Kompetenzzentrum Jugend-Check

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Bürgergeldbonus

Details zum Bürgergeld (5)

Das Bürgergeldgesetz beschert uns ab 1. Juli 2023 die neue Vorschrift 16j SGB II, mit der ein finanzieller Anreiz für Weiterbildungen geboten wird.

75 Euro im Monat

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten unter bestimmten Voraussetzungen einen Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro monatlich. Gemeint sind Weiterbildungen, die nicht auf einen Berufsabschluss abzielen. Wer eine Weiterbildung absolviert, deren Ziel ein Berufsabschluss ist, kann stattdessen Weiterbildungsgeld nach dem ebenfalls ab Juli 23 gültigen § 87a im SGB III erhalten.

Voraussetzung

Voraussetzung ist die Teilnahme

  • an einer Berufliche Weiterbildung mit Dauer von mind. 8 Wochen ohne Anspruch auf Weiterbildungsgeld. Zu den Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung zählen auch Weiterbildungen, die der Anerkennung eines ausländischen Abschlusses dienen. Gleiches gilt für Leistungsberechtigte, die im Rahmen einer Rehabilitation an einer beruflichen Weiterbildung nach § 49 Absatz 3 Nummer 4 SGB IX teilnehmen (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im SGB IX),
  • an einer Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme zur Förderung der Aufnahme einer Berufsausbildung; ebenso für eine Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung im Rahmen einer Rehabilitation nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 SGB IX teilnehmen; oder
  • an einer Maßnahme zur Förderung schwer zu erreichender junger Menschen. Mit dem Bonus sollen die schwer zu erreichenden Jugendlichen motiviert werden, an sozialpädagogischen Angeboten und Maßnahmen teilzunehmen und diese nicht vorzeitig abzubrechen.

Für eine Einstiegsqualifizierung (sozialversicherungspflichtiges Praktikum) wird kein Bonus gezahlt, weil die Vergütung dafür beim Bürgergeld anrechnungsfrei ist.

Zahlung und Ende der Zahlung

Der Bonus wird nachträglich im Folgemonat für die Teilnahme an einer Maßnahme gezahlt. Bei Teilmonaten zu Beginn und Ende der Maßnahme werden für jeden Kalendertag 1/30 der Monatspauschale von 75 Euro erstattet. Sofern eine Maßnahme, für die ein Bonus gezahlt wird, abgebrochen wird, besteht kein Anspruch auf Weiterzahlung des Bonus. Dies gilt auch, wenn die Leistungsberechtigten den Abbruch der Maßnahme nicht zu vertreten haben.

Den Bürgergeldbonus gibt es ab 1.7.2023.

Quellen: BMAS, SOLEX

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Sofortzuschlag auch 2023

„Ich weiß nicht, ob Sie’s wussten…?“ (frei nach dem Paderborner Kabarettisten Rüdiger Hoffmann): Der Mitte letzten Jahres eingeführte Sofortzuschlag von 20 Euro monatlich wird auch dieses Jahr an Bezieher*innen von Sozialleistungen gezahlt, z.B. zusätzlich zu den Regelleistungen für Minderjährige im Bürgergeld; vermutlich auch noch im Jahr 2024 oder noch länger. Jedenfalls so lange, bis es der Ampel-Koalition gelungen ist, eine Kindergrundsicherung in Gesetzesform zu basteln.

Sofortzuschlag

Der Sofortzuschlag taucht in folgenden Gesetzen auf:

  • § 72 SGB II (Bürgergeld),
  • § 145 SGB XII (Sozialhilfe),
  • § 16 Asylblg (Asylbewerberleistungsgesetz),
  • § 88f BVG (Soziale Entschädigung),
  • § 6a Abs. 2 BKGG (Kindergeld).

20 Euro mehr monatlich erhalten seit Juli 2022 von Armut betroffene Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene die nach diesen Gesetzen Leistungen nach den für Kinder geltenden Regelbedarfsstufen erhalten oder für die die Eltern Kinderzuschlag nach dem BKGG erhalten.

Im SGB II erhöhen sich damit die Regelbedarfsstufen 3, 4, 5 oder 6 jeweils um 20 Euro. Der Zuschlag wird auch gezahlt, wenn Anspruch auf zumindest eine konkrete Bildungs- und Teilhabeleistung besteht. Auch Kinder, die nur wegen des Bezugs von Kindergeld keinen Anspruch auf SGB II – Leistungen haben, bekommen den Zuschlag.

