Künstlersozialabgabe 2023

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Ressort- und Verbändebeteiligung zur Künstlersozialabgabe-Verordnung 2023 (KSA-VO 2023) eingeleitet. Nach der neuen Verordnung wird der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung im Jahr 2023 auf 5,0 Prozent angehoben.

Erste Steigerung seit 2018

Der Künstlersozialabgabesatz lag seit 2018 – auch während der schwierigen Phase der Corona-Pandemie – unverändert bei 4,2 Prozent. Dies wurde durch zusätzliche Bundesmittel in Höhe von insgesamt 117 Mio. Euro in den Jahren 2021 und 2022 gewährleistet. Angesichts der großen wirtschaftlichen Schäden in der Kunst- und Kulturwirtschaft infolge der Pandemie hätte der Abgabesatz für 2023 eigentlich auf 5,9 Prozent angehoben werden müssen. Dank weiterer Bundesmittel („Stabilisierungszuschuss“) in Höhe von rund 58,9 Mio. Euro wird der Anstieg des Abgabesatzes im Jahr 2023 auf 5,0 Prozent begrenzt.

Künstlersozialversicherung

Über die Künstlersozialversicherung werden mehr als 190.000 selbständige Künstler und Publizisten als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einbezogen. Die selbständigen Künstler und Publizisten tragen, wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge. Die andere Beitragshälfte wird durch einen Bundeszuschuss (20 Prozent) und durch die Künstlersozialabgabe der Unternehmen (30 Prozent), die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten, finanziert. Die Künstlersozialabgabe wird als Umlage erhoben. Der Abgabesatz wird jährlich für das jeweils folgende Kalenderjahr festgelegt. Bemessungsgrundlage sind alle in einem Kalenderjahr an selbständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte.

Quelle: BMAS

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Krankenhaus-Begleitungs Richtlinie (KHB-RL)

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat nun die Erstfassung der Krankenhaus-Begleitungs Richtlinie (KHB-RL) vorgestellt und damit die Voraussetzungen für einen Krankengeldanspruch von Begleitpersonen geschaffen. Ab dem 1. November 2022 haben Begleitpersonen von Menschen mit Behinderung bei einem Verdienstausfall Anspruch auf Krankengeld. (§ 44b SGB V ab 1. November 2022).

Erster Entwurf erntete Kritik

Sorgte der im Juni dazu erschienene Entwurf für Kritik bei den Sozialverbänden und Betroffenen, zeigt sich die Patientenvertretung im G-BA mit dem jetzigen Ergebnis zufrieden. Kritikpunkte waren vor allem, dass in den ursprünglichen zwei Fallgruppen von „erheblicher“ und „kompletter“ Schädigung der mentalen Funktion oder von „erheblicher“ und „kompletter“ Beeinträchtigung der Kommunikation gesprochen.

Die jetzige Fassung enthält drei Fallgruppen, in denen die einengenden Adjektive nicht mehr vorkommen.

Personenkreis

Aus medizinischen Gründen kann eine Begleitung bei einem Krankenhausaufenthalt notwendig sein bei Menschen, die aufgrund einer schweren geistigen Behinderung oder fehlender sprachlicher Verständigungsmöglichkeiten durch eine vertraute Bezugsperson unterstützt werden müssen. In seiner Richtlinie konkretisiert der G-BA drei Fallgruppen:

  • Begleitung, um während der Krankenhausbehandlung eine bestmögliche Verständigung mit der Patientin oder dem Patienten zu gewährleisten,
  • Begleitung, damit die Patientin oder der Patient die mit ihrer Krankenhausbehandlung verbundenen Belastungssituationen besser meistern kann, insbesondere bei fehlender Kooperations- und Mitwirkungsfähigkeit sowie
  • Begleitung, um die Patientin oder den Patienten während der Krankenhausbehandlung in das therapeutische Konzept einbeziehen zu können oder zur Einweisung in die anschließend weiterhin notwendigen Maßnahmen.

Die in den jeweiligen Fallgruppen aufgeführten Schädigungen und Beeinträchtigungen begründen jeweils für sich alleine als auch in ihrer Kombination die medizinische Notwendigkeit für die Mitaufnahme einer Begleitperson.

Bescheinigung über den Bedarf

Der medizinische Bedarf für die Mitaufnahme einer Begleitperson im Krankenhaus kann im Zusammenhang mit der Krankenhauseinweisung festgestellt und auf dem dafür vorgesehenen Vordruck (Verordnung von Krankenhausbehandlung) bescheinigt werden: aufgrund von mindestens einem medizinischen Kriterium der Fallgruppen oder einer vergleichbaren Schädigung oder Beeinträchtigung. Zudem ist es möglich, den Bedarf einer Begleitung unabhängig von einer konkreten Krankenhauseinweisung medizinisch einzuschätzen und festzustellen. Befristet für die Dauer von bis zu 2 Jahren erhält die Patientin oder der Patient dann eine entsprechende Bescheinigung.

Begleitpersonen

Wer als Begleitperson in Frage kommt, ist bereits gesetzlich geregelt: Das kann eine nahe Angehörige oder ein naher Angehöriger wie zum Beispiel Eltern, Geschwister und Lebenspartner sein oder eine Person aus dem engsten persönlichen Umfeld, zu der die gleiche persönliche Bindung wie zu einem nahen Angehörigen besteht.

Bescheinigung über die Begleitung

Das Krankenhaus bescheinigt der Begleitperson für den Krankengeldantrag bei ihrer Krankenkasse, dass ihre Mitaufnahme aus medizinischen Gründen notwendig ist. Dies kann im Vorfeld oder während der Krankenhausbehandlung geschehen. Bei Bedarf kann sich die Begleitperson für ihren Arbeitgeber auch eine Aufenthaltsbescheinigung über die Anwesenheitstage im Krankenhaus ausstellen lassen.

rechtliche Voraussetzungen

Gesetzliche Voraussetzung für ein Anspruch auf Begleitung ist,

  • dass die behinderten Versicherten Eingliederungshilfe beziehen,
  • dass die Begleitpersonen gesetzlich krankenversichert sind und
  • dass die Begleitung mindestens 8 Stunden am Tag beträgt.

Ausweitung gefordert

Die Patientenvertreter weisen in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass es oft auch dringenden Bedarf einer Begleitung im Krankenhaus bei vielen behinderten Menschen ohne Eingliederungshilfeanspruch gibt sowie bei älteren beeinträchtigen Menschen gegeben. Hier mahnen die maßgeblichen Patientenorganisationen an, dass der Gesetzgeber weiter gefragt sei, eine Ausweitung des Personenkreises, für den eine Begleitung unabdingbar ist, vorzunehmen.

Gültig ab 1. November 2022

Der Beschluss zur Erstfassung der Krankenhausbegleitungs-Richtlinie (KHB-RL) wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur rechtlichen Prüfung vorgelegt. Bei Nichtbeanstandung wird sie im Bundesanzeiger veröffentlicht und tritt – gegebenenfalls auch rückwirkend – am 1. November 2022 in Kraft.

Quellen: G-BA, Paritätischer Gesamtverband, FOKUS-Sozialrecht

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Lindners Mogelpackung

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat Eckpunkte für ein Inflationsausgleichsgesetz vorgestellt. Es sieht vor, für rund 48 Millionen Bürgerinnen und Bürger die Steuerlast an die Inflation anzupassen, um so Mehrbelastungen zu vermeiden. Zudem sollen Familien gezielt steuerlich unterstützt werden. Im Einzelnen soll das so aussehen:

Einkommensteuertarif (§ 32a EStG)

  • Anhebung des Grundfreibetrags 2023 von 10.347 Euro auf 10.632 Euro
  • Anhebung des Grundfreibetrags 2024 von 10.632 Euro auf 10.932 Euro

Kinderfreibetrag (§ 32 Absatz 6 EStG)

  • Rückwirkende Anhebung 2022 von 2.730 Euro auf 2.810 Euro
  • Anhebung 2023 von 2.810 Euro auf 2.880 Euro
  • Anhebung 2024 von 2.880 Euro auf 2.994 Euro

Kindergeld (§ 66 EStG)

Bisher für das erste und zweite Kind monatlich jeweils 219 Euro, für das dritte Kind 225 Euro und für das vierte und jedes weitere Kind jeweils 250 Euro.

