Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) ist in der letzten Bundesratssitzung in dieser Legislaturperiode verabschiedet worden. Dieses Gesetz wurde im Laufe der parlamentarischen Beratungen immer umfangreicher. Die komplette groß angekündigte sogenannte Pflegereform wurde noch schnell hineingepackt, wohl wissend, dass die Reform völlig unzureichend ist und in der nächsten Legislaturperiode sofort wieder auf der Tagesordnung steht.

Weitere Reformschritte nötig

Der Bundesrat mahnte denn auch in einer Entschließung weitere Reformschritte an. Diese müssten unter Einbeziehung der Länder auf den Weg gebracht werden und insbesondere auch spürbare Entlastungen für die häusliche Pflege einschließen. Zur Finanzierung weiterer Reformschritte sei davon auszugehen, dass eine weitergehende Steuerfinanzierung zwingend zur Stabilisierung der Finanzierungsgrundlagen der Pflegeversicherung notwendig bleibe.

Qualität verbessern

Ursprüngliches Ziel des Gesetzes war, Qualität und Transparenz in der medizinischen Versorgung zu verbessern. Das Gesetz sieht neue Vorgaben für den Gemeinsamen Bundesausschuss, mehr Rechte für Krankenversicherte sowie Reformen in Krankenhäusern und Hospizen vor. Darüber berichteten wir hier im Februar 2021.

Pflegereförmchen

Weil das Gesundheitsministerium es nicht geschafft hat, eine konsensfähige und zukunftsorientierte Pflegereform zu machen, wurden ein paar Reformschritte mit in das GVWG gepackt und ernteten wieder massive Kritik.

Eine Milliarde vom Bund

Die Reformschritte sollen dazu beitragen, Pflegekräfte besser zu bezahlen und zugleich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zu entlasten. Der Bund beteiligt sich ab 2022 jährlich mit einer Milliarde Euro an den Aufwendungen der sozialen Pflegeversicherung. Der Beitragszuschlag für Kinderlose ab dem vollendeten 23. Lebensjahr in der gesetzlichen Pflegeversicherung steigt von 0,25 Prozent des Bruttogehalts um 0,1 Punkte auf 0,35 Prozent an.

Tariflöhne für Pflegekräfte

Ab September 2022 dürfen Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die ihren Pflegekräften einen Lohn zahlen, der in Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbart worden ist, an die die Pflegeeinrichtungen gebunden sind. Mit Einrichtungen, die nicht an Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind, dürfen Versorgungsverträge nur noch abgeschlossen werden, wenn diese ihre Pflegekräfte nicht untertariflich bezahlen.

Geringerer Eigenanteil an der Pflegevergütung

Um vollstationär versorgte Pflegebedürftige finanziell nicht zu überfordern, wird ihr Eigenanteil an der Pflegevergütung schrittweise verringert. In den Pflegegraden 2 bis 5 reduziert er sich durch einen von der Pflegekasse zu zahlenden Leistungszuschlag um fünf Prozent in den ersten zwölf Monaten, nach einem Jahr um 25 Prozent, nach zwei Jahren um 45 Prozent und nach drei Jahren um 70 Prozent. Siehe dazu auch: Pflegereform: Eigenanteile

Anspruch auf Übergangspflege

Der Bundestag beschloss zudem einen Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus. Voraussetzung ist, dass nach einer Krankenhausbehandlung erforderliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege, der Kurzzeitpflege, der medizinischen Rehabilitation oder weitere Pflegeleistungen nur unter erheblichem Aufwand sichergestellt werden können.

Bundeszuschuss für Pflegeleistungen

Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich künftig mit 640 Millionen Euro pro Jahr an den Kosten der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Die Reform beinhaltet für 2022 schließlich auch einen ergänzenden Bundeszuschuss an die GKV in Höhe von sieben Milliarden Euro, um einen Anstieg der Zusatzbeiträge zu verhindern.

Differenziertes Inkrafttreten

Das Gesetz soll im Wesentlichen am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Für zahlreiche Einzelregelungen sind allerdings abweichende Termine vorgesehen.

Quellen: Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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G-BA Sonderregelungen verlängert

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, hat noch einmal einige Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie bis 30. September verlängert.

Telefonische Krankschreibung

Bei leichten Atemwegserkrankungen können sich Versicherte auch weiterhin telefonisch krankschreiben lassen. Auch wenn die Infektionszahlen deutlich zurückgehen, ist noch immer ein bundesweit relevantes COVID-19-Infektionsgeschehen zu verzeichnen. Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sind daher nach wie vor notwendig. Mit der Sonderregelung können Versicherte, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden, telefonisch bis zu 7 Tage krankgeschrieben werden. Für weitere 7 Kalendertage können niedergelassene Ärztinnen und Ärzte eine Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit telefonisch ausstellen. 

Telefonische Beratung in der ASV

In der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV), einem Angebot für Menschen mit komplexen, schwer therapierbaren und/oder seltenen Erkrankungen, bleibt die telefonische Beratung für alle Patientengruppen ebenfalls bis 30.09.2021 erhalten.

Weiter epidemische Lage

Einige Corona-Sonderregelungen des G-BA verlängern sich automatisch, nachdem der Bundestag am 11.06.2021 weiterhin eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat. Sie gelten damit nun bis zum 30. September 2021, es sei denn, der Bundestag hebt das Fortbestehen der epidemischen Lage vorher auf. 

Es geht um folgende Sonderregelungen:

  • Disease-Management-Programme (DMP): Um eine mögliche Ansteckung mit COVID-19 zu vermeiden, müssen Patientinnen und Patienten auch weiterhin nicht verpflichtend an Schulungen teilnehmen. Die quartalsbezogene Dokumentation von Untersuchungen der in ein DMP eingeschriebenen Patientinnen und Patienten ist ebenfalls weiterhin nicht erforderlich, sofern die Untersuchung aufgrund des Infektionsschutzes nicht durchgeführt bzw. nicht erhoben werden konnte.
  • Entlassmanagement: Krankenhausärztinnen und -ärzte können weiterhin im Rahmen des Entlassmanagements eine Arbeitsunfähigkeit für bis zu 14 Kalendertagen statt bis zu 7 Tagen nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus bescheinigen. Ebenso können sie für bis zu 14 Tage häusliche Krankenpflege, spezialisierte ambulante Palliativversorgung, Soziotherapie sowie Hilfs- und Heilmittel verordnen, insbesondere dann, wenn der zusätzliche Gang zur Arztpraxis vermieden werden soll. Außerdem können Arzneimittel bei der Entlassung aus dem Krankenhaus wie bisher flexibler verordnet werden.
  • Kinderuntersuchungen U6 bis U9: Für die Kinder-Früherkennungsuntersuchungen U6, U7, U7a, U8 sowie U9 gilt weiterhin: Die vorgegebenen Untersuchungszeiträume und Toleranzzeiten können überschritten werden. Diese Nachfrist hat der G-BA vorgesehen, um den Eltern und Kinderarztpraxen das Nachholen der U-Untersuchungen problemlos zu ermöglichen.
  • Krankentransport: Krankentransportfahrten zu nicht aufschiebbaren zwingend notwendigen ambulanten Behandlungen von nachweislich an Corona erkrankten Versicherten oder von Versicherten, die aufgrund einer behördlichen Anordnung unter Quarantäne stehen, bedürfen wie bisher vorübergehend nicht der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse.

Warum Sonderregelungen?

Hauptsächliches Ziel aller Sonderreglungen ist es, weiterhin unnötige Kontakte zu reduzieren und die mit Impfungen ausgelasteten Arztpraxen nicht zusätzlich zu belasten, da trotz zurückgehender Inzidenzen Infektionsrisiken nicht auszuschließen sind.

Quelle: G-BA

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Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstößt gegen EU-Recht

Am kommenden Freitag, 25.6.21, soll der Bundesrat abschließend über das Gesetz „gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch“ abstimmen. Der Entwurf ist schon mehr als zwei Jahre alt,

Ziel des Gesetzes

  • Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit als Teil der Zollverwaltung (FKS) soll damit nicht nur Fälle von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit prüfen, bei denen tatsächlich Dienst- oder Werkleistungen erbracht wurden, sondern sie soll in Zukunft auch die Fälle prüfen, bei denen Dienst- oder Werkleistungen noch nicht erbracht wurden, sich aber  bereits anbahnen.
  • Prüfen soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit auch die Fälle, in denen Dienst- oder Werkleistungen nur vorgetäuscht werden, um zum Beispiel unberechtigt Sozialleistungen zu erhalten.
  • Zusätzliche Kompetenzen sollen die Finanzkontrolle Schwarzarbeit in die Lage versetzen, Ermittlungen im Bereich Menschenhandel im Zusammenhang mit Beschäftigung, Zwangsarbeit und Strafverfolgung in diesem Deliktfeld weiter zu stärken.
  • Besonders ins Visier nehmen soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit auch sogenannte Tagelöhner-Börsen.
  • Zur Bekämpfung des Missbrauchs beim Kindergeldbezug ist vorgesehen, dass nach Deutschland zugezogene Bürgerinnen und Bürger aus EU-Ländern während der ersten drei Monate von Kindergeldleistungen ausgeschlossen werden, sofern sie keine inländischen Einkünfte erzielen.

Gegen EU-Recht

Gerade der im letzten Punkt genannte Ausschluss von Kindergeldleistungen bedeutet, dass Unionsbürger*innen, die nicht erwerbstätig sind, künftig in vielen Fällen kein Kindergeld mehr erhalten können. Dies ist besonders dramatisch, wenn auch keine Leistungen nach SGB II oder XII erbracht werden.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 7. Februar 2019 deutlich gemacht, dass „für den Anspruch einer Person auf Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat (…) weder Voraussetzung ist, dass diese Person in diesem Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt, noch, dass sie von ihm aufgrund oder infolge einer Beschäftigung eine Geldleistung bezieht“. Auch eine frühere Beschäftigung sei nicht Voraussetzung. Damit ist die vorgesehene Einschränkung von Kindergeldansprüchen nicht europarechtskonform, so der Paritätische Wohlfahrtsverband in seiner Stellungnahme zu Gesetzentwurf.

Mehr Kinderarmut

Laut Informationen der Paritätischen Mitgliedsorganisationen, die im Bereich Migrationsberatung und Wohnungslosenhilfe tätig sind, befinden sich die von den oben genannten Ausschlüssen betroffene EU-Bürger*innen zunehmend in einer prekären wirtschaftlichen und sozialen Lage. Der im Regierungsentwurf vorgesehene Ausschluss vom Kindergeld wird zu noch stärkerer Verelendung führen, was diese Gruppe noch stärker für Ausbeutung durch kriminelle Strukturen anfällig machen wird. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die unmittelbar Leidtragenden des Ausschlusses Kinder sind. Somit wird der Ausschluss noch mehr Fälle von Kinderarmut verursachen, als es in Deutschland bereits gibt.

Falsche Signale

Die geplante Gesetzesänderung sendet falsche Signale: sowohl integrationspolitisch, indem sie EU-Bürger*innen, die mit dem Ziel der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und vorerst zur Arbeitssuche nach Deutschland einwandern, unter pauschalen Verdacht des Sozialleistungsmissbrauchs stellt und somit für unerwünscht erklärt, als auch wirtschaftspolitisch, indem sie den potentiellen, so notwendigen Arbeitskräften die Bedingungen für die Arbeitssuche erschwert.

In seiner Stellungnahme begrüßt der Paritätische die Bekämpfung von organisierten kriminellen Strukturen. Der rechtmäßige Anspruch auf Kindergeld von EU-Bürger*innen in den ersten drei Monaten des Aufenthalts, mit dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche und die Tatsache, dass dieser Anspruch entsprechend der aktuellen Gesetzeslage geltend gemacht wird, seien weder die Ursache noch der Kern des Problems. In beschriebenen Missbrauchsfällen wurden die Kindergeldleistungen aufgrund von gefälschten Geburtsurkunden und Schulbescheinigungen für nicht existierende Kinder beantragt. Solch gesetzeswidriges Handeln mit einer Gesetzesänderung und mit pauschalen Ausschlüssen zu bekämpfen, sei nicht zielführend.

Quelle: Bundestag, Bundesrat, Paritätischer Wohlfahrtsverband, GGUA Flüchtlingshilfe

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Kostenübernahme bei Assistenz im Krankenhaus

Offenbar soll in dem immer weiter anschwellenden Gesetzespaket „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung – GVWG“ nun auch die lange überfällige Frage der Kostenübernahme für Assistenz im Krankenhaus geregelt werden.

Wer trägt die Kosten?

Am 16.6.2021 hat sich das Bundeskabinett darauf geeinigt, wann die Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung und wann sie von der Eingliederungshilfe zu übernehmen sind. Danach soll die Krankenkasse zahlen, wenn Angehörige begleiten. Bei Begleitung durch Mitarbeitende von Einrichtungen der Behindertenhilfe sollen die Träger der Eingliederungshilfe zahlen.

Begleitperson unerlässlich

Menschen mit Behinderungen, die im Alltag von Assistenzkräften unterstützt werden, benötigen diese Unterstützung in der Regel auch während eines Aufenthalts im Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung, damit die Behandlung erfolgen kann. Dies gilt vor allem für Menschen, die beispielsweise aufgrund kognitiver Einschränkungen nicht mit Worten kommunizieren können oder auf Ungewohntes mit Ängsten reagieren. Hier ist eine vertraute Begleitperson unerlässlich, beispielsweise um Ängste zu nehmen, mit dem Krankenhauspersonal zu kommunizieren oder Betroffenen Unterstützung und Sicherheit zu vermitteln. Diese Begleitung ist essenziell für den Erfolg des Krankenhausaufenthalts und die Sicherheit von Patientinnen und Patienten.

Arbeitgebermodell

Bislang fehlt es an einer Kostenregelung. Nur Menschen, die ihre notwendige Begleitung im Arbeitgebermodell organisieren, bekommen durchgängig auch bei Krankenhausaufenthalten weiter Geld, um ihre Assistenzkräfte zu bezahlen. Auf die meisten Menschen mit Assistenzbedarf findet diese Regelung jedoch keine Anwendung, weil sie in Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben oder ihre Pflege und Assistenz in der eigenen Häuslichkeit über ambulante Dienste erhalten.

Noch vor den Wahlen?

In einer Pressemitteilung zeigte sich der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung erleichtert. Für die Menschen mit Assistenzbedarf sei es zweitrangig, wer bezahlt. Für sie sei entscheidend, dass sie die Assistenz bekommen, die sie benötigen. Er sei zuversichtlich, dass das Gesetz noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werde.

Quelle: Behindertenbeauftragter der Bundesregierung

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Homeoffice und Unfallversicherung

Ende Mai stimmten Bundestag und Bundesrat dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz zu. Darin eingefügt wurde nach Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales noch eine Änderung des SGB VII, die eine Gesetzeslücke schließen soll. Es geht um Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten im Homeoffice. Zwar erstreckt sich der bisherige Versicherungsschutz auf sogenannte Betriebswege, etwa zum Drucker in einem anderen Raum, nicht jedoch auf Wege im eigenen Haushalt zur Nahrungsaufnahme oder zum Toilettengang. Hier hielt der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung beim Versicherungsschutz für geboten. Darüber hinaus wird der Unfallversicherungsschutz bei einer Homeoffice-Tätigkeit auch auf Wege ausgedehnt, die die Beschäftigten zur Betreuung ihrer Kinder außer Haus zurücklegen.

  • Ergänzt wurde § 8 SGB VII Absatz 1: „Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.“ und
  • eingefügt in Absatz 2 die Nummer 2a: „Versicherte Tätigkeiten sind auch … das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten … fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird“.

Betriebswege zu Hause

Schon nach geltendem Recht besteht im Homeoffice und bei sonstiger mobiler Arbeit
grundsätzlich gesetzlicher Unfallversicherungsschutz. Der Versicherungsschutz erstreckt sich neben der eigentlichen versicherten Tätigkeit auch auf sogenannte Betriebswege, zum Beispiel den Weg zum Drucker in einem anderen Raum. Dies gilt sowohl auf der Unternehmensstätte als auch bei mobiler Arbeit. Unterschiede und damit Lücken im Versicherungsschutz gibt es dagegen bei Wegen im eigenen Haushalt zum Holen eines Getränks, zur Nahrungsaufnahme, zum Toilettengang etc. Diese Wege sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf der Unternehmensstätte versichert, im Homeoffice dagegen nicht.

Diese Unterscheidung lässt sich vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung mobiler Arbeitsformen nicht aufrechterhalten. Wie bei den bereits anerkannten Wegen zum Drucker ist auch bei den Wegen zum Beispiel zum Holen eines Getränks der Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie auf der Unternehmensstätte gerechtfertigt, um Hürden bei der Inanspruchnahme von mobiler Arbeit zu beseitigen. Daher ist eine Gleichbehandlung beim Versicherungsschutz geboten, unabhängig davon, ob die Versicherten die Tätigkeit auf der Unternehmensstätte oder an einem anderen Ort ausüben.

Vom Homeoffice in die Kita

Mit der neuen Nummer 2a wird der Unfallversicherungsschutz von Personen, die ihre Tätigkeit im Homeoffice ausüben, auf die Wege erstreckt, die sie wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit zur außerhäuslichen Betreuung ihrer Kinder zurücklegen, also zur Kita oder zur Tagesmutter.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Verbreitung von Homeoffice, Telearbeit und vergleichbaren Arbeitsformen im eigenen Haushalt der Versicherten ist es gerechtfertigt, den Versicherungsschutz auch in diesen Fällen auf die mit einer Kinderbetreuung zusammenhängenden Wege zu erstrecken. Wie bei der Tätigkeit an einer betrieblichen Arbeitsstätte besteht ein Interesse des Unternehmers an der Unterbringung der Kinder, um die Ausübung der beruflichen Tätigkeit der Versicherten zu ermöglichen.

Quelle: Bundesrat, BMAS

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Kurzarbeitergeld – Zugangserleichterungen verlängert

Mit der am 9. Juni 2021 vom Bundeskabinett beschlossenen „Dritten Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung“ werden die Zugangserleichterungen zum Kurzarbeitergeld erneut um drei Monate bis zum 30. September 2021 verlängert.

Anteil der Kurzarbeiter bei mindestens 10 Prozent

Für Betriebe, die bis zum 30. September 2021 (statt bisher 30. Juni 2021) Kurzarbeit einführen, bleibt der Anteil der Beschäftigten, der für den Zugang zum Kurzarbeitergeld von Arbeitsausfall betroffen sein muss, weiter auf mindestens zehn Prozent abgesenkt, und auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor der Gewährung des Kurzarbeitergeldes wird weiterhin verzichtet. Diese Erleichterungen sind weiterhin bis zum 31. Dezember 2021 befristet.

Für Kurzarbeit, mit der ab 1. Oktober 2021 begonnen wird, gelten die erleichterten Zugangsvoraussetzungen nicht mehr.

Leiharbeitnehmer*innen

Die befristete Öffnung des Kurzarbeitergeldes für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bis zum 31. Dezember 2021 gilt auch für Verleihbetriebe, die bis zum 30. September 2021 (statt bisher 30. Juni 2021) Kurzarbeit eingeführt haben. Danach tragen die Verleihbetriebe das branchenübliche Risiko verleihfreier Zeiten wie vor der Einführung der pandemiebedingten Sonderregelungen wieder selbst.

Entlastung für Arbeitgeber

Die vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge während der Kurzarbeit wird ebenfalls bis 30. September 2021 verlängert. Vom 1. Oktober 2021 bis 31. Dezember 2021 werden die Sozialversicherungsbeiträge zu 50 Prozent erstattet, wenn mit der Kurzarbeit bis 30. September 2021 begonnen wurde.

Betriebe, die mit Kurzarbeit am oder nach dem 1. Oktober 2021 beginnen, erhalten keine Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge mehr. Werden die Beschäftigten während der Kurzarbeit qualifiziert, können bis 31. Juli 2023 50 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge nach § 106a SGB III erstattet werden. Da die Sozialversicherungsbeiträge nach der Verordnungsregelung im Rahmen der pandemiebedingten Sonderregelungen, unabhängig davon, ob eine Qualifizierung durchgeführt wird, bis zum 30. September 2021 weiter voll erstattet werden, entfaltet die Vorschrift des § 106a SGB III bis dahin keine Wirkung. Ab dem 1. Oktober 2021, wenn die generelle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen der pandemiebedingten Sonderregelungen auf 50 Prozent reduziert ist, kann den Betrieben die andere Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge nach § 106a SGB III in Abhängigkeit davon erstattet werden, dass die Beschäftigten während der Kurzarbeit entsprechend den Voraussetzungen des § 106a SGB III qualifiziert werden.

Höhe des Kurzarbeitergeldes

Keine weitere Verlängerung: Es bleibt die Regelung, dass für Arbeitnehmer/-innen, die aufgrund der Corona-Pandemie Kurzarbeitergeld erhalten und ihre Arbeitszeit um mindestens 50 Prozent reduziert haben, das Kurzarbeitergeld ab dem 4. Monat des Bezugs auf 70 Prozent (bzw. 77 Prozent für Haushalte mit Kindern) und ab dem 7. Monat des Bezuges auf 80 Prozent (bzw. 87 Prozent für Haushalte mit Kindern) des pauschalierten Netto-Entgelts erhöht wird, längstens bis 31.12.2021.

Quellen: BMAS, SOLEX

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(Keine) Kinderrechte im GG

Ist das Wohl des Kindes angemessen, maßgeblich, oder vorrangig zu berücksichtigen? An dieser Streitfrage scheiterte jetzt wohl ein weiteres ehrgeiziges Ziel der Großen Koalition: die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz.

In der UN-Kinderrechtskonvention lautet Artikel 3 Absatz 1:

„Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“

Die UN-Kinderrechtskonvention hat in Deutschland die Geltung eines Bundesgesetzes. Da stellt sich die Frage, warum das Grundgesetz hinter der UN-Kinderrechtskonvention zurückbleiben soll.

In der EU Grundrechtecharta lautet Artikel 24 – Rechte des Kindes Absatz 2:

„Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.“

Warum dann nur „angemessen“?

CDU/CSU und das konservative Lager fürchten eine Schwächung der Elternrechte. Sie möchten nicht, dass das grundgesetzlich verankerte Dreiecksverhältnis von Kindern, Eltern und Staat angetastet wird. Dies wäre der Fall, wenn die Interessen der Kinder vorrangig berücksichtigt werden.

Allerdings hat auch das Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen festgestellt, dass das Elternrecht im Grundgesetz kein Recht am Kind ist, sondern ein Pflicht-Recht der Eltern zum Wohle des Kindes (u.a.: 1 BvR 1620/04, 01.04.2008).

Kinderrechte stärken ohne die Elternrechte zu schwächen

Es geht bei einer Verankerung der Kinderrechte nicht darum, die Elternrechte zu schwächen, sondern es geht darum, die Kinderrechte zu stärken. Im Gegenteil erhalten Eltern durch die Einführung der Kindergrundrechte bessere Möglichkeiten, die Rechte ihrer Kinder gegenüber staatlichen Einrichtungen durchzusetzen.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte sich auf die „angemessen“-Lösung eingelassen, obwohl die SPD eigentlich auch für „vorrangig“ war. Man wollte zu Potte kommen.

Keine Zweidrittel-Mehrheit

Für eine Grundgesetzänderung braucht man aber eine Zweidrittel-Mehrheit. Das war nicht so einfach. Die AfD wollte gar keine Änderung, die FDP sah die Kinderrechte im Grundgesetz eigentlich schon geschützt und beklagt mangelnde konstruktive Vorschläge. Die Linksfraktion hatte schon 2019 einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, in der das Wohl des Kindes einfach nur zu berücksichtigen sein. Das Wörtchen „angemessen“ taucht einen Satz später auf, wenn es um eine Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei allen staatlichen Entscheidungen, die sie betreffen, geht.

Grüne und das Aktionsbündnis Kinderrechte, ein Zusammenschluss von Kinderrechtsverbänden wie dem Kinderschutzbund und dem Deutschen Kinderhilfswerk, bemängelt, es fehle der Anspruch auf kindliche Beteiligung. Statt „angemessen“ wollen sie das Kindeswohl „vorrangig“ berücksichtigt sehen.

Kaugummibegriff

„Angemessen“ ist ein sehr dehnbarer Begriff, der spätestens seit der Diskussion um das Bundesteilhabegesetz als Kaugummibegriff berüchtigt ist. Hier ging es um die „angemessene“ Berücksichtigung von Wünschen, wenn es um die Frage nach dem Wohnort von Menschen mit Behinderung geht: Ist die eigene WG zu teuer, ist sie halt nicht angemessen.

Zudem befürchtet man, dass mit diesem Begriff sogar eine Verschlechterung der Situaton der Kinderrecht einhergehen könnte. Welche Rolle das Kindeswohl nach der Grundgesetzänderung tatsächlich für „staatliches Handeln“ spielen würde, hinge am Ende davon ab, wie Gerichte, Jugendämter und andere Behörden „angemessen“ definieren. Zugespitzt könnte man sagen: In der geplanten Form öffne die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz willkürlichen Entscheidungen zulasten der Kinder Tür und Tor.

Maßgeblich

Die Grünen brachten einen weiteren Begriff ins Spiel. Die Vorstellung, dass Eltern automatisch immer das Richtige und Gute für ihre Kinder machten, entspreche nicht der Realität. Es entspreche auch nicht der Realität, dass der Staat, wenn er die Kinderrechte nicht maßgeblich berücksichtigen muss, automatisch das Richtige für die Kinder tue.

Aber auch mit „maßgeblich“ konnten die Sorgen der Konservativen nicht aus dem Weg geräumt werden. Somit ist das Vorhaben also gescheitert. Ob die Zusammensetzung des neuen Bundestags ab Herbst noch mal eine Chance eröffnet, zwei Drittel für eine vernünftige Lösung zusammen zu bekommen, ist fraglich.

Quellen: Tagesschau, Deutschlandfunk, Kinderrechte-ins-Grundgesetz

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(Keine) Reformen im SGB II

Im Januar dieses Jahres präsentierte das BMAS einen Gesetzentwurf zur Änderung des SGB II (Elftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze). Wir berichteten am 30. Januar 2021 darüber.

Kein Änderungsgesetz vor den Wahlen

Der Entwurf ist mittlerweile in der Versenkung verschwunden. Er gelangte in der
laufenden Legislaturperiode nicht mehr zur Beratung und Verabschiedung in den Deutschen Bundestag, obwohl mit ihm das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Reform des Sanktionsrechts – Urteil des Ersten Senats vom 5. November 2019, 1 BvL 7/16 – umgesetzt werden sollte.

Außerdem sollte der in der Pandemie vorübergehend eingeführte vereinfachte Zugang zum Arbeitslosengeld II dauerhaft festgelegt werden. Und es sollte weitere Anpassungen und Klarstellungen zur Weiterentwicklung des Eingliederungsprozesses geben.

Ausschuss-Anhörung

Stattdessen haben nun die Oppositionsfraktionen mehrere Anträge für Reformen im System der Grundsicherung für Arbeitssuchende gestellt. Auch mehrere Verbände melden Änderungsbedarf in der Grundsicherung an. Dazu gab es am 7. Juni 2021 eine Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

Anträge der Opposition:

  • Einführung von Bagatellgrenzen bei Rückforderungen (FDP),
  • 25-Prozent-Freibetrag für Rentner (AfD),
  • sanktionsfreie Mindestsicherung und Verhinderung von Grundsicherungskürzungen bei Rentnern (Linke),
  • Garantiesicherung statt Hartz IV (Grüne).

Forderungen der Verbände:

  • Der Deutsche Caritasverband e. V. will unter anderem einen Paradigmenwechsel in der Grundsicherung, der das „Fördern“ deutlich markanter ins Zentrum rückt. Integrationserfolge dürften nicht länger durch die Drohungen mit Verwaltungsakten und einem starren Sanktionsregime behindert werden.
  • Der Deutsche Landkreistag unterstützt, wie die meisten anderen Verbände auch, die Einführung einer Bagatellgrenze für Rückforderungen. „Dies würde zu mehr Bürgerfreundlichkeit und zur Vermeidung unnötiger Bürokratie beitragen.“
  • Die Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. fordert unter anderem „eine Regelsatzermittlung, die Zirkelschlüsse vermeidet und eine untere Haltelinie gewährleistet und eine Festlegung von Kosten der Unterkunft, die die tatsächlichen Gegebenheiten am Wohnungsmarkt zum Maßstab nimmt“.
  • Der Deutsche Städtetag schreibt: „Die Städte zweifeln daran, ob der restriktive Umgang der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit jungen Menschen zielführend ist“, deren Ungleichbehandlung im SGB II müsse beendet werden.
  • Die Bundesagentur für Arbeit befürwortet das System des „Förderns und Forderns“ in der Grundsicherung, schlägt aber dennoch eine Entschärfung des Sanktionsrechts bei unter 25-Jährigen und auch die Einführung einer Bagatellgrenze für Rückforderungen vor.
  • Der Sozialverband VdK Deutschland e. V. schreibt: „Die Aussetzung der Vermögensprüfung und die Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten im Zuge des erleichterten Zugangs zur Grundsicherung im Zuge der Corona-Pandemie waren sehr sinnvolle Maßnahmen, die unbedingt in einem neuen Grundsicherungssystem fortgesetzt werden müssten.“
  • Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält es unter anderem für notwendig, die Regelsätze neu zu ermitteln, eine Kindergrundsicherung und ein Recht auf Weiterbildung einzuführen. Während Die Linke jedoch fordere, das neue Leistungsniveau in Höhe einer Pauschale von 1.200 Euro aus der Armutsgrenze abzuleiten, halte der DGB eine Herleitung aus den Verbrauchausgaben für sachgerechter – wenn die Referenzgruppen neu definiert würden und bestimmte Standards erfüllten.
  • Der Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD) fordert, „die Regelsätze mittels eines transparenteren Statistikmodells zu ermitteln, das sich am tatsächlichen Bedarf orientiert und auf willkürliche, sachlich nicht begründbare Abschläge und normative Streichungen verzichtet“.
  • Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung „unterstützt die Erhöhung des Personalschlüssels beziehungsweise die Reduktion des Betreuungsschlüssels, weil damit zum einen die gesetzliche Forderung nach einer festen Ansprechperson besser erfüllt werden könnte und zum anderen die Beratungsqualität erhöht werden könnte“.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Pflegereform: Eigenanteile

Die Eigenanteile bei den Heimkosten steigen immer weiter. Sie sind für immer mehr Heimbewohner nicht mehr tragbar. Der Anteil der Heimbewohner, der auf Sozialhilfe angewiesen ist, steigt. Die Aussicht, im Alter bei Pflegebedürftigkeit nach vielen Jahren Arbeit seine komplette Rente abgeben zu müssen, dazu noch Sozialhilfe beantragen zu müssen und dann mit einem mickrigen Taschengeld abgespeist zu werden, ist nicht gerade verlockend.

Entlastung angekündigt…

Umso erfreulicher klingt die Ankündigung von Gesundheitsminister Spahn zu der Pflegereform, die in den nächsten Wochen in den Parlamenten beraten wird:

»Wir entlasten die Pflegebedürftigen nach mehr als 24 Monaten Pflege durchschnittlich um rund 410 Euro im Monat, nach mehr als 36 Monaten Pflege sogar um rund 638 Euro im Monat.«

… aber nur für eine Minderheit

Als erstes fällt auf, dass die Mehrheit der Heimbewohner von vornherein ausgeschlossen ist. Denn die meisten Heimbewohner bleiben gar keine zwei Jahre dort. Sie sterben vorher.

Zuzahlung über 2.000 Euro

Die gesamten Zuzahlungen eines Pflegebedürftigen bei Heimunterbringung belaufen sich gegenwärtig bei erheblicher Streuung schon auf der Ebene der Bundesländer (die zwischen einzelnen Heimen nochmals größer sein können bzw. sind) auf durchschnittlich 2.068 Euro pro Monat. Davon entfallen 831 Euro auf die nicht über die Leistungen der Pflegeversicherung gedeckten pflegebedingten Kosten der Versorgung. Und bei diesem Posten sollen die Pflegebedürftigen entlastet werden.

Im vierten Jahr 75 Prozent

Nach 24 Monaten soll laut neuestem Gestzentwurf die Entlastung 45 Prozent des Eigenanteils betragen. Im zweiten Jahr sind es 25 Prozent, im ersten Jahr noch gewaltige 5 Prozent. Ab dem vierten Jahr steigt die Entlastung dann sogar auf 75 Prozent. Immerhin ein Segen für die wenigen, die so lange in einem Pflegeheim überleben.

Eigenanteil höher gerechnet

Die Entlastung nach 24 Monaten beträgt also laut Gestzentwurf 45 Prozent von 831 Euro, das sind 374 Euro. Aber hieß es nicht, die Entlastung solle 410 Euro betragen? In der Gesetzesbegründung klärt sich das auf: Dort geht man von einem durchschnittlichen Eigenanteil von 911 Euro aus, also rund 10 Prozent mehr als jetzt.

Offenbar sollen das die Mehrkosten für die geplante Erhöhung der Pflegelöhne sein, die ja alle nach Tarif bezahlt werden sollen. Allerdings erst ab 1. September 2022. Auch an der Umsetzung dieses Punktes gibt es erhebliche Zweifel, aber das ist ein anderes Thema.

Fazit

Fazit ist, dass das Versprechen über die Entlastung bei der Eigenbeteiligung, freundlich ausgedrückt, beschönigend ist. Es beruht auf Zahlen, die (noch) gar nicht existieren. Und: Eine spürbare Entlastung wird es nur für einen geringen Teil der Betroffenen geben.

Selbst, wenn man die höchste versprochene Entlastung nimmt, also für einen Pflegeheimbewohner nach mehr als drei Jahren Verweildauer, bedeutet das für ihn, das er insgesamt immer noch eine Gesamtzuzahlung von mehr als 1.500 Euro zahlen muss. Zu viel bei einer Durchschnittsrente von 700 bis 800 Euro (Frauen) und 1150 bis 1250 Euro (Männer).

Quellen: BMG, aktuelle-sozialpolitik, Paritätische Gesamtverband, Verbraucherzentrale, mystipendium.de

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Pflege: Reform oder Mogelpackung?

Die Pflegereform nimmt Fahrt auf. Am Mittwoch, den 2.6.2021 verabschiedete das Bundekabinett eine „Formulierungshilfe für Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen zum Bundeszuschuss GKV und für Reformschritte in der Pflege“.

Bessere Bezahlung – höherer Beitrag

Bekannt geworden war schon vorher, dass alle Pflegekräfte nach Tarif bezahlt werden sollen – ab 1. September 2022. Dann sollen nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen werden – also mit der Pflegeversicherung abrechnen können –, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarif bezahlen.

Der Beitragszuschlag für Kinderlose soll ab 2022 um 0,1 Prozentpunkte angehoben werden, hierdurch würde die Pflegeversicherung zusätzlich 400 Mio. Euro/Jahr erhalten. Eine weitere Milliarde jährlich soll die Pflegeversicherung als Bundeszuschuss aus Steuergeldern erhalten.

Eckpunkte und Arbeitsentwurf

Letzten Herbst hat das BMG ein Eckpunktepapier vorgelegt für eine „umfassende“ Pflegereform (siehe auch hier). Schon dazu hagelte es Kritik, unter anderem wegen des zu geringen Pflegekostendeckels bei der Eigenbeteiligung und der Einschränkung der Flexibilität bei der Verhinderungspflege.

Mitte März 2021 folgte dann der „Arbeitsentwurf“ zur Pflegereform. Dieser sieht nun ein Stufenmodell für den Eigenanteil vor: Je länger ein Bewohner in einem Pflegeheim lebt, desto geringer ist sein Eigenanteil. Im ersten Jahr des Pflegeheim-Aufenthalts sollen die Versicherten bzw. ihre zahlungspflichtigen Angehörigen die vollen Eigenanteile tragen. Im zweiten Jahr sollen die Eigenanteile dann um 25 Prozent sinken, nach mehr als 24 Monaten um die Hälfte. Bei Pflegebedürftigen, die 36 Monate und länger stationär betreut werden, soll sich der Eigenanteil gar um 75 Prozent reduzieren. Aktuell müssen Pflegeheimbewohner im bundesweiten Durchschnitt 2.068 Euro im Monat aus eigener Tasche zahlen.

Kritik aus der Fachwelt

Da die durchschnittliche Verweildauer eines Menschen im Heim bei etwas über einem Jahr liegt, klingt der Vorschlag etwas zynisch. Kritik kommt auch von Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Uni Bremen, der den „Eckpunkten“ noch Lob zollte, weil die Risiken von allen Versicherten und nicht von den einzelnen Heimbewohnern getragen würden. Zum Arbeitsentwurf schreibt er allerdings, dass dieser „relative Deckel“ damit alles andere als gerecht und sozial ausgewogen sei. Die Eigenanteile blieben unkalkulierbar und würden ebenso wie die Sozialhilfeabhängigkeit mittel- und langfristig wieder steigen. Der Arbeitsentwurf fiele damit weit hinter die Ankündigungen des Eckpunktepapiers zurück.

Reform wird versteckt

Um die Verwirrung noch etwas zu vergrößern, soll es jetzt wohl kein eigenständiges Pflegereformgesetz geben. Vielmehr beziehen sich die umfangreichen Formulierungshilfen für Änderungsanträge, die das Kabinett heute beschlossen hat, alle auf den „Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ (GVWG). Dieses Gesetz wurde schon im Februar im Bundestag beraten, die weitere für den Mai vorgesehene abschließende Beratung wurde aber verschoben.

Inhalte der Pflegereform

Wesentliche Inhalte der nun im GVWG verpackten Pflegereform sind:

  • Auch im ersten Jahr sollen Heimbewohner von der Eigenbeteiligung entlastet werden: um 5 Prozent.
  • In der ambulanten Pflege sollen die Leistungsbeträge um fünf Prozent erhöht werden.
  • Nach einer Krankenhausbehandlung wird oft eine stärkere Versorgung durch Pflegekräfte benötigt. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, soll die Kurzzeitpflege deutlich ausgebaut werden. Dafür soll auch der Leistungsbeitrag der Pflegeversicherung um zehn Prozent angehoben werden.
  • Neuer Anspruch auf Übergangspflege bis zu 10 Tage für den Fall, dass im Anschluss an eine Krankenhausversorgung eine Pflege im eigenen Haushalt oder etwa in einer Kurzzeitpflege nicht sichergestellt werden kann.
  • In der stationären Altenpflege soll ein einheitliches Personalbemessungsverfahren eingeführt werden.

Und wie schon erwähnt: die Tarifbindung und die Erhöhung des Beitrags für Kinderlose.

Eltern gegen Kinderlose

Mit dem letzten Punkt wird übrigens wieder ein unnötiger Streit angefacht zwischen Kinderlosen und Eltern, damit keiner darüber diskutiert, dass die Zahl der Milliardärinnen und Milliardäre in Deutschland um 29 auf 136 Personen gestiegen ist. Deren Vermögen sind im Jahr 2020, also während der Pandemie, um mehr als 100 Milliarden Euro angewachsen (Zeit.de).

Mogelpackung

Massive Kritik an den Pflegereformplänen kommt auch vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Die Vorschläge der Großen Koalition seien ein “fauler Kompromiss” und der Gesetzentwurf eine “Mogelpackung”. Es fehle nach wie vor eine wirksame Regelung zur Deckelung der Eigenanteile bei den Pflegekosten, die alle Betroffenen wirklich entlaste. Auch der Kompromiss zur Entlohnung von Pflegekräften falle weit hinter die Ankündigungen zurück. Der Paritätische bekräftigt seine Forderung nach einer Vollkaskoversicherung als Bürgerversicherung, die das Risiko der Pflegebedürftigkeit wirksam absichert. Übergangsweise fordert der Verband eine Begrenzung des Eigenanteils in Höhe von 15 Prozent, die Pflegekassen sollen stattdessen stärker in die Pflicht genommen werden.

Quellen: BMG, VDEK, Tagesschau, Paritätischer Wohlfahrtsverband, ZEIT, FOKUS-Sozialrecht

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