Grundgesetz, Klimaneutralität, Sozialrecht

Gerade hat der Bundestag Änderungen des Grundgesetzes beschlossen. Damit könnten unter anderem finanzielle Mittel für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) frei werden, um mehr in den Kampf gegen den Klimawandel zu investieren, sofern der Bundesrat dem am Freitag, 21.3.2025 zustimmt. Auch die Worte „Klimaneutralität bis 2045“ tauchen jetzt im Grundgesetz auf (Artikel 143h). Dies allerdings nicht als Staatsziel, sondern laut Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass Bewilligungen aus dem Sondervermögen auch für Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 verwendet werden können.

Klimaneutralität als Staatsziel

Klimaneutralität als Staatsziel wurde vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2021 verankert und zwar in Artikel 20a, in dem es um den „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ geht. „Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz und zielt auf die Herstellung von Klimaneutralität“, heißt es in der Entscheidung.

Sozialrecht

Was hat die Grundgesetzänderung und Klimaneutralität mit dem Sozialrecht und der Sozialgesetzgebung zu tun?

Artikel 20a GG ist primär auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere ausgerichtet, erweist sich aber als indirekt relevant für den Schutz von Kindern und sozial benachteiligten Personen. Die „Verantwortung für die künftigen Generationen“ impliziert den Schutz der Umwelt für Kinder, während das Prinzip der Umweltgerechtigkeit eine Verbindung zum Schutz sozial Benachteiligter herstellt, die oft unverhältnismäßig stark von Umweltbelastungen betroffen sind.

Nachhaltigkeit und Verantwortung für die nachfolgenden Geneartionen

Als Staatszielbestimmung beeinflusst Artikel 20a GG zunehmend die Sozialgesetzgebung, insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit und intergenerationelle Verantwortung. Die Integration von Umweltaspekten in verschiedene Bereiche der Sozialpolitik wird immer wichtiger, um eine gerechte und nachhaltige Zukunft für alle Generationen zu gewährleisten. Die sich entwickelnde Interpretation von Artikel 20a GG, insbesondere im Kontext des Klimawandels und der intertemporalen Freiheitssicherung, deutet auf eine wachsende Anerkennung hin, dass Umweltschutz und Einhaltung der Klimaziele nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch eine grundlegende Voraussetzung für soziales Wohlergehen und die Verwirklichung grundlegender Rechte für gegenwärtige und zukünftige Generationen sind.

sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind eher betroffen

Mehr finanzielle Mittel für das Erreichen der Klimaziele bedeuten den Schutz der Freiheitsrechte und Sicherung der Lebensqualität auch künftiger Generationen. Umweltbelastungen wie Luft- und Wasserverschmutzung oder der Klimawandel treffen oft vor allem sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Diese Gruppen haben häufig weniger Möglichkeiten, sich vor schädlichen Einflüssen zu schützen, etwa durch den Zugang zu medizinischer Versorgung oder durch bessere Wohnbedingungen. Daher hat der Staat die Pflicht, solche Risiken zu minimieren, was zugleich zu einer Verringerung sozialer Ungleichheiten beitragen kann.

Ein gesunder Lebensraum ist ein wesentlicher Faktor sozialer Teilhabe und Gerechtigkeit.

Lebensbedingungen schutzbedürftiger Gruppen verbessern

Die Idee der Nachhaltigkeit, ist nicht nur ökologisch, sondern auch sozial motiviert. Nachhaltige Maßnahmen sollen sicherstellen, dass zukünftige Generationen und benachteiligte Gruppen nicht unter den Folgen gegenwärtiger Umweltschäden leiden. Dies wirkt sich direkt auf die Gestaltung der Sozialgesetzgebung aus, etwa in Bereichen wie Wohnungsbau, öffentlicher Nahverkehr oder im Gesundheitswesen.

Sozialgesetzliche Maßnahmen können beispielsweise so ausgestaltet werden, dass sie nicht nur unmittelbare soziale Probleme adressieren, sondern auch langfristig die Umweltqualität verbessern und dadurch indirekt die Lebensbedingungen der besonders schutzbedürftigen Gruppen verbessern.

Präventionsstrategien

Angesichts der Tatsache, dass Umweltschäden häufig sozial ungleich verteilt auftreten, kann der Staat über die Sozialpolitik gezielte Präventionsstrategien entwickeln. Diese beinhalten beispielsweise Förderprogramme für umweltfreundliche Sanierungen in sozial schwachen Vierteln oder den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel in belasteten Gebieten.