Ab 1. Januar 2023:

  • Erhöhung für das erste und zweite Kind um 8 Euro und für das dritte Kind um 2
    Euro monatlich
  • für das vierte und jedes weitere Kind weiterhin 250 Euro

Ab 1. Januar 2024:

  • Erhöhung für das erste, zweite Kind und dritte Kind um 6 Euro monatlich, sodass
    das Kindergeld monatlich für das erste, zweite und dritte Kind einheitlich 233
    Euro beträgt
  • für das vierte und jedes weitere Kind weiterhin 250 Euro

„Kalte Progression“ und Unterhaltsleistungen

Dazu werden die Steuertarif-Eckwerte erhöht, um die „kalte Progression“ aufzufangen und der Höchstbetrag für den steuerlichen Abzug von Unterhaltsleistungen angehoben und rückwirkend ab dem Jahr 2022 dynamisiert.

Nichts Neues und nichts Dolles

Dabei fällt auf, dass sämtliche „Wohltaten“ von Herrn „Porsche“ (so die Bezeichnung für den Finanzminister Lindner in der Gebärdensprache) nichts weiter als die üblichen jährlichen Anpassungen bei Steuerfreibeträgen und Kindergeld sind. Und das auch nicht in besonderer Höhe, sondern im Rahmen des üblichen wie jedes Jahr. Offensichtlich bemüht sich der Finanzminister, der in der Ampelkoalition bisher als Bremsklotz aufgetreten ist, wenn es um die erklärten Ziele des Koalitionsvertrags wie Energiewende und soziale Gerechtigkeit geht. Dazu kommen noch Äußerungen wie „Gratismentalität“ zu den Befürwortern der Verlängerung des 9 Euro-Ticket und gleichzeitig strikte Ablehnung von Übergewinnsteuern bei den Krisen- und Kriegsgewinnlern in der Energiebranche oder von der Abschaffung des Dienstwagenprivilegs. Auch andere Subventionen in die Fossilwirtschaft werden nicht angetastet.

Beachtliche soziale Schieflage

Die Steuerpläne haben eine „beachtliche sozialer Schieflage„, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Von einem höheren Grundfreibetrag profitieren Reiche deutlich stärker als Niedrigeinkommensbezieher. Die Anhebung des Kinderfreibetrags sorgt dafür, dass reichere Familien deutlich mehr bekommen als einfache Kindergeld-Bezieher. Und natürlich nutzen denjenigen, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind, weder Steuererleichterungen noch Kindergelderhöhung. Die gehen mit Verweis auf die Schuldenbremse mal wieder leer aus.

Quellen: Bundesfinanzministerium, Paritätischer Gesamtverband, FAZ

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Bürgergeld – Referentenentwurf

Jetzt liegt der Referentenentwurf zum Bürgergeld vor. Inhaltlich gibt es keine Überraschungen, die wesentlichen Änderungsvorhaben wurden schon in den Eckpunkten vorgestellt.

Wesentlicher Inhalt

Auch die Beschreibung des Referentenentwurfs auf der BMAS-Homepage wiederholt die schon veröffentlichten Eckpunkte:

  • Vereinbarung eines „Kooperationsplans“ zwischen Arbeitssuchenden und Jobcenter,
  • 6 Monate „Vertrauenszeit“, in denen  keine Leistungen gemindert werden.
  • der „Vermittlungsvorrang“  (also die bevorzugte Vermittlung in Erwerbstätigkeit) wird abgeschafft,
  • zusätzlicher finanzieller Ausgleich und neue Angebote für Weiterbildungen,
  • der Soziale Arbeitsmarkt (§ 16i SGB II) wird dauerhaft fortgeführt, dafür sollen – Referentenentwurf, Seite 59 – 2024 200 Mio, 2025 550 Mio Euro und noch mehr in den Folgejahren eingeplant werden. (wird schwierig, wenn der Kollege Finanzminister die ensprechenden Ausgaben in den nächsten Jahren auf 5 Mio Euro runterfahren will, siehe Haushaltsentwurf 2023 Seite 1534),
  • Überprüfung von Vermögen und Angemessenheit der Wohnung erst nach 24 Monaten Leistungsbezug,
  • Nach Ablauf der 24 Monate höheres Schonvermögen, Rücklagen für die Altersvorsorge werden geschützt,
  • Für Auszubildende, Schüler*innen und Studierende, die Bürgergeld beziehen, gelten höhere Freibeträge für die Ausbildungsvergütung oder den Nebenjob.

