Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen

So lautet die Überschrift des Artikels 20a Grundgesetz. Wortlaut: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

Einschränkungen der Freiheitsrechte

Die Klimapolitik der Bundesregierung bedroht die Freiheitsrechte vor allem von Kindern und Jugendlichen. Wird hier nicht erheblich nachgebessert, droht ab 2030 eine unverhältnismäßig große Belastung der jüngeren Generationen, weil dann nur unter massiven Einschränkungen der Freiheitsrechte das Schlimmste verhindert werden kann.

Dies ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 29. April 2021.

Verfassungsrang für Pariser Ziele

Die Pariser Klimaziele haben jetzt Verfassungsrang und sind justiziabel. Damit müssen nun weitreichende Klimaschutzmaßnahmen durchgesetzt werden. Es hat inakzeptable Konsequenzen, wenn die in Deutschland bis 2030 zugelassenen Emissionen nicht reduziert werden. Dann wäre das deutsche CO2-Budget nämlich schon 2030 weitgehend aufgebraucht und es müsste zu weitgehenden Beschränkungen von Freiheitsrechten kommen.

CO2-Budget wird zu schnell aufgebraucht

Grundrechte sind dadurch verletzt, dass die im Klimaschutzgesetz bis zum Jahr 2030 zugelassenen Emissionsmengen die nach 2030 noch verbleibenden Emissionsmöglichkeiten erheblich reduzieren und dadurch praktisch jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit gefährdet ist. Als intertemporale Freiheitssicherung schützen die Grundrechte hier vor einer umfassenden Freiheitsgefährdung durch einseitige Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Der Gesetzgeber hätte Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität treffen müssen, an denen es bislang fehlt.

Sozialverträglichkeit

Insbesondere auch ein möglichst sozialverträglicher Wandel zu einer Null-Emissions-Gesellschaft ist durch das Klimaschutzgesetz von 2019 gefährdet. Sozialverträglichkeit ist eine Voraussetzung für eine möglichst breite Zustimmung der Gesellschaft, ohne die die nötigen Schritte kaum durchsetzbar sind.

Wahlkampfthema

Wirtschaftsminister Altmaier beeilte sich nach dem Urteil, Änderungen am Klimaschutzgesetz anzukündigen. Sein wichtiges Ziel ist allerdings, das Thema aus dem Bundestagswahlkampf möglichst herauszuhalten. Keine gute Vorraussetzung für eine effektive Lösung.

Hört auf die Wissenschaft

Greta Thunberg und Fridays For Future mahnen immer wieder auf die Wissenschaft zu hören. Und die Wissenschaft hat schon geliefert.

Hermann Scheer
Kurz vor seinem Tod, 2010, hat Dr. Hermann Scheer in seinem Buch „Der energethische Imperativ – 100 % jetzt“ dargelegt, wie der Wechsel zu Erneuerbaren Energien innerhalb von 25 Jahren bewerkstelligt werden kann. Seitdem sind über ein Jahrzehnt Zeit verschwendet worden, in dem Deutschland vom Vorreiter in Sachen Klimaschutz zum Nachzügler geworden ist. Ein großer Erfolg der Klimaschmutzlobby, wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen.

Fraunhofer-Institut
Das Fraunhofer-Institut zeigt im Februar 2020 „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem„. Dabei wurde die Energiewende insbesondere im Kontext gesellschaftlicher Verhaltensweisen untersucht.

Wuppertal-Institut
Das Wuppertal-Institut legte im Oktober 2020 eine Studie mit möglichen Eckpunkten vor, die helfen können, das 1,5-Grad-Ziel bis 2035 zu erreichen. Die Studie zeigt, dass ein klimaneutrales Energiesystem bis 2035 zwar sehr ambitioniert, aber grundsätzlich machbar ist; sofern alle aus heutiger Sicht möglichen Strategien gebündelt werden. Notwendig dafür ist vor allem ein Vorziehen und Intensivieren von Maßnahmen, die in vielen Studien als notwendig beschrieben werden, um Treibhausgasneutralität bis 2050 zu erreichen.

Erste Eckpunkte

Am 5. Mai wurde bekannt, dass es einen ersten Entwurf der Klimaschutzgesetznovelle gebe. Die Eckpunkte enthalten eine Erhöhung der Reduktionsziele bis 2030 und eine Treibhausgasneutralität bis 2045, also fünf Jahre früher als bisher geplant. Die geplanten Maßnahmen scheinen den höheren Klimaschutzambitionen aber nicht gerecht zu werden. So sollen die CO2-Einsparziele für einzelne Wirtschaftssektoren erst ab 2024 verschärft werden. Für die Zeit nach 2031 wurden weiterhin keine konkreten Jahresziele ausgelobt. Und ein beschleunigter Kohleausstieg ist bisher gar nicht Thema.

Die Vorlage zur Novelle stammt offenbar von Agora Energiewende, einer Denkfabrik, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, nach mehrheitsfähigen Kompromiss-Lösungen beim Umbau des Stromsektors innerhalb der Energiewende zu suchen.

Einordnung der Eckpunkte

Hans-Josef Fell, Initiator und Präsident der Energy Watch Group, schreibt dazu: „Ebenso unzulänglich und irreführend sind die neu vorgelegten Eckpunkte zur Reformierung des Klimaschutzgesetzes von Agora Energiewende. In ihrem Papier wird der Regierung empfohlen, die Emissionen bis 2030 um 65 % zu reduzieren, anstatt 55 % um die Klimaneutralität schon 2045, also 5 Jahre früher als bisher geplant, zu erreichen. Dass solche Ziele nicht nur unzureichend und grob fahrlässig sind, sondern schlichtweg nicht verfassungskonform, wurde nun vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.
Zwar hätten führende Vertreter*innen in der Union, wie Kanzlerkandidat Laschet, Bayerischer Ministerpräsident Söder oder Wirtschaftsminister Altmaier, auf das Urteil des Verfassungsgerichts reagiert und strebten nun Klimaneutralität bis 2045 oder 2040 an. Doch genau das bedeute, dass auch noch nach 2030 weiterhin große Mengen Treibhausgase emittiert würden, obwohl dies zu einer schnellen Überschreitung von 2° C Erderwärmung führt, wie die neuesten Forschungen, zusammengefasst von Breakthrough, einem australische Think-Tank, eindringlich belegen.

Quellen: Bundesverfassungsgericht, Hermann Scheer, Fraunhofer-Institut, Wuppertal-Institut, Spiegel, Hans-Josef Fell, Agora-Energiewende, Breakthrough

Abbildung: pixabay.com fridays-for-future-4161573_1280.jpg

Sanktionen im Asylbewerberleistungsgesetz

Im November 2019 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die bestehenden Sanktionen für Hartz IV-Empfänger etwa bei „mangelnder Mitwirkung“ verfassungswidrig sind.

Im Januar 2021 legte das BMAS einen Gesetzentwurf vor, der die Vorgaben des Verfassungsgerichts umsetzen soll. Das Asylbewerberleistungsgesetz kommt in dem Gesetzentwurf nicht vor.

Große Anfrage im Bundestag

Anlass genug für eine Große Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Unter anderem geht es dabei um die Frage, ob der Bundesregierung denn überhaupt Erkenntnisse vorliegen, dass Sanktionen die gewünschte Wirkung erzielten. Weiter wollen die Abgeordneten wissen, ob die grundsätzlichen Überlegungen und
Vorgaben des BVerfG, die über die konkret beurteilte Norm des § 31a Absatz 1 SGB II hinausgehen, auch auf andere Gesetze und Normen übertragbar sind, etwa auf das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

22 verschiedene Sanktionstatbestände

Im Asylbewerberleistungsgesetz sind 22 verschiedene Sanktionstatbestände aufgelistet, die eine Kürzung der ohnehin schon mageren Leistungen vorsehen. Die Kürzungen liegen im Falle eines Ausreisepflichtigen bei 47 %. Wenn jemand gar nicht in Deutschland sein sollte, sondern in einem anderen für sein Verfahren zuständigen EU-Staat, droht die komplette Streichung, auch wenn in einige Länder wie Griechenland Flüchtlinge gar nicht mehr überstellt werden.

Folgende Tatbestände können zu einer Einschränkung führen:

  • Einreiseabsicht zum Bezug von Sozial(hilfe)leistungen (§ 1a Abs. 1 AsylbLG)
  • Nichtausreise trotz Möglichkeit, Ausreisepflicht (§ 1a Abs. 2 AsylbLG)
  • Missbräuchliche Verhinderung des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen (§ 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG)
  • Besondere EU-Verteilung (§ 1a Abs. 4 AsylbLG)
  • Verstoß gegen die asylrechtlichen Mitwirkungspflichten (§ 1a Abs. 5 AsylbLG)
  • Nichtangabe von Vermögen, finanzielle Situation (§ 1a Abs. 6 AsylbLG)
  • Ablehnung einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit (§ 5 Abs. 4 AsylbLG)
  • Weigerung der Teilnahme an Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (§ 5a Abs. 3 AsylbLG)
  • Weigerung der Teilnahme an einem Integrationskurs (§ 5b Abs. 2 AsylbLG)
  • Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung (§ 11 Abs. 2 AsylbLG)
  • Verschuldete Verzögerung bei Ausstellung eines Ankunftsnachweises (§ 11 Abs. 2a AsylbLG)

Die Sanktionen übertreffen oft weit die 30 %-Grenze, die das Bundesverfassungsgericht für das SGB II vorgegeben hat.

Magere Antwort der Bundesregierung

Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage ist ernüchternd.

  1. Die Prüfung, ob das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch auf andere Gesetze anwendbar ist, ist noch nicht abgeschlossen.
  2. Die Bundesregierung hat keine Untersuchungen oder Studien unternommen, beauftragt oder geplant, um die Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Sanktionsregelungen im Asylbewerberleistungsgesetz zu prüfen.
  3. Der Bundesregierung liegen keine spezifischen Informationen über andere unabhängige wissenschaftliche Studien vor.

Wolfgang Janisch schreibt dazu am 17.2.2021 in der Süddeutschen:
„Und so geht es weiter. Um wie viel Prozent genau gekürzt werde? Könne man nicht beantworten, weil die Kosten der Gemeinschaftsunterkunft „nicht pauschal in Euro darstellbar sind“. Dass sogar Leistungen gestrichen werden können, die das Gesetz selbst als „unerlässlich“ bezeichne? Für den Schutz der Gesundheit werde jedenfalls gesorgt. Ob die Leistungen an Minderjährige nie gekürzt werden dürften? Könne man so allgemein nicht sagen.“

BSG – BVG

Im Jahr 2017 hatte das Bundessozialgericht in einem umstrittenen Urteil die Sanktionen im Asylbewerberleistungsgesetz noch für rechtens erklärt. Dagegen hat der Betroffene vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Eine Entscheidung steht noch aus.

Immerhin hatte das BVG schon entschieden, dass Asylbewerberleistungen im Wesentlichen nicht von solchen abweichen dürfen, die nach den Sozialgesetzbüchern II und XII gezahlt werden – und zwar bedingungslos. 

Quellen: Bundestag, Süddeutsche, FOKUS-Sozialrecht

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