Im November 2019 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die bestehenden Sanktionen für Hartz IV-Empfänger etwa bei „mangelnder Mitwirkung“ verfassungswidrig sind.
Im Januar 2021 legte das BMAS einen Gesetzentwurf vor, der die Vorgaben des Verfassungsgerichts umsetzen soll. Das Asylbewerberleistungsgesetz kommt in dem Gesetzentwurf nicht vor.
Große Anfrage im Bundestag
Anlass genug für eine Große Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Unter anderem geht es dabei um die Frage, ob der Bundesregierung denn überhaupt Erkenntnisse vorliegen, dass Sanktionen die gewünschte Wirkung erzielten. Weiter wollen die Abgeordneten wissen, ob die grundsätzlichen Überlegungen und
Vorgaben des BVerfG, die über die konkret beurteilte Norm des § 31a Absatz 1 SGB II hinausgehen, auch auf andere Gesetze und Normen übertragbar sind, etwa auf das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
22 verschiedene Sanktionstatbestände
Im Asylbewerberleistungsgesetz sind 22 verschiedene Sanktionstatbestände aufgelistet, die eine Kürzung der ohnehin schon mageren Leistungen vorsehen. Die Kürzungen liegen im Falle eines Ausreisepflichtigen bei 47 %. Wenn jemand gar nicht in Deutschland sein sollte, sondern in einem anderen für sein Verfahren zuständigen EU-Staat, droht die komplette Streichung, auch wenn in einige Länder wie Griechenland Flüchtlinge gar nicht mehr überstellt werden.
Folgende Tatbestände können zu einer Einschränkung führen:
- Einreiseabsicht zum Bezug von Sozial(hilfe)leistungen (§ 1a Abs. 1 AsylbLG)
- Nichtausreise trotz Möglichkeit, Ausreisepflicht (§ 1a Abs. 2 AsylbLG)
- Missbräuchliche Verhinderung des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen (§ 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG)
- Besondere EU-Verteilung (§ 1a Abs. 4 AsylbLG)
- Verstoß gegen die asylrechtlichen Mitwirkungspflichten (§ 1a Abs. 5 AsylbLG)
- Nichtangabe von Vermögen, finanzielle Situation (§ 1a Abs. 6 AsylbLG)
- Ablehnung einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit (§ 5 Abs. 4 AsylbLG)
- Weigerung der Teilnahme an Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (§ 5a Abs. 3 AsylbLG)
- Weigerung der Teilnahme an einem Integrationskurs (§ 5b Abs. 2 AsylbLG)
- Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung (§ 11 Abs. 2 AsylbLG)
- Verschuldete Verzögerung bei Ausstellung eines Ankunftsnachweises (§ 11 Abs. 2a AsylbLG)
Die Sanktionen übertreffen oft weit die 30 %-Grenze, die das Bundesverfassungsgericht für das SGB II vorgegeben hat.
Magere Antwort der Bundesregierung
Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage ist ernüchternd.
- Die Prüfung, ob das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch auf andere Gesetze anwendbar ist, ist noch nicht abgeschlossen.
- Die Bundesregierung hat keine Untersuchungen oder Studien unternommen, beauftragt oder geplant, um die Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Sanktionsregelungen im Asylbewerberleistungsgesetz zu prüfen.
- Der Bundesregierung liegen keine spezifischen Informationen über andere unabhängige wissenschaftliche Studien vor.
Wolfgang Janisch schreibt dazu am 17.2.2021 in der Süddeutschen:
„Und so geht es weiter. Um wie viel Prozent genau gekürzt werde? Könne man nicht beantworten, weil die Kosten der Gemeinschaftsunterkunft „nicht pauschal in Euro darstellbar sind“. Dass sogar Leistungen gestrichen werden können, die das Gesetz selbst als „unerlässlich“ bezeichne? Für den Schutz der Gesundheit werde jedenfalls gesorgt. Ob die Leistungen an Minderjährige nie gekürzt werden dürften? Könne man so allgemein nicht sagen.“
BSG – BVG
Im Jahr 2017 hatte das Bundessozialgericht in einem umstrittenen Urteil die Sanktionen im Asylbewerberleistungsgesetz noch für rechtens erklärt. Dagegen hat der Betroffene vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Eine Entscheidung steht noch aus.
Immerhin hatte das BVG schon entschieden, dass Asylbewerberleistungen im Wesentlichen nicht von solchen abweichen dürfen, die nach den Sozialgesetzbüchern II und XII gezahlt werden – und zwar bedingungslos.
Quellen: Bundestag, Süddeutsche, FOKUS-Sozialrecht
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