Was ist mit den Regelsätzen?

Dazu heißt es lediglich, dass sie zum 1. Januar 2023 angemessen und deutlich steigen.  Einzelheiten würden im Gesetzentwurf ergänzt, sobald die erforderlichen Berechnungen abgeschlossen sind. Ob damit eine neue Berechnungsgrundlage gemeint ist, also etwa die Einbeziehung der unteren 30 % der Haushalte, statt wie bisher die unteren 20 %, oder ob nur die übliche jährliche Steigerung gemeint ist, die aufgrund der gestiegenen Preise deutlich höher ausfallen dürfte als die letzte Erhöhung, bleibt unklar.

Anrechnung von Kindergeld

Auch bei der Anrechnung von Kindergeld sieht es nicht nach einer Änderung aus. Zwar wird in § 11 SGB II der Satz eingefügt, dass „…Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind“, was man ja ohne weiteres auf die Bundesrechtsvorschriften des Kindergelds im Einkommenssteuergesetz beziehen könnte, aber eine konkrete Änderung im EStG ist im Referentenentwurf nicht vorgesehen.

umfangreiche Änderungen

Das Bürgergeld-Gesetz ist eine sehr umfangreiche Gestzgebung. Nicht nur wegen der vielen Änderungen im SGB II, sondern sie erfordert auch weitreichende Änderungen im SGB XII, SGB III, SGB IV, SGB VI und anderen Gesetzen. Außerdem zieht sie einen Rattenschwanz an Änderungen nach sich, schon allein, um in allen Gesetzen, Verordnungen und anderen öffentlichen Verlautbarungen, die Wörter „Arbeitslosengeld II“ und „Sozialgeld“ durch „Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch“ und „Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 des zweiten Buches Sozialgesetzbuch“ zu ersetzen. Manchmal reicht auch einfach „Bürgergeld“.

Quellen: BMAS, BMF, FOKUS-Sozialrecht

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Beim Entlastungspaket vergessen

Wie hier schon beschrieben gehören Studenten und Rentner zu den Gruppen, die von den Entlastungspaketen nicht profitieren. Dazu gehört auch ein Großteil der Beschäftigten in einer Werkstatt für behinderte Menschen.

Knapp über dem Existenzminimum

Beschäftigte dort erhalten nach 20 Jahren Tätigkeit in einer WfbM automatisch eine Erwerbsminderungsrente. Damit liegen die meisten knapp über der Grenze zur Grundsicherung, mit etwa 800 Euro pro Monat. Das ist ein Einkommen knapp über dem Existenzminimum. Da sie keinen Anspruch auf Grundsicherung haben, bekamen sie auch keine Einmalzahlung. Wenn auch kein Wohngeldanspruch besteht, bekommen sie noch nicht einmal einen Heizkostenzuschuss.

Keine Einmalzahlung, keine Energiepauschale

Da eine Beschäftigung in der WfbM nicht als Erwerbstätigkeit zählt, entfällt auch die Energiepauschale von 300 Euro, die jeder Erwerbstätige im September automatisch bezieht.

große Ungerechtigkeit

Auf diese Problematik weist Christian Frese, Geschäftsführer des Bundesverband autismus Deutschland e.V. in einem Beitrag für „wir-sind-paritaet.de“ hin. Wenn die Beschäftigten in den Werkstätten, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen, ihren Lebensunterhalt nur knapp über dem Existenzminimum bestreiten könnten, liege es in Anbetracht der explodierenden Preise für Energie und der außerordentlich hohen Inflation auf der Hand, dass diese Personen die Mehrbelastungen aus ihrem Einkommen nicht leisten könnten. Sie könnten auch nicht an anderer Stelle sparen, zum Beispiel bei der Ernährung. Diese Personen würden also im Winter nicht genug Geld haben, um ihre Wohnungen beheizen zu können. Das sei eine große Ungerechtigkeit.

