Homeoffice und Unfallversicherung

Ende Mai stimmten Bundestag und Bundesrat dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz zu. Darin eingefügt wurde nach Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales noch eine Änderung des SGB VII, die eine Gesetzeslücke schließen soll. Es geht um Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten im Homeoffice. Zwar erstreckt sich der bisherige Versicherungsschutz auf sogenannte Betriebswege, etwa zum Drucker in einem anderen Raum, nicht jedoch auf Wege im eigenen Haushalt zur Nahrungsaufnahme oder zum Toilettengang. Hier hielt der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung beim Versicherungsschutz für geboten. Darüber hinaus wird der Unfallversicherungsschutz bei einer Homeoffice-Tätigkeit auch auf Wege ausgedehnt, die die Beschäftigten zur Betreuung ihrer Kinder außer Haus zurücklegen.

  • Ergänzt wurde § 8 SGB VII Absatz 1: „Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.“ und
  • eingefügt in Absatz 2 die Nummer 2a: „Versicherte Tätigkeiten sind auch … das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten … fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird“.

Betriebswege zu Hause

Schon nach geltendem Recht besteht im Homeoffice und bei sonstiger mobiler Arbeit
grundsätzlich gesetzlicher Unfallversicherungsschutz. Der Versicherungsschutz erstreckt sich neben der eigentlichen versicherten Tätigkeit auch auf sogenannte Betriebswege, zum Beispiel den Weg zum Drucker in einem anderen Raum. Dies gilt sowohl auf der Unternehmensstätte als auch bei mobiler Arbeit. Unterschiede und damit Lücken im Versicherungsschutz gibt es dagegen bei Wegen im eigenen Haushalt zum Holen eines Getränks, zur Nahrungsaufnahme, zum Toilettengang etc. Diese Wege sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf der Unternehmensstätte versichert, im Homeoffice dagegen nicht.

Diese Unterscheidung lässt sich vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung mobiler Arbeitsformen nicht aufrechterhalten. Wie bei den bereits anerkannten Wegen zum Drucker ist auch bei den Wegen zum Beispiel zum Holen eines Getränks der Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie auf der Unternehmensstätte gerechtfertigt, um Hürden bei der Inanspruchnahme von mobiler Arbeit zu beseitigen. Daher ist eine Gleichbehandlung beim Versicherungsschutz geboten, unabhängig davon, ob die Versicherten die Tätigkeit auf der Unternehmensstätte oder an einem anderen Ort ausüben.

Vom Homeoffice in die Kita

Mit der neuen Nummer 2a wird der Unfallversicherungsschutz von Personen, die ihre Tätigkeit im Homeoffice ausüben, auf die Wege erstreckt, die sie wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit zur außerhäuslichen Betreuung ihrer Kinder zurücklegen, also zur Kita oder zur Tagesmutter.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Verbreitung von Homeoffice, Telearbeit und vergleichbaren Arbeitsformen im eigenen Haushalt der Versicherten ist es gerechtfertigt, den Versicherungsschutz auch in diesen Fällen auf die mit einer Kinderbetreuung zusammenhängenden Wege zu erstrecken. Wie bei der Tätigkeit an einer betrieblichen Arbeitsstätte besteht ein Interesse des Unternehmers an der Unterbringung der Kinder, um die Ausübung der beruflichen Tätigkeit der Versicherten zu ermöglichen.

Quelle: Bundesrat, BMAS

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Home-Office verpflichtend

In der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 19. Januar 2021 wurde unter Punkt 8 der Beschluss bekanntgegeben, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber überall dort, wo es möglich ist, den Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen müssen.

Dazu hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nun den Entwurf einer SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vorgelegt. Sie soll zunächst bis 15. März 2021 gelten. Fünf Tage nach Verkündung der Verordnung im Bundesanzeiger soll sie in Kraft treten. Also für die Arbeitgeber fünf Tage Zeit für die Umsetzung.

Wesentliche Punkte der Verordnung:

  • Arbeitgeber werden verpflichtet, Homeoffice anzubieten, soweit keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten sind nicht verpflichtet, Homeoffice zu nutzen.
  • Für Beschäftigte, die nicht im Homeoffice arbeiten können, haben die Arbeitgeber durch geeignete Maßnahmen den gleichwertigen Schutz sicherzustellen. 
  • Betriebsbedingte Zusammenkünfte mehrerer Personen sind auf ein Minimum zu reduzieren
  • In Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten sollen möglichst kleine Arbeitsgruppen gebildet und wenn möglich zeitversetzt gearbeitet werden.
  • Für das Arbeiten im Betrieb müssen Arbeitgeber medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken zur Verfügung stellen, wenn Anforderungen an Räume oder Abstand aus bestimmten Gründen nicht eingehalten werden können.

Arbeitsschutzregeln gelten weiter

Weiterhin gelten die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln vom August 2020 in allen Punkten, die nicht durch die neue Verordnung verändert wurden. (Aktuelle Fassung der Arbeitsschutzregeln bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA))

Fragen und Antworten

Viele Fragen, die sich direkt aus der Arbeitsschutzverordnung ergeben, versucht das BMAS schon im Vorfeld zu beantworten: „FAQs zur Corona-Arbeitsschutzverordnung„. Etwa die wichtige Frage, welche zwingende betriebsbedingte Gründe dem Homeoffice entgegenstehen könnten.

Hier wird deutlich gemacht, dass logischerweise viele Tätigkeiten in Produktion, Dienstleistung, Handel, Logistik nicht im Homeoffice durchgeführt werden können.

Auch Tätigkeiten, die sich grundsätzlich für die Ausführung im Homeoffice eignen, die aber aus belegbaren und nachvollziehbaren betriebstechnischen Gründen nicht dorthin verlagert werden können, werden aufgeführt, wenn dadurch der übrige Betrieb nur eingeschränkt oder gar nicht aufrechterhalten werden kann.

Technische oder organisatorische Gründe und Versäumnisse, wie z. B. die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderung der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten können i. d. R. allenfalls befristet bis zur umgehenden Beseitigung des Verhinderungsgrunds geltend gemacht werden.

Antworten versucht das BMAS auch auf folgende Fragen zu geben:

  • Wie wird die Co­ro­na-ArbSchV kon­trol­liert? Wel­che Be­fug­nis­se ha­ben die Auf­sichts­be­hör­den?
  • Kön­nen Be­schäf­tig­te ver­pflich­tet wer­den, Ho­me­of­fi­ce zu ma­chen?
  • Was sind zwin­gen­de be­triebs­be­ding­te Grün­de, die ge­gen die Er­le­di­gung von Ar­bei­ten im Ho­me­of­fi­ce sprechen?
  • Was macht man als Ar­beit­neh­mer, wenn nach ih­rer Ein­schät­zung Ho­me­of­fi­ce mög­lich ist, aber der Ar­beit­ge­ber sagt, es sei nicht mög­lich? An wen kön­nen sich Be­schäf­tig­te wen­den, wenn sie sich bei der Ar­beit nicht aus­rei­chend ge­schützt se­hen?
  • Was wenn Hom­of­fi­ce theo­re­tisch mög­lich ist, aber die tech­ni­sche Aus­stat­tung fehlt? Muss der Ar­beit­ge­ber dann die Be­schäf­tig­ten mit Lap­tops etc. aus­stat­ten?
  • Sind Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, Be­schäf­tig­te ins Ho­me­of­fi­ce zu sen­den? Wer ent­schei­det, ob Ho­me­of­fi­ce mög­lich ist?
  • Er­hal­te ich we­ni­ger Lohn, wenn ich zu­hau­se ar­bei­te?
  • Wie lan­ge muss ich im Ho­me­of­fi­ce ar­bei­ten?
  • Was sind ver­gleich­ba­re Tä­tig­kei­ten zur Bü­ro­ar­beit?
  • Was ist un­ter Tä­tig­kei­ten zu ver­ste­hen, die kei­nen Min­destab­stand bzw. das Ein­hal­ten der Flä­chenan­for­de­run­gen nicht er­lau­ben?
  • Ste­hen aus­rei­chend Mas­ken zur Ver­fü­gung?
  • Muss der Ar­beit­ge­ber Kos­ten für Mas­ken über­neh­men?
  • Sind Aus­nah­me­re­ge­lun­gen vom Tra­gen des Mund-Na­sen-Schut­zes für Be­schäf­tig­te mit „me­di­zi­ni­scher Be­frei­ung“ mög­lich?
  • Wird mit den Re­ge­lun­gen in der SARS-CoV-2-Ar­beits­schutz­ver­ord­nung der SARS-CoV-2-Ar­beits­schutz­stan­dard, der ei­gent­lich dau­er­haf­ten Mas­ken­schutz for­dert, aus­ge­he­belt bzw. in wel­chem Ver­hält­nis ste­hen die Re­ge­lun­gen zu­ein­an­der?
  • Gel­ten al­le Re­geln un­ab­hän­gig von der Un­ter­neh­mens­grö­ße? Al­so auch für ein Un­ter­neh­men mit z. B. nur zwei An­ge­stell­ten?
  • Ab wann und wie häu­fig wird kon­trol­liert wer­den, dass die Un­ter­neh­men sich an die Ver­ord­nung hal­ten?
  • Bis wann muss der Ar­beit­ge­ber die Maß­nah­men um­ge­setzt ha­ben?
  • Was droht, wenn der Ar­beit­ge­ber die­se Maß­nah­men nicht er­greift?
  • Kann mehr Ho­me­of­fi­ce da­zu bei­tra­gen, die In­fek­ti­ons­zah­len zu sen­ken?

Quelle: BMAS

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Update: Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung wurde am 22.1.2021 im Bundesanzeiger veröffentlicht.