Die Bundesländer Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt haben Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen die Mindestmengen- und Personalvorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) eingereicht. Dieser Schritt ist eine Reaktion auf die aus Sicht der Länder unzulässigen Eingriffe des G-BA in ihre verfassungsrechtlich garantierte Planungshoheit bei der Krankenhausversorgung.
Begründung der Klage
Die Länder befürchten, dass die G-BA-Vorgaben die flächendeckende und wohnortnahe Versorgung gefährden könnten. Ein zentraler Streitpunkt ist die Anhebung der Mindestmenge für die Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht unter 1250 Gramm von 14 auf 25 Fälle pro Krankenhaus und Jahr. Die Länder sehen darin eine Bedrohung für die Existenz kleinerer Perinatalzentren, insbesondere in ländlichen Gebieten, was zu längeren Transportwegen und Versorgungsengpässen führen könnte. Auch die Personalvorgaben der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) werden angegriffen, da die Länder befürchten, dass deren Sanktionen ab 2026 zu Klinikschließungen oder Leistungseinschränkungen führen könnten.
Begründung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)
Der G-BA rechtfertigt die Mindestmengen mit dem Ziel der Qualitätssicherung und Patientensicherheit. Die Annahme ist, dass bei komplexen und risikoreichen Eingriffen eine höhere Durchführungshäufigkeit zu besseren Behandlungsergebnissen und weniger Komplikationen führt. Mindestmengen sollen „Gelegenheitsversorger“ ausschließen, die schwierige Eingriffe nur selten durchführen und somit ein Sicherheitsrisiko darstellen. Die Festlegung basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zeigen, dass unterhalb einer bestimmten Fallzahl die Qualität statistisch nicht mehr belastbar messbar ist.
Gesetzesgrundlage
Die gesetzliche Grundlage für die Mindestmengen findet sich in § 136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V. Dieser Paragraph ermächtigt den G-BA, einen Katalog planbarer Leistungen mit Mindestmengen festzulegen. Der G-BA hat zudem den gesetzlichen Auftrag, die Evidenz für Mindestmengen kontinuierlich zu prüfen. Die Klage der Länder stellt die Verfassungsmäßigkeit dieser Kompetenz im Hinblick auf ihre eigene Planungshoheit in Frage.
Stellungnahmen
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) lehnt die erhöhten Frühchen-Mindestmengen ab und befürchtet eine Gefährdung der flächendeckenden Versorgung. Sie fordert umfassende Folgenabschätzungen und warnt vor einem Missbrauch der Mindestmengen für Strukturbereinigungen.
Der GKV-Spitzenverband unterstützt die Mindestmengen als Instrument der Patientensicherheit und kritisiert die Klage der Länder als „nicht nachvollziehbar“.
ver.di konzentriert sich auf die Personalvorgaben in der Psychiatrie (PPP-RL) und kritisiert deren Verwässerung und die Verschiebung von Sanktionen, da fehlendes Personal Menschenleben kosten könne.
Die Deutsche Gesellschaft für gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) wägen zwischen Patientensicherheit durch Spezialisierung und regionaler Zugänglichkeit ab, wobei längere Wege für bessere Überlebenschancen akzeptiert werden, aber auch die Sorge um Schließungen in ländlichen Gebieten besteht.
Quellen: Deutsches Ärzteblatt, G-BA, Deutsche Krankenhausgesellschaft, GKV-Spitzenverband, ver.di, DGGG
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