Witeres Entlastungspaket nötig

Ein weiteres Entlastungspaket für alle bedürftigen Rentnerinnen und Rentner, so auch die Erwerbsminderungsrentner*innen in den Werkstätten für behinderte Menschen, sei daher dringend erforderlich, so Christian Frese. Die Menschen müssten in der Lage sein, die absolut notwendigen Dinge des täglichen Bedarfs bezahlen und ihre Wohnungen beheizen zu können.

Quelle: Wir sind Parität, FOKUS-Sozialrecht

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BAFöG: Online-Antrag und KV-Beitrag

Die 27. BAFöG Reform ist seit 1. August 2022 in Kraft. Die finanziellen Verbesserungen und andere Änderungen wurden hier schon ausführlich beschrieben. Ebenso die tatsächliche Umsetzung im Vergleich zu den Ankündigungen im Koalitionsvertrag.

BAFöG – Digital

Eine der Neuerungen betrifft die Möglichkeit, BAFöG nun komplett digital zu beantragen. Geplant war das schon länger und es wurde in einigen Bundesländern seit Herbst 2021 getestet.

Mit dem Wegfall des bislang für die Antragstellung in § 46 BAföG vorgesehenen Schriftformerfordernisses wird sowohl die analoge als auch die digitale Antragstellung erleichtert. Künftig ist eine elektronische Antragstellung ohne Originalunterschrift oder schriftformersetzende aufwändige Authentisierungsverfahren möglich. Bei Nutzung des elektronischen Antragsassistenten BAföG Digital kann mit Anlegen eines einfachen Nutzerkontos ein digitaler Antrag auf Förderung nach dem BAföG unmittelbar rechtswirksam gestellt werden. Ausdrucken und Unterschreiben des Antrags ist nicht mehr erforderlich. Daraus ergeben sich spürbare Vollzugserleichterungen auch für die zuständigen Ämter für Ausbildungsförderung, da sich weitere Nachforderungen von Unterschriften bei elektronisch eingereichten Anträgen erübrigen.

Alternative: schriftlich per Post oder Email

Mit der Neuformulierung der Antrags-Vorschrift (§ 46 BAföG) wird künftig sowohl eine digitale Antragstellung über einen Online-Antragsassistenten wie „BAföG-Digital“ ohne Originalunterschrift oder schriftformersetzende aufwändige Authentisierungsverfahren möglich, als auch eine Antragstellung über eine E-Mail, der ein handschriftlich oder elektronisch ausgefüllter BAföG-Antrag z. B. als pdf oder als jpeg beigefügt ist. Da für die Antragstellung weiterhin die BAföG-Formblätter zu verwenden sind, wird der Beweissicherungsfunktion im Antragsverfahren ebenso hinreichend Rechnung getragen, wie der Warnfunktion, die den Antragstellenden bewusstmacht, dass sie im Begriff sind, eine rechtsverbindliche Erklärung abzugeben, die wahrheitsgemäß erfolgen muss und widrigenfalls bußgeld- oder unter Umständen auch strafbewehrt ist.

Beiträge zur Krankenversicherung

Grundsätzlich gilt: Gesetzlich versicherte Studenten sind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres beitragsfrei über die Familienversicherung der Eltern krankenversichert.

Die gesetzliche Sonderregelung über die Versicherungspflicht von Studenten während ihres Studiums findet sich im § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V. Wer als Student nicht mehr beitragsfrei in der Familienversicherung krankenversichert ist oder wenn die Eltern als Selbständige oder Beamte privat versichert sind, muss der studentischen Krankenversicherung beitreten.

Beitrag richtet sich nach dem aktuellen Höchstsatz

Der Krankenkassenbeitrag für Studenten richtet sich nach dem BAföG-Höchstsatz. Steigt dieser, steigen auch die Kosten für die Krankenversicherung.

Der aktuelle Beitrag zur studentischen Krankenversicherung ab Wintersemester 2022/2023 beträgt 82,99 EUR.

Beiträge studentische Kranken und Pflegeversicherung ab Wintersemester 2022/2023:

1. Krankenversicherung82,99 EUR
2. durchschnittlicher Zusatzbeitrag*10,56 EUR
3. Pflegeversicherung24,77 EUR
4. Pflegeversicherung für Kinderlose ab dem 23. Lebensjahr26,80 EUR
möglicher höchster Gesamtbeitrag (Summe der Zeilen 1,2,4)120,34 EUR
*der Zusatzbeitrag kann von Kasse zu Kasse variieren, Durchschnitt 2022: 1,3%. Wahrscheinlicher Durchschnitt 2023: 1,6%

Zuschüsse bei freiwilliger Versicherung

Die studentische Krankenversicherung endet zum Ende des Semesters, in dem der Student das 30. Lebensjahr vollendet. Nur bei Vorliegen besonderer Gründe kommt eine Verlängerung im Einzelfall in Betracht. Danach gilt der Student in der gesetzlichen Krankenkasse als freiwillig versicherter Student. Für freiwillig versicherte Studenten gibt es durch die BaföG-Änderung 2022 einen höheren Zuschlag für die Kranken- und Pflegeversicherung und zwar 168 EUR für die Krankenversicherung und 38 EUR für die Pflegeversicherung.  

Quellen: BMG, BAFöG–Digital, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt

Telefonische Krankschreibung ist zurück

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat angesichts steigender Infektionszahlen die Corona-Sonderregelung für eine telefonische Krankschreibung wieder aktiviert. Sie gilt vorerst befristet bis 30. November 2022. Durch die Sonderregelung können Versicherte, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden, telefonisch bis zu 7 Tage krankgeschrieben werden. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte müssen sich dabei persönlich vom Zustand der Patientin oder des Patienten durch eine eingehende telefonische Befragung überzeugen. Eine einmalige Verlängerung der Krankschreibung kann telefonisch für weitere 7 Kalendertage ausgestellt werden.

Corona, Erkältung, Grippe

Laut Pressemitteilung des G-BA von heute, 4. August 2022 wird dies mit steigenden Infektionszahlen nach einem Abflachen im Frühjahr 2022 begründet. Gleichzeitig beginne in den kommenden Monaten die Erkältungs- und Grippesaison.

Keine unnötigen Risiken

Mit dem Wiedereinsetzen der telefonischen Krankschreibung folge der G-BA dem Leitsatz: Vorsicht statt unnötiger Risiken. Volle Wartezimmer in Arztpraxen und das Entstehen neuer Infektionsketten sollen vermieden werden. Die telefonischen Krankschreibung sei für die nächsten Monaten eine einfache, erprobte und vor allem bundesweit einheitliche Lösung. Die Regelung schütze vor allem die besonders gefährdeten Risikogruppen wie Ältere oder chronisch Kranke, die dringend regelmäßig zum Arzt müssten, vor vermeidbaren und für sie besonders bedrohlichen Infektionen. Die Corona-Sonderregelung werde derzeit auch deshalb nochmals gebraucht, weil Videosprechstunden, die ja ebenfalls einen persönlichen Kontakt vermeiden, noch nicht überall angeboten würden.

Inkrafttreten

Der Beschluss tritt nach Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und Veröffentlichung im Bundesanzeiger mit Wirkung vom 4. August 2022 in Kraft.

Quelle: G-BA

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EuGH über Familiennachzug

Bisher gab die deutsche Aufenthaltsgesetzgebung und die zugehörigen Verwaltungsvorschriften es nicht her, dass eine Familienzusammenführung auch möglich ist, wenn das Kind inzwischen volljährig geworden ist. Mit diesen Regelungen verstößt Deutschland gegen EU-Recht. Dies geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hervor, dass nun veröffentlicht wurde.

„…verstößt gegen Unionsrecht“

Die Ablehnung der Erteilung eines nationalen Visums zum Zweck der Familienzusammenführung an den Elternteil eines während dieses Verfahrens volljährig gewordenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings verstößt gegen das Unionsrecht. Gleiches gilt für den Fall, dass ein solcher Antrag von einem minderjährigen Kind gestellt wird, das volljährig geworden ist, bevor sein Vater als Flüchtling anerkannt wurde und vor Stellung des Antrags auf Familienzusammenführung.

Ziel der Richtlinie

In seinem Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass das Ziel der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2013 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung darin besteht, die Familienzusammenführung zu begünstigen und Drittstaatsangehörigen, insbesondere Minderjährigen, Schutz zu gewähren. Der Gerichtshof weist auch darauf hin, dass die Richtlinie im Licht des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens in Verbindung mit der Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls auszulegen und anzuwenden ist.

180-Grad-Wende

Der Zeitpunkt der Antragstellung und nicht der Zeitpunkt der Entscheidungsfindung sei entscheidend für die Beurteilung der Minderjährigeneigenschaft des betreffenden Flüchtlings.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl sprach, laut Spiegel-online, von einer „guten Nachricht für zerrissene Familien“. Dies bedeute für Deutschland eine „180-Grad-Wende“.

Weiteres Urteil

Auch ein weiteres EuGH-Urteil stärkt die Rechte minderjähriger Flüchtlinge. Ein Antrag eines Minderjährigen auf internationalen Schutz darf nicht mit der Begründung als unzulässig abgelehnt werden, dass seinen Eltern bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist.

Der auf einem in einem anderen Mitgliedstaat bereits gewährten Schutz beruhende Unzulässigkeitsgrund ist nämlich nur dann erlaubt, wenn der Antragsteller selbst bereits internationalen Schutz genießt.

Quellen: EuGH, Spiegel vom 1.8.2022

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Aktuelle Urteile des EuGH

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Sitz in Luxemburg ist das oberste rechtsprechende Organ der Europäischen Union (EU). Heute, am 1.8.2022, wurden zwei Urteile veröffentlicht, die hier in FOKUS-Sozialrecht behandelte Themen betreffen.

Kindergeld für EU-Ausländer

Ein Unionsbürger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Aufnahmemitgliedstaat begründet hat, kann nicht deshalb während der ersten drei Monate seines Aufenthalts vom Bezug von Kindergeld ausgeschlossen werden, weil er keine Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat bezieht. Sofern er sich rechtmäßig aufhält, genießt er grundsätzlich Gleichbehandlung mit den inländischen Staatsangehörigen.

3 Monat kein Kindergeld

Eine Familienkasse lehnte es ab, in den ersten drei Monaten des Aufenthalts in Deutschland Kindergeld an eine nach Deutschland gezogene Unionsbürgerin für ihre drei Kinder zu zahlen. Die Klage dagegen wurde abgewiesen, das Gericht forderte aber Klärung beim EuGH.

Jeder hat drei Monate Aufenthaltsrecht

Der EuGH weist darauf hin, dass jeder Unionsbürger, auch wenn er wirtschaftlich nicht aktiv ist, das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten hat, wobei er lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen oder Formalitäten zu erledigen braucht, solange er und seine Familienangehörigen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen.

Kindergeld ist keine Sozialleistung

Der Aufnahmemitgliedstaat kann zwar gemäß einer im Unionsrecht zu diesem Zweck vorgesehenen Ausnahmebestimmung einem wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürger in den ersten drei Monaten seines Aufenthalts eine Sozialhilfeleistung verweigern. Kindergeld stellt aber keine Sozialhilfeleistung im Sinne dieser Ausnahmebestimmung dar. Es wird nämlich unabhängig von der persönlichen Bedürftigkeit seines Empfängers gewährt und dient nicht der Sicherstellung seines Lebensunterhalts, sondern dem Ausgleich von Familienlasten.

Rettungsschiffe dürfen nicht grundlos kontrolliert werden

Schiffe humanitärer Organisation, die eine systematische Tätigkeit der Suche und Rettung von Personen auf See ausüben, können vom Hafenstaat einer Kontrolle unterzogen werden Festhaltemaßnahmen kann der Hafenstaat jedoch nur im Fall einer eindeutigen Gefahr für die Sicherheit, die Gesundheit oder die Umwelt treffen. In den konkreten Fällen ging es um das Festsetzen von Rettungsbooten von Seawatch in Italien. Der EuGH betont, dass die Pflicht besteht, Personen in einer Gefahren- oder Notlage auf See Hilfe zu leisten. Das heißt auch, dass die Flüchtlinge nicht auf dem Schiff festgehalten werden dürfen. Sollte es konkrete Anhaltspunkt wegen Sicherheitsmängeln oder sonstiges geben, könne anschließend eine Sicherheitsüberprüfung stattfinden.

Quellen: EuGH, FOKUS-Sozialrecht

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Mehr Befugnisse für Pflegefachkräfte

Mit einer Anpassung der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie (HKP-RL) gesteht der Gemeinsame Bundesausschuss qualifizierten Pflegefachkräften bei der häuslichen Krankenpflege mehr Verantwortung zu. Pflegefachkräfte dürfen bei bestimmten medizinischen Maßnahmen eigenständig entscheiden, wie oft und wie lange diese eingesetzt werden sollen, wenn die ärztliche Verordnung dazu keine Vorgaben macht. Dies geht aus einer Pressemitteilung des G-BA vom 21. Juli 2022 hervor.

Um welche Leistungen geht es?

Welche Leistungen sich für eine eigenständige Entscheidung von qualifizierten Pflegefachkräften im Hinblick auf Dauer und Häufigkeit eignen, ist künftig in der HKP-Richtlinie aufgeführt. Dazu gehören beispielsweise Maßnahmen bei der Stomabehandlung oder beim Versorgen von akuten Wunden. Die Richtlinie listet quantitative Orientierungswerte für die Häufigkeit und Dauer von Maßnahmen bezogen auf den Regelfall auf – von ihnen können die verordnenden Ärztinnen und Ärzte und nunmehr ggf. auch die Pflegefachkräfte abweichen, wenn das im Einzelfall notwendig ist. Bereits bisher sieht die Richtlinie einen regelmäßigen Austausch zwischen Pflegefachkräften und den verordnenden Ärztinnen und Ärzten vor. Dieser Austausch soll nun intensiviert werden und erfolgt bei Leistungen mit erweiterter Pflegeverantwortung der Pflegefachkraft regelmäßig. Das grundsätzliche Verfahren bei der häuslichen Krankenpflege – Verordnung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie die Genehmigung durch die Krankenkasse – ist von den neuen Befugnissen für Pflegefachkräfte nicht betroffen. Allerdings werden die Krankenkassen den Pflegedienst als möglichen Adressaten zukünftig in den Austausch zum Genehmigungsverfahren mit einbinden.

Welche Qualifikation ist nötig?

Welche Qualifikationen Pflegefachkräfte für diese neue Kompetenzerweiterung haben sollen, werden künftig entsprechende Rahmenempfehlungen zwischen Krankenkassen und Pflegeverbänden vorgeben. Da bei der heutigen Entscheidung diese Rahmenempfehlungen noch nicht vorlagen, ist der G-BA von diesen Überlegungen als Mindestvoraussetzung für eine gute Versorgung ausgegangen: Die fachlichen Anforderungen für die beschriebene eigenständige Tätigkeit sind nur erfüllt, wenn die Pflegefachkräfte eine mindestens 3-jährige Ausbildung vorweisen und einschlägige Berufserfahrung besitzen.

Auftrag des Gesetzgebers

Mit diesem Beschluss setzt der G-BA einen Auftrag des Gesetzgebers aus dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz um. Durch den Kompetenzzuwachs im Bereich der häuslichen Krankenpflege hofft der Gesetzgeber, dass der Pflegeberuf attraktiver wird.

HKP-RL

Die G-BA-Richtlinie zur häuslichen Krankenpflege regelt Details für die Versorgung. So wird beispielsweise definiert, welche Leistungen und Maßnahmen verordnungsfähig sind, welche Voraussetzungen für eine Verordnung vorliegen müssen und wie Verordnerinnen und Verordner mit den ambulanten Pflegediensten und den Krankenhäusern zusammenarbeiten sollen. Das Sozialgesetzbuch V eröffnet den grundsätzlichen Anspruch für Versicherte auf häusliche Krankenpflege. Der GKV-Spitzenverband und die Verbände der Pflegebranche schließen eine Rahmenempfehlung ab, auf deren Basis einzelne Krankenkassen und Pflegeanbieter individuelle Verträge vereinbaren.

Quellen: G-BA, FOKUS-Sozialrecht

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