Chancengleichheit und soziale Teilhabe

Der Schutz der Umwelt und die Einhaltung der Klimaziele werden damit zu Instrumenten der sozialen Gerechtigkeit, die in die Sozialgesetzgebung integriert werden müssen. Es zeigt sich, dass ein gesunder Lebensraum nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein soziales Gut ist, dessen Erhalt zentral für die nachhaltige Sicherung von Chancengleichheit und sozialer Teilhabe ist.

Quellen: wikipedia, Bundesverfassungsgericht, Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Neues Seminarprogramm im Sozialrecht 2025

Von der Wiege bis zur Bahre, vom SGB I bis SGB XIV. Kaum ein Rechtsgebiet ist so breit und unterliegt gleichzeitig so vielen Änderungen wie das Sozialrecht. Die WALHALLA Praxis Webinare und Seminare greifen aktuelle Reformen, Rechtsprechung und umstrittene Themen auf und stellen die komplexe Materie verständlich für in der Sozialen Arbeit Tätige dar. Neues Seminarprogramm im Sozialrecht 2025 weiterlesen

Sozialversicherungspflicht von Honorar-Lehrkräften

Im Beratungsverfahren zum „Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung weiterer Vorschriften“, das Ende Februar im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, bestanden die „weiteren Vorschriften“ in dem Einfügen des § 127 in das Vierte Buch SGB IV.

Beschäftigungssituation von Lehrkräften an Musikschulen

Hier geht es um die Versicherungspflicht von Lehrkräften – insbesondere in der Erwachsenenbildung und an Musikschulen. Diese an sich sachfremden Ergänzungen hatte der Bundestag vorgenommen. Hintergrund ist das sogenannte Herrenberg-Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Juni 2022, das auf die Beschäftigungssituation von Lehrkräften an Musikschulen reagiert: Viele von ihnen arbeiten selbständig auf Honorarbasis und damit nicht sozialversichert. Die Gerichte sehen darin jedoch Fälle von Scheinselbständigkeit mit der Folge, dass die Träger Lehrkräfte grundsätzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigen müssen.

Herrenberg-Urteil

In diesem Urteil wurde entschieden, dass eine Musikschullehrerin, die auf Honorarbasis tätig war, als abhängig beschäftigt einzustufen ist und somit der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Das Urteil hat verdeutlicht, dass auch bei Honorarverträgen eine abhängige Beschäftigung vorliegen kann, wenn die Lehrkraft in die Organisation des Auftraggebers eingegliedert ist und Weisungen unterliegt.

Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen

In Folge dieses Urteils seien Bildungseinrichtungen nun zum Teil hohen Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen ausgesetzt und dadurch in ihrer Existenz gefährdet, worauf der Bundestag in der Begründung seiner Gesetzesergänzung hinweist. Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung dieses Bildungsbereichs soll daher übergangsweise von einer ansonsten zwingenden Nachforderung abgesehen werden. Wird bei einer Prüfung die Versicherungspflicht der Lehrkraft festgestellt, beginnt die Versicherungspflicht dem Gesetz nach erst ab dem 1. Januar 2027. Voraussetzung dafür ist, dass „die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer Selbstständigkeit ausgegangen sind“ und die betroffene Lehrkraft zustimmt.

Quellen: Bundesrat, Bundessozialgericht, Bundesanzeiger

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Terminvergabe in Arztpraxen

Am 21. März findet die erste Bundesratssitzung nach der Bundestagswahl statt. Dominiert wird sie vermutlich von den geplanten Grundgesetzänderungen zu den Milliarden-Sonderfonds für Rüstung und Infrastruktur.

Überprüfung der Rechtslage

Ein schon festgelegter Tagesordnungspunkt befasst sich mit dem alltäglichen Ärger von Patienten, die sich am einen Arzttermin bemühen. Ein Entschließungsantrag des Landes Niedersachsen sieht vor, dass die (neue) Bundesregierung prüfen möge, ob die aktuelle Rechtslage bei der Terminvergabe in Arztpraxen zu einer Ungleichbehandlung von gesetzlich und privat Krankenversicherten führt. Die Bundesregierung solle auch ermitteln, ob durch eine Änderung von Vorschriften ein gleicher Zugang zur ärztlichen Versorgung für alle Patienten sichergestellt werden könne, damit gesetzliche Versicherte genauso schnell einen Arzttermin erhalten wie Privatpatienten.

Gerechtes Gesundheitssystem

Der Zugang zu schneller, qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung sei Grundvoraussetzung für ein gerechtes Gesundheitssystem, das Sicherheit und Verlässlichkeit gewährleistet. Allen Bürgerinnen und Bürgern müsse dieser Zugang unabhängig von ihrem Einkommen, ihrem Wohnort oder der Frage, ob sie privat oder gesetzlich krankenversichert sind, möglich sein, heißt es in der Antragsbegründung.

Lösungsansätze

Um Ungleichheiten bei der Terminvergabe abzubauen, seien die bestehenden gesetzlichen Regelungen auf ihre Auswirkungen hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Auch neue Lösungsansätze seien dabei in Betracht zu ziehen, wie beispielsweise

  • Kontingente für Privatversicherte,
  • Mindestquoten für gesetzlich Versicherte oder
  • finanzielle Anreize für Ärzte, die überwiegend gesetzlich Versicherte behandeln.

Weitere Beratung

Sollte der Bundesrat die Entschließung annehmen, wird das Anliegen in den zuständigen Ausschüssen weiter beraten.

Quelle: Bundesrat

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Seminare und Webinare zum Betreuungsrecht

Von Alltagsgeschäften bis Zwangsmaßnahmen: Weiterbildung für Berufsbetreuer/innen, Mitarbeiter/innen von Betreuungsvereinen und -behörden sowie sonstige Bevollmächtigte bzw. in Pflegschaft Tätige rund um die Themen des materiellen Betreuungsrechts, der Organisation und des Betreuungsmanagements. Seminare und Webinare zum Betreuungsrecht weiterlesen

Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Der Vierte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung befasst sich mit der „Gleichstellung in der sozial-ökologischen Transformation” in Deutschland. Bundesfrauenministerin Lisa Paus hat den Bericht nun im Kabinett vorgestellt.

Alle vier Jahre

Der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung wird seit 2011 alle vier Jahre von der Bundesregierung vorgelegt. Die Berichte dokumentieren den Stand der Gleichstellung in Deutschland und geben konkrete Empfehlungen, wie Gleichstellung erreicht werden kann.

Dabei widmet sich der Bericht zum einen Handlungsfeldern, die mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehen. Dazu zählen die Energieerzeugung, Kreislaufwirtschaft und die Stadt- und Raumentwicklung. Zum anderen betrachtet der Bericht Handlungsfelder, die für die Gleichstellungspolitik von besonderer Bedeutung sind, beispielsweise die Gesundheit oder der Arbeitsmarkt.

Wesentliche Inhalte

  • Die ökologische Krise ist in ihren Ursachen und Auswirkungen eng mit strukturellen Ungleichheiten verbunden und überschneidet sich dadurch mit Gleichstellungsfragen.
  • Die bestehenden Ungleichheiten – unter anderem zwischen den Geschlechtern – in Verbindung mit anderen Dimensionen der Ungleichheit bestimmen, wie stark die Menschen von den Folgen der ökologischen Krise betroffen sein werden und in welchem Maße sie sich dagegen schützen können.
  • Es zeigen sich Ungleichheiten darin, wer den Klimawandel verursacht und wer von den Folgen betroffen ist. Zudem sind Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel mit sehr unterschiedlichen Belastungen und Gestaltungschancen für die Geschlechter verbunden.

Mehr zu den Inhalten des Berichts hier.

Quelle: Bundesregierung, walhalla.de

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Gemeinsamen Appell zum Bundesteilhabegesetz

Im gemeinsamen Appell an die Abgeordneten des neu gewählten Bundestages und die künftige Bundesregierung haben sich Verbände mit unterschiedlichen Perspektiven zusammengeschlossen: Verbände der freien Wohlfahrtspflege, der Selbstvertretung von Menschen mit Behinderungen, Teilhabe-Fachverbände, Selbsthilfeverbände und Dachverbände aus dem sozialpsychiatrischen Bereich.

UN-Behindertenrechtskonvention vollständig umsetzen

Der neu gewählte Bundestag hat die Chance, den gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmen so zu gestalten, dass die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) vollständig umgesetzt wird. Es geht darum, Barrieren – sei es physischer, organisatorischer oder gesellschaftlicher Natur – konsequent abzubauen und menschenrechtsbasierte Leistungen zu fördern.

Menschen mit Behinderungen sollen in die Lage versetzt werden, ihre Lebensgestaltung eigenverantwortlich und unabhängig zu bestimmen. Entscheidungen über Wohnform, Arbeitsleben, Freizeitgestaltung und persönliche Unterstützungsleistungen sollen unter Einbeziehung der betroffenen Personen getroffen werden. Leistungen und Unterstützungsangebote sollen nicht primär nach Kostengesichtspunkten oder administrativen Vorgaben erfolgen, sondern sich an den Prinzipien der Menschenrechte orientieren. Dazu gehört insbesondere die Garantie von Gleichbehandlung, Teilhabe und der Achtung der Menschenwürde.

Zentrale Forderungen an den neu gewählten Bundestag

Rechtliche Verankerung und Umsetzung der UN-BRK:
Die Prinzipien der UN-Behindertenrechtskonvention müssen verbindlich im nationalen Recht verankert und konsequent umgesetzt werden. Hierzu zählen insbesondere die Verpflichtung zur Förderung der Selbstbestimmung und zur Vermeidung von Diskriminierung in allen Lebensbereichen.

Barrierefreiheit und Zugänglichkeit:
Der Ausbau von barrierefreien Infrastrukturen in öffentlichen Räumen, im Wohnungsbau, im Verkehr und in der digitalen Welt ist essenziell, um allen Menschen gleichberechtigten Zugang zu ermöglichen.

Individuelle Unterstützungsleistungen:
Es sollte ein flexibles, personenzentriertes Unterstützungssystem geschaffen werden, das auf den individuellen Bedürfnissen basiert. Dazu gehört auch die Finanzierung und Qualitätssicherung von Assistenzleistungen, Pflege und Beratung, sodass Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen können.

Partizipation und Mitbestimmung:
Menschen mit Behinderungen müssen aktiv in alle Entscheidungsprozesse einbezogen werden, die ihr Leben betreffen – sei es auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene. Partizipative Strukturen fördern nicht nur die Akzeptanz, sondern ermöglichen auch passgenaue Maßnahmen.

Gesellschaftlicher Bewusstseinswandel:
Neben gesetzlichen Maßnahmen ist es notwendig, Vorurteile und Diskriminierungen in der Gesellschaft aktiv abzubauen. Aufklärungskampagnen, Bildungsangebote und mediale Initiativen können dazu beitragen, ein Bewusstsein für die Rechte und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen zu schaffen.

Grundlage für weitere Diskussionen

Dieser Appell soll als Grundlage dienen, um weitergehende Diskussionen anzustoßen und konkrete politische Maßnahmen zu formulieren, die den Anforderungen einer modernen, inklusiven Gesellschaft gerecht werden.

Quelle: Paritätischer Gesamtverband, FOKUS Sozialrecht Bundesteilhabegesetz

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Hilfsmittel für Versicherte mit komplexen Bedarfen

Die Änderung der Hilfsmittel-Richtlinie im Februar 2025 bringt für Menschen mit Behinderungen wesentliche Verbesserungen in der Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln. Die Neuerungen betreffen insbesondere die Vereinfachung von Antrags- und Genehmigungsverfahren.

Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage ist der mit dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG neu eingefügte Absatz 5c des § 33 SGB V und der daraufhin durch den Gemeinsamen Bundesausschuss G-BA angepassten Hilfsmittelrichtlinie. Das Gesetz wurde als eines der letzten Gesetze der Ampelkoalition am 14. Februar im Bundesrat verabschiedet. Der G-BA gab am 20. Februar 2025 die Änderung der Hilfsmittelrichtlinie bekannt. Laut Pressemitteilung hat der G-BA nun Vorgaben in der Hilfsmittel-Richtlinie geändert, um die Prüf- und Genehmigungsprozesse in komplexen Bedarfssituationen zu straffen und vereinfachen.

zeitintensive Bedarfsfeststellung

Versicherte mit schweren, komplexen oder mehrfachen Behinderungen und ihren entsprechend spezifischen Bedarfen können auf individuell angepasste oder speziell ausgestattete Hilfsmittel wie Sitzschalen oder Elektrorollstühle angewiesen sein. Das Feststellen des genauen Bedarfs, die ärztliche Verordnung und der Genehmigungsprozess gestalten sich gerade bei dieser Patientengruppe oft anspruchsvoll und zeitintensiv.

Die Zeit drängt, gerade bei Kindern

Nur wenn Hilfsmittel medizinisch erforderlich sind, dürfen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten dafür übernehmen. Diese Erforderlichkeit eines bestimmten Hilfsmittels – beispielsweise um eine Behinderung auszugleichen – überprüfen die Krankenkassen. Im Zweifelsfall bedienen Sie sich dabei der Kompetenz des fachlich unabhängigen Medizinischen Dienstes. Die Änderungen an der Hilfsmittel-Richtlinie zielen auf eine Vereinfachung des Prüf- und Genehmigungsprozesses ab. Dies sei, so das G-BA, besonders relevant für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Auf eine schnelle Leistungsentscheidung seien sie ganz besonders angewiesen, da sie sich noch in der Entwicklung befänden.

Wann der MD überflüssig ist

Die neue gesetzliche Regelung soll die Hilfsmittelversorgung speziell von jenen Versicherten zusätzlich erleichtern, die in einem Sozialpädiatrischen Zentrum oder einem Medizinischen Behandlungszentrum für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen betreut werden. Wird von einem solchen Zentrum ein Hilfsmittel empfohlen, haben die Krankenkassen künftig davon auszugehen, dass es medizinisch erforderlich ist, so dass eine Einbindung des Medizinischen Dienstes in das Genehmigungsverfahren entfällt. Auch der Bundesverband der Lebenshilfe hatte im Vorfeld auf die Wichtigkeit dieser Regelung hingewiesen.

Inkrafttreten des Beschlusses

Die Richtlinienänderungen treten in Kraft, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie rechtlich nicht beanstandet und der G-BA den Beschluss im Bundesanzeiger veröffentlicht hat.

Quellen: G-BA, Lebenshilfe, Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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3,74 Prozent Rentenerhöhung

Nach den nun vorliegenden Daten des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Rentenversicherung Bund steigen die Renten in Deutschland zum 1. Juli 2025 um 3,74 Prozent. Dies teilt das BMAS in seiner Presseerklärung vom 6. März 2025 mit.

Noch gilt die Niveauschutzklausel

Bis zum 1. Juli 2025 gilt für das Rentenniveau die Haltelinie in Höhe von 48 Prozent. Da der aktuelle Rentenwert im vergangenen Jahr aufgrund der Niveauschutzklausel (§ 255e SGB VI) auf den für die Einhaltung des Mindestsicherungsniveaus von 48 Prozent erforderlichen aktuellen Rentenwert angehoben wurde, erfolgt die Rentenanpassung (entsprechend § 255i SGB VI) zum 1. Juli 2025 ebenfalls nach dem Mindestsicherungsniveau. Der aktuelle Rentenwert wird also zum 1. Juli 2025 so hoch festgesetzt, dass mit diesem neuen aktuellen Rentenwert das Mindestsicherungsniveau von 48 Prozent erreicht wird.

Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen

Die anpassungsrelevante Lohnentwicklung liegt bei 3,69 Prozent und basiert auf der vom Statistischen Bundesamt gemeldeten Lohnentwicklung nach den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR). Darüber hinaus wird die beitragspflichtige Entgeltentwicklung der Versicherten berücksichtigt, die für die Einnahmesituation der gesetzlichen Rentenversicherung entscheidend ist. Schließlich spielt auch die für Beschäftigte und Rentenbeziehende unterschiedliche Veränderung der Sozialabgaben eine Rolle, die wegen der Anpassung nach Mindestsicherungsniveau zu einer leicht höheren Rentenanpassung im Vergleich zur anpassungsrelevanten Lohnentwicklung führt.

66 Euro

Damit ergibt sich eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts von gegenwärtig 39,32 Euro auf 40,79 Euro. Dies entspricht einer Rentenanpassung von 3,74 Prozent. Für eine Standardrente bei durchschnittlichem Verdienst und 45 Beitragsjahren bedeutet die Rentenanpassung einen Anstieg um 66,15 Euro im Monat.

Was passiert danach?

Das Rentenpaket II, offiziell das Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz, wurde am 29. Mai 2024 vom Bundeskabinett beschlossen und ist seitdem im parlamentarischen Verfahren. Es soll das Rentenniveau langfristig bei mindestens 48 Prozent sichern und durch den Aufbau eines Generationenkapitals (Kapitaldeckung über den Aktienmarkt) die Rentenversicherung zukunftssicher machen. Die zweite und dritte Lesung stehen noch aus, und angesichts des Endes der Ampel-Koalition ist unklar, ob und wann das Gesetz final verabschiedet wird.

Rentenreform wird neu verhandelt

Ohne die Niveauschutzklausel wird der Rentenwert wieder vollständig nach den regulären Anpassungsregeln in § 68 SGB VI berechnet. Das bedeutet, dass er von Faktoren wie der Lohnentwicklung, dem Nachhaltigkeitsfaktor (Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern) und der wirtschaftlichen Lage abhängt. In der Praxis könnte der Rentenwert dann stagnieren oder sogar sinken, wenn die Lohnentwicklung schwach ist oder der Nachhaltigkeitsfaktor die Rentenanpassung bremst. Es gibt keine automatische Garantie mehr für ein Mindestniveau. Für die neue Regierung heißt das, die Rente muss in den Koalitionsvertrag.

Quellen: BMAS, FOKUS Sozialrecht,

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Finanzierung der Freiwilligendienste

Das Bundesministerium der Finanzen hat eine überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung (VE) in Höhe von insgesamt 100 Millionen Euro für den Bundesfreiwilligendienst genehmigt. Die VE soll im Jahr 2026 fällig werden. Darüber informiert die Bundesregierung in einer Unterrichtung zur vorläufigen Haushaltsführung 2025 (20/15041).

Verpflichtungserklärung

Die Verpflichtungserklärung (VE) wird benötigt, um in dem im Bundesfreiwilligengesetz (BFDG) vorgesehenen Verfahren eine entsprechend rechtlich bindende Zusicherung zur Finanzierung für die meist überjährig auszuschreibenden Plätze im Bereich des Bundesfreiwilligendienstes erteilen zu können.

Die VE dient der Sicherstellung der kontinuierlichen Bewilligung einer überjährigen Maßnahme (Abschluss von BFD-Vereinbarungen), deren diesjähriger und damit durch Ausgaben finanzierter Teil als Fortsetzungsmaßnahme nach Artikel 111 Absatz 1 Buchstabe c des Grundgesetzes in der vorläufigen Haushaltsführung
möglich ist. Die Verkündung des Haushaltsgesetzes 2025 kann nicht abgewartet werden.

Warnungen der Verbände

Der Bundesarbeitskreis Freiwilliges Soziales Jahr (BAK FSJ) hatte genauso wie der Paritätische Gesamtverband, das Deutsche Rote Kreuz, die AWO und andere Verbände gewarnt, dass fehlende verbindliche Finanzzusagen des Bundes die Vertragsabschlüsse für den BFD ab April 2025 gefährden könnten. Dies liegt daran, dass viele Einsätze im BFD üblicherweise im Sommer beginnen und über ein Jahr laufen, weshalb Träger frühzeitig Planungssicherheit benötigen – auch für das Jahr 2026.

Bundesfreiwillige sind unverzichtbar

Die Bundesfreiwilligen leisten in ihren Einrichtungen unverzichtbare Arbeiten, ohne
die ein regulärer Weiterbetrieb, insbesondere in systemkritischen Bereichen, kaum möglich wäre. So unterstützen sie u. a. im Bereich des Gesundheits- und Pflegesystems, der Wohlfahrtspflege, im Zivil- und Katastrophenschutz, der Integration sowie in anderen Teilen der sozialen gemeinwohlorientierten Infrastruktur (Senioren, Menschen mit Behinderung).

Langfristige Lösungen gefragt

Die Genehmigung der 100 Millionen Euro ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung des Bundesfreiwilligendienstes. Es löst das akute Problem der fehlenden Vertragsschlüsse und ermöglicht die Fortführung des Dienstes. Es ist jedoch wichtig, dass langfristige Lösungen gefunden werden, um die Finanzierung und Attraktivität der Freiwilligendienste nachhaltig zu sichern.

Quellen: Bundestag, Paritätischer Gesamtverband, BAK FSJ, Süddeutsche

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