Pflegegeld und Pflegezeit

Wir dynamisieren das Pflegegeld ab 2022 regelhaft. Wir entwickeln die Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetze weiter und ermöglichen pflegenden Angehörigen und Nahestehenden mehr Zeitsouveränität, auch durch eine Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten.“ So steht es im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung.

Seit 2017 keine Pflegegelderhöhung

Zur Erhöhung oder gar Dynamisierung des Pflegegeldes gibt es aus dem Gesundheitsministerium bisher nichts Konkretes. Dessen früherer Chef, Jens Spahn, hatte bei der letzten Pflegereform eine Erhöhung des Pflegeldes bis 2025 ausgesetzt. Somit ist das Pflegegeld seit 2017 (!) immer noch auf dem gleichen Stand. Was das für die knapp zwei Millionen Pflegebedürftige, die von ihren Angehörigen zu Hause gepflegt werden bei der aktuellen Inflationsrate bedeutet, kann sich jeder ausrechnen.

Umsetzung EU-Richtlinie

Die Umsetzung des zweiten Satzes aus dem obigen Zitat aus dem Koalittionsvertrag hat die Bundesregierung nun in Angriff genommen. Anlass ist eine EU-Richtlinie (2019/1158) zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige. Nach dieser Richtlinie sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, Mindestvorschriften umzusetzen, um die Gleichstellung von Männern und Frauen im Hinblick auf Arbeitsmarktchancen und die Behandlung am Arbeitsplatz zu erreichen. Dazu soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Eltern oder pflegende Angehörige sind, die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben erleichtert werden.

Begründung von Ablehnungen, Kündigungsschutz

Laut Bundesregierung sei der Großteil der Richtlinie in Deutschland schon umgesetzt. Was noch fehlt, soll das geplante Gesetz zur weiteren Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1158 richten. Dazu werden werden im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, im Pflegezeitgesetz und im Familienpflegezeitgesetz sowie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz folgende Änderungen vorgenommen:

  • Arbeitgeber, die den Wunsch eines Elternteils, die Arbeitszeit in der Elternzeit zu verringern oder zu verteilen, nicht entsprechen, werden verpflichtet, ihre Entscheidung zu begründen. Hierdurch werden die Umstände, die zur Ablehnung des Antrages geführt haben, auch für die betroffenen Eltern transparent.
  • Arbeitgeber in Kleinbetrieben werden verpflichtet, Beschäftigten, die den Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegzeitgesetz beantragen, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Zugang des Antrages zu antworten. Im Fall einer Ablehnung des Antrags ist diese zu begründen.
  • Für Beschäftigte in Kleinbetrieben, die mit ihrem Arbeitgeber eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegezeitgesetz vereinbaren, wird ­ geregelt, dass sie die Freistellung vorzeitig beenden können, wenn die oder der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege der oder des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar ist und ein Kündigungsschutz für die Dauer der vereinbarten Freistellung eingeführt.
  • Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wird für Fragen im Zusammenhang mit Diskriminierung, die unter die Richtlinie (EU) 2019/1158 fallen, für zuständig bestimmt.

Zusammenführung von Familienpflegezeit und Pflegezeit

Die Bundesregierung beabsichtigt, im Hinblick auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Weiterentwicklung des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes die Zusammenführung beider Gesetze konkret in den Blick zu nehmen.

Quellen: Bundestag, Stuttgarter Nachrichten vom 16.8.22, Bundesverband Verbraucherzentralen, pflegegrad12345.de

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Einmalzahlung für Rentner und Midijobgrenze

Gestern, am 5. Oktober 2022 hat das Bundeskabinett die 300 Euro Einmalzahlung für Rentnerinnen und Rentner und Anhebung der Obergrenze für Midijobs auf 2000 Euro beschlossen. Das sind weitere Bausteine des dritten Entlastungspakets.

Energiepreispauschale

Die Energiepreispauschale erhält, wer zum Stichtag 1. Dezember 2022 Anspruch auf eine Alters-, Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung oder auf Versorgungsbezüge nach dem Beamten- oder dem Soldatenversorgungsgesetz hat. Anspruch besteht nur bei einem Wohnsitz im Inland.

Die Zahlung wird als Einmalzahlung durch die Rentenzahlstellen automatisch erfolgen. Die Energiepreispauschale wird nicht bei einkommensabhängigen Sozialleistungen angerechnet und unterliegt auch nicht der Beitragspflicht in der Sozialversicherung; sie soll jedoch der Steuerpflicht unterliegen.

Anhebung der Midi-Job-Grenze 

Der Gesetzentwurf sieht zudem eine Erweiterung des Übergangsbereichs, der sogenannten Midijobs, vor. Die Obergrenze soll zum 1. Januar 2023 auf 2.000 Euro steigen. Profitieren werden besonders Menschen mit kleinen Einkommen, die von den Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmitteln überproportional betroffen sind. Sie behalten mehr Netto vom Brutto.

Derzeit liegt der Übergangsbereich zwischen 520,01 Euro und 1.600 Euro. Innerhalb dieses Bereiches steigen die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer gleitend von null auf den vollen Beitrag. Die geringeren Beiträge vor allem im unteren Einkommensbereich sollen den Anreiz erhöhen, über einen Minijob hinaus erwerbstätig zu sein.

Quellen: BMAS, BMF, FOKUS-Sozialrecht, SOLEX

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Heizkostenzuschuss

Für die im Jahr 2022 zu erwartenden Mehrbelastungen bei den Heizkosten soll nun ein zweiter Heizkostenzuschuss ausgezahlt werden. Dies sieht der Gesetzentwurf zur Änderung des Heizkostenzuschussgesetzes vor, den die Bundesregierung nun vorgelegt hat.

Auszahlung des ersten Heizkostenzuschusses

Im Juni 2022 begann die Auszahlung des ersten Heizkostenzuschusses, nachdem im März das entsprechende Gesetz verabschiedet wurde. Es sah für Empfängern von Wohngeld, BAFöG, Berufsausbildungsbeihilfe, Ausbildungsgeld und Beziehern von Leistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (Aufstiegs-BAföG) einen einmaligen Heizkostenzuschuss in Höhe von 270 Euro für Wohngeldempfänger und 230 Euro für alle anderen vor.

Allerdings sind noch längst nicht alle Berechtigten in den Genuss des Geldes gekommen. Vielfach, vor allem bei BAFöG-Empfängern müssen wohl einige bürokratische Hürden überwunden werden, wie der SPIEGEL vor ein paar Tagen berichtete.

Zweiter Heizkostenzuschuss

Nun schiebt die Bundesregierung im Rahmen des Entlastungspakets einen neuen Zuschuss für die kalten Tage nach.

Der Gesetzentwurf sieht für wohngeldbeziehende Haushalte einen nach der Anzahl der berücksichtigten Haushaltsmitglieder nach dem WoGG gestaffelten zweiten Heizkostenzuschuss als Ausgleich für die erhöhten Heizkosten des Jahres 2022 vor. Auch nicht bei den Eltern wohnende Auszubildende, die Leistungen nach dem BAföG oder dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch beziehen, sowie Teilnehmende einer Aufstiegsfortbildungsmaßnahme, die einen Unterhaltsbeitrag nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz beziehen, sind anspruchsberechtigt.

die gleichen Berechtigten

Maßgebend ist die Wohngeldbewilligung, die Gewährung von Leistungen nach BAföG, des Unterhaltsbeitrags nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz oder die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in mindestens einem Monat im Zeitraum vom 1. September 2022 bis 31. Dezember 2022.

Änderung im SGB XI

Auch wohngeldberechtigten Pflegebedürftigen soll der Zuschuss zugute kommen. Pflegeeinrichtungen sollen die Möglichkeit bekommen, wegen stark gestiegener Energiepreise mit den Kostenträgern über die Pflegesätze neu zu verhandeln.

Höhe

Der einmalige Heizkostenzuschuss beträgt bei Empfängern von Wohngeld für

  • eine zu berücksichtigende Person 415 Euro,
  • zwei zu berücksichtigende Personen 540 Euro und
  • jede weitere zu berücksichtigende Person zusätzlich 100 Euro.

Für die übrigen Anspruchsberechtigten beträgt der Zuschuss 345 Euro.

Eine Anrechnung des Heizkostenzuschusses bei anderen Sozialleistungen erfolgt nicht.

Wann?

Das Gesetz wird auch im Bundesrat beraten, ist aber nicht zustimmungspflichtig. Die Auszahlung des zweiten Heizkostenzuschusses soll Ende 2022, Anfang 2023 erfolgen.

Quellen: Bundestag, SPIEGEL, FOKUS-Sozialrecht

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Inflationsausgleichsgesetz

Wie jedes Jahr steht die Anpassung der Steuerfreibeträge, inklusive des Kinderfreibetrags an. Letzteres bewirkt eine Anhebung des Kindergelds. In manchen Jahren wurden in der Vergangenheit auch Anpassungen für die kommenden zwei oder drei Jahre beschlossen. Spart Arbeit und einige Debatten in den Parlamenten. Also nichts Neues?

Doppelwumms

Das Besondere ist diesmal, dass die Anpassung als Teil des großangelegten dritten Entlastungspaket gefeiert wirt. „Doppelwumms“. So geht Politik. Tatsächlich sieht es nach einer deutlichen Erhöhung bei Kindergeld und Kinderfreibetrag aus.

Kein Inflationausgleich

Die Erhöhung des Kindergeldes ab 1. Januar 2023 von 219 Euro auf 237 Euro soll auch gleich für das gesamte Jahr 2024 gelten. Das wäre ein „Inflationsausgleich“ von 4 Prozent pro Jahr. Die aktuelle Inflationsrate liegt allerdings bei etwa 10 Prozent und wird innerhalb der nächsten 24 Monate kaum so weit sinken, dass sie im Durchschnitt den 4 Prozent auch nur nahe kommt – siehe Prognose des IFO-Instituts. Fairerweise muss man beim Kindergeld auch die voraussichtliche Inflationsrate von 2022 mit berücksichtigen (IFO: 8,1%), das Kindergeld wird ja erst 2023 erhöht.

Kindergeld ab 2023, Kinderfreibetrag ab 2022

Anders beim Kinderfreibetrag, in dessen Genuss wesentlich reichere Familien kommen, die dadurch praktisch schon immer mehr „Kindergeld“ bekamen als Familien mit niedrigeren oder mittlerem Einkommen (hier wurde 2021 schon mal beschrieben, wie das funktioniert). Der Kinderfeibetrag wird nämlich, anders als das Kindergeld, rückwirkend zum 1.1.2022 angehoben. Zückerchen von Minister „Porsche“ für seine Klientel.

Kinderreiche Familien gehen leer aus

Für dritte Kinder aus nicht so reichen Familien ist die Erhöhung des Kindergelds noch ein wenig dürftiger. Da die Beträge für das erste bis dritte Kind angeglichen werden steigt der Betrag für dritte Kinder im kommenden Jahr nur um 12 Euro von 225 auf 237 Euro. Kinderreiche Familien mit vier oder mehr Kindern haben für ihr viertes Kind überhaupt keine Erhöhung zu erwarten. Hier bleibt es unverändert bei 250 Euro.

Kindergeld bleibt Einkommen

Für Kinder aus armen Familien, die Grundsicherung beziehen, bleibt alles beim Alten. Kindergeld wird als Einkommen angerechnet. Sie profitieren nur von der Anhebung der Regelsätze in Höhe von knapp 12 Prozent, die die Inflationsraten von 2022 und 2023 (IFO: 8,1% plus 9,3%) auch nicht ausgleichen kann.

Zahlen aus dem InflAusG

Das Inflationsausgleichsgesetz (InflAusG) präsentiert folgende Zahlen:

Kindergeld

  • 2022: 219 EUR (1. und 2. Kind), 225 EUR (3. Kind), 250 EUR (ab 4. Kind)
  • ab 2023: 237 EUR (1. bis 3. Kind), 250 EUR (ab 4. Kind)

Kinderfreibetrag

  • 2022 (aktuell): 2.730 Euro
  • 2022 (rückwirkend): 2.810 EUR
  • ab 2023: 2.880 EUR

Dazu kommt noch der Betreuungsfreibetrag in Höhe von 1.464 EUR, der nicht verändert wird. Das ganze wird für ein Elternpaar jeweils verdoppelt. Alleinerziehende bekommen statt der Verdoppelung einen Entlastungsfreibetrag von 4.008 EUR, auch unverändert. Der gesamte Kinderfreibetrag für ein Elternpaar beträgt pro Kind also:

  • 2022 (aktuell): 8.388 Euro
  • 2022 (rückwirkend): 8.548 EUR
  • ab 2023: 8.688 EUR

Grundfreibetrag:

Der Grundfreibetrag wurd im Mai 2022 schon rückwirkend zum 1. Januar 2022 auf 10.347 Euro erhöht. Er beträgt ab

  • 2023: 10.632 EUR
  • 2024: 10.932 EUR

Im Gleichklang mit dem Grundfreibetrag erhöht sich auch der Unterhaltsfreibetrag:

  • 2023: 10.632 EUR
  • 2024: 10.932 EUR

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht, statista.com

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Verlängerung von Corona-Sonderregelungen

Mit dem „Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19“ wurden nicht nur, wie berichtet, die Regelungen zum Kinderkrankengeld verlängert, sondern auch die Sonderregelungen im SGB XI und bei der Pflegezeit, bzw. der Familienpflegezeit. Sie werden bis zum 30. April 2023 verlängert.

Entlastungsbetrag

Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 können den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI auch für die Inanspruchnahme anderer Leistungserbringer als die in § 45b genannten nutzen, wenn dadurch ein durch COVID-19 verursachter Versorgungsengpass behoben wird (§ 150 Abs. 5b SGB XI). Die abweichende Verwendung muss vorher bei der Pflegekasse beantragt werden. Dazu gibt es auch Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes.

Pflegesachleisungen

Die gleichen Empfehlungen gelten auch für die Inanspruchnahme anderer Leistungserbringer als ambulante Pflege- und Betreuungsdienste, wenn Anspruch auf Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI besteht. Auch dies muss vorher bei der Pflegekasse beantragt werden.

Pflegeunterstützungsgeld

Pflegeunterstützungsgeld kann für bis zu 20 Arbeitstage je Pflegebedürftigem in Anspruch genommen werden. Diese 20 Arbeitstage werden nicht auf den regulären Anspruch nach § 44a Abs. 3 bzw. Abs. 6 SGB XI angerechnet (vgl. § 150b SGB XI).

akute Pflegesituation

Bis zu 20 Arbeitstage haben Beschäftigte das Recht, kurzzeitig der Arbeit fernzubleiben, wenn aufgrund von COVID-19 eine akute Pflegesituation eingetreten ist. Der Zusammenhang wird vermutet. (§ 9 Abs. 1 PflegeZG).

Familienpflegezeit / Pflegezeit

Diese Zeiten müssen bis 30.4.2023 nicht unmittelbar aufeinander folgen. kann ein Restanspruch aus einer zuvor in Anspruch genommenen Pflegezeit, die weniger als sechs Monate dauerte, für denselben nahen Angehörigen in Anspruch genommen werden. Für diese in § 9 Abs. 4, 5 und 7 PflegeZG geltenden vorübergehenden Regelungen gelten folgende Vorraussetzungen:

  • Der Arbeitgeber muss zustimmen,
  • die Dauer der ggf. wiederaufgenommenen Pflegezeit von sechs Monaten und die Gesamtdauer von 24 Monaten für beide „Auszeiten“ ist noch nicht erreicht und
  • die Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit endet spätestens am 30.04.2023

Darlehen

Für ein zinsloses Darlehen wird das durchschnittliche Arbeitsentgelt pro Stunde berechnet. Dabei werden in der Zeit vom 01.03.2020 bis 30.04.2023 Kalendermonate mit einem aufgrund der COVID-19-Pandemie geringeren Entgelt nicht berücksichtigt (§ 3 Abs. 3 Satz 7 FPfZG). Ein Darlehen muss bei Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden.

Antragsfrist

Beginnt die Familienpflegezeit spätestens am 01.04.2023, muss sie abweichend von den in § 2a Abs. 2 Satz 1 FPfZG genannten Frist spätestens zehn Arbeitstage vor dem gewünschten Beginn beantragt werden (§ 16 Abs. 2 FPfZG).

Quellen: Bundestag, Carmen P. Baake: Beraterbrief Pflege, September 2022/18, Walhalla-Verlag

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Wohngeld Plus

Drei Jahre nach der letzten Wohngeldreform soll am 1.1.2023 die nächste Reform in Kraft treten. Dies sieht der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wohnen,
Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) vor. Das Gesetz hat den schlichten Titel: „Gesetz zur Erhöhung des Wohngeldes“ oder kurz „WohngeldPlus-Gesetz“.

Teil des Entlastungspakets

Das Bauministerium begründet die Reform vor allem mit den steigenden Energiekosten. Außerdem ist die Wohngeldreform ja als Teil des dritten Entlastungspakets angekündigt worden. Neben der Wohngeldreform wird mit dem Gesetzentwurf der „Heizkostenzuschuss II“ auf den Weg gebracht, der Millionen Bürgerinnen und Bürger, gezielt und unbürokratisch bei der Bewältigung der Heizkosten unterstützen soll. 

Drei Komponenten

Wohngeldkomponente

Die Reform sieht eine Erhöhung der Anzahl der Wohngeldhaushalte von rund 600.000 Haushalte auf zwei Millionen Haushalte vor. Das wird möglich durch eine Anhebung des allgemeinen Leistungsniveaus (u. a. durch Anpassung der Wohngeldformel).

Heizkostenkomponente

Die Heizkostenkomponente ist ab dem 01.01.2023 ein fortlaufender Leistungsbaustein im Wohngeld. Die Höhe der Heizkostenkomponente ist so gewählt, dass im Durchschnitt aller Empfängerinnen und Empfänger die durch eine Preisverdoppelung gegenüber 2020 entstehenden Mehrbelastungen ausgeglichen werden. Dies führt in der Wohngeldberechnung im Schnitt zu 1,20 Euro je qm mehr Wohngeld. Als Pauschale angelegt setzt die Komponente Anreize zur Sparsamkeit. Die Fortschreibung zum 01.01.2025 erfolgt im Rahmen der Wohngeld-Dynamisierung (Bezug Heizkostenkomponente: Preisindex Heizenergie Statistisches Bundesamt).

Klimakomponente

Die Klimakomponente soll höhere Mieten durch energetische Sanierungen des Gebäudebestands und energieeffiziente Neubauten zur Erreichung der Klimaschutzziele pauschal abfedern. Es wird ein Zuschlag auf die Miethöchstbeträge des Wohngeldes von 0,40 Euro je qm vorgesehen. Die bürokratiearme Lösung sieht einen gesamtwirtschaftlichen Pauschalansatz ohne Nachweiserfordernis in der Wohngeld-Administration vor.

Quellen: BMWSB, FOKUS-Sozialrecht

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Verordnungsermächtigung zum Kurzarbeitergeld

Die pandemiebedingten Verordnungsermächtigungen (hier unser Bericht über die erste pandemiebedingte Verordnungsermächtigung zum Kurzarbeitergeld vom 13. März 2020) der Bundesregierung in § 109 Absatz 5 und § 421c Absatz 5 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) sind bis zum 30. September 2022 befristet. Die weitere Entwicklung in den nächsten Wochen und Monaten ist jedoch mit großen Unwägbarkeiten (COVID-19-Pandemie, Gasversorgung) verbunden. Bereits jetzt sind die Geschäftserwartungen der Unternehmen für die nächsten Monate äußerst pessimistisch. Daher soll die Bundesregierung auch über den 30. September 2022 hinaus die Möglichkeit haben, Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld durch Verordnung zu erlassen.

Gesetzentwurf

Dazu haben die Ampel-Fraktionen einen Gesetzentwurf zur Anpassung der Verordnungsermächtigungen beim Kurzarbeitergeld und anderer Regelungen (20/3494) vorgelegt.

bis Mitte 2023

Der  vereinfachte Zugang zum Kurzarbeitergeld soll bis Mitte nächsten Jahres weiter über Verordnungsermächtigungen verlängert werden können. Das Gesetz soll es der Regierung ermöglichen, auch über den 30. September 2022 hinaus die Möglichkeit zu haben, Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld durch Verordnung zu erlassen. Auch im Hinblick auf die Öffnung des Kurzarbeitergeldes für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sollte eine solche Möglichkeit bestehen, um in allen Branchen den Unternehmen in diesem schwierigen Umfeld weiterhin eine Unterstützung bei der Nutzung von Kurzarbeit ermöglichen zu können, damit Entlassungen sowie Arbeitslosigkeit und gegebenenfalls Insolvenzen möglichst vermieden werden.

anrechnungsfreier Hinzuverdienst bei Minijob

Die Verordnungsermächtigungen sollen ausgeweitet werden, um für die Bundesagentur für Arbeit Vereinfachungen bei den Prüfungen der Anspruchsvoraussetzungen des Kurzarbeitergeldes zu ermöglichen (Möglichkeit des Verzichts auf den Einsatz von Arbeitszeitguthaben und Urlaub zur Vermeidung der Kurzarbeit sowie Möglichkeit für die Betriebe, die Anzeige von Kurzarbeit auch im Folgemonat noch vornehmen zu können). Für die pandemiebedingte Möglichkeit des anrechnungsfreien Hinzuverdiensts durch Aufnahme eines Minijobs während der Kurzarbeit wird eine bis zum 30. Juni 2023 befristete Verordnungsermächtigung geschaffen.

Kurzarbeitergeldzugangsverordnung

Die erste Verordnung, die die geplante Verlängerung der Verordnungsermächtigungen nutzt ist die Kurzarbeitergeldzugangsverordnung (KugZuV), die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Mitte September im Kabinett verabschieden ließ. Sie ermöglicht aktuell befristet bis zum 30. September 2022 einen erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld. Die Verlängerung ist nun befristet bis zum 31. Dezember 2022.

Die Verordnung regelt, dass die Zahl der Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, für die Betriebe von mindestens einem Drittel auf mindestens 10 Prozent abgesenkt bleiben und auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor der Gewährung von Kurzarbeitergeld weiter vollständig verzichtet wird.

Gültig ab…

Die Verordnung kann nach Verkündung in Kraft treten, vorausgesetzt das Verordnungsermächtigungsgesetz wird im Parlament verabschiedet. Im bundestag soll das am 29. September geschehen.

Quellen: Bundestag, BMAS

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Notfall-BAFöG

In dieser Woche werden im Bundestag diverse Gesetzesvorlagen behandelt, die inhaltlich in den Rahmen von FOKUS-Sozialrecht passen und in den nächsten Tagen auch hier beschrieben werden. Am Mittwoch und Donnerstag (22.9. und 23.9.22) wird unter anderem beraten über das

28. BAFöG-Änderungsgesetz

Über den Kabinettsentwurf des „Notfall-BAFöGs“ haben wir hier schon im Mai 2022 berichtet. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, den Kreis der BAföG-Empfänger in Notlagen erweitern zu können. Viele Auszubildende hätten während der Corona-Pandemie ihre Nebenjobs verloren und seien dadurch in finanzielle Notlagen geraten, heißt es in der Vorlage. Auch wenn der Arbeitsmarkt sich mittlerweile wieder erholt habe, sei es wichtig, für zukünftige Krisenlagen vorbereitet zu sein.

Beschlussempfehlung

Der Bildungsausschuss  hat dazu eine Beschlussempfehlung vorbereitet. Danach solle die Bundesregierung dazu ermächtigt werden, im Falle einer bundesweiten Notlage den Personenkreis der BAföG-Empfänger zu erweitern, sofern die Krise negativen Einfluss auf den „Arbeitsmarkt für ausbildungsbegleitende Nebentätigkeiten“ hat. Dieser Personenkreis soll neben Studierende auch Schülerinnen und Schüler umfassen, die sich in einer förderungsfähigen Ausbildung befinden.

Bundestag beschließt Notlage

Die Notlage werde vom Bundestag beschlossen und müsse alle drei Monate verlängert werden. Bestehe eine Notlage länger als sechs Monate, könne entschieden werden, ob die Bafög-Förderung durch ein Volldarlehen ersetzt werde. Es gehe hier ausdrücklich nur um bundesweite Krisen, die Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben. Um im Krisenfall Bafög zu bekommen, müssen Antragsteller laut Gesetzentwurf nachweisen, dass sie ihren Nebenjob verloren haben. Es muss laut SPD allerdings nicht explizit nachgewiesen werden, dass die Krise auch der Grund für den Wegfall des Jobs ist. Hier reiche die zeitliche Komponente.

Kritik aus der Opposition

Kritisiert wurde im Bildungsausschuss von der Opposition, dass der Notfallmechanismus beispielsweise in der aktuellen Energiekrise nicht greife, obwohl die Inflation viele Studierende in eine finanzielle Notlage bringen könnte. Außerdem werde die ie Implementierung des Notfallmechanismus im Krisenfall zu viel Zeit benötigen. Teilzeitstudierende keine Zusicherung auf Unterstützung. Auch internationale Studierende profitieren im Krisenfall nicht vom Notfallmechanismus.

Zwei Instrumente

Zur Krisenbewältigung stehen zwei Instrumentarien zur Verfügung: Zum einen die hälftige Zuschussförderung bei Studierenden oder der Vollzuschuss bei Schülerinnen und Schülern, die den Nachweis einer individuellen Betroffenheit von der Notlage voraussetzt, etwa durch einen Jobverlust. Zum andern kann der Verordnungsgeber ohne einen solchen Nachweis die Möglichkeit zum Bezug eines zinslosen BAföG-Darlehens eröffnen.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Quarantäne und Urlaub

Ein Thema, das die Arbeitsgerichte seit einiger Zeit beschäftigt ist die Frage, ob eine Quarantäneanordnung während des Urlaubs dazu führten kann, dass der Urlaub nachgeholt werden darf. Beispiel: Ein Arbeitnehmer hat zwischen Weihnachten und Neujahr 4 Tage Urlaub beantragt und gewährt bekommen. Nun tritt in der Familie eine Covid19-Infektion auf und der Arbeitnehmer erhält vom Gesundheitsamt eine Absonderungsanordnung. Auf deutsch, er muss in Quarantäne. Natürlich möchte er die „verlorenen“ Urlaubstage gerne nachholen.

Absonderung nicht wie Arbeitsunfähigkeit?

Bisher haben die meisten Arbeitsgerichte, zum Beispiel das Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein, entschieden, dass eine Absonderungsanordnung nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs gleichzusetzen sei. Daher könnten die Tage in Quarantäne nicht als Urlaubstage nacgeholt werden.

Auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2021 – 7 Sa 857/21, und das Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 13.12.2021 – 2 Sa 488/21, entschieden ähnlich.

Klarstellung vom Gesetzgeber

Nun hat der Gesetzgeber reagiert, und zwar im Covid-19 Schutzgesetz (Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19), das letzten Freitag im Bundesrat verabschiedet wurde. Dort wurde der § 59 des Infektionsschutzgesetz folgendermaßen neugefasst: „Wird ein Beschäftigter während seines Urlaubs… abgesondert oder hat er sich auf Grund einer… Rechtsverordnung abzusondern, so werden die Tage der Absonderung nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.“

Für die entsprechenden Zeiten haben die Arbeitnehmer nach § 56 einen Entschädigungsanspruch, sofern kein vorrangiger Entgeltfortzahlungsanspruch besteht. Es handelt sich für nicht Erkrankte um eine klarstellende Regelung, die an die Rechtsprechung des BGH (BGHZ 73, 16) anschließt. Die Absonderung ist unverzüglich gegenüber dem Arbeitgeber anzuzeigen und nachzuweisen.

Quellen: Bundestag, Beck-Online, lohn-info.de

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Sonderregelung Kinderkrankengeld verlängert

Die für das Jahr 2022 mit dem „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 22. November 2021 (BGBl. I 2021 Nr. 79, S. 4906) vorgenommene Ausdehnung des Leistungszeitraumes des Kinderkrankengeldes entfaltet aufgrund ihrer zeitlichen Begrenzung nur Wirksamkeit bis zum 31. Dezember 2022.

Regelung für 2023

Mit der Neuregelung durch das heute (16.09.2022) auch im Bundesrat beschlossene „Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19“ soll nun auch für das Jahr 2023 die erhöhte Anzahl an Kinderkrankentagen fortgeführt werden, um der weiterhin erwarteten pandemiebedingt häufigeren Inanspruchnahme zu begegnen.

bis Ende 2023

Der Anspruch auf Krankengeld besteht damit auch für das Jahr 2023 für jedes Kind längstens für 30 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 60 Arbeitstage. Er besteht für Versicherte für nicht mehr als 65 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 130 Arbeitstage.

bis 7.April 2023

Zudem wird die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Kinderkrankengeldes auch in Fällen von Betreuungsbedarf bei nicht erkrankten Kindern über den 23. September 2022 hinaus bis zum Ablauf des 7. April 2023 ausgeweitet. Damit sollen ggf. während der Wintermonate ausgelöste COVID-19-bedingte Schwierigkeiten bei der Betreuung von Kindern abgefedert werden.

Somit besteht der Anspruch damit z. B. auch in den Fällen, in denen eine Kinderbetreuung zu Hause erforderlich wird,

  • weil die Schule, die Einrichtung zur Betreuung von Kindern (Kindertageseinrichtung, Horte, Kindertagespflege) oder die Einrichtung für Menschen mit Behinderung geschlossen ist,
  • für die Klasse oder Gruppe pandemiebedingt ein Betretungsverbot ausgesprochen wurde, oder
  • die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt ist bzw. der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird.

Bescheinigung der Schule

Der Anspruchsgrund (z.B. die Schließung der Betreuungseinrichtung) ist der Krankenkasse auf geeignete Weise nachzuweisen; die Krankenkasse kann die Vorlage einer Bescheinigung der Einrichtung oder der Schule verlangen. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob die geschuldete Arbeitsleistung nicht auch grundsätzlich im Homeoffice erbracht werden kann.

Optionen der Länder

Der Zeitpunkt 7. April 2023 ist deswegen gewählt, weil die Länder vom 1. Oktober 2022 bis 7. April 2023 je nach Infektionslage weitere Schutzvorkehrungen eigenständig anordnen können, so etwa eine Maskenpflicht an Schulen für Schüler ab der 5. Klasse, sofern dies für die Aufrechterhaltung des Präsenzbetriebs als notwendig angesehen wird.

Quellen: BMG, Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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