Im Hinblick auf die Pläne der Familienministerin Paus, die sich anschickt, die im Koalitionsvertrag angekündigte und versprochene Kindergrundsicherung umzusetzen, rumort es gewaltig in der Porsche-Partei. Wie kann man das verhindern?
Kein Konzept – oder doch?
Zum Glück sitzt ja im Finanzministerium der Vorsitzende der besagten Partei, also an einem ziemlich langen Hebel. Nachdem er zunächst bemängelte, es gäbe kein Konzept, benutzte er das Konzept, um auszurechnen, dass die Kindergrundsicherung ja nicht so viel kosten würde, weil sie mittels Digitalisierung vorhandene Leistungen ja nur bündeln würde. Er vergaß dabei zu erwähnen, dass es zum Konzept der Kindergrundsicherung gehört, dass alle Anspruchsberechtigten die Leistungen auch bekommen sollen. Das scheiterte in vielen Fällen an den komplizierten Antragsverfahren und bürokratischen Hindernissen, die ein Großteil der Eltern bis jetzt davon abhielt, die Leistungen überhaupt zu beantragen. Weil geplant ist, dass alle Leistungen in Zukunft automatisch zu den Berechtigten gelangen, würde dies allein schon mehrere Milliarden kosten, die der Bund bisher aufgrund der Kompliziertheit der Verfahren eingespart hat.
Diffamierungen und falsche Rechnungen
Zweiter Schritt der Kampagne: Wir unterstellen den Leistungsempfängern einfach asoziales Verhalten. Schließlich weiß man ja, dass „Eltern das zusätzliche Geld einfach für ihre eigenen Bedürfnisse wie beispielsweise Alkohol oder Zigaretten verwenden.“ So Lindners Parteikollege Markus Herbrand – finanzpolitischer Sprecher und Obmann im Finanzausschuss für die FDP-Bundestagsfraktion in der „Wirtschaftswoche“ am 5. März 2023.
In dem gleichen Artikel lobt Herr Herbrand seine Regierung, weil sie ja „ärmeren Familien mit der Kindergelderhöhung, den höheren Regelsätzen in SGB II und XII, dem Kindersofortzuschlag und einem erhöhten Kinderzuschlag zusätzlich bis zu 116 Euro im Monat und pro Kind zur Verfügung stellen würde.“ Weil das so toll klingt, erwähnt er nicht, dass Kindergeld auf den Regelbedarf des Kindes (Kinderregelsatz) in voller Höhe angerechnet wird, eine Erhöhung des Kindergeldes für Kinder im Bezug von Bürgergeld (SGB II) bzw. Sozialhilfe (SGB XII) also gar nichts bringt. Außerdem verschweigt er, dass ein Anspruch auf Kinderzuschlag die Überwindung bzw. Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach SGB II voraussetzt, der gleichzeitige Bezug von Bürgergeld und Kinderzuschlag daher nicht möglich ist. Die „116 Euro“ sind also kompletter Unsinn.
Kinderarmut bekämpfen
Blöd für die FDP ist nur, dass sämtliche Sozialverbände und Gewerkschaften auf eine schnelle Einführung der Kindergrundsicherung drängen, und zwar nicht nur ein Umbasteln der bisherigen Leistungen, sondern grade für die immer stärker von Armut bedrohten Kinder eine deutliche Erhöhung der Leistungen.
Initiative im Bundesrat
Auch im Bundesrat brachte das Saarland am 3. März 2023 einen Entschließungsantrag ein, zur umgehenden Einführung der Kindergrundsicherung. Darin heißt es, der Bundesrat stelle mit Sorge fest, dass mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut aufwachse. Dabei drücke sich Kinderarmut nicht nur durch einen Mangel an finanziellen Mitteln, sondern auch durch Benachteiligungen im Bildungs- und Gesundheitssystem, bei der Wohnsituation oder bei der gesellschaftlichen Teilhabe aus. Der Bundesrat begrüße daher das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Vorhaben der Bundesregierung, eine Kindergrundsicherung einzuführen, um Familien zu stärken, Kinderarmut zu bekämpfen und Chancengleichheit für alle Kinder zu gewährleisten.
Eine Kindergrundsicherung könne die Position von Kindern nachhaltig stärken. Mit der entsprechenden Ausgestaltung könnten Kinder, insbesondere auch aus den Rechtskreisen des SGB II und des SGB XII, eine individuelle und bedarfsgerechte Hilfestellung erhalten, um ihre Lebenssituation substanziell zu verbessern. Wenn der Garantiebetrag nicht mit dem Einkommen der Eltern verrechnet werde, würden Kinder nicht nur als Teil einer Bedarfsgemeinschaft, sondern auch als Individuen anerkannt. Der ergänzende einkommensunabhängige Zusatzbetrag könnte zielgenau die Kinder und Jugendlichen erreichen, die am meisten Unterstützung benötigen. Hierfür müssten ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Quellen: Zeit, Wirtschaftswoche, Tagesschau, FOKUS-Sozialrecht, Bundesrat
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