Im SGB XII werden die Regelungen für den Sofortzuschlag übernommen. Ausnahme: Der Zuschlag wird nicht an Bezieher der Regelbedarfsstufe 3 gezahlt. Im SGB XII handelt es sich bei diesem Personenkreis ausschließlich um Personen, die in einer stationären Einrichtung leben (dies sind in der Regel Einrichtungen der stationären Pflege). Die im SGB II vorgenommene Differenzierung, wonach junge Erwachsenen zwischen der Vollendung des 18. und des 25. Lebensjahres, wenn sie im Haushalt ihrer Eltern leben, einen Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 3 erhalten, gibt es im SGB XII nicht.

Asylbewerber: Der im SGB II vorgesehene Sofortzuschlag wird auch im Asylbewerberleistungsgesetz eingeführt. Das betrifft minderjährige Leistungsberechtigte sowie Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unverheiratet sind und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung zusammenleben.

Bundesversorgungsgesetz: Minderjährige, die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a BVG beziehen, die sich nach der Regelbedarfsstufe 4, 5 oder 6 des SGB XII bemisst, haben Anspruch auf einen monatlichen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro.

Der Sofortzuschlag gilt auch nach Einführung des Bürgergeldes – bis zur Einfürung einer Kindergrundsicherung.

Kinderzuschlag: Der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags hat sich ab 1. Juli 2022 um einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro erhöht, ist damit dauerhaft um 20 Euro höher als das Existenzminimum eines Kindes. Der Höchstkinderzuschlag beträgt seit Anfang 2023 250 Euro.

Kindergrundsicherung – Zeitplan

Für die Kindergrundsicherung gibt es schon einen Zeitplan, nach dem sie im zweiten Quartal 2025 in Kraft treten soll. Bisher gibt es allerdings nur das Versprechen im Koalitionsvertrag und ein Eckpunktepapier, das an ausgewählte Medien und Verbände gegangen ist, ansonsten aber noch unter Verschluss gehalten wird.
Unter anderen müssen sieben Ministerien ihren Senf dazugeben, darunter natürlich auch das FInanzministerium. Immerhin gibt es schon mal einen „interministerielle Arbeitsgruppe“, die Ende letzten Jahres einen ersten Austausch mit den Verbänden hatte.

Quellen: BMAS, FOKUS-Sozialrecht

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Absetzbeträge und Freibeträge im Bürgergeld

Details zum Bürgergeld (4)

§ 11b SGB II

Nicht nur für Jugendliche und junge Erwachsene bringt das Bürgergeld ab Juli diesen Jahres Verbesserungen, wenn sie leistungsberechtigt sind und zusätzlich Erwerbseinkommen verdienen. Geregelt wird dies im § 11b SGB II und in der Bürgergeldverordnung.

Absetzbeträge

Jeder Leistungsberechtigte kann folgende Positionen vom Einkommen abzusetzen:

  • auf das Einkommen zu entrichtende Steuern und Beiträge (für Nicht-Versicherungspflichtige: Beiträge in angemessener Höhe),
  • Sozialversicherungsbeiträge, soweit gesetzlich vorgeschrieben (sog. Pflichtbeiträge) oder nach Grund und Höhe angemessen,
  • „Vorsorgeversicherungen“ für den Krankheits- oder Pflegefall oder für die Altersvorsorge oder sonstige Versicherungen, soweit diese gesetzlich vorgeschrieben sind oder nach Grund und Höhe angemessen sind,
  • Geförderte Altersvorsorgebeiträge (siehe § 82 EStG), z.B. „Riester-Rente“, in Höhe des Mindesteigenbetrags
  • Freibetrag nach § 82a SGB XII bei Bezug von Grundrente
  • Werbungskosten (i. d. R. Fahrkosten entsprechend § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG – Entfernungspauschale),
  • den Erwerbstätigenfreibetrag, (siehe unten),
  • Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag, (§ 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II); zu etwaigen Abzweigungen siehe das gesonderte Thema,
  • bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, deren Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder § 67 oder § 126 SGB III bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag.

Bagatellgrenze (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Bürgergeld-V)

Das sind Einnahmen, die innerhalb eines Kalendermonats 10 EUR nicht übersteigen.

Pauschbeträge

  • In § 6  Bürgergeld-V werden Pauschbeträge für vom Einkommen abzusetzende Beträge genannt, z. B.
  • für private Versicherungen monatlich 30 EUR (dies gilt sowohl für volljährige als auch für minderjährige Hilfebedürftige)
  • Die Absetzung von 1/12 der Jahresbeiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtversicherungen (§ 11b Abs. 1 Nr.3 SGB II),
  • für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit monatlich 0,20 EUR für jeden Entfernungskilometer (Pendlerpauschale). Obergrenze in § 6 Abs. 2 Bürgergeld-V: Ist der errechnete Betrag der Pendlerpauschale im Vergleich mit einem „zumutbaren“ öffentlichen Verkehrsmittel „unangemessen“ hoch, dann wird die Pauschale auf die Kosten des Verkehrsmittels begrenzt.
  • für Mehraufwendungen für Verpflegung bei auswärtiger Tätigkeit bei mindestens zwölfstündiger nachgewiesener Abwesenheit 6 EUR je Kalendertag (§ 6 Abs. 3 Bürgergeld-V).

Freibeträge (Pauschale Absetzung) bei Erwerbstätigen

An Stelle der Beträge von Versicherungen, Altersvorsorge und Werbungskosten (= Beträge nach Abs. 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 ) ist ein Betrag von insgesamt 100 EUR von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit monatlich abzusetzen.

Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 400 EUR, kann der Leistungsberechtigte die tatsächlichen Beträge absetzen, wenn er nachweist, dass die Summe der Beträge den Betrag von 100 EUR übersteigt.

Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten und Übungsleiter bis 250 EUR monatlich werden nicht auf den Regelsatz angerechnet (sog. Übungsleiterpauschale).

Von dem Taschengeld des Bundesfreiwilligendienstes oder des Jugendfreiwilligendienstes ist ein Betrag von insgesamt 250 Euro monatlich abzusetzen.

Erwerbstätigenfreibetrag bis 30. Juni 2023

Die ersten 100 EUR pro Monat sind anrechnungsfrei; darüber hinaus gehende Einkünfte sind wie folgt anzurechnen:

  • 20% des Brutto von 100,01 EUR bis 1.000 EUR,
  • 10% des Brutto von 1.000,01 EUR bis 1.200 EUR,
  • 10% des Brutto von 1.200,01 EUR bis 1.500 EUR, wenn der Leistungsberechtigte entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft lebt oder er mindestens ein minderjähriges Kind hat.

Berechnungsbeispiele bei Zusammentreffen von Arbeitslosengeld II und Arbeitseinkommen (bis 30.06.2023):

Bruttolohnpauschale Absetzung
nach § 11b Abs. 2 SGB II
Erwerbstätigenfreibetrag
nach §  11b Abs. 3 SGB II
Gesamtfreibetrag
100 EUR100 EUR100 EUR
200 EUR100 EUR20 EUR120 EUR
300 EUR100 EUR40 EUR140 EUR
400 EUR100 EUR60 EUR160 EUR
600 EUR100 EUR100 EUR200 EUR
800 EUR100 EUR140 EUR240 EUR
1000 EUR100 EUR180 EUR280 EUR
1100 EUR100 EUR190 EUR290 EUR
1200 EUR100 EUR200 EUR300 EUR
1500 EUR *)100 EUR230 EUR *)330 EUR *)

*) nur bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben

Erwerbstätigenfreibetrag ab 1.Juli 2023

Die ersten 100 EUR pro Monat sind anrechnungsfrei; darüber hinaus gehende Einkünfte sind wie folgt anzurechnen:

  • 20% des Brutto von 100,01 EUR bis 520 EUR,
  • 30% des Brutto von 520,01 EUR bis 1.000 EUR,
  • 10% des Brutto von 1.000,01 EUR bis 1.200 EUR,
  • 10% des Brutto von 1.200,01 EUR bis 1.500 EUR, wenn der Leistungsberechtigte entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft lebt oder er mindestens ein minderjähriges Kind hat.

Berechnungsbeispiele bei Zusammentreffen von Arbeitslosengeld II und Arbeitseinkommen (ab 01.07.2023):

Bruttolohnpauschale Absetzung
nach § 11b Abs. 2 SGB II
Erwerbstätigenfreibetrag
nach §  11b Abs. 3 SGB II
Gesamtfreibetrag
100 EUR100 EUR100 EUR
200 EUR100 EUR20 EUR120 EUR
300 EUR100 EUR40 EUR140 EUR
400 EUR100 EUR60 EUR160 EUR
600 EUR100 EUR108 EUR208 EUR
800 EUR100 EUR168 EUR268 EUR
1000 EUR100 EUR228 EUR328 EUR
1100 EUR100 EUR238 EUR338 EUR
1200 EUR100 EUR248 EUR348 EUR
1500 EUR *)100 EUR278 EUR *)378 EUR *)

*) nur bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben.

Quellen: BundesregierungSOLEX, Thomas Knoche: Grundlagen – SGB II: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Walhalla Fachverlag; 3., aktualisierte Edition (28. Februar 2023)

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