Ende des Gesundheitsnotstands

Am 30. Januar 2020 erklärte der Generaldirektor der WHO nach den Empfehlungen des Notfallausschusses, dass der Ausbruch des Coronavirus SarsCoV2 einen öffentlichen Gesundheitsnotstand von InternationalConcern (PHEIC) darstellt.

Am 4. Mai 2023 empfahl der Notfallausschuss dem Generalsekretär, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, die öffentliche Gesundheitsnotlage von internationaler Bedeutung zu beenden.

Bedrohung ist nicht vorbei

In einer Pressekonferenz betonte Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, dass dies nicht bedeute, dass COVID-19 als globale Gesundheitsbedrohung vorbei sei. Letzte Woche forderte COVID-19 alle drei Minuten ein Leben, und das seien nur die Todesfälle, die bekannt seien. Während dieser Pressekonferenz kämpften Tausende von Menschen auf der ganzen Welt auf Intensivstationen um ihr Leben und Millionen weitere lebten weiterhin mit den schwächenden Auswirkungen des Zustands nach COVID-19.

Wachsamkeit

Dieser Virus sei hier, um zu bleiben, fiuhr er fort. Es töte immer noch und es ändere sich immer noch. Das Risiko bleibe für neue Varianten entstehen, die neue Anstiege bei Fällen und Todesfällen verursachten. Das Schlimmste, was jedes Land jetzt tun könnte, sei, diese Nachricht als Grund zu nutzen, um seine Wachsamkeit zu beenden, die Systeme, die es gebaut hat, zu demontieren oder die Botschaft an seine Menschen zu senden, dass durch COVID-19 nichts zu befürchten ist.

Überprüfungskomitee

Auf Empfehlung des Ausschusses beschloss die WHO, eine Bestimmung in den Internationalen Gesundheitsvorschriften zu verwenden, die noch nie zuvor verwendet wurde. Es wird Überprüfungskomitee eingerichtet, um langfristige, ständige Empfehlungen für Länder zur laufenden Behandlung von COVID-19 zu entwickeln.

7 Millionen Tote

Als die WHO den Corona-Gesundheitsnotstand am 30. Januar 2020 ausrief, waren außerhalb Chinas rund 100 Infektionen in rund 20 Ländern bekannt und keine Todesfälle. Inzwischen wurden der WHO zufolge weltweit rund 765 Millionen Infektionen und gut 6,9 Millionen Todesfälle gemeldet. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer viel höher ist. Unter anderem werden Todesursachen nicht überall korrekt zugeordnet.

Deutschland

In Deutschland gab es mehr als 170.000 Todesfälle und knapp 40 Millionen gemeldete Infektionen. Alle Maßnahmen und Sonderregelungen sind mittlerweile aufgehoben.

Werkzeuge entwickelt

Der WHO-Chef begründete das Ende des internationalen Notstands damit, dass die Pandemie sich seit mehr als einem Jahr auf einem Abwärtstrend befinde, wobei die Immunität der Bevölkerung durch Impfung und Infektion zunehme, die Sterblichkeit abnehme und der Druck auf die Gesundheitssysteme nachlasse. Die Welt habe mittlerweile gute Werkzeuge, um die Menschen vor dem Virus zu schützen. Dazu gehören neben den Impfstoffen und Medikamenten auch Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Masken oder Abstand zu halten in vollen und schlecht belüfteten Innenräumen. Allein das solidarische UN-Impfprogramm Covax habe einer Analyse zufolge bis Ende 2022 in Ländern mit niedrigen Einkommen 2,7 Millionen Menschenleben durch Corona-Impfungen gerettet.

Gesundheitsnotstände seit 2005

Die WHO hat seit 2005 sieben Mal einen Gesundheitsnotstand ausgerufen – offiziell eine »gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite«. Der Corona-Notstand war der zweitlängste. Der längste gilt für Polio und besteht seit 2014. Seit Juli 2022 gilt auch eine Notlage wegen Affenpocken. Notlagen wurden auch wegen des Influenza-A-Virus H1N1 (2009-2010), wegen Ebola in Westafrika (2014-2016), Zika (2016) und Ebola in der Demokratischen Republik Kongo (2019-2020) ausgerufen.

Quellen: WHO, Spektrum, Tagesschau

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IGeL

Die Möglichkeiten der Medizin, auf gesundheitliche Defizite von Patienten zu reagieren, steigt stetig. Die Finanzierungsmöglichkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind begrenzt. Aus diesem Grund ist der Gesetzgeber als „Hüter der gesetzlichen Krankenversicherung“ gezwungen, zu entscheiden oder ein Gremium einzusetzen, das entscheidet, welche Maßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung Eingang finden sollen und welche nicht. Für den Fall, dass medizinische Maßnahmen durch die gesetzliche Krankenversicherung finanziert werden, muss entschieden werden, unter welchen Indikationen dies der Fall sein soll.

G-BA entscheidet, was Kassenleistungen sind

Diese Entscheidungen trifft insbesondere der Gemeinsame Bundesausschuss. Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V soll der Gemeinsame Bundesausschuss Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden beschließen, die einerseits die ärztliche Versorgung sicherstellen und andererseits eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleisten. Dadurch wird zugleich der Umfang von der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber den Versicherten geschuldeten Leistungen verbindlich festgelegt. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber die Entscheidung über die Anerkennung von Heilmethoden dem Gesetzgebungsverfahren entzogen. Nach der Konzeption des Gesetzes haben somit auch die Gerichte nicht darüber zu entscheiden, ob eine medizinische Behandlungsmethode anerkennungswürdig und im Einzelfall auch erfolgversprechend ist. Vielmehr ist allein entscheidend, welcher medizinische Standard allgemein anerkannt ist und ob die zu beurteilende Methode diesem medizinischen Standard entspricht.

Die richtige Heilmethode

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist den Gerichten damit eine Zurückhaltung im Hinblick auf medizinisch-wissenschaftliche Auseinandersetzungen um die „richtige“ Heilmethode auferlegt. Dies geht auch aus §  2 Abs. 1 Satz  2 SGB V hervor. Es ist Ausdruck der Neutralität des Staates, Methoden der besonderen Therapierichtungen nicht auszuschließen. Der Schwerpunkt der Prüfung wird damit auf den tatsächlichen Verbreitungsgrad verlagert, weil es nicht Sinn eines Gerichtsverfahrens sein kann, die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft voranzutreiben oder in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen Position zu beziehen (vgl: Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.9.1997, Az: 1 RK 28/95, dies noch einmal ausgeführt im Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 8.6.2006, Az.: S 8 KR 646/04).

Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)

Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass Maßnahmen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gedeckt sind, aus medizinischer Sicht übertrieben oder gar unnütz sind. Medizinische Maßnahmen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht finanziert werden, können durchaus den Patienten nützlich sein. Diese Grenze ist sehr viel weiter gesteckt als der Kreis der Kassenleistungen.

Die so genannten individuellen Gesundheitsleistungen (kurz „IGeL“ genannt) sind genau in dem Bereich angesiedelt, wo die gesetzliche Krankenversicherung die Kostenübernahme für die medizinischen Maßnahmen versagt, aber aus medizinischer Sicht noch keineswegs die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen bestritten werden kann.

IGeL-Monitor

Seit 2012 bewertet der IGeL-Monitor Individuelle Gesundheitsleistungen beim Arzt (IGeL). Die Arbeit erfolgt nach wissenschaftlichen Standards. Initiator und Auftraggeber ist der Medizinische Dienst Bund. Inhaltlich unterstützt wird das Projekt durch externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Projekt IGeL-Monitor ist dem Bereich Evidenzbasierte Medizin des Medizinischen Dienstes Bund zugeordnet. Aufgabe des IGeL-Monitors ist das Bereitstellen von Gesundheitsinformationen über IGeL, damit Versicherte in der ärztlichen Praxis eine informierte Entscheidung treffen können.

Ergebnisse 2023

In einer repräsentativen Befragung hat der IGeL-Monitor für seinen IGeL-Report 2023 knapp 6.000 Versicherte im Alter von 20 bis 69 Jahren befragt. Die Bekanntheit von IGeL ist unverändert groß: Fast 80 Prozent der Befragten gaben an, Selbstzahlerleistungen zu kennen. Nur gut jeder Vierte (28 Prozent) weiß, dass es verbindliche Regeln beim Verkauf von IGeL in der Praxis gibt. Dazu gehört, dass Patientinnen und Patienten über den wahrscheinlichen Nutzen und mögliche Risiken oder Schäden durch die Leistung aufzuklären sind. Über den Nutzen wurden 78 Prozent informiert, über mögliche Schäden nur 56 Prozent. Fast jeder Fünfte (18 Prozent) gibt sogar an, dass seine Behandlung mit einer Kassenleistung vom Kauf einer IGeL abhängig gemacht wird.

Top10

Die Top 10 der am meisten verkauften Selbstzahlerleistungen sind im Vergleich zum IGeL-Report 2020 nahezu unverändert: Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung sowie verschiedene Glaukom-Früherkennungs­untersuchungen, zusätzlicher Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs, zusätzliche Hautkrebsscreenings, zusätzliche Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft, Ultraschall der Brust zur Krebsfrüh­erkennung und Untersuchungen des Blutbilds.

Mehr Schaden als Nutzen

Der Ultraschall zur Krebsfrüherkennung der Eierstöcke und der Gebärmutter wurde nach der Befragung am meisten verkauft. Die Leistung bewertet der IGeL-Monitor mit „negativ“ und „tendenziell negativ“. Denn bei dieser Untersuchung kann es häufig zu falsch-positiven Befunden und dadurch zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Eingriffen kommen, die erheblich schaden können.

Nur zwei IGeL sind „tendenziell positiv“

Aber auch bei den anderen Selbstzahlerleistungen sind Zweifel angebracht. Das Wissenschaftsteam des IGeL-Monitors bewertet seit über zehn Jahren evidenzbasiert den Nutzen und Schaden von Individuellen Gesundheitsleistungen und bereitet die Informationen für die Versicherten laienverständlich auf. Ziel ist es, den Patientinnen und Patienten eine wissensbasierte Entscheidungshilfe anzubieten. Der IGeL-Monitor hat 55 IGeL bewertet – 53 Leistungen schließen mit „tendenziell negativ“, „negativ“ oder „unklar“ ab. Für den Nutzen gibt es meistens keine ausreichende Evidenz . Keine dieser Leistungen konnte mit „positiv“ bewertet werden, mit „tendenziell positiv“ schneiden lediglich 2 Selbstzahlerleistungen ab.

Quellen: IGel-Monitor, SOLEX, Wikipedia

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Inklusiver Arbeitsmarkt im Bundesrat

Der Bundestag hat beschlossen, den inklusiven Arbeitsmarkt stärker zu fördern. Ausführlich hatten wir im Januar über den Entwurf berichtet Der Bundesrat stimmt am 12. Mai 2023 über die Änderungen im Sozialrecht ab. Sie bedürfen der Zustimmung der Länderkammer, um in Kraft treten zu können.

Das Gesetz zielt darauf ab, mehr Menschen mit Behinderungen in reguläre Arbeit zu bringen, mehr Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Arbeit zu halten und zielgenauere Unterstützung für Menschen mit Schwerbehinderung zu ermöglichen.

Höhere Ausgleichsabgabe

Dies soll unter anderem durch die Erhöhung der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber erreicht werden, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen. Für kleinere Arbeitgeber sind wie bisher Sonderregelungen vorgesehen.

Schon bislang müssen Arbeitgeber auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Diese Regelung gilt für Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen. Für jeden nicht mit einem schwerbehinderten Menschen besetzten Pflichtarbeitsplatz wird eine Ausgleichsabgabe fällig: 140 Euro bei einer Beschäftigungsquote von 3 bis 5 Prozent, 245 Euro bei einer Beschäftigungsquote von 2 bis weniger als 3 Prozent und 360 Euro bei einer Beschäftigungsquote von weniger als 2 Prozent. Das Gesetz sieht eine neue vierte Staffel vor: Liegt die Beschäftigungsquote bei 0 Prozent, sind 720 Euro zu zahlen.

Zu viele Arbeitgeber beschäftigten keine Schwerbehinderten

Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass noch immer etwa 45.000 beschäftigungspflichtige Arbeitgeber – rund ein Viertel – keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigten. Diese Arbeitgeber sollen eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen als diejenigen Arbeitgeber, die wenigstens in geringem Maße schwerbehinderte Menschen beschäftigen.

Weitere Neuerungen

Die Mittel aus der Ausgleichsabgabe sollen sich künftig auf die Förderung der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt konzentrieren.

Für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes wird eine Genehmigungsfiktion nach sechs Wochen eingeführt, um die Bewilligungsverfahren zu beschleunigen.

Die Deckelung für den Lohnkostenzuschuss beim Budget für Arbeit wird aufgehoben, dadurch soll sichergestellt werden, dass auch nach Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro bundesweit der maximale Lohnkostenzuschuss – soweit nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich – gewährt werden kann.

Außerdem richtet das Gesetz den Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizinische Begutachtung neu aus.

Quelle: Bundesrat

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Zwei Gesetze für Cannabis

Die im Koalitionsvertrag versprochene Legalisierung von Cannabis soll nun, um auch EU-revhtliche Bedenken zu zerstreuen, in zwei vorsichtigen Schritten umgesetzt werden.

„Zwei Säulen“

Der erste Gesetzentwurf, dessen Eckpunkte das Bundesgesundheitsministerium Mitte April veröffentlicht hat soll den Anbau in nicht-gewinnorientierten Vereinigungen und der private Eigenanbau bundesweit ermöglichen.

Die Abgabe in Fachgeschäften wird in einem zweiten Schritt (Gesetzentwurf vermutlich im Herbst) als wissenschaftlich konzipiertes, regional begrenztes und befristetes Modellvorhaben umgesetzt.

Ziele

Erwachsene sollen künftig Cannabis in bestimmten Mengen privat oder in nicht-gewinnorientierten Vereinigungen anbauen dürfen sowie im Rahmen eines regionalen Modellvorhabens in lizenzierten Fachgeschäften erhalten können. Ziel bleibt weiterhin, die Qualität zu kontrollieren, die Weitergabe verunreinigter Sub­stanzen zu verhindern, den Jugendschutz sowie den Gesundheitsschutz für Konsumentinnen und Konsu­menten bestmöglich zu gewährleisten sowie den Schwarzmarkt einzudämmen.

erste Säule

  • Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis bleibt straffrei, eine solche Menge darf auch in der Öffentlichkeit mitgeführt werden.
  • Maximal drei „weibliche blühende Pflanzen“ sind im Eigenanbau erlaubt – geschützt vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche.
  • „Nicht-gewinnorientierte“ Vereine mit maximal 500 Mitgliedern dürfen gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und nur an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben. Das Mindestalter ist 18 Jahre. Die Clubs müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und dürfen nicht für sich Werbung machen. Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinen ist verboten. In den Vereinsräumen darf nicht konsumiert werden.
  • Maximal dürfen pro Club-Mitglied 25 Gramm Cannabis pro Tag und maximal 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm pro Monat, zudem soll für sie eine Obergrenze beim Wirkstoffgehalt festgelegt werden. Die Kosten sollen über die Mitgliedsbeiträge gedeckt werden, gegebenenfalls kommt ein zusätzlicher Betrag je abgegebenes Gramm dazu.
  • In der Öffentlichkeit ist der Konsum nahe Schulen oder Kitas verboten. In Fußgängerzonen darf bis 20 Uhr nicht gekifft werden.
  • Frühere Verurteilungen wegen Besitzes oder Eigenanbaus bis 25 Gramm oder maximal drei Pflanzen können auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.

zweite Säule

Die zweite Säule setzt im nächsten Schritt auf dem Weg zu einer bundesweiten Regelung die weiteren Ansätze aus dem Eckpunktepapier vom 26. Oktober 2022 einschließlich einer Evaluation als wissenschaftlich konzipiertes, regional und zeitlich begrenztes Modell um: Unternehmen wird die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe in Fachgeschäften von Genusscannabis an Erwachsene in einem lizensierten und staatlich kontrollierten Rahmen ermöglicht. Mit dieser Säule können die Auswirkungen einer kommerziellen Lieferkette auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt wissenschaftlich untersucht werden.

EU-Rechtsrahmen entwickeln

Parallel will die Bundesregierung (insbesondere über die Auslandsvertretungen) ihre Bemühungen fortsetzen, für ihre Ansätze bei den europäischen Partnern zu werben und dabei auch zu prüfen, inwieweit die Initiative einer ausreichenden Zahl von EU-Mitgliedstaaten möglich sein wird, um mittelfristig den einschlägigen EU-Rechtsrahmen zu flexibilisieren und weiterzuentwickeln.

Quelle: BMG, Fokus-Sozialrecht

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PV-Beiträge: es wird kompliziert

Die von der Bundesregierung vorgelegte Pflegereform hat im Bundestag zu einer kontroversen Grundsatzdebatte über die langfristige Organisation und Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung geführt. Es fand am Donnerstag die erste Lesung des Gesetzentwurfs statt.

Erhöhung des Beitragssatzes

Die Ampelkoalition will mit der Pflegereform die Pflegebedürftigen entlasten und die Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung stabilisieren. Der Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sieht  zum 1. Juli 2023 eine Anhebung des Pflegebeitrags um 0,35 Punkte auf 3,4 Prozent vor. Das soll Mehreinnahmen in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Der Arbeitgeberanteil liegt paritätisch bei 1,7 Prozent. Die Bundesregierung soll außerdem dazu ermächtigt werden, den Beitragssatz künftig durch Rechtsverordnung festzusetzen, falls auf einen kurzfristigen Finanzierungsbedarf reagiert werden muss.

Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 zugunsten einer besseren Berücksichtigung der Kinderzahl bei den Pflegebeiträgen wird der Beitragssatz nach der Zahl der Kinder weiter ausdifferenziert. Der Beitragszuschlag für Kinderlose soll von derzeit 0,35 auf 0,6 Beitragssatzpunkte steigen.

Lebenslange Berücksichtigung der Elterneigenschaft

Eltern zahlen dann generell 0,6 Beitragssatzpunkte weniger als Kinderlose. Bei kinderlosen Mitgliedern gilt ein Beitragssatz in Höhe von 4%. Bei Mitgliedern mit einem Kind gilt demgegenüber nur ein Beitragssatz von 3,4%.

Ab zwei Kindern wird der Beitrag während der Erziehungsphase bis zum 25. Lebensjahr um 0,25 Beitragssatzpunkte je Kind bis zum fünften Kind weiter abgesenkt.  Nach der jeweiligen Erziehungsphase entfällt der Abschlag wieder.

Es gelten somit folgende Beitragssätze:

Mitglieder ohne Kinder 4,00% (Arbeitnehmer-Anteil: 2,3%)
mit 1 Kind3,40% (lebenslang) (Arbeitnehmer-Anteil: 1,7%)
mit 2 Kindern3,15% (Arbeitnehmer-Anteil: 1,45%)
mit 3 Kindern2,90% (Arbeitnehmer-Anteil: 1,2%)
mit 4 Kindern 2,65% (Arbeitnehmer-Anteil 0,95%)
mit 5 und mehr Kindern2,40% (Arbeitnehmer-Anteil 0,7%)
Der Arbeitgeberanteil beträgt immer 1,7%.

Leistungsverbesserungen ab 2024

Die Verbesserungen beim Pflegegeld, bei den ambulanten Sachleistungsbeträgen und beim Pflegeunterstützungsgeld sollen ab 2024 gelten, ebenso wie die Erhöhung der Zuschläge an Pflegebedürftige in vollstationären Pflegeeinrichtungen.

Quelle: Bundesgesundheitsministerium

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Einschränkung der Seenotrettung durch das Verkehrsministerium

Verkehrsminister Wissing macht dort weiter, wo sein Vorgänger Scheuer aufgehört hat. Bei der massiven Einschränkung der Seenotrettung.

Schon 2020 gab es unter Verkehrsminister Andreas Scheuer den Versuch die zivile Seenotrettung einzuschränken. Der gesetzliche Hintergrund ist, dass es für Schiffe technischen Anforderungen gibt, die ein Schiff erfüllen muss, abhängig von der Größe des Schiffes und für welchen Zweck es eingesetzt wird. Diese Regeln sollten so verschärft werden, dass auch Schiffe der zivilen Seenotrettung in Deutschland höhere technische Anforderungen vorweisen müssen. Dazu wird den Seenotrettungsschiffen per Verordnung unterstellt, dass sie in kommerzieller Absicht unterwegs seien.

Nicht kommerziell und ehrenamtlich

Natürlich ist Seenotrettung nicht kommerziell. Es werden keine Tickets an die Geretteten verkauft und die gesamte Crew arbeitet ehrenamtlich. Würden die höheren Anforderungen gelten, kämen auf die Seenotretter Kosten zu, die sie nicht stemmen können. Letztlich müsste die Rettung aufgegeben werden.

In einem Gespräch auf der Homepage von Mission Lifelline erläutert Jan Rosiwal von Mission Lifeline die Problemlage ausführlich und zeigt, dass ihre Schiffe auch ohne Verordnung sehr sicher sind.

2020 konnte die Verordnung vor Gericht wegen eines Formfehlers noch gestoppt werden. Jetzt startet das Verkehrsministerium einen neuen Versuch, die Verordnung durchzudrücken. Volker Wissing von der Porsche-Partei führt also die menschenverachtende Abschottungspolitik weiter und nimmt billigend noch mehr Opfer an den EU-Grenzen in Kauf.

Widerspruch zum Koalitionsvertrag

Die Pläne stehen auch im Widerspruch zum Koalitionsvertrag der Ampelkoalition. Darin heißt es: „Die zivile Seenotrettung darf nicht behindert werden.“ Der grüne EU-Parlamentarier Erik Marquardt kritisiert das Vorhaben scharf. Diese Schiffe zu behindern sei ein ganz klarer Angriff auf die zivile Seenotrettung.

Europa verschärft

Die geplante Verschärfung fügt sich ein in die immer rigidere Politik, die in Europa gegen die Seenotrettung gemacht wird. Ein aktuelles Beispiel ist ein italienisches Dekret, das jetzt vom Parlament in Rom bestätigt wurde und Gesetz wird. Es ist ein laut Völkerrechtlern europarechtswidriges Gesetz, welches die Seenotrettung empfindlich behindert und die EU-Kommission als Hüterin der Verträge auf den Plan rufen müsste. 

2022: Zweieinhalbtausend Tote im Mittelmeer

Demnach müssen zivile Seenotrettungsschiffe nach einer Seenotrettung unverzüglich den ihnen zugewiesenen Hafen ansteuern, auch wenn es nicht der nächstgelegene Hafen ist. Auf dem Weg darf es außerdem keine weiteren Rettungen geben. Die zugewiesenen Häfen sind oft weit entfernt. Eine schnelle Rückkehr in das Such- und Rettungsgebiet ist damit kaum möglich. Die Folge: Weniger Menschen können gerettet werden.​

Insgesamt sind im vergangenen Jahr nach UN-Angaben mindestens 2406 Menschen bei ihrer Flucht über das Mittelmeer gestorben oder werden vermisst.

Quellen: Mission Lifeline, Tagesschau, Monitor

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Transfusionsgesetz, diskriminierungsfrei

Der Bundestag hat am 16.03.2023 eine Änderung des Transfusionsgesetzes beschlossen. Damit wird die bestehende Diskriminierung von schwulen und bisexuellen Männern sowie transgeschlechtlichen Menschen bei der Blutspende abgeschafft.

sinkende Bereitschaft zum Blutspenden

Blutkonserven und Blutprodukte retten jeden Tag Menschenleben. Die Nachfrage nach diesen lebensrettenden, nach wie vor nicht synthetisch herstellbaren Blutprodukten ist ungebremst hoch. Infolge der Corona-Pandemie ist die Bereitschaft zu Blutspenden jedoch weiter signifikant gesunken und wird auch aufgrund der demographischen Entwicklung in Deutschland weiter sinken. Schon jetzt beklagen die Hilfsorganisationen einen eklatanten Mangel an Blutspenden, der noch zunehmen wird, wenn nicht entsprechend politisch gehandelt wird.

Diskriminierung

Trotz dieses Notstands, der täglich Menschenleben kosten kann, sind grundsätzlich spendenbereite homosexuelle Menschen, vor allem Männer, die Sex mit Männern haben, nach den derzeitigen Regelungen zur Blutspende in Deutschland faktisch weitgehend von Blutspenden ausgeschlossen, dies schließt Trans-Personen mit ein. Diese Regelungen und die prozeduralen Vorgaben werden von der überwältigenden Mehrheit der Betroffenen als Diskriminierung empfunden und nimmt vielen betroffenen Menschen von vorneherein die Bereitschaft zur Blutspende.

Pauschal auf homosexuelle Menschen bzw. auf Männer, die Sex mit Männern haben bzw. Trans-Personen, abzielende Ausschlusskriterien, die sich nicht am individuellen Risikoverhalten orientieren, stellt ebenso wie die vor einer Spende zu machende Auskunftspflicht über die sexuelle Orientierung eine nicht akzeptable Diskriminierung ohne medizinische Notwendigkeit dar, die in der Folge den Mangel an lebensrettenden Blutspenden verschärft. Dies gilt infolge der Corona-Pandemie umso mehr.

Risikoverhalten ist ausschlaggebend

Nicht die sexuelle Orientierung per se ist jedoch maßgeblich für ein Infektionsrisiko, sondern das tatsächliche, individuelle Risikoverhalten, zum Beispiel durch ungeschützten Sexualverkehr mit häufig wechselnden Partnerinnen und Partnern, u. a. aus dem Bereich der Prostitution. Dies trifft auf hetero- als auch auf homosexuelle Menschen gleichermaßen zu. Unbestritten muss die medizinische Sicherheit der Blutspenden für die Empfänger höchste Priorität haben. Mittlerweile garantieren allerdings sehr hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Spende selbst als auch bei der Weiterverarbeitung der Blutspenden, dass das Risiko einer Infektion infolge einer Bluttransfusion verschwindend gering ist.

Österreichisches Modell

Ein Lösungsweg, der die Aspekte Sicherheit der Blutspenden und Diskriminierungsfreiheit aller Spender sinnvoll zusammenführt, ist das im Sommer 2022 in Österreich eingeführte Modell. Hier gilt die sogenannte „3 mal 3-Regel“: Wer innerhalb der vergangenen drei Monate mit mehr als drei verschiedenen Partnern Geschlechtsverkehr hatte und ein entsprechendes Risiko vermutet, wird für drei Monate von der Blutspende ausgenommen – unabhängig davon, ob die Person homosexuell oder ein Trans-Person ist oder nicht. Diese Regel basiert auf den modernen Blutanalysetechniken, ist evidenzbasiert und bildet den aktuellen wissenschaftlichen Stand ab. Dabei muss die spendenbereite Person ihre sexuelle Orientierung im Voraus nicht angeben. So ist jede Form von Diskriminierung gänzlich ausgeschlossen. Dieses Modell sollte daher in deutsches Recht überführt werden. Nach Einführung des österreichischen Modells in das deutsche Recht würde sich die Zahl der Blutspenden in der Konsequenz signifikant erhöhen, womit Tag für Tag Leben gerettet werden könnten.

Quelle: Bundestag

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Lichtblicke aus Brüssel

Während sich Deutschland immer noch schwer tut mit der Bekämpfung der drohenden Klimakatastrophe, gibt es ab und an ermutigende Zeichen von der EU.

Klimaziele verfehlt? Egal!

Was passiert gerade in Deutschland? Das Klimaschutzgesetz soll entschärft werden. Der Koalitionsausschuss hat sich neulich darauf geeinigt, dass die sektorspezifischen Ziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen abgeschafft werden sollen. Beschlossen ist das aber nicht, es gibt noch nicht mal einen Gesetzentwurf dazu. Daher ist die Rechtslage immer noch so, dass Minister wie der Verkehrsminister, der die Klimaziele deutlich verfehlt hat, verpflichtet ist, bis Mitte Juni ein Sofortprogramm vorlegen, das mit konkreten Maßnahmen zeigt, wie der Verkehr wieder auf Klimakurs kommt.

Kanzler Scholz hebelt das Gesetz mit einer „Weisung“ aus. Verkehrsminister Wissing muss nichts tun, schließlich wolle man ja die Rechtslage ändern. Diese Form von Demokratieverständnis ist auch für die SPD ziemlich neu. Die Aufregung hält sich in Grenzen. Stattdessen wird von den „staatstragenden Parteien“ eine längere Haftstrafe für „Klimakleber“ bejubelt. Da fragt man sich, wer die größere kriminelle Energie hat und wer die wahren „Klimaterroristen“ sind.

Und die EU?

Nach dem Rat der Mitgliedsländer hat nun auch das Europäische Parlament das Herzstück des Europäischen Green Deals beschlossen. Die EU-Staaten müssen dem Plan noch zustimmen, was jedoch als Formsache gilt.

Das Paket enthält:

  • Die Verschärfung des EU-Emissionshandels für Energieproduktion und Industrie (ETS1)
  • Reform zur Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel
  • Die Absicherung für die energieintensive Industrie durch einen Grenzausgleichsmechanismus (“CBAM”)
  • Die Einführung eines zweiten Emissionshandels für die Bereiche Gebäude und Verkehr (ETS2)
  • Die Einführung eines EU-Klimasozialfonds

Erfolg der Protestbewegung

Dieses Klimapaket wurde nur durch die Zuspitzung der Klimakrise und die Protestbewegung Fridays for Future möglich. Sie hatte großen Einfluss auf das Ergebnis der Europawahlen 2019.

harte Deckel

Der EU-Emissionshandel setzt harte Deckel für die Treibhausgasemissionen. Leider galt er bisher nur für gut 40% der Gesamtemissionen. Durch den neuen Emissionshandel für Gebäude und Verkehr sowie die Erweiterung des ETS1 für kleinere Industriebetriebe werden künftig über 85% aller EU-Treibhausgasemissionen vom Emissionshandel erfasst. Auch Verkehr und Gebäude, die beim Klimaschutz bisher besonders schlecht geliefert haben, sind nun durch einen echten Emissionsdeckel erfasst. Zudem werden die Emissionsminderungsanstrengung für Industrie und Kraftwerke auf -62% bis 2030 gegenüber 2005 (bisher sind es -43%) erhöht.

Sozialer Ausgleich

Doch gerade mit der Ausweitung auf Gebäude und Verkehr stellen sich soziale Fragen. Erstmals im europäischen Recht überhaupt, beschließt die EU im Mehrheitsverfahren einen starken sozialen Ausgleich. Erstmals beschließt die EU parallel zu einer regulatorischen Maßnahme im Binnenmarkt gleichzeitig einen Ausgleich sozialer Folgekosten. Dabei startet der Klimasozialfonds schon in 2026, während der ETS2 erst zum 1.1.2027 startet. Insgesamt stellen die EU sowie die Mitgliedsstaaten rund 87 Mrd. Euro zur Verfügung, um Klimaschutz sozial gerecht zu machen. Nun liegt es an den Mitgliedsstaaten, diese Gelder so auszugeben, dass die verletzlichsten Mitbürger*innen präzise erreicht werden.

Darüber hinaus wird eine Art Klimazoll für Drittländer eingeführt, der sogenannte Kohlendioxid-Grenzausgleichsmechanismus, der ab 2034 vollständig gelten soll. So müssen künftig auch Produzenten im Ausland für den Ausstoß von CO2 zahlen, wenn sie ihre Ware in der EU verkaufen wollen.

Quellen: T-Online, Sven Giegold

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3.000 neue Hilfsmittel

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) berichtete am 11. April über die aktuelle Überarbeitung des Hilfs- und Pflegehilfsmittelverzeichnisses. Die 41 Produktgruppen des Verzeichnisses werden regelmäßig fortgeschrieben, damit relevante medizinische und technische Erkenntnisse und Entwicklungen möglichst schnell bei den Versicherten ankommen.

Patient*innen-Vertreter beteiligt

Zusätzlich zu den fast 3.000 neu aufgenommenen Hilfsmitteln wurden 1.431 Hilfsmittel aktualisiert. 338 Produkte, die veraltet sind oder nicht mehr hergestellt werden, wurden aus dem Verzeichnis gelöscht. Bei der Fortschreibung sind zahlreiche weitere Institutionen beteiligt, unter anderem Vertretungen von Patientinnen und Patienten.

Gesetzliche Grundlagen

Die Versorgung mit Hilfsmitteln im Sinne des § 33 SGB V ist Teil der medizinischen Vorsorgeleistungen und der Krankenbehandlung.
Nach § 139 Abs. 1 SGB V erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen.

Beratungsverpflichtung

GKV-Versicherte haben Anspruch auf eine mehrkostenfreie Versorgung mit Hilfs- und Pflegehilfsmitteln. Die im Hilfsmittelverzeichnis festgelegten Beratungsverpflichtungen stellen sicher, dass gesetzlich Versicherte – immerhin 90 Prozent der Gesamtbevölkerung – nicht durch ungerechtfertigte Mehrkosten belastet werden. Leistungserbringende wie Sanitätshäuser, Orthopädiefachgeschäfte oder Hörakustikerinnen und -akustiker müssen stets aktiv über diesen Versorgungsanspruch informieren, eine Auswahl an mehrkostenfreien Hilfsmitteln anbieten und auf eventuelle Mehrkosten ausdrücklich hinweisen.

Digitale Pflegehilfsmittel helfen bei selbstständigem Leben

Zu den neu aufgenommenen digitalen Hilfsmitteln zählt zum Beispiel ein digitaler Medikamentenspender, der Pflegebedürftige dabei unterstützt, selbstständig ihre Medikamente zu nehmen. Außerdem gibt es jetzt ein Assistenzsystem als Pflegehilfsmittel, das unter anderem Stürze erkennt. Allen Produkten ist gemein, dass sie selbstständiges Leben unterstützen. Sie zählen zur Produktgruppe 52 (Pflegehilfsmittel zur selbständigeren Lebensführung/Mobilität).

Neuer orthopädischer Roller

Ein Beispiel für die vielen neuen nicht-digitalen Hilfsmittel ist ein dreirädriger orthopädischer Roller für Menschen mit bestimmten Einschränkungen: Der Unterschenkel liegt hier auf einer gepolsterten Auflage, mit dem gesunden Bein nimmt man Schwung. Der Roller ermöglicht eine selbstständige, sichere Fortbewegung mit wenig Kraftaufwand. Diese Innovation hat über das Antragsverfahren den Weg in die Versorgung gefunden und ist Teil der Produktgruppe 22 (Mobilitätshilfen).

Hilfe bei Ödemen

Für Menschen mit bestimmten Ödemen gibt es jetzt medizinisch adaptive Kompressionssysteme (MAK), die zur Entstauung eingesetzt werden. Anders als die üblichen Kompressionsbandagierungen können Versicherte diese einfach selbst anlegen und mit einem Klettverschluss anpassen. MAK gehören zur Produktgruppe 17 (Hilfsmittel zur Kompressionstherapie) und kommen unter anderem beim Lymphödem und beim ausgeprägten venösen Ödem zum Einsatz.

Aktualisierung des Hilfsmittelverzeichnisses wird fortgesetzt

Seit der 2018 abgeschlossenen Gesamtfortschreibung des Hilfs- und Pflegehilfsmittelverzeichnisses wurden bereits 30 Produktgruppen erneut überarbeitet, 15 davon im vergangenen Jahr. Elf weitere Fortschreibungen sind in Arbeit. Bis Ende 2023 werden voraussichtlich alle 41 bestehenden Produktgruppen erneut aktualisiert sein. Neu kommt die Produktgruppe 30 (Hilfsmittel zum Glukosemanagement) hinzu, um den besonders innovationsstarken Bereich der Insulintherapie besser abzubilden.

Quelle: GKV

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Wokeness und Sonderurlaub

Wenn man zwei sehr unterschiedliche Dinge miteinander verknüpft, kann das für heftige Aufregung sorgen. Zum einen gab es einen Gesetzentwurf des Familienministeriums („Familienstartzeitