Krisenkonzepte in Pflegeeinrichtungen

Mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) wurde Krisenvorsorge für Pflegeeinrichtungen in § 113 Abs. 1 SGB XI gesetzlich verankert und 2022 Anforderung zur Qualitätssicherung in Krisensituationen für die verschiedenen Versorgungsbereiche von der Pflegeselbstverwaltung vereinbart.

Dort heißt es: “Für den Fall akuter Krisensituationen, wie anhaltende Stromausfälle, Brände, Bombenfunde, Unwetter/Naturkatastrophen oder Pandemien, die Einfluss auf die Versorgung haben können, hält der Träger der vollstationären Pflegeeinrichtung in Absprache mit den Gefahrenabwehrbehörden seiner Kommune ein Krisenkonzept vor.”

Handreichung

Nun gibt es eine Handreichung, die den Einrichtungen helfen soll, ein Krisenkonzept zu erstellen. Die Handreichung wurde erstellt von einer verbändeübergreifende Arbeitsgruppe durch den Fachausschuss Altenhilfe der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) erstellt.

Die vorliegende Handreichung (inklusive Materialien) wurde vorrangig für das vollstationäre Versorgungssetting konzipiert, so dass auch solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen diese grundsätzlich nutzen und ggf. auf besondere Bedarfe hin anpassen können.

Vier Bereiche

Die Handreichung gliedert sich im Kern in vier wesentliche Bereiche:

  • Vorbereitungen auf Großschadenslagen und Katastrophen;
  • Krisenstab, Notfallpläne und Mitarbeitende;
  • Material und Bevorratung und abschließend
  • Zusammenarbeit und Vernetzung.

Checklisten und Notfallpläne

Dazu gibt es diverse Checklisten, Musterschreiben und Notfallpläne für die praktische Anwendung vor Ort, die im anpassbaren Format im Anhang zu finden sind. Am Ende befindet sich eine Quellen- und Literatursammlung, die zur weiterführenden Beschäftigung mit dem Thema dient und die auch Informationen mit Blick auf die Selbst- und Nachbarschaftshilfe umfasst (z.B. für die Sensibilisierung und Information von Mitarbeitenden).

Es ist davon auszugehen, dass angesichts der Klimakrise und der veränderten Sicherheitslage solche Ereignisse in Zukunft eher zu als abnehmen werden.

Quelle: Paritätischer Gesamtverband

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Referentenentwurf Pflege

Der Referentenentwurf des Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) sieht höhere Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung noch im Jahr 2023 vor. So soll der gesetzliche Beitragssatz zum 1. Juli von derzeit 3,05 Prozent auf 3,4 Prozent steigen, der für Kinderlose von 3,4 auf 4,0 Prozent. Eltern mit mehr als einem Kind werden laut Entwurf weniger belastet: Ihr Beitrag würde ab dem zweiten Kind wieder um 0,15 Prozentpunkte pro Kind gesenkt, die Entlastung aber auf maximal 0,6 Prozentpunkte begrenzt. Damit setzt das Ministerium ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um. 

Kein Steuerzuschuss

Wenn die Finanzierung der Pflegeversicherung gefährdet ist, will die Bundesregeierung die Beiträge zukünftig kurzfristig erhöhen können. Per Rechtsverordnung und ohne Zustimmung des Bundesrats. Ein dauerhafter Steuerzuschuss wie in der Krankenversicherung ist nicht vorgesehen.

Leistungserhöhungen

  • Das Pflegegeld steigt soll ab 2024 um fünf Prozent steigen.
  • 2025 und 2028 sollen die Geld- und Sachleistungen entsprechend der Preisentwicklung weiter angepasst werden.
  • Verhinderungs- und Kurzzeitpflege in der ambulanten Pflege sollen ab 2024 in einen Jahresbetrag zusammengeführt werden, den Pflegebedürftige für ihre Zwecke flexibel einsetzen dürften.
  • Arbeitnehmer, die wegen einer akut auftretenden Pflegesituation eines Angehörigen nicht arbeiten können, hätten künftig nicht nur pro Kalenderjahr insgesamt bis zu zehn Arbeitstage Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld, sondern je pflegebedürftiger Person.
  • Um Pflegebedürftige in Heimen zu entlasten, sollen 2024 die Zuschüsse zu den Eigenanteilen um fünf bis zehn Prozentpunkte steigen.

Modellvorhaben

Ein neu geschaffenes Förderbudget soll sicherstellen, dass Länder und Kommunen gemeinsam mit der Pflegeversicherung in Modellvorhaben investieren, um die Unterstützungsmaßnahmen und -strukturen für Pflegebedürftige zu erleichtern und den Zugang zu vorhandenen Hilfemöglichkeiten zu verbessern. Die Pflegeversicherung soll hierfür 50 Millionen Euro pro Jahr bereitstellen, wenn sich das jeweilige Bundesland beziehungsweise die jeweilige Kommune daran zur Hälfte beteiligt.

Digitalisierung

Ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege soll Potenziale zur Stärkung der pflegerischen Versorgung sowohl für die Betroffenen als auch die Pflegenden heben. Das bereits laufende Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen zur Entlastung des Pflegepersonals wird ausgebaut. Aus-, Fort- und Weiterbildungen zu digitalen Kompetenzen von Pflegebedürftigen und Pflegekräften in der Langzeitpflege sollen künftig auch förderfähig sein. Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen sollen spätestens ab 1. Juli 2024 an die Telematikinfrastruktur angebunden sein sowie Zugriff auf die elektronische Patientenakte (ePA) bekommen.

Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit soll neu strukturiert und damit übersichtlicher werden. Um mehr Transparenz zu schaffen, sollen unter anderem die Landesverbände der Pflegekassen künftig ihre Landesrahmenverträge zur pflegerischen Versorgung veröffentlichen müssen.

Personalbemessungsverfahren

In der stationären Pflege soll die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch Vorgabe weiterer Ausbaustufen beschleunigt und das Förderprogramm von 100 Millionen Euro pro Jahr bis zum Ende des Jahrzehnts verlängert werden. Ziel ist es, insbesondere die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf zu verbessern.

Kritik kommt prompt

Der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. hält den Gesetzentwurf für „ein politisches Armutszeugnis der Hilf- und Ratlosigkeit“. In seiner Stellungnahme schreibt der VDBA, statt einer grundlegenden Strukturreform setze der Entwurf auf marginale Erhöhung der Geldleistungen der Pflegeversicherung, die die bereits eingetretenen Kostensteigerungen nicht ansatzweise kompensierten. Letztlich werde der Gesetzentwurf nicht das bewirken, was der Name suggeriert. Professionelle Pflege werde nicht unterstützt und der Versicherte auch nicht nachhaltig entlastet.

Quellen: AOK, VDBA, Fokus-Sozialrecht

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Potenzialanalyse und Kooperationsplan

Details zum Bürgergeld (9)

Die Eingliederungsvereinbarung heißt ab 1.7.2023 Kooperationsplan. Der Kooperationsplan soll der „rote Faden“ für die Arbeitssuche und wird in verständlicher Sprache gemeinschaftlich von Jobcenter-Beschäftigten und Bürgergeld-Beziehenden erarbeitet.

Unterschied zur Eingliederungsvereinbarung

Der wesentliche Unterschied zur Eingliederungsvereinbarung ist, dass der Kooperationsplan ist für beide Seiten rechtlich unverbindlich ist. Er bietet selbst keine Grundlage für den Eintritt von Leistungsminderungen. Es können aber auch keine im Kooperationsplan festgehaltene Leistungen des Jobcenters wie z.B. die Finanzierung einer Bildungsmaßnahme oder die Übernahme von Bewerbungskosten eingeklagt werden.

Instrument zur kooperativen Planung

Der Kooperationsplan wird auf seine wesentliche Funktion als Instrument zur kooperativen Planung des Integrationsprozesses konzentriert. Die Zusammenarbeit soll mit einem Verfahren zur Ermittlung der Kompetenzen des Hilfesuchenden beginnen (Potenzialanalyse).

Potenzialanalyse

Die Potenzialanalyse dient dazu, durch eine umfassende Betrachtung des Menschen, seine Bedarfe, Fähigkeiten und Verhältnisse, individuelle Handlungs- und Unterstützungsbedarfe zu erkennen, um die hierzu erforderliche Unterstützung zu planen und Handlungsoptionen zu entwickeln. Hierbei ist auch zu prüfen, ob Rehabilitationsbedarfe vorliegen (§ 9 Absatz 4 SGB IX) oder Flankierende Maßnahmen erforderlich sind.

Gerade auch die Stärken der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sollen mit in den Blick genommen werden, darunter auch formale und non-formale Qualifikationen und sogenannte Soft Skills (Soziale Kompetenz). Diese sollen bei der Gestaltung des Eingliederungsprozesses und der Festlegung des Eingliederungsziels berücksichtigt werden.

Inhalt der Kooperationsplans

Im Kooperationsplan soll insbesondere festgelgt werden.

1.welche Leistungen zur Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit nach diesem Abschnitt in Betracht kommen,
2.welche für eine erfolgreiche Überwindung von Hilfebedürftigkeit, vor allem durch Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit, erforderlichen Eigenbemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte mindestens unternehmen und nachweisen,
3.eine vorgesehene Teilnahme an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes oder an einer Maßnahme der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a des Aufenthaltsgesetzes,
4.wie Leistungen anderer Leistungsträger in den Eingliederungsprozess einbezogen werden,
5.in welche Ausbildung, Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person vermittelt werden soll und
6.ob ein möglicher Bedarf für Leistungen zur beruflichen oder medizinischen Rehabilitation mit dem Ziel einer entsprechenden Antragstellung in Betracht kommt.

Weitere mögliche Inhalte

Im Kooperationsplan kann auch festgehalten werden, welche Maßnahmen und Leistungen der aktiven Arbeitsförderung im Hinblick auf mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einer Integration in den Arbeitsmarkt entgegenstehen, in Betracht kommen und welche anderen Leistungsträger im Hinblick auf diese Beeinträchtigungen voraussichtlich zu beteiligen sind.

Der Kooperationsplan kann daneben auch Arbeitsmarktzugänge über mögliche Tätigkeitsbereiche näher beschreiben und auf die Unterstützungsmöglichkeiten für andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft eingehen.

Quellen:  BMASSOLEX, Thomas Knoche: Grundlagen – SGB II: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Walhalla Fachverlag; 3., aktualisierte Edition (28. Februar 2023)

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Versicherungsnummernachweis

Der Versicherungsnummernachweis ersetzt seit 1. Januar 2023 den Sozialversicherungsausweis. Seitdem ist die Datenstelle der Rentenversicherung verpflichtet, für jede Person, für die sie eine Versicherungsnummer vergibt, einen Versicherungsnummernachweis auszustellen.

Der neue Ausweis enthält – wie bisher der Sozialversicherungsausweis – die Versicherungsnummer, Vorname(n), Familienname, Geburtsname und das Ausstellungsdatum.

Neuerungen

Darüber hinaus profitieren die Versicherten von folgenden Neuerungen:

  • Der Verlust oder das Wiederauffinden eines Versicherungsnummernachweises / Sozialversicherungsausweises muss der zuständigen Einzugsstelle oder dem Rentenversicherungsträger nicht mehr mitgeteilt werden.
  • Zugleich entfällt die Pflicht, unbrauchbare Versicherungsnummernachweise an die zuständige Einzugsstelle oder den Rentenversicherungsträger zurückzugeben.
  • Beschäftigte sind außerdem nicht mehr generell verpflichtet, ihrem Arbeitgeber einen Versicherungsnummernachweis vorzulegen. Nur, wenn keine eindeutige Versicherungsnummer im nunmehr verpflichtenden automatisierten Abruf seitens der Arbeitgeber bei der Datenstelle der Rentenversicherung zurückgemeldet werden kann, ist dieser beizubringen.

elektronisches Abrufverfahren

Das elektronisches Abrufverfahren zur automatischen Abfrage der Versicherungsnummer direkt bei der Rentenversicherung ist seit Juli 2016 verfügbar und seit dem 1.1.2023 verpflichtend, wenn der Arbeitnehmer seine Sozialversicherungsnummer zu Beginn der Beschäftigung nicht vorlegt. Dies macht die Vorlagepflicht des Sozialversicherungsausweises überflüssig.

Alle bisher ausgestellten Sozialversicherungsausweise bleiben weiterhin gültig.

Quelle: Deutsche Rentenversicherung

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Weiterbildungsgeld

Details zum Bürgergeld (8)

Mit dem Bürgergeldgesetz wurde zur Stärkung der Weiterbildung neben dem Bürgergeldbonus auch das Weiterbildungsgeld und die Weiterbildungsprämie dauerhaft eingeführt.

Bisher nur befristet

Das Weiterbildungsgeld passt nicht ganz in unsrere Bürgergeld-Reihe, weil es im SGB III angesiedelt ist und weil es diese Regelung schon seit 2016 gibt. Sie war aber immer befristet. Mit dem Bürgergeldgesetz wird diese Leistung nun entfristet und im neuen § 87a SGB III untergebracht.

Unterschied Weiterbildungsgeld/ -prämie und Bürgergeldbonus

Für eine Weiterbildung, die nicht auf einen Berufsabschluss zielt, kann Bürgergeldbonus beantragt werden. Wer eine Weiterbildung absolviert, deren Ziel ein Berufsabschluss ist, kann stattdessen Weiterbildungsgeld nach dem ebenfalls ab Juli 23 gültigen § 87a im SGB III erhalten.

Erfolgsprämie und Zuschuss

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten folgende Prämien, wenn sie an einer geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist:

1.nach Bestehen einer in den genannten Vorschriften geregelten Zwischenprüfung oder des ersten Teils einer gestreckten Abschlussprüfung eine Prämie von 1.000 Euro und
2.nach Bestehen einer in den genannten Vorschriften geregelten Abschlussprüfung eine Prämie von 1.500 Euro.

Arbeitslose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten bei Teilnahme an einer solchen Weiterbildung zusätzlich einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 150 Euro (Weiterbildungsgeld).

Weiterbildungsgeld und Weiterbildungsprämie gibt es auch, wenn die berufliche Weiterbildung vor dem 1. Juli 2023 begonnen wurde und beim Inkraftreten dieser Regelung noch andauert.

Quellen: BMAS, FOKUS Sozialrecht, SOLEX

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Housing First

Der Bundestag hat am Freitag, 10. Februar 2023, einen von der Fraktion Die Linke vorgelegten Antrag mit dem Titel „Eine eigene Wohnung als Start für die Wohnungslosenhilfe – Housing First bundesweit etablieren“ (20/5542) beraten. Im Anschluss an die 40-minütige Debatte wurde der Antrag zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen überwiesen. Die Debatte machte übrigens deutlich, dass der Housing-First-Ansatz bei fast allen Fraktionen auf positives Echo stößt.

Was ist Housing First?

Housing First stellt sozusagen die Obdachlosenhife vom Kopf auf die Füße. Häufig ist es so, dass von Betroffenen erwartet wird, sich einen Job zu suchen und sich von psychischen Problemen oder Suchterkrankungen selbst zu befreien. Erst dann gibt es Hilfe bei der Wohnungssuche. „Housing first“ dagegen geht es andersherum an: Obdachlose Menschen bekommen eine Wohnung – ohne Voraussetzung. Sozialarbeiter helfen bei Anträgen rund um Sozialleistungen und sind Ansprechpartner bei Problemen. In dieser neuen, sicheren Ausgangslage fällt es den Betroffenen dann leichter, sich um einen Job und um ihre Gesundheit zu kümmern.

Viele Modellprojekte

Vorreiterland ist Finnland. Dort sank seit Einführung des Konzepts die Zahl der Wohnungslosen drastisch. Auch in Deutschland gibt es in vielen Städten Pilotprojekte und Initiativen, die das Konzept umsetzen wollen. Beispielsweise in Köln, Düsseldorf, Bremen und anderswo.

Wohnungslosenbericht

Ende letzten Jahres legte die Bundersregierung ihren ersten Wohnungslosenbericht vor. Danach gibt es mehr als 260.000 Wohnungslose in Deutschland. Im Berischt werden politischen Handlungsansätze des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vorgestellt, um Wohnungslosigkeit zu bekämpfen und bis zum Jahr 2030 zu beseitigen. Unter den Handlungsansätzen kam „Housing First“ leider nicht vor.

Antrag der Linken

Die Fraktion Die Linke will daher den sogenannten Housing First-Ansatz in der Wohnungslosenhilfe und damit das Wohnen für alle als voraussetzungsloses Grundrecht etablieren. In ihrem Antrag fordert sie die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Dieser sollte einen Masterplan zur Beendigung der Wohnungslosigkeit bis 2030 beinhalten, in dessen Zentrum die Eingliederung des Housing First-Ansatzes in bestehende und noch aufzubauende kommunale Hilfestrukturen sowie die Beschaffung des dafür notwendigen Wohnraums stehen soll. 

Wohnung als Ausgangspunkt, nicht als Fernziel

„Ohne festen Wohnsitz wird es deutlich schwerer, das Arbeitsverhältnis zu halten oder ein neues zu finden, die Beantragung von Sozialleistungen wird schwieriger und der Gesundheitszustand verschlechtert sich häufig“, schreiben die Abgeordneten in der Begründung des Antrags. Ein eigenes, mietvertraglich abgesichertes Wohnverhältnis sollte daher nach Ansicht der Linksfraktion „Ausgangspunkt und nicht mehr Fernziel der Wohnungslosenhilfe sein“. Hilfe- und Unterstützungsbedarfe, die darüber hinaus gegebenenfalls notwendig seien, wie zum Beispiel Sozialberatungen oder Therapien, sollten erst im Anschluss realisiert werden. 

Um Housing First zu etablieren, müsse der Bund die Länder und Kommunen konzeptionell, finanziell und strukturell unterstützen und auch die Finanzierung der Hilfeleistungen für die Empfänger sicherstellen, betonen die Abgeordneten. Dabei müsse auch klar werden, dass die zuständigen Leistungsträger die Finanzierung rechtlich absichern können.

Quellen: Bundestag, BMAS, BMWSB, kontrast.at, Vringstreff e.V., D#dorf aktuell, housing-first-bremen.de

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Pflichtverletzungen, Leistungsminderungen

Details zum Bürgergeld (7)

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 05.11.2019 (Az. 1 BvL 7/16) entschieden, dass die Sanktionen nach §§ 31 ff. SGB II mit dem Grundgesetz dann nicht vereinbar sind, wenn die Minderung nach wiederholten Pflichtverletzungen innerhalb eines Jahres die Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs übersteigt oder gar zu einem vollständigen Wegfall der Leistungen führt. Mit dem Grundgesetz unvereinbar sind die Sanktionen zudem, wenn für alle Leistungsminderungen eine starre Dauer von drei Monaten vorgegeben wird.

Sanktionsmoratorium

Bis zum 31.12.2022 waren Sanktionen vorübergehend nur bei verpassten Terminen und nur in Höhe von 10 % möglich, quasi als Übergangsregelung bis zur Einführung des Bürgergelds.

Mit Einführung des Bürgergelds ist das Sanktionsmoratorium ausgelaufen. Leistungsminderungen sind jetzt in Höhe von bis zu 30 % möglich, also in dem Rahmen, den das Bundesverfassungsgericht erlaubt.

Regelungen ab 2023

Pflichtverletzungen (§ 31 SGB II) sind:

  • bis 30.6.2023: Verstoß gegen in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten/fehlende Eigenbemühungen,
  • ab 1.7.2023: Weigerung der Aufforderung nachzukommen, die im Kooperationsplan festgehaltenen Absprachen einzuhalten,
  • Ablehnung zumutbarer Arbeit, Ausbildung oder geförderter Arbeit,
  • Nichtantritt, Abbruch oder Anlass für Abbruch einer zumutbaren Maßnahme

Eine Pflichtverletzung hat nur dann Auswirkungen, wenn die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person vorher über die Rechtsfolgen schriftlich belehrt wurde oder die Rechtsfolgen kannte. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegt und nachweisen kann.

Leistungsminderungen – Umfang (§ 31a SGB II) und Dauer (§ 31b SGB II):

  • Bei der ersten Pflichtverletzung: Kürzung des Bürgergeldes um 10 % des Regelsatzes für höchstens 1 Monat,
  • Bei der zweiten Pflichtverletzung: Kürzung des Bürgergeldes um 20 % des Regelsatzes für höchstens 2 Monate,
  • Bei der weiteren Pflichtverletzungen: Kürzung des Bürgergeldes um 30 % des Regelsatzes für höchstens 3 Monate.

Wenn zwischen dem Beginn der ersten Minderung und einer weiteren Pflichtverletzung mehr als 1 Jahr vergangen ist, gilt die Pflichtverletzung wieder als 1. Verstoß.

Leistungsminderungen bei Nichtwahrnehmung eines Termins (§ 32 SGB II) von 10 % des Regelsatzes für 1 Monat je verpasstem Termin, auch bei häufigeren Terminversäumnissen.

Zur gleichen Zeit darf es nie mehr als 30 Prozent Kürzung des Regelsatzes geben.

Die Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden. Durch die Begrenzung der Minderungshöhe auf höchstens 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs ist im Regelfall eine Minderung der Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung ausgeschlossen.

Rechtsfolgen für junge Erwachsene

Die bis zum Verfassungsgerichtsurteil geltenden verschärften Sonderregelungen für die unter 25-jährigen Hilfeempfänger entfallen.

Junge Erwachsene (U25) sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

Sanktionen sind kein geeignetes Mittel

Laut einer Studie des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsforschung, INES Berlin im Auftrag des Vereins Sanktionsfrei e.V sind Sanktionen sind kein geeignetes Mittel, um Menschen in Beschäftigung zu bringen. Die Studie kann unter https://sanktionsfrei.de/studie eingesehen werden.

Quellen: BMASSOLEX, Thomas Knoche: Grundlagen – SGB II: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Walhalla Fachverlag; 3., aktualisierte Edition (28. Februar 2023)

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Eckpunkte Kindergrundsicherung

Seit knapp vier Wochen grassiert der Entwurf eines Eckpunktepapiers zur Kindergrundsicherung, herausgegeben vom Bundesfamilienministerium. Darin wird das Projekt, die Ziele und teilweise die Ausgestaltung der zukünftigen Leistung mäher beschrieben. Das Papier war zunächst, warum auch immer, nur für den internen Gebrauch bestimmt, ausgewählte Medien konnten aber schon mal reinschauen. Jetzt hat auch Tacheles e.V. die Eckpunkte veröffentlicht.

Bündelung von Leistungen

Mit der Kindergrundsicherung soll nur das Leistungsniveau erhöht, sondern auch mehr Familien und ihre Kinder mit Unterstützungsbedarf erreicht werden. Bisherige finanzielle Förderungen wie das Kindergeld, die Leistungen für Kinder und Jugendliche nach dem SGB II/XII, dem Asylbewerberleistungsgesetz, den Kinderzuschlag und Teile des Bildungs- und Teilhabepaketes werden in einer Leistung gebündelt, die aus zwei Bestandteilen bestehen wird, dem für alle Kinder und Jugendlichen zu zahlenden Garantiebetrag sowie ergänzend einem einkommensabhängigen Zusatzbetrag.

Die Schnittstellen zu Unterhaltsleistungen und Unterhaltsvorschuss, Wohngeld und BAföG sollen möglichst reibungsslos geregelt werden. Die Kindergrundsicherung soll einfach und unbürokratisch sein, das Antragsverfahren digitalisiert un weitgehend automatisiert.

Leistungskomponenten

Die Kindergrundsicherung soll sich aus den Komponenten einkommensunabhängiger Garantiebetrag, der dem heutigen Kindergeld nachfolgt, und vom Einkommen des Kindes und der Eltern abhängigen, altersgestaffelten Zusatzbetrag zusammensetzen.

Garantiebetrag

Das steuerrechtliche Kindergeld soll in den Garantiebetrag der Kindergrundsicherung überführt werden. Die heutigen Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld sollen mit den hierfür geregelten Altersgrenzen (Anspruch für Kinder bis 18 Jahre und darüber hinaus unter weiteren Voraussetzungen, wie z.B. Ausbildung, bis maximal zum 25. Geburtstag) auch für den Garantiebetrag gelten.

Einkommensabhängiger Zusatzbetrag

Der einkommensabhängige Zusatzbetrag soll als Leistung für Eltern für in ihrem Haushalt lebende, unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, ausgestaltet werden. Der Zusatzbetrag soll sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche mit der Kindergrundsicherung bedarfsgerecht finanziell unterstützt werden. Der maximale Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung wird so festgesetzt, dass er in der Summe mit dem Garantiebetrag das pauschale altersgestaffelte Existenzminimum des Kindes abdeckt (altersgestaffelte Regelbedarfe nach SGB II, Wohnkosten, Bildungs- und Teilhabeleistungen).

Der Zusatzbetrag soll eine Kinderwohnkostenpauschale gemäß dem jeweils aktuellen Existenzminimumbericht (derzeit 120 Euro) enthalten.

Die Berechnung des Zusatzbetrags orientiert sich am sozialrechtlichen Einkommensbegriff nach dem SGB II. Erhebliches Vermögen soll dabei berücksichtigt werden.

Mit der Kindergrundsicherung sollen Kinder und Jugendliche weitgehend aus dem Leistungsbezug nach SGB II bzw. SGB XII herausgelöst werden. Wenn Eltern Leistungen nach SGB II bzw. SGB XII (Bürgergeld) für sich beziehen, erhalten ihre Kinder automatisch den maximalen Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung.

Neudefinition kindliches Existenzminimum

Schon der Koalitionsvertrag fordert eine Neudefinition des soziokulturellen Existenzminimums von Kindern. Dies umfasst zum einen die Neugestaltung des Bildungs- und Teilhabepakets und zum anderen eine Neubemessung der altersgestaffelten Regelbedarfe.

Kinder- und Jugendbeteiligung

Bereits im Vorfeld der Einführung der Kindergrundsicherung sollen Kinder- und Jugendliche nach einem wissenschaftlich fundierten Konzept beteiligt werden. Dies umfasst auch die Neudefinition des soziokulturellen Existenzminimums. Künftig soll regelmäßig durch die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sichergestellt werden, dass Veränderungen ihrer Lebenswelten zeitnah bei der Ermittlung des Existenzminimums berücksichtigt werden.

Nach der Sommerpause

Das Gesetzgebungsverfahren soll nach der Sommerpause 2023 begonnen werden.

Quelle: Tacheles e.V.

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Kinder in Coronazeiten

Das Bundesgesundheitsministerium stellte am 8. Februar den Abschlussbericht „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ einer Interministerielle Arbeitsgruppe vor.

Psychische Belastung

Der Bericht stützt sich auf sechs Studien zur Kindergesundheit, unter anderem KIDA vom Robert-Koch-Institut und eine Studie der DAK. Die Arbeitsgruppe der Ministerien sah teils sehr unterschiedliche Ergebnisse der Studien und damit einhergehenden Handlungsempfehlungen, in allen Studien sah man aber erhöhte psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie.

erhöhter Unterstützungsbedarf

So träten bei vielen Betroffenen Essstörungen und Depressionen auf, auch würden sich Kinder und Jugendliche weniger bewegen. Auffällig sei, wie sich sprachliche sowie emotionale Entwicklung bei Betroffenen verzögere. Im Bericht der Arbeitsgruppe werden zudem Studien zitiert, die Eigenschaften für einen erhöhte Unterstützungsbedarf identifizieren. Dazu gehören Armut, ein geringerer Bildungsstatus der Eltern, Eltern in keiner festen Partnerschaft sowie ein Migrationshintergrund, beengte Wohnverhältnisse sowie psychische Belastungen bei den Eltern selbst.

Maßnahmepaket

Nun will die Bundesregierung mit einem großen Maßnahmepaket gegensteuern. Aufgelistet und beschrieben werden die Maßnahmen im Abschlussbericht ab Seite 15 in folgenden Handlungsfeldern:

  • Frühe Hilfen
  • Kindertagesbetreuung
  • Schulen
  • Gesundheitswesen
  • Jugendhilfe, Familienhilfe

Empfehlungen wurden ignoriert

Dass die Schulen zu lange geschlossen wurden, räumte auch Minister Lauterbach ein. Er erwähnt aber nicht, auch der Abschlussbericht übrigens nicht, dass es frühzeitig eine vom Robert-Koch-Institut herausgegebene Empfehlung gab, um den Schulbetrieb so weit wie möglich sicher gewährleisten zu können. Diese Empfehlungen wurden nirgends vernünftig umgesetzt, vermutlich aus finanziellen Gründen. Stattdessen gab es beispelsweise ganz schnell etwa im NRW-Landtag Dutzende von Luftreinigern; bis die Finanzierung von Luftreinigern in Schulen langsam in die Gänge kam, war die Pandemie schon fast vorbei.

Unterrichtsausfälle trotz geöffneter Schulen

Als später immer häufiger Schulschließungen ausgeschlossen wurden, verhinderte dies keinigswegs häufige Unterichtsausfälle: Es gab zu viele kranke Lehrer*innen und Schüler*innen. Gleichzeitig wurden wegen der heiligen Kuh „Präsenzpflicht“ viele Eltern vulnerabler Kinder gezwungen ihre Kinder massiven Gesundheitsrisiken auszusetzen.

Kinder an die Macht!

Vernünftig ist es allemal, gerade Kindern aus weniger priveligierten Schichten, die am meisten unter den Schulschließungen gelitten haben, nachträglich Förderangebote zu machen. Aber solange Kinder und Bildung so wenig Bedeutung auf den Proritätenlisten der Politik haben, wird davon vieles im Sande verlaufen.

Quelle: Bundesregierung, taz

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Vereinsversammlungen online

Im letzten Herbst brachte der Bundesrat einen Gesetzentwurf auf Initiative Bayerns ins Rollen, der zukünftig „hybride“ Mitgliederversammlungen möglich macht.

Das Gesetz sollte an die pandemiebedingten Sonderregelungen anknüpfen, die zum 31.8.2022 endeten. Das hat nicht ganz geklappt. Stattdessen legte der Rechtsausschuss am 8. Februar 2023 eine Beschlussfassung dem Bundestag vor, dem sowohl die Koalitionsparteien als auch die CDU/CSU zustimmten.

Mitgliedsrechte auch virtuell

Danach soll die Teilnahme und Ausübung von Mitgliedsrechten sowohl in Präsenz als auch virtuell möglich sein. Zudem sollen durch Beschluss der Mitglieder auch rein virtuelle Versammlungen einberufen werden können.

Änderungen durch den Rechtsausschuss

Gegenüber dem Entwurf der Länderkammer sieht die nun verabschiedete Fassung unter anderem vor, dass die Teilnahme im Wege der elektronischen Kommunikation möglich sein soll und nicht nur in Form von Videokonferenztechnik. Dies ermöglicht laut Begründung auch die Teilnahme per Chat, Telefonkonferenzen oder Abstimmungen per E-Mail. Zudem bezieht sich die Regelung nicht wie im Entwurf der Länderkammer auf den Vereinsvorstand, sondern ist laut Begründung so ausgestaltet, dass sie auch für andere mögliche Einberufungsorgane gilt.

keine Satzungsänderung nötig

Für die Einberufung rein virtueller Mitgliederversammlungen durch das Einberufungsorgan soll, sofern es keine entsprechende Satzungsregelung gibt, ein Beschluss der Mitglieder notwendig sein. Der Beschluss soll laut Begründung nur für künftige Versammlungen gelten und kann für einzelne oder alle künftigen Veranstaltungen gelten. Zudem muss laut Entwurf bei der Einberufung einer hybriden oder virtuellen Versammlung angegeben werden, „wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“.

Gilt auch für Stiftungen

Wie in der Begründung ausgeführt wird, greifen die neuen Regelungen über Verweisungen in Paragraf 28 BGB beziehungsweise Paragraf 86 Satz 1 BGB auch für Sitzungen von mehrköpfigen Vereins- und Stiftungsvorständen. Zudem sind die Regelungen dispositiv, das heißt, Vereine können in ihren Satzungen davon abweichen und beispielsweise hybride oder rein virtuelle Mitgliederversammlungen ausschließen.

Keine Mehrheit fand ein Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zum Gesetzentwurf des Bundesrates. Nach diesem wäre die Einberufung rein virtueller Versammlungen auch ohne vorherigen Beschluss der Mitglieder möglich gewesen.

Der Gesetzentwurf wurde vom Bundestag am Donnerstag, 9. Februar 2023, nach einstündiger Debatte beschlossen. 

Quelle: Bundestag

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