Pflegebedürftige in Heimen müssen immer mehr aus eigener Tasche bezahlen. Zum 1. Januar 2022 waren im bundesweiten Schnitt 2179 Euro im Monat fällig, wie aus neuen Daten des Verbands der Ersatzkassen hervorgeht. Das waren 111 Euro mehr als Anfang 2021.
Die Eigenanteile, die die Pflegebedürftigen für den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE), die Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten zu tragen haben, erhöhen sich stetig. Wie in den Jahren zuvor gibt es große regionale Unterschiede. Am teuersten sind Heimplätze in Nordrhein-Westfalen mit nun im Schnitt 2542 Euro und in Baden-Württemberg mit 2541 Euro. Am wenigsten kostet es in Sachsen-Anhalt mit 1588 Euro.
Der Eigenanteil allein für die reine Pflege stieg im bundesweiten Schnitt von 831 Euro (1.1.2021) auf 912 Euro (1.1.2022). Ebenso gestiegen sind die Kosten, für die der Pflegebedürftige alleine aufkommen muss:
Unterkunft und Verpflegung von 779 Euro auf 801 Euro,
Um eine finanzielle Überforderung der vollstationär versorgten Pflegebedürftigen zu vermeiden, wird der von ihnen zu tragende Eigenanteil an der Pflegevergütung (einschließlich der Ausbildungskosten) mit zunehmender Dauer der vollstationären Pflege schrittweise verringert.
Er reduziert sich in den Pflegegraden 2 bis 5 durch einen von der Pflegekasse zu zahlenden Leistungszuschlag um
5 Prozent in den ersten 12 Monaten,
25 Prozent nach 12 Monaten,
45 Prozent nach 24 Monaten und
70 Prozent nach 36 Monaten.
Schon beim Gesetzgebungsverfahren wurde vor einer „Mogelpackung“ gewarnt. Da die durchschnittliche Verweildauer eines Menschen im Heim bei etwas über einem Jahr liegt, bringt die tatsächliche Entlastung den 820.000 Heimbewohnern kaum etwas. Auch in Zukunft wird man mit Kostensteigerungen rechnen müssen. Die Forderung nach einer Pflegereform, die die Pflegeversicherung – wie die Krankenversicherung – zu einer echten Vollversicherung weiterentwickelt werden immer lauter.
Quellen: Verband der Ersatzkassen, Spiegel, FOKUS-Sozialrecht
Die Grundrente ist natürlich schon längst gekommen. Seit genau einem Jahr. Zumindest als Rechtsanspruch. Allerdings warten viele Rentner noch immer auf ihren Grundrentenzuschlag, der ihnen rechtlich schon längst zusteht.
Riesiger Kraftakt
Schon im Sommer 2020 war klar, dass es mit der Umsetzung der Grundrente nicht so einfach sein würde. Dies sei ein „riesiger Kraftakt“, so Minister Heil damals.
Mitte 2021 trudelten endlich die ersten Bescheide ein. Dabei ging es bislang nur um die Neurentner, um Rentner mit Grundsicherung und um Rentner mit Rentenbeginn vor 1992. Die Bescheide erwiesen sich aber als intransparent und nicht nachvollziehbar. Es hagelte Kritik.
Nächste Stufe
Nun versprach die Deutsche Rentenversicherung, jetzt starte die nächste Stufe der Grundrente. Was sich anhört wie der Bericht über einen Raketenstart entpuppt sich aber schnell als heiße Luft. Gemeint ist, dass jetzt alle Renten „vor der Überprüfung“ stehen, also auch die, deren Rentenbeginn nach 1992 lag.
Hoher Verwaltungsaufwand
Grund für die Verzögerungen ist der hohe Verwaltungsaufwand. Die Rentnerinnen und Rentner im Bestand sollen die Grundrente nicht extra beantragen müssen: ob sie Anspruch haben, soll automatisch geprüft werden, indem sich Rentenversicherungs-Träger und Finanzamt miteinander abstimmen. Dafür aber fehlte die nötige Infrastruktur. Allein für die Grundrente musste die Rentenversicherung nach eigenen Angaben 3.200 neue Mitarbeiter einstellen.
Bislang war man damit beschäftigt einen Datenaustausch zwischen FInanzämtern und Rentenversicherung aufzubauen wegen der fälligen Einkommensprüfungen. Das Zusammenspiel mit den Finanzämtern bei der Einkommensprüfung klappe nun „reibungslos“. Insgesamt müssen etwa 26 MIllionen Renten geprüft werden.
…und gebiert eine Maus
Die Ergebnisse für den einzelnen Rentner sind nicht selten sehr enttäuschend. Nicht nur, weil viele Rentnerinnen und Rentner durch das Raster fallen und die strengen Vorgaben nicht erfüllen können. Sondern auch, weil viele Anspruchsberechtigte nur einen sehr kleinen Aufschlag erhalten würden, so der VDK. Die Grundrente sei „definitiv nicht die Unterstützung, die viele Menschen erwartet haben“, kritisiert auch VdK-Präsidentin Verena Bentele.
Mehr über die Grundrente
Eine ausführliche Erläuterung der Grundrente, wie sie funktioniert, wie sie berechnet wird und wer Anspruch hat, findet man in der Sozialleistungsdatenbank SOLEX.
Mit einer Einmalzahlung will die neue Bundesbauministerin Klara Geywitz Haushalten, die auf Wohngeld angewiesen sind, unter die Arme greifen. Mehr als 700.000 Menschen könnten vom geplanten Heizkostenzuschlag profitieren.
Belastung durch Heizkosten
Durch das Wohngeld werden einkommensschwächere Haushalte bei den Wohnkosten entlastet. Im Vergleich zu Haushalten mit mittleren und hohen Einkommen ist bei Haushalten mit niedrigeren Einkommen der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Einkommen zum Teil deutlich höher. Erhebliche Preissteigerungen bei den Heizkosten belasten daher diese Haushalte durchschnittlich stärker als Haushalte mit mittleren oder hohen Einkommen. Bei der Wohngeldberechnung bleiben die Heizkosten, anders als im Rahmen der Grundsicherungssysteme, abgesehen von einer CO2-Pauschale, außer Betracht.
einmaliger Zuschuss
Aufgrund der im Verlauf des Jahres 2021 im Vergleich zu Vorgängerjahren überproportional gestiegenen Energiekosten ist zu erwarten, dass im Rahmen der Nebenkostenabrechnungen hohe Nachzahlungen mit monatlich höheren Abschlagszahlungen zeitlich zusammentreffen. Mit dem einmaligen Heizkostenzuschuss im Wohngeld will die Bundesregierung die mit dem starken Anstieg der Energiekosten, (Heizöl, Gas und Fernwärme) verbundenen finanziellen Lasten für wohngeldberechtigte Haushalte abfedern.
Gesetz noch im ersten Halbjahr 2022
Um eine möglichst schnelle Umsetzung sicherzustellen, erarbeitete das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) eine Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen, die nach einem Beschluss des Kabinetts als Gesetzentwurf aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden soll. Ziel ist, dass das Gesetz bereits in der 1. Jahreshälfte 2022, d.h. noch vor Eingang der Nebenkostenabrechnungen, in Kraft tritt.
Kein Antrag nötig
Der Gesetzentwurf sieht einen nach der Personenzahl gestaffelten einmaligen Zuschuss als Ausgleich für die erhöhten Heizkosten der Heizperiode 2021/2022 vor. Maßgebend ist die Wohngeldbewilligung in mindestens einem der Monate Oktober 2021 bis März 2022.
Ein besonderer Antrag ist nicht erforderlich, der einmalige Heizkostenzuschuss wird von Amts wegen erbracht. Bei einer nachfolgenden Aufhebung der Wohngeldbewilligung wird von einer Rückforderung des einmaligen Heizkostenzuschusses aus verwaltungsökonomischen Gründen abgesehen.
Eine Anrechnung des einmaligen Heizkostenzuschusses bei anderen Sozialleistungen soll nicht erfolgen.
Anspruchsberechtigte und Höhe des einmaligen Heizkostenzuschusses
Anspruch auf einen einmaligen Heizkostenzuschuss haben wohngeldberechtigte Personen und zu berücksichtigende Haushaltsmitglieder. Der einmalige Heizkostenzuschuss beträgt für
eine zu berücksichtigende Person: 135 Euro,
zwei zu berücksichtigende Personen: 175 Euro und
jede weitere zu berücksichtigende Person zusätzlich 35 Euro.
Zustimmung und Mahnung
Die Sozialverbände begrüßen einhellig den Heizkostenzuschuss, haben aber Bedenken, dass er in der Höhe nicht aureichend ist und zu spät kommt. Gleichzeitig fordern sie angesichts einer Inflationsrate von etwa 5 % und der mickrigen Steigerung der Regelsätze von 0,7 Prozent einen schnellen Ausgleich auch für Bezieher von Hartz IV und Altersgrundsicherung.
Ein wichtiger Teil der Wohngeldreform von 2020 betraf die erstmals eingeführte Dynamisierung, festgelegt in § 43 WoGG. Dazu wurde die Ermächtigung der Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrats eine Verordnung zu erlassen (§ 38 WoGG), dahingehend erweitert, dass die Höchstbeträge für Miete und Belastung (Anlage 1) und die Werte für „b“ und „c“ (Anlage 2) aus der Wohngeldformel alle zwei Jahre fortgeschrieben werden. Diese Fortschreibung kann durch einen Beschluss des Bundestags ausgesetzt werden, wenn die weiteren Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt dazu führen, dass grundlegende Anpassungen des Wohngeldsystems erforderlich sind, wie zum Beispiel eine Neufestsetzung der Mietenstufen in den Gemeinden und Kreisen aufgrund veränderter Mietenniveaus, die Einführung weiterer Mietenstufen oder eine Neufestsetzung der Rechenschritte und Rundungen.
Die Fortschreibung des Wohngeldes führt im Jahr 2022 für die bestehenden Wohngeldhaushalte zu einer durchschnittlichen Erhöhung des Wohngeldes um rund 13 Euro pro Monat. Für die bestehenden Wohngeldhaushalte wird mit der Fortschreibung sichergestellt, dass das nach Wohnkosten verbleibende verfügbare Einkommen der Wohngeldhaushalte dieselbe reale Kaufkraft besitzt wie zum Zeitpunkt der Wohngeldreform zum 1. Januar 2020.
Wer profitiert?
Von der Wohngelderhöhung profitieren laut diesen Simulationsrechnungen im Jahr 2022 rund 640 000 Haushalte. Darunter sind rund 30 000 Haushalte, die durch die Fortschreibung des Wohngeldes erstmals oder wieder einen Wohngeldanspruch erhalten.
Insgesamt profitieren drei Gruppen von der Wohngelderhöhung durch die Fortschreibung des Wohngeldes:
Die bisherigen Wohngeldhaushalte, die im Jahr 2022 auch ohne Anpassung Wohngeld bezogen hätten: Im Jahr 2022 sind das nach den Simulationsrechnungen des IW Köln rund 610 000 Haushalte.
So genannte Hereinwachserhaushalte, deren Einkommen bislang die Grenzen für einen Wohngeldanspruch überschritten haben und die aufgrund der Fortschreibung des Wohngeldes 2022 erstmals oder wieder mit Wohngeld bei den Wohnkosten entlastet werden: Im Jahr 2022 sind das nach den Simulationsrechnungen des IW Köln voraussichtlich rund 20 000 Haushalte.
So genannte Wechslerhaushalte, die zuvor Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII bezogen haben: Im Jahr 2022 werden nach den Simulationsrechnungen des IW Köln voraussichtlich rund 10 000 Haushalte aus dem SGB II oder aus dem SGB XII in das Wohngeld wechseln.
Verbraucherpreisindex
Die Höchstbeträge für Miete und Belastung, das heißt die Beträge, bis zu denen die Bruttokaltmiete beziehungsweise die Belastung bei Eigentümern bei der Wohngeldberechnung zu berücksichtigen ist, werden um 2,788 Prozent erhöht. Diese Anpassung entspricht der Entwicklung des Teilindex Nettokaltmiete und Wohnungsnebenkosten des amtlichen Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes, der im Vergleich des Jahresdurchschnittes 2020 gegenüber dem Jahresdurchschnitt 2018 um 2,788 Prozent gestiegen ist.
Mit dem Beschluss des G-BA (Gemeinsamen Bundesausschuss) vom 16.12.2021 zu den Rehabilitations-Verfahren wird der Zugang für Patientinnen und Patienten zu Rehabilitationsleistungen erleichtert.
Das betrifft
den Zugang zur geriatrischen Rehabilitation und
Anschlussrehabilitationen nach einem Krankenhausaufenthalt.
Geriatrische Rehabilitation
Verordnen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte künftig Versicherten ab 70 Jahren eine geriatrische Rehabilitation, prüfen gesetzliche Krankenkassen nicht mehr, ob die Maßnahme medizinisch erforderlich ist. Damit dieses schlanke Verfahren greifen kann, überprüfen die Vertragsärztinnen und -ärzte anhand festgelegter Kriterien den medizinischen Bedarf der geriatrischen Rehabilitation und machen auf der Verordnung die rehabilitationsbegründenden Angaben.
Zu den erforderlichen Angaben gehören neben dem Alter der Patientin oder des Patienten Informationen zur medizinischen Diagnose (rehabilitationsbegründende Funktionsdiagnose) sowie zu den körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen – denn diese haben Auswirkungen auf die Aktivitäts- und Teilhabemöglichkeiten der Betroffenen. Fachleute sprechen hier von sogenannten geriatrietypischen Diagnosen. Mit zwei Funktionstests müssen diese Diagnosen durch die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt überprüft und auf der Verordnung dokumentiert werden.
Anschlussrehabilitation
In einigen Fällen entfällt zukünftig eine Vorab-Überprüfung der Krankenkassen, ob eine medizinische Erforderlichkeit vorliegt.
Zum Beispiel bei erheblichen funktionalen Einschränkungen der Patientinnen und Patienten, die bereits vor einer stationären Behandlung bestehen und bei denen der Krankenhausaufenthalt oft mit schweren Verläufen und/oder Komplikationen einhergeht. Zu den dafür in Frage kommenden Fallkonstellationen gehören z. B.
Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufsystems,
Krebserkrankungen,
Behandlungen des Bewegungsapparats,
der Atmungsorgane und
neurologische Erkrankungen.
Nach dem Willen des Gesetzgebers wird somit der Zugang zu einer Anschlussrehabilitation für Patientinnen und Patienten erleichtert. Grundvoraussetzung bleibt, dass bei den Versicherten die Voraussetzungen für eine Rehabilitation (Rehabilitationsbedürftigkeit, -fähigkeit, -ziele und positive Rehabilitationsprognose) vorliegen.
Richtlinie
Unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Verfahren Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der ambulanten Versorgung für gesetzlich Versicherte verordnet werden können, regelt die Rehabilitations-Richtlinie des G-BA.
Mit dem Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV‑IPReG) hatte der G-BA den Auftrag erhalten, bis Ende 2021 die geriatrische Rehabilitation zu stärken sowie einen schnelleren Zugang zu einer Anschlussrehabilitation zu ermöglichen. Bereits im Gesetz war vorgegeben, dass der G-BA Details zur Auswahl und zum Einsatz geeigneter Abschätzungsinstrumente definieren (§ 40 Absatz 3 Satz 2 SGB V) soll. Ebenso sollte er jene Fälle festlegen, in denen Anschlussrehabilitation erbracht werden kann, ohne dass eine gesetzliche Krankenkasse vorab überprüft (§ 40 Absatz 6 Satz 1 SGB V).
Inkrafttreten
Der Beschluss mit den angepassten Regelungen der Rehabilitations-Richtlinie tritt frühestens am 1. Juli 2022 in Kraft. Zuvor muss das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Beschluss rechtlich prüfen; bei einer Nichtbeanstandung durch das BMG folgt die Veröffentlichung im Bundesanzeiger.
Zum 1. Januar 2022 werden im Bereich Gesundheit und Pflege zahlreiche Änderungen wirksam. Dies gab das Bundesgesundheitsministerium in einer Presseerklärung am 7.12.2021 bekannt.
Entlastung für Pflegebedürftige in stationärer Pflege
Um Pflegebedürftige vor Überforderung durch steigende Pflegekosten zu schützen, zahlt die Pflegeversicherung bei der Versorgung im Pflegeheim einen Zuschlag zu dem nach Pflegegrad differenzierten Leistungsbetrag. Er steigt mit der Dauer der Pflege: Im ersten Jahr trägt die Pflegekasse 5 % des pflegebedingten Eigenanteils, im zweiten Jahr 25 %, im dritten Jahr 45 % und danach 70 %.
In der ambulanten Pflege werden die Sachleistungsbeträge um 5 % erhöht, um den steigenden Vergütungen Rechnung zu tragen.
Es werden gesetzlich starke Anreize für den Ausbau der Kurzzeitpflege gesetzt. Um die Pflegebedürftigen nicht zu belasten, wird der Leistungsbetrag der Pflegeversicherung zur Kurzzeitpflege zudem um 10% angehoben.
Es werden die regionalen Netzwerke gestärkt, indem die Fördersumme um 10 Millionen Euro/Jahr aufgestockt wird.
Erstmals Bundeszuschuss für Pflegeversicherung
Zur Finanzierung der Pflegeversicherung wird ein Bundeszuschuss in Höhe von 1 Milliarde Euro pro Jahr eingeführt.
Der Beitragszuschlag für Kinderlose steigt um 0,1 Prozentpunkte.
Pandemiebedingter Schutzschirm wird verlängert
Die Regelungen zur Erstattung pandemiebedingter Mehrausgaben und Mindereinnahmen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen und Angeboten zur Unterstützung im Alltag werden bis Ende März 2022 verlängert.
Der flexiblere Einsatz des Entlastungsbetrages bei Pflegegrad 1 zur Sicherstellung der Versorgung bleibt befristet erhalten. Gleiches gilt für die Möglichkeit der Kostenerstattung in Höhe der ambulanten Pflegesachleistungsbeträge bei Pflegegrad 2 bis 5.
Flexibilisierungen bei Familienpflegezeit und Pflegezeit bleiben befristet bestehen.
Der Anspruch auf coronabedingtes Pflegeunterstützungsgeld für bis zu 20 Arbeitstage wird bis Ende März 2022 verlängert.
Die Medizinischen Dienste können im Einzelfall bis Ende März 2022 Pflegebegutachtungen ohne persönliche Untersuchung der Versicherten in ihrem Wohnbereich durchführen.
Ebenfalls bis Ende März 2022 besteht für Pflegegeldempfänger die Möglichkeit, den Beratungsbesuch telefonisch, digital oder per Videokonferenz abzurufen.
Weiterhin längeres Kinderkrankengeld
Die pandemiebedingte Sonderregelung für Kinderkrankengeld wird verlängert: Das Kinderkrankengeld kann auch 2022 je versichertem Kind grundsätzlich für 30 statt 10 Tage (bei Alleinerziehenden 60 statt 20 Tage) in Anspruch genommen werden.
Zusatzbeitrag Krankenversicherung
Der ergänzende Bundeszuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung steigt auf 14 Milliarden Euro. Damit kann der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in der GKV 2022 stabil bleiben.
Herausgepickt aus dem Koaltionsvertrag sind hier geplante Änderungen und Vorhaben, die das Sozialrecht betreffen. Eine wesentliche Voraussetzung, das Land nachhaltig sozial gerecht zu gestalten ist allerdings die Klimapoltik, die hier nicht behandelt wird. Ohne eine Paris-konforme Begrenzung der Erderwärmung werden alle Pläne und Wünsche in wenigen Jahren Makulatur sein.
Digitalisierung und Entbürokratisierung
Insgesamt sollen Leistungen der Sozialversicherungsträger umfassend digitalisiert werden. Information, Beratung, Antragstellung sowie Kommunikation und Abfragen unter den zuständigen Stellen unter Wahrung des Datenschutzes sollen digital und einfach möglich sein.
SGB II
Die Begriffe „Hartz IV“ oder „Arbeitslosengeld II“ werden durch „Bürgergeld“ ersetzt.
Der Zugang zum Bürgergeld soll digitaler und unkomplizierter werden.
Die Vermögensanrechnung soll in den ersten zwei Jahren des Leistungsbezugs ausbleiben.
Sanktionen wird es weiter geben, im ersten Jahr werden sie aber ausgesetzt.
Eine substantielle und bedarfsgerechte Erhöhung der Regelsätze ist nicht vorgesehen.
Hinzuverdienstmöglichkeiten sollen verbessert werden.
Eine grundsätzliche Änderung des Systems ist offenbar nicht vorgesehen.
SGB III
Für Selbstständige soll ein erleichterter Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung ohne Vorversicherungszeit möglich sein.
Mit einem an das Kurzarbeitergeld angelehntes Qualifizierungsgeld soll die Bundesagentur für Arbeit die Möglichkeit haben Unternehmen im Strukturwandel so zu unterstützen, dass Beschäftigte durch Qualifizierung im Betrieb gehalten und Fachkräfte gesicherte werden können.
Leistungsberechtigte nach dem SGB II und SGB III sollen bei beruflicher Qualifizierung ein zusätzliches, monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro erhalten.
Der Mindestlohn soll auf 12 Euro steigen. Wann genau, ist nicht angegeben.
SGB V
Keine Grundlegenden Neuerungen geplant, sondern Weiterentwicklung von bereits Begonnenem.
Telemedizinische Leistungen inklusive Arznei-, Heil- und Hilfsmittelverordnungen sowie Videosprechstunden, Telekonsile, Telemonitoring und die telenotärztliche Versorgung sollen zukünftig regelhaft möglich sein.
Ein „nationaler Präventionsplan sowie konkrete Maßnahmenpakete sollen geschaffen werden.“ Zu den Themen zählen beispielsweise die Alterszahngesundheit, Diabetes, Einsamkeit, Suizid, Wiederbelebung und die Vorbeugung von klima- und umweltbedingten Gesundheitsschäden.
SGB VI
Auch hier nicht viel Neues.
Außer dem Vorhaben, mit einer teilweisen Kapitaldeckung der Rentenversicherung eine langfristige Stabilisierung von Rentenniveau und -beitragssatz zu erreichen.
Der Hinzuverdienst bei einem vorzeitigem Rentenbezug soll entfristet werden. Für die Jahre 2020 bis 2022 wurde die Hinzuverdienstgrenze bereits per Verordnung auf ein Vielfaches (46.060 Euro) erhöht. Gesetzlich festgeschrieben sind 6.300 Euro jährlich.
SGB XI
Der Beitrag zur Pflegeversicherung soll „moderat“ erhöht werden.
Das Pflegegeld soll ab kommendem Jahr regelhaft dynamisiert werden.
Eigenanteile für stationäre Heimpflege sollen begrenzt werden.
Außerdem will die Ampelkoalition prüfen, ob die Pflegeversicherung um eine „freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung“ ergänzt wird. Ziel ist es, damit die Übernahme der vollen Pflegekosten abzusichern. Experten sollen dazu bis 2023 konkrete Vorschläge vorlegen.
Die Steuerfreiheit für den Pflegebonus soll auf 3.000 Euro angehoben werden.
Grundsicherung für Kinder
Eine grundlegende Änderung ist für Kinder vorgesehen. Die bisherigen finanziellen Unterstützungen (Kindergeld, Leistungen aus SGB II/XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, sowie der Kinderzuschlag) sollen in einer einfachen, automatisiert berechnet und ausgezahlten Förderleistung gebündelt werden. Diese Leistung soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern.
Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag. Volljährige Anspruchsberechtigte erhalten die Leistung direkt.
Bis zur tatsächlichen Einführung der Kindergrundsicherung werden wir von Armut betroffene Kinder, die Anspruch auf Leistungen gemäß SGB II, SGB XII oder Kinderzuschlag haben, mit einem Sofortzuschlag absichern. Alleinerziehende, die heute am stärksten von Armut betroffen sind, entlasten wir mit einer Steuergutschrift.
Über die Höhe des Garantiebetrags der Kindergrundsicherung macht der Koalitionsvertrag keine Aussage. Vorschläge und Gesetzentwürfe dazu gab es aber schon in der letzten Legislaturperiode.
BAFöG
Das BAföG soll reformiert werden und dabei elternunabhängiger gemacht werden.
So soll der elternunabhängige Garantiebetrag im Rahmen der Kindergrundsicherung künftig direkt an volljährige Anspruchsberechtigte in Ausbildung und Studium ausgezahlt werden.
Die Freibeträge und Bedarfssätze sollen deutlich und regelmäßiger erhöht werden,
die Altersgrenzen sollen stark angehoben werden.
Flüchtlinge
Hier hängt vieles davon ab, ob die Vorhaben auf europäischer Ebene umgesetzt werden können. So sollen illegale Pushbacks nicht mehr möglich sein. Länder wie Polen, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, dürften auch keine EU-Gelder mehr bekommen.
Irreguläre Migration soll verringert werden, indem man zum Beispiel die Situation in Griechenland verbessert und legale Wege schafft, etwa indem man mehr Fachkräfte aus dem Ausland anwirbt.
Mit dem Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-IPReG) überführte der Gesetzgeber die bisherigen Regelungen zum ambulanten intensivpflegerischen Versorgungsbedarf in einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege (§ 37c SGB V). Ziel ist es, die individuelle bedarfsgerechte Versorgung zu stärken. Zudem soll besser gegen kriminelle Geschäftspraktiken im Bereich der außerklinischen Intensivpflege vorgegangen werden können. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte den Auftrag, noch im Oktober diesen Jahres eine Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege (AKI-RL) vorzulegen. Diese Richtlinie hat der G-BA am Freitag, 19.11.2021 mit ein paar Wochen Verspätung veröffentlicht.
Turbulentes Gesetzgebungsverfahren
Das Gesetzgebungsverfahren zum IPReG war begleitet von Protesten und Petitionen, vor allem von betroffenen Personen, die vor allem gegen drohende Fremdbestimmung kämpften, vor allem in der Frage, ob der Medizinische Dienst Patienten gegen ihren Willen in stationäre Behandlung einweisen könne. Trotz mehrmaliger Veränderung des Gesetzes wurde dies nicht zur Zufriedenheit der Betroffenen gelöst.
Vor über einem Jahr gab es hier einen Artikel über den Beginn der Beratungen des G-BA mit Links zu sämtlichen Beiträgen zu dem Gesetzgebungsverfahren.
Betroffen sind etwa 25.000 Menschen
Vorsichtigen Schätzungen zufolge sind in Deutschland etwa 25.000 Menschen auf eine künstliche Beatmung angewiesen. An der Versorgung der Patienten sind außer Ärzten zumeist spezialisierte ambulante Pflegedienste, Therapeuten, Medizinprodukte-Dienstleister und teils auch Krankenhäuser beteiligt. Die Situation von intensivpflegebedürftigen Patienten war auch wegen Berichten über „Abrechnungsbetrug und kriminelle Fehlleistungen“ in sogenannten Beatmungs-Wohngemeinschaften in den Fokus von Politik und Gesellschaft gerückt.
Die Richtlinie
Der G-BA listet in seiner Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege (AKI-RL) eine Auswahl von Therapieleistungen auf, die verordnet werden können, konkretisiert, welche Voraussetzungen dabei gelten und wie die Zusammenarbeit der verschiedenen betreuenden Berufsgruppen koordiniert werden soll. Eine wesentliche Neuerung im Vergleich zum bisherigen Leistungsanspruch besteht darin, dass bei beatmungspflichtig eingestuften Patientinnen und Patienten sehr frühzeitig und regelmäßig überprüft wird, ob eine Entwöhnung von der Beatmung in Frage kommt.
Telemedizinische Einschätzung möglich
Vorgabe des G-BA ist es, dass das Entwöhnungspotenzial nicht vorrangig in Kliniken, sondern dort erhoben wird, wo die Patientinnen und Patienten versorgt werden. Ist dies nicht möglich, weil dafür zum Beispiel vor Ort qualifizierte Ärztinnen und Ärzte fehlen, und ist auch ein Transport zu Spezialisten den Betroffenen nicht zuzumuten, kann eine telemedizinische Einschätzung erfolgen.
Vier Jahre nach dem Inkrafttreten evaluiert der G-BA, wie die Richtlinie umgesetzt wird und wie sie sich auf die Versorgung auswirkt.
Hürden für die häusliche Versorgung vermeiden
Dazu Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA: „Gesetzlich neu festgelegt ist auch, dass der Medizinische Dienst mindestens einmal im Jahr die Versorgung in der Umgebung überprüft, in der die Patienten versorgt werden. Einerseits soll dies eine gute Betreuung sicherstellen, andererseits löst es aber bei vielen Betroffenen und ihren Familien, die bereits eine sehr gut funktionierende Versorgung erleben, Ängste aus, nicht mehr selbst ihr Lebensumfeld bestimmen zu können. Hier sollte der Gesetzgeber genau beobachten, ob er mit seinen strikten Vorgaben, die der G-BA zu beachten hatte, nicht ungewollt Hürden für eine funktionierende und gute Versorgung in der Häuslichkeit aufgebaut hat. Er müsste dann gegebenenfalls auch aktiv werden und das Gesetz ändern. Im Zuge der von uns beschlossenen sehr kurzfristigen Evaluation haben wir auch für den Gesetzgeber die Chance geschaffen, eventuelle Fehlentwicklungen und Beeinträchtigungen selbstbestimmter Lebensführung, die niemand möchte, schnell zu erkennen.“
Wie wird die außerklinische Intensivpflege verordnet und koordiniert?
Wie gelingt der Übergang aus der stationären in die außerklinische Versorgung?
Zeitplan
Sofern das Bundesministerium für Gesundheit keine rechtlichen Einwände hat, wird die neue Richtlinie im Bundesanzeiger veröffentlicht und tritt einen Tag später in Kraft. Aufgrund der dann erst beginnenden Arbeit an den Rahmenempfehlungen und den sich anschließenden Vertragsverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und spezialisierten Leistungserbringern wird eine Verordnung jedoch erst ab dem 1. Januar 2023 möglich sein. Bis zu diesem Zeitpunkt gelten unverändert die bisherigen Verordnungsmöglichkeiten, die bei einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege bestehen. Sie sind in der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie des G-BA (HKP-RL) geregelt. Dort hat der G-BA per heutigem Beschluss eine Übergangsregelung eingefügt, wonach vor dem 1. Januar 2023 nach den Regelungen der HKP-RL ausgestellte Verordnungen über den 1. Januar 2023 hinaus weiter gelten. Sie verlieren erst ab dem 31. Oktober 2023 ihre Gültigkeit.
Der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ wird in der kommenden Woche parlamentarisch beraten. Einen Beitrag über die geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesetz und der möglichen Aufhebung der „epidemischen Lage“ konnte man hier am 11.11. lesen.
Vorgesehen sind in dem Entwurf auch Anschlussregelungen von Ausnahmemaßnahmen in den Sozialgesetzbüchern, deren Auslaufen bisher an die „epidemische Lage“ geknüpft war.
SGB II
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden weiterhin bis zum 31. März 2022 in einem vereinfachten Verfahren – unter anderem bei der Vermögensprüfung und den Kosten der Unterkunft und Heizung – zugänglich gemacht. Dies gilt für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1. März 2020 bis zum 31. März 2022 beginnen. Außerdem kann der vereinfachte Zugang durch Rechtsverordnung, ohne Zustimmung des Bundesrats bis 31.12.2022 verlängert werden. Aktuelle Regelung in SOLEX.
Kinderkrankengeld – SGB V, SGB III
Die Anspruchsdauer von Kinderkrankengeld soll weiter bei 30 Tagen pro Elternteil und 60 Tage bei Alleinerziehenden bleiben und zwar bis zum 19. März 2022, dem Beginn der Osterferien. Die gleichen Verlängerungen gelten für die Leistungsfortzahlung von Arbeitslosengeld bei Erkrankung eines Kindes. Aktuelle Regelung hier.
SGB XI
Die Sonderregelungen zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung des § 150 Absatz 1 bis 5b und 5d SGB XI, die bereits bis 31. Dezember 2021 verlängert wurden, werden unverändert und einheitlich um weitere drei Monate bis 31. März 2022 verlängert. Gleiches gilt für die Möglichkeit, den Beratungsbesuch nach § 37 SGB XI telefonisch, digital oder per Videokonferenz abzurufen (§ 148 SGB XI). Dazu gehört auch die die Verlängerung des flexiblen Einsatzes des Entlastungsbetrags bei Pflegegrad 1 und die Verlängerung der Sonderregelung zum Pflegeunterstützungsgeld. Aktuelle Regelung in SOLEX.
SGB XII und andere
Die Erleichterungen bei der Sicherstellung des Existenzminimums wird bis 31. März verlängert analog zum SGB II. Auch hier wird es die Möglichkeit geben, die Regeln weiter durch Rechtsverordnung zu verlängern. Die Verlängerung Erleichterungen betrifft
Die Sonderregelungen in § 16 Familienpflegezeitgesetz und § 9 Pflegezeitgesetz werden bis zum 19. März 2022 verlängert. Die flexiblere Kombinierbarkeit von Familienpflegezeit und Pflegezeit ermöglicht bislang nicht ausgeschöpfte Restzeiten in Anspruch zu nehmen.
Ziel des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes (SodEG) ist es, den Leistungsträgern nach dem Sozialgesetzbuch und dem Aufenthaltsgesetz eine explizite Rechtsgrundlage zu geben, auch dann Zahlungen an soziale Dienstleister leisten zu können, wenn diese ihre Dienstleistungen aufgrund der erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht oder nicht in vollem Ausmaß erbringen können. Der Schutzschirm des SodEG wird bis 31. März 2022 verlängert.
Der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW) begrüßt in seiner Stellungnahme im Wesentlichen den Gestzentwurf der Ampel-Parteien. Der Gesetzentwurf stelle das Ergebnis einer Abwägung dar, die die Corona-bedingten weitgehenden Freiheitseingriffe beenden, gleichzeitig aber auch weiterhin notwendige Maßnahmen zum Schutz vor der Pandemie und zur Abmilderung ihrer Folgen treffen solle.
Änderungen möglich
In der kommenden Woche soll der Gesetzentwurf in Bundestag und Bundesrat beraten werden. Angesichts der Entwicklung der Fallzahlen und der drohenden Überlastung des Gesundheitswesens ist es aber nicht ausgeschlossen, dass der Entwurf noch verändert wird.
Das entsprechende Urteil dazu hat das Bundessozialgericht schon Ende Januar 2021 gesprochen. Trotzdem lohnt sich auch jetzt noch ein Blick auf das Thema „Persönliches Budget“.
BSG-Urteil
Das Bundessozialgericht hatte in seiner Entscheidung (AZ: B 8 SO 9/19 R) festgestellt, dass ein im Rahmen der Eingliederungshilfe bezahltes persönliches Budget für behinderte Menschen nicht befristet werden darf. Zwar kann alle zwei Jahre der Bedarf des behinderten oder kranken Menschen neu überprüft werden, eine generelle Befristung dieser Unterstützungsform ist aber nicht gesetzlich vorgesehen. Als Folge der Entscheidung müssen Betroffene wegen einer Befristung nicht immer wieder neu einen Antrag für die Eingliederungshilfeleistung stellen.
Dem Urteil voraus ging eine Klage eines psychisch kranken Mannes gegen seinen Sozialhilfeträger. Dieser hatte sein persönliches Budget befristet. So kürzte der Sozialhilfeträger das Budget von ursprünglich 600 Euro monatlich auf 196 Euro und später auf 388 Euro monatlich. Der Kläger hätte zudem nach Ablauf der Bewilligung einen neuen Antrag stellen müssen.
Keine Breitenwirkung
Aus dem Dritten Teilhabebericht der Bundesregierung vom geht hervor, dass das Persönliche Budget insgesamt von den Betroffenen nicht gut angenommen wird. Danach nahmen am Jahresende 2018 insgesamt 10.410 Personen ein Persönliches Budget in Anspruch, die meisten davon (10.090 beziehungsweise 96,9 %) im Rahmen der Eingliederungshilfe. Die Anzahl der Personen, die Leistungen der Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege in Form eines Persönlichen Budgets in Anspruch nahmen, stieg im Vergleich zum Jahr 2014 zwar um 9,9 Prozent, allerdings ergab sich bei jährlichen Schwankungen kein eindeutiger Aufwärtstrend. Am höchsten war die Zahl derjenigen, die ein Persönliches Budget in Anspruch nahmen, im Betrachtungszeitraum im Jahr 2017 (11.543 Personen). Insgesamt war die Zahl der Leistungsbeziehenden gering, eine Breitenwirkung konnte das Persönliche Budget bislang nicht erzielen.
Selbstbestimmung durch Persönliches Budget
Das Persönliche Budget nach § 29 SGB IX ermöglicht Menschen mit Behinderung statt der sonst üblichen Bereitstellung von Dienst- oder Sachleistungen in der Regel über Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, eine Geldleistung als Budget zu erhalten. Dieses zur Verfügung gestellte Budget soll behinderten und hilfebedürftigen Menschen ermöglichen, selbstbestimmt und in eigener Verantwortung Dienst- und Sachleistungen „einzukaufen“. Es ist ein bedeutsamer Unterschied, ob man selbst entscheidet oder andere professionelle Dienstleister regulieren lässt, wie notwendige Unterstützungsleistungen erbracht werden sollen und wer diese Hilfen erbringt. Voraussetzung für diese größere Autonomie und Teilhabe: Im Rahmen eines Bedarfsfeststellungsverfahrens und entsprechenden Zielvereinbarungen mit dem behinderten Menschen, ist – nach Maßgabe einiger im Sozialgesetzbuch genannten inhaltlichen, strukturellen und organisatorischen Vorgaben – dann ein für den individuellen Hilfebedarf erforderliches Persönliches Budget zu bewilligen.
Für viele zu kompliziert
Fast ausschließlich beantragen Menschen mit Körperbehinderung oder mit psychischen Behindeungen das Persönliche Budget. Die Antragstellung ist kompliziert, die Organisation und Handhabung des Budgets im Alltag stellt hohe Anforderungen. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die genauso Anspruch auf ein selbstbestimmteres Leben mit Hilfe des Persönlichen Budgets haben, schrecken deswegen oft davor zurück.