Cannabis

Nach langer politischer Auseinandersetzung hat der Bundestag am Freitag, 23. Februar 2024, den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“ (20/870420/8763) gebilligt. Mit dem Gesetz soll Erwachsenen künftig der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum im privaten Raum erlaubt werden. Im öffentlichen Raum soll die Höchstgrenze bei 25 Gramm liegen. In namentlicher Abstimmung votierten 404 Abgeordnete für das Gesetz, 226 stimmten dagegen und vier enthielten sich ihrer Stimme.

Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses

Zur Abstimmung hatten der Gesundheitsausschuss eine Beschlussempfehlung (20/10426) und der Haushaltsausschuss einen Bericht nach Paragraf 96 der Geschäftsordnung (20/10427) vorgelegt. Der Gesundheitsausschuss hatte in einer teils turbulenten und emotionalen Sitzung am Mittwoch, 21. Februar, noch einige Änderungen am Ursprungsentwurf beschlossen.

Anträge der CDU/CSU (20/8735) und der AfD (20/8869), die beide den Stopp der geplanten Legalisierung forderten, fanden beide keine Mehrheit. Gegen den Antrag der AfD stimmten alle übrigen Fraktionen des Hauses, für den Antrag der Union stimmte auch die AfD. Auch zu diesen Vorlagen hatte der Gesundheitsausschuss Beschlussempfehlungen abgegeben (20/10426).

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Das Gesetz sieht den legalen Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene vor. Ermöglicht wird nun der private Eigenanbau, der gemeinschaftliche nichtgewerbliche Eigenanbau und die kontrollierte Weitergabe von Cannabis durch Anbauvereinigungen. Mit dem Gesetz werde ein verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis erleichtert, heißt es in der Begründung der Bundesregierung.

Das Gesetz zielt den Angaben zufolge darauf ab, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, Aufklärung und Prävention zu stärken, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu verbessern. Die aktuelle Entwicklung zeige, dass der Konsum von Cannabis trotz der bestehenden Verbotsregelungen weiter ansteige. Das vom Schwarzmarkt bezogene Cannabis sei oft mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden, da der Gehalt des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) unbekannt sei und giftige Beimengungen, Verunreinigungen sowie synthetische Cannabinoide enthalten sein könnten.

Privater Cannabis-Anbau

Künftig möglich sein soll zudem der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum. Privat angebautes Cannabis muss jedoch vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche geschützt werden. Außerdem dürfen nichtgewerbliche Anbauvereinigungen Cannabis künftig anbauen und an ihre Mitglieder zum Eigenkonsum weitergeben.

Dafür gelten strenge Vorschriften. So werden für die Anbauvereinigungen maximal 500 Mitglieder zugelassen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben müssen. Zulässig ist nur die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung. In den Anbauvereinigungen darf Cannabis nur in begrenztem Umfang an Mitglieder weitergegeben werden, wobei die Mitgliedschaft und das Alter zu überprüfen sind.

Begrenzte Ausgabe von Cannabis

An Mitglieder weitergegeben werden dürfen maximal 25 Gramm pro Tag oder 50 Gramm pro Monat. Die Ausgabe von Cannabis an Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren ist auf 30 Gramm pro Monat mit einer Begrenzung des THC-Gehalts auf zehn Prozent zulässig. Konsumcannabis darf als Haschisch oder Marihuana nur in kontrollierter Qualität und in Reinform weitergegeben werden. In einer Schutzzone von 100 Metern um Anbauvereinigungen sowie Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen und öffentlich zugängliche Sportstätten wird der Konsum von Cannabis verboten.

Um vor allem Kinder und Jugendliche vor der Droge zu schützen, gilt ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und Anbauvereinigungen. Geplant ist außerdem eine Stärkung der Prävention durch eine Aufklärungskampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) über die Wirkung und Risiken von Cannabis. Die Novelle soll nach vier Jahren auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen hin evaluiert werden. Es bleibt bei der Verschreibungspflicht für Medizinalcannabis.

Geplant ist ein gestuftes Inkrafttreten der Reform. So soll das Gesetz insgesamt am 1. April 2024 in Kraft treten. Die Vorschriften für den gemeinschaftlichen Eigenanbau in den sogenannten Anbauvereinigungen soll jedoch am 1. Juli 2024 in Kraft treten. 

Stellungnahme des Bundesrates

In einer Stellungnahme hatte zuvor der Bundesrat seine Befürchtung vor hohen finanziellen Folgebelastungen der Länder durch Kontroll- und Vollzugs- sowie Präventions- und Interventionsaufgaben zum Ausdruck gebracht (20/8704). Als Beispiel angeführt wurde die Kontrolle der Anbauvereinigungen. Der Bundesrat bezweifelte auch die wirksame Kontrolle des zulässigen Höchstwertes von THC (Tetrahydrocannabinol) und hält neue, hochpotente Cannabis-Sorten für möglich.

Die praktische Umsetzung der geplanten Jugendschutzzonen im öffentlichen Raum und Schutzvorkehrungen im privaten Raum war nach Einschätzung der Länderkammer ebenfalls kritisch zu hinterfragen. Hier deute sich ein strukturelles Vollzugsdefizit an. Schließlich wies der Bundesrat auf die Notwendigkeit hin, zulässige Grenzwerte für THC im Straßenverkehr festzulegen.

Gegenäußerung der Bundesregierung

Die Bundesregierung teilte die Bedenken des Bundesrates zum Vollzugsaufwand nicht, wie aus der entsprechenden Unterrichtung (20/8763) hervorgeht. So sei voraussichtlich erst nach fünf Jahren die geschätzte Gesamtzahl von 3.000 Anbauvereinigungen erreicht. Die Länder könnten die Personal- und Sachmittelkapazitäten sukzessive anpassen. Zudem erwartet der Bund mit der Entkriminalisierung hohe Einsparungen der Länder durch weniger Strafanzeigen und weniger Strafverfahren. Die eingesparten Mittel könnten für die Überwachung der Anbauvereinigungen sowie für die Suchtprävention eingesetzt werden.

Aufklärung und Prävention sowie gesetzliche Vorgaben für die Anbauvereinigungen trügen zu einem umfassenden Gesundheits- und Jugendschutz bei, heißt es in der Unterrichtung weiter. Was den zulässigen THC-Wert im Straßenverkehr betrifft, habe eine interdisziplinäre Expertengruppe des Bundesverkehrsministeriums das Ziel, Grenzwerte zu ermitteln. Nach Auffassung der Bundesregierung sei der THC-Grenzwert so zu bemessen, dass die Straßenverkehrssicherheit ausreichend gewahrt bleibe.

Weiterhin umstritten

Während der letzten parlamentarischen Beratungen meldete sich der Präsident der Bundesärztekammer mit massiver Kritik am Gesetzentwurf. Etwa zeitgleich forderten 30 Forscher und Fachleute in einem offenen Brief Bundestagsabgeordnete auf, dem Gesetzentwurf in dieser Woche zuzustimmen.

In einer übersichtlichen Zusammenstellung fasst die Tagesschau die wissenschaftliche Einschätzung zum Für und Wider zusammen.

Quellen: Bundestag, Tagesschau

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Rentenversicherungsbericht, Rentenerhöhung 2024

Im November 2023 wurde der Rentenversicherungsbericht 2023 vom Bundestag verabschiedet, im Bundesrat wurde er Anfang Februar 2024 „zur Kenntnis“ genommen. Die Bundesregierung veröffentlicht jährlich einen Rentenversicherungsbericht, in dem die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dargestellt wird. Gesetzliche Grundlage ist § 154 SGB VI.

Die wichtigsten Ergebnisse sind:

  • Für Ende 2023 wird eine Nachhaltigkeitsrücklage von rund 44,5 Milliarden Euro (1,67 Monatsausgaben) geschätzt.
  • Der Beitragssatz bleibt bis zum Jahr 2027 stabil bei 18,6 Prozent. Bis zum Jahr 2030 steigt der Beitragssatz auf 20,2 Prozent und bleibt damit deutlich unter der gesetzlichen Obergrenze von 22 Prozent. Im letzten Jahr des Vorausberechnungszeitraums (2037) beträgt der Beitragssatz 21,1 Prozent.
  • Bis zum Jahr 2037 steigen die Renten um insgesamt knapp 43 Prozent. Dies entspricht einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 2,6 Prozent pro Jahr.
  • Das Sicherungsniveau vor Steuern liegt aktuell bei rund 48,2 Prozent und bleibt auch bis zum Jahr 2024 knapp oberhalb von 48 Prozent.

Dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus

Die Berechnungen gehen dabei stets von geltendem Recht aus. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent und der Einstieg in die teilweise Kapitaldeckung zur Dämpfung der Beitragssatzentwicklung werden in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren beschlossen. Ohne diese ausstehende Reform würde das Rentenniveau nach 2025 stufenweise über 46,9 Prozent im Jahr 2030 bis auf 45,0 Prozent zum Ende des Vorausberechnungszeitraums im Jahr 2037 sinken.

3,5 Prozent

Für den kommenden Juli wird in dem Rentenversicherungsbericht (Seite 39) mit einer Rentensteigerung von bundesweit rund 3,5 Prozent gerechnet. Der Rentenwert steige dann auf 38,92 Euro. Der Anstieg geht vor allem auf die im Schnitt gestiegenen Löhne zurück. Der endgültige Wert für die Anhebung zum 1. Juli 2024 ist jedoch noch nicht festgelegt und wird erst im Frühjahr bestimmt. Die Renten werden jährlich im Sommer unter Berücksichtigung der Lohnentwicklung im Land angepasst.

Einheitlicher Rentenwert

Im letzten Jahr gab es noch mal eine unterschiedliche Anpassung in den alten und den neuen Bundesländern. Mit der Erhöhung der Rentenwerte 2023 wurde die Angleichung der Rentenhöhe in ganz Deutschland ein Jahr früher als geplant vollzogen.

Quellen: Bundestag, Bundesrat, BMAS, FOKUS-Sozialrecht

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Sozialstaat explodiert?

Aktuelle öffentliche Debatten vermitteln häufig den Eindruck, in Deutschland seien die Sozialausgaben in den vergangenen Jahren explodiert und der Staat über alle Maße aufgebläht worden. Ein genauer Blick auf die Statistiken – auch im internationalen Vergleich – zeigt: Dieser Eindruck ist von Fakten nicht gedeckt. Der deutsche Staat ist weder übermäßig groß, noch sind seine Ausgaben in den vergangenen zwei Jahrzehnten auffällig gewachsen.

OECD-Zahlen ausgewertet

Für die Hans-Böckler-Stiftung haben Katja Rietzler und Sebastian Dullien Statistiken der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) der letzten 20 Jahre ausgewertet. Danach liegt Deutschland sowohl bei den Sozialausgaben als auch bei den Steigerungen der Sozialausgaben im mittleren bis unteren Bereich aller OECD-Länder.

Wachstum unauffällig

Untersucht wurden beispielsweise das preisbereinigte Wachstum, das Wachstum relativ zur Wirtschaftsleistung oder relativ zu den Ausgaben in anderen, vergleichbaren Staaten. Dabei stellte sich heraus, dass das Wachstum der realen öffentlichen Sozialausgaben in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren unauffällig ist – im Vergleich zu anderen OECD-Ländern sind die Sozialausgaben hierzulande besonders schwach gewachsen.

Staatsquote

Auch bei der Staatsquote, also den gesamten staatlichen Ausgaben einschließlich der Sozialausgaben, ist im westeuropäischen Vergleich bis 2023 keine Auffälligkeit für Deutschland festzustellen.

Alle Vergleichszahlen und Grafiken der Auswertung kann man auf der Homepage des Institus für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler Stiftung nachlesen.

Quelle: IMK, wikipedia

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Verkehrswende für das Klima

Bei den relativ unspektakulären Steiks im öffentlichen Nahverkehr in den letzten Wochen ging aus vor allem auch um bessere Arbeitsbedingungen für das Personal in Bussen und Straßenbahnen. Eine Verkehrswende, die einen massiv ausgebauten öffentlichen Nahverkehr braucht, kann nicht funktionieren, wenn das Personal fehlt, weil die Arbeitsbedingungen so schlecht sind.

Gemeinsamer Klimastreik

Sinnvollerweise haben sich deswegen Fridays for Future und Verdi zusammengetan und einen gemeinsamen Klimastreiktag ausgerufen – am 1. März 2024. Unterstützt wird der Protesttag von einem breiten Bündnis:

  • Verkehrsclub VCD
  • Paritätischer Gesamtverband
  • NaBu
  • Greenpeace
  • EVG (Eisenbahner-Gewerkschaft im DGB)
  • Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende
  • BUND und BUNDjugend
  • AWO Bundesverband
  • attac

Aufruf – #WirFahrenZusammen

In einem gemeinsamen Aufruf beschreiben die Initiatoren den Zustand des öffentlichen Nahverkehrs mit den Schlagworten:

  • „Lange Wartezeiten,
  • überfüllte Bahnen,
  • Fahrtausfälle
  • keine Busverbindung auf dem Land“

Ob bei der Fahrt zur Schule, zur Arbeit, zur Ärztin oder von der Party nach Hause: Millionen von Menschen seien täglich auf den Nah- und Regionalverkehr angewiesen. Doch die aktuelle Politik verhindere, dass wir klimafreundlich, zuverlässig, bequem, sicher und günstig unterwegs sein können.

Verdoppelung des Angebots bis 2030

Für eine lebenswerte Zukunft und um die Klimakrise zu stoppen, müsse der ÖPNV bis 2030 verdoppelt werden. Doch im Moment werde das Angebot im Nah- und Regionalverkehr nicht besser, sondern schlechter: „Busse und Bahnen fallen aus, auch weil es nicht genug Fahrer:innen gibt. Lange Schichten, kaum Pausen und schlecht planbare Dienste, das alles nehmen die Beschäftigten auf sich, um uns täglich von A nach B zu bringen.

Den hohen Krankenstand und massiven Personalmangel, der durch die Arbeitsbelastung entstehe, bekämen alle Nutzenden zu spüren. Immer mehr Beschäftigte hörten auf. So führen immer weniger Busse und Bahnen statt mehr.

Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge

Tatsächlich ist ein verlässlicher und inklusiver ÖPNV mit ausreichend Bus- und Bahnverbindungen ist für alle gut und unverzichtbar. Personenbeförderung ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie muss darum auch ökologischen und sozialen Anforderungen gerecht werden und flächendeckend für Alle nutzbar sein. 

Deswegen fordern FFF und Ver.di Bund und Länder auf, endlich massiv in den Nah- und Regionalverkehr zu investieren. Nur so können zukünftig mehr Menschen entspannt Busse und Bahnen nutzen. Das wäre ein wichtiger Schritt für die sozial-ökologische Mobilitätswende.

Übersicht der Demos am 1. März 2024

Eine Übersicht zu allen lokalen Demonstrationen findet sich auf der Website von Fridays for Future.

Quellen: FFF, verdi.de,

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Sichere Schulwege

Für mehr Sicherheit für Schulkinder ist die Einrichtung von Schulstraßen in Deutschland bereits heute möglich. Beleg dafür ist ein im Dezember veröffentlichtes und jetzt finalisiertes Rechtsgutachten beauftragt von Kidical Mass Aktionsbündnis, Deutsches Kinderhilfswerk (DKHW) und dem ökologischen Verkehrsclub VCD. 

Zögerliche Kommunen

Dem Gutachten zufolge haben Kommunen vielfältige Möglichkeiten Schulstraßen einzurichten und diese nur für den Rad- und Fußverkehr freizugeben. Dennoch waren die Kommunen bislang zögerlich. Entsprechende Erlasse auf Landesebene fehlten. Das ändert sich jetzt.

NRW mit landesweiter Regelung

Nordrhein-Westfalen hat als erstes Bundesland eine landesweite Regelung für Schulstraßen herausgegeben. Der Erlass empfiehlt eine Teileinziehung von Straßen und die Absperrung durch Poller oder Schranken.

Gefahren für auf dem Schulweg

Unter einer „Schulstraße“ ist im derzeitigen Sprachgebrauch die temporäre Sperrung einer Straße für den Kfz-Verkehr im Nahbereich einer Schule zu den maßgeblichen Bring- und Holzeiten zu verstehen. Insbesondere an Grundschulen ist oftmals zu beobachten, dass Schulkinder mit Kraftfahrzeugen bis vor den Haupteingang gebracht bzw. dort abgeholt werden. Dies kann zu kritischen Verkehrssituationen führen, wenn der Bring- und Holverkehr mit seinen negativen Begleiterscheinungen (Stauungen, Parkraumsuche, Park- und Wendemanöver, Rangiervorgänge etc.) auf Schulkinder trifft, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule kommen.

Verkehrssicherheit von Schulkindern

Die Einrichtung einer Schulstraße dient daher in erster Linie der Verkehrssicherheit von Schulkindern und kann unter bestimmten Voraussetzungen bereits heute rechtssicher erfolgen. Neben der Möglichkeit, eine Schulstraße im Rahmen einer Veranstaltung unter Verwendung von z. B. mobilen Sperrelementen herzustellen, kann zur dauerhaften Einrichtung mit Verkehrszeichen auf das vorhandene Instrumentarium der StVO und auf das aktuelle Straßenrecht zurückgegriffen werden.

Hoffnung auf bundesweite Verbreitung

Der Erlass aus Nordrhein-Westfalen sei ein Riesenerfolg, so Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes: „Mit dem Erlass machen wir einen sehr großen Schritt nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern es ist ein Meilenstein hin zur bundesweiten Verbreitung von Schulstraßen und damit zu mehr Sicherheit auf Schulwegen. Dieses Signal geht jetzt von Nordrhein-Westfalen aus: Schulstraßen werden kommen, zuerst in Nordrhein-Westfalen, bald schon in ganz Deutschland.

Quellen: Deutsches Kinderhilfswerk (DKHW) , VCD, Kidical Mass, MUNV-NRW (Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr)

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Bezahlkarten und andere Abschreckungen

Mittlerweile dürfte allen klar geworden sein, dass die breite Mehrheit in Deutschland rechtsradikale und rechtspopulistische Politik ablehnt. Alle Vertreter der demokratischen Parteien begrüßen das ausdrücklich. Die Politik, die sie umsetzen, folgt allerdings den Erzählungen vom rechten Rand.

Offenbar scheint Deutschlands größtes Problem nicht etwa die drohende Klimakatastrophe oder die immer größere Kluft zwischen arm und reich zu sein, sondern die schier unfassbare Zahl von Flüchtlingen. 2023 wurden jeweils 240 Deutsche von einem Flüchtling umzingelt.

Warum fliehen Menschen?

Lösungen sind einerseits „Abschiebungen in großem Stil“ und andererseits muss man den Flüchtlingen das Leben hier möglichst unerträglich machen. Dabei soll die Bezahlkarte helfen. Grundlage dafür das Märchen von den Pullfaktoren. Danach sitzen in den Ländern der dritten Welt potenteille Flüchtlinge gemütlich während eines Krieges in ihren Bunkern oder etwa bei Umweltkatastrophen auf den Dächern ihrer Häuser und beratschlagen, wohin sie denn fliehen wollen. Und weil jemand weiß, dass es in Deutschland massenhaft Geld für Flüchtlinge gibt, wollen natürlich alle nach Deutschland. Nun ist aber jemand darunter, der von den drohenden Bezahlkarten gehört hat. Also wollen die Flüchtlinge doch lieber nach Italien oder sie geben den Fluchtgedanken auf und lassen sich umbringen.

Urteil des Verfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat schon 2012 der Politik ins Stammbuch geschrieben, dass ein menschenwürdigen Existenzminimums für jeden Menschen gewährleitet sein muss und erklärt, dass die Menschenwürde nicht »aus migrationspolitischen Gründen relativiert« werden dürfe (1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11). Wie das aber gerade durch die Einführung einer Bezahlkarte konterkariert wird, hat Pro Asyl in einem Appell an die Bundesländer eindrücklich beschrieben.

Beispiele:

Keine Überweisungen: Die Bezahlkarte ist nicht mit einem Bankkonto verknüpft, eine Überweisungsmöglichkeit soll explizit ausgeschlossen sein. Überweisungen sind heutzutage aber unentbehrlich – etwa für einen Handyvertrag, für den Abschluss einer Haftpflichtversicherung oder manche kleine Einkäufe im Internet. Geflüchtete müssen insbesondere die Raten für ihre dringend benötigten Rechtsbeistände per Überweisung bezahlen können.

Beschränkung von Bargeld: Die Länder haben sich nicht einmal auf einen relevanten Mindestbetrag verständigt, der von den Betroffenen in bar abgehoben werden kann. Wer in Deutschland ohne Bargeld lebt und nur wenige Dinge in bestimmten Läden kaufen kann, verliert an Selbstbestimmung und macht demütigende Erfahrungen, etwa wenn der Euro für die öffentliche Toilette oder der Beitrag für die Klassenkasse fehlt. Beim Gemeindefest oder in der Schulcaféteria kann man mit der Bezahlkarte nichts kaufen.

Regionale Beschränkung: Die Bezahlkarte kann so eingestellt werden, dass sie nur innerhalb eines bestimmten Postleitzahlenbereichs funktioniert. Die regionale Einschränkung der Karte stellt offenkundig den Versuch dar, die Freizügigkeit der Betroffenen durch die Hintertür zu beschränken: Wer Verwandte oder Freund*innen besucht oder einen weiter entfernten Facharzt oder eine Beratungsstelle aufsuchen möchte, kann in ernste Schwierigkeiten geraten, wenn er*sie nicht einmal eine Flasche Wasser kaufen kann.

Verwaltungsaufwand senken?

Ein Argument der Länder bei der Einigung auf gemeinsame Standards für eine Bezahlkarte ist, dass der Verwaltungsaufwand damit gesenkt werde. Das ist allerdings höchst umstritten. Der Städtetag zeigte sich skeptisch, Sozialwissenschaftler Marcus Engler betont in der Tagesschau, dass es auf die Ausgestaltung der Bezahlkarte ankommt. Er hält übrigens das Argument, Fluchtanreize ließen sich durch niedrigere Sozialleistungen senken, für nicht belegt.

Auslandsüberweisungen stoppen?

Dazu Pro Asyl: „Eine weitere Begründung für die Bezahlkarte lautet: Man wolle den Transfer von Geld unterbinden – wahlweise zu den Heimatfamilien oder zu Schleppern. Dabei wird übersehen: Bereits heute erhalten Geflüchtete, besonders in der Anfangszeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder, vor allem Sachleistungen und nur einen sehr geringen Geldbetrag. Die Idee, von den geringen Asylbewerberleistungen könnte noch Geld in die Herkunftsländer geschickt werden, ist völlig realitätsfern.“

Quellen: Pro Asyl, FOKUS-Sozialrecht, Hessische Staatskanzlei, Deutschlandfunk, Taggesschau
Alles Wissenswerte zur Bezahlkarte im Artikel von Netzpolitik.org vom 24.01.2024

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Barrieren und Denkmalschutz

Ich habe lange in einer wunderschönen Villa aus dem 19 Jahrhundert gearbeitet. Die Villa wurde Ende der 70er Jahre umfassend renoviert und es zogen rund 30 Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung ein. Durchschnittsalter zwischen 30 und 40. Es gab ein damals innovatives Begleitungskonzept, dass den Bewohnern ein möglichts selbstbestimmtes Leben ermöglichte. Die Villa lag mitten in einer kleinen Stadt, hier gelang so etwas wie Inklusion, bevor man den Begriff überhaupt kannte. Die Villa stand unter Denkmalschutz, hatte völlig unterschiedliche Räume, verwinkelte Gänge, Zwischentreppen und keinen Aufzug.

Umbau nicht möglich

Anfang der 2000er Jahre stellte man mehr oder weniger überrascht fest, dass die Bewohner langsam älter und gebrechlicher wurden, vor allem die Treppen wurden zum Problem. Aber kaum einer wollte ausziehen. Also wurde ein Umbau angestrebt, um die alte Villa weiterhin bewohnbar zu halten. Letztlich scheiterten alle Pläne und Vorschläge nicht nur an den hohen Kosten, sondern am Denkmalschutz. Hätte es das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 2024 schon früher gegeben, wäre die Geschichte vielleicht anders ausgegangen.

Urteil des BGH

Beim BGH ging es in zwei Verfahren um die Voraussetzungen und Grenzen baulicher Veränderungen zur Barrierereduzierung (Errichtung eines Personenaufzugs bzw. Errichtung einer 65 Zentimeter erhöhten Terrasse nebst Zufahrtsrampe). Auch hier ging es um eine Wohnanlage, bestehend aus zwei zwischen 1911 und 1912 im Jugendstil errichteten Wohnhäusern. Die Wohnanlage steht unter Denkmalschutz. Besitzer ist eine Eigentümergemeinschaft. Diese lehnte einen Umbau ab, den ein Miteigentümer anstrebte, um die Gebäude barrierfreier zu machen. Dagegen klagte der Betreffende, das Amtsgericht wies die Klage ab.

angemessene bauliche Veränderung

In der nächsten Instanz bekam er recht, was die Miteigentümer nicht hinnehmen wollten, so dass der Fall vor dem BGH landete. Das Urteil bestätigte die Auffassung der zweiten Instanz. Das BGH stellte fest, dass die von den Klägern erstrebte Errichtung eines Personenaufzugs eine angemessene bauliche Veränderung darstelle, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen diene. Die Angemessenheit sei nur dann ausnahmsweise zu verneinen, wenn mit der Maßnahme Nachteile verbunden seien, die über die Folgen hinausgehen, die typischerweise mit der Durchführung einer privilegierten baulichen Veränderung einhergehen. Eingriffe in die Bausubstanz, übliche Nutzungseinschränkungen des Gemeinschaftseigentums und optische Veränderungen der Anlage etwa aufgrund von Anbauten können die Unangemessenheit daher regelmäßig nicht begründen.

Förderung der Barrierefreiheit

Der von dem Gesetzgeber im gesamtgesellschaftlichen Interesse erstrebten Privilegierung bestimmter Kategorien von Maßnahmen – unter anderem zur Förderung der Barrierefreiheit – ist bei der Prüfung, ob eine grundlegende Umgestaltung vorliegt, im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses Rechnung zu tragen. 

BGH, wikipedia

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FDP blockiert Lieferkettengesetz

Wieder scheint es der immer noch mächtigen Fossil-Lobby mit ihren Erfüllungsgehilfen in der FDP gelungen zu sein, ein wichtiges EU-Vorhaben zu Fall zu bringen. Gestern (6.2.2024) musste Bundesarbeitsminister Heil die Kompromisssuche für die EU-Lieferketten-Richtlinie für gescheitert erklären.

Die FDP argumentiert, das geplante Gesetz schaffe Nachteile für die deutsche Wirtschaft. Zudem gehe es über ein bereits bestehendes deutsches Lieferkettengesetz hinaus. Dass das so ist, stört die FDP aber erst kurz vor der Zielgerade.

Worum geht es?

Es geht um eine Richtlinie, mit der große und mittelständische Unternehmen in Europa dazu verpflichtet werden sollen, Menschenrechte und Umweltschutz in ihrer Lieferkette einzuhalten. Beispielsweise müssen Autohersteller müssen nachweisen, dass die Rohstoffe für ihre Autobatterien nicht von Kindern geschürft werden oder giftige Chemikalien bei der Produktion nicht in Flüsse gelangen. Bei Verstoß könnten Betroffene dagegen klagen.

Vertrauensverlust befürchtet

Grüne und SPD – Mitglieder der Regierung befürchten einen massiven Vertrauensverlust in der EU, in der Zeit wird abermals die Führungsschwäche des Kanzlers beklagt.

Offene Briefe von Wissenschaftlern und Organisationen

Ein offener Brief von in unterschiedlichen Disziplinen forschender, lehrender und zu Fragen der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft beratender Wissenschaftler teilt seine „große Sorge“ mit. Die aktuellen Pläne gegen eine Annahme der im Trilog abgestimmten EU-Lieferkettenregulierung stelle auch die Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft in der EU nach dem EU-Green-Deal-Projekt in Frage. Auch aus der Wirtschaft kommen nicht nur ablehnende Statements. Viele Unternehmen befürworten ein starkes europäisches Gesetz.

Ein Bündnis aus mehr als 130 zivilgesellschaftlichen Organisationen fordern mit der Initiative Lieferkettengesetz ein starkes EU-Lieferkettengesetz, das europaweit verpflichtende Menschenrechts- und Umweltstandards für Unternehmen schafft.

Blockade ist Programm

Es ist nicht das erste Mal, dass die FDP durch Blockade-Haltung auffällt. In der EU hat sie besipielsweise damit erreicht, dass beim Verbot des Verbrennungsmotors wichtige Schlupflöcher für die deutsche Autoindustrie verbleiben. Heute wurde bekannt, dass die FDP auch die EU – CO2-Regelungen für Lastwagen ausbremsen werde. Wie die Tagesschau berichtet, ist mittlerweile auch die Automobilindustrie verärgert über den kleinen Koalitionspartner. Sie brächten schließlich in erster Linie Verlässlichkeit.

Von Tempolimit bis Klimageld

Die Liste der verhinderten Reformen wird immer länger. Angefangen hat es schon im Koalitionsvertrag mit dem strikten „Nein“ zum Tempolimit. Seitdem reißt das FDP-Verkehrsministerium krachend jede Klima-Zielvorgabe, stattdessen fließt viel Geld in den Autobahnausbau. „Technolgieoffen“ träumen die Liberalen weiter von Atom, Kernusion, Efuels für PKWs und Wasserstoff für Heizungen. Klimageld wird es mit der FDP nicht geben.

Schutz vor Vergewaltigung torpediert

Nebenbei sorgte sie auch beim Thema Schutz von Frauen vor sexualisierter Gewalt dafür, dass ausgerechnet einheitliche Standards für den Straftatbestand Vergewaltigung ausgeklammert wurden.

Das für viele hoffnungsvolle Projekt „Ampel“ droht zu scheitern. Nicht etwa an den massiven weltweiten Krisen, wie sie noch keine Bundesregierung zuvor bewältigen musste, sondern am kleinen Koalitionspartner.

Quellen: FOKUS-Sozialrecht, ZEIT, TAZ, Verfassungsblog, Initiative Lieferkettengesetz, Tagesschau

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Mehr Digitalisierung im Gesundheitssystem

Zwei Bundestagsbeschlüsse zur weiteren Digitalisierung im Gesundheitssystem hat der Bundesrat am 2. Februar 2024 gebilligt:

  • Änderungen beim Einsatz der elektronischen Patientenakte – Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG) und
  • verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten – Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG).

Beide Gesetze treten im Wesentlichen am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

DigiG

Mit dem Gesetz werden insbesondere folgende Ziele verfolgt:

  • die Nutzung der Potenziale der elektronischen Patientenakte (ePA) zur Steigerung der Patientensicherheit und der medizinischen und pflegerischen Versorgungsqualität wird verbessert, indem sie durch Umstellung auf eine Widerspruchslösung („Opt-out“) flächendeckend in die Versorgung integriert werden kann,
  • das E-Rezept wird weiterentwickelt und verbindlich eingeführt,
  • Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) werden noch besser für die Versorgung nutzbar gemacht,
  • Videosprechstunden und Telekonsilien werden qualitätsorientiert weiterentwickelt,
  • digitale Versorgungsprozesse werden in strukturierten Behandlungsprogrammen ermöglicht,
  • die Interoperabilität wird verbessert,
  • die Cybersicherheit wird erhöht und
  • der Innovationsfonds wird verstetigt und weiterentwickelt.

E-Rezept und E-Akte

Mit dem e-Rezept können Patientinnen und Patienten verschreibungspflichtige Medikamente papierlos erhalten. Ab 2025 wird die elektronische Patientenakte – ePA – grundsätzlich für alle gesetzlichen Versicherten eingerichtet. Wer sie nicht nutzen will, muss aktiv widersprechen. In der ePA können medizinische Befunde und Informationen aus Untersuchungen oder Behandlungen gespeichert werden. Dies soll den Bürokratieaufwand mindern und unnötige Mehrfachuntersuchungen vermeiden.

Fitness Tracker

Versicherte können ihre mit Smartwatches oder Fitness Trackern gesammelten Daten wie Schrittzählung, Herzfrequenz, Schlafqualität, Köpertemperatur an ihre Krankenkassen übermitteln, um sie in der ePA speichern zu lassen.

GDNG

Mit dem Gesetz werden bürokratische und organisatorische Hürden bei der Datennutzung abgebaut und die Nutzbarkeit von Gesundheitsdaten im Sinne eines
die Datennutzung „ermöglichenden Datenschutzes“ unter vollumfänglicher Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Standards verbessert.

Zur Erreichung der skizzierten Ziele wird das geltende Recht insbesondere um
folgende wesentliche Maßnahmen ergänzt:

  • Aufbau einer nationalen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten,
  • Verknüpfung von Daten des Forschungsdatenzentrums Gesundheit mit Daten der klinischen Krebsregister der Länder,
  • Stärkung des Gesundheitsdatenschutzes,
  • Nachhaltigkeit und europäische Anschlussfähigkeit,
  • Einbindung von etablierten Strukturen.

Datennutzung zu Forschungszwecken

Für gemeinwohlorientierte Zwecke sollen Gesundheitsdaten leichter und schneller nutzbar sein. Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte entsteht dazu eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle. Gesetzliche Kranken- und Pflegekassen können ihre Daten künftig stärker nutzen, wenn dies der besseren Versorgung dient, beispielsweise der Arzneimitteltherapiesicherheit, der Erkennung von Krebs- oder seltenen Erkrankungen. Für die Datenfreigabe zu Forschungszwecken aus der ePA gilt ebenfalls ein Widerspruchsverfahren.

Quelle: Bundesrat

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Wartefristen bei Leistungen für Asylbewerber

§ 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG regelt, dass Leistungsberechtigte, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, sogenannte Analogleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erhalten. Sie bekommen demnach Leistungen entsprechend der Sozialhilfe sowie Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung anstatt der demgegenüber niedrigeren Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und weiterer Leistungen nach den §§ 4 und 6 bis 7 AsylbLG.

von 18 auf 36 Monate

Laut dem Beschluss der Besprechung des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten vom 6. November 2023 soll der bisherige automatische Anspruch auf die sogenannten Analogleistungen statt bisher nach 18 Monaten künftig erst nach 36 Monaten eintreten.

Asylsuchende haben zur Zeit in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts schon heute keinen Anspruch auf das, was die gesetzlichen Krankenkassen als „medizinisch notwendig“ definiert ist. Die Frist soll auf 36 Monate verlängert werden.

Gravierende gesundheitliche Folgen

Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) weisen zusammen mit medizinischen, psychotherapeutischen und psychosozialen Fachverbände und mit über 200 zivilgesellschaftliche Organisationen darauf hin, wie gravierend sich sowohl die körperliche Gesundheit als auch die psychische Belastungssituation traumatisierter Geflüchteter verschlechtert, wenn über einen so langen Zeitraum hinweg keine Behandlung erfolgt. Dazu haben sie ein Positionspapier veröffentlicht sowie einen offenen Brief an den Bundeskanler.

erhebliche direkte und indirekte Folgekosten

Wenn Asylsuchende künftig drei Jahre auf einen weitgehend regulären Zugang zum Gesundheitssystem warten müssten, werde ihre psychosoziale Belastungssituation massiv zunehmen – mit Folgen für die Prävalenz psychischer Erkrankungen.
Aufgrund der Fokussierung auf Akutversorgung sei mit einer noch stärkeren Inanspruchnahme von psychiatrischen und psychosozialen Notfallstrukturen zu rechnen. Für bereits vorliegende psychische Erkrankungen erhöhe sich das Chronifizierungsrisiko deutlich. Daraus entstünden erhebliche direkte und indirekte Folgekosten u. a. durch teurere stationäre Behandlungen sowie infolge zu später Behandlung höhere volkswirtschaftliche Kosten durch Beeinträchtigung der Schul- oder Arbeitsfähigkeit sowie ausbleibende oder erschwerte Integrations- und Teilhabechancen.

UN-Rüge

Die Bundesregierung wurde bereits mehrfach von den Vereinten Nationen dafür gerügt, dass Deutschland Asylsuchenden das Recht auf Gesundheitsversorgung verwehrt. Sie nun noch länger zu benachteiligen, ist menschenrechtswidrig und ignoriert die jüngste ausdrückliche Aufforderung des UN-Komitees zur Konvention gegen Rassismus (ICERD), die Ungleichbehandlung im Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen zu beenden (08.12.2023).

erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken

Auch das Bundesverfassungsgericht hat schon vor über zehn Jahren entschieden, dass die „Menschenwürde…migrationspolitisch nicht zu relativieren“ ist. Der Versuch, die Flucht nach Deutschland zu begrenzen, indem man Geflüchteten den Zugang zu notwendiger Gesundheitsversorgung versagt, ist also nicht nur unwirksam und unmenschlich, sondern auch verfassungswidrig.

Laut Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Das gegenüber dem Existenzminimum herabgesetzte Leistungsniveau ist laut Bundesverfassungsgericht nur gerechtfertigt, wenn man bei einem nur kurzfristigen bzw. vorläufigen Aufenthalt in Deutschland von einem tatsächlich spezifischen Minderbedarf ausgehen kann. 22 Andernfalls seien Leistungen auf SGB XII-Niveau zu gewähren.

Quellen: BAfF, Bundesverfassungsgericht, Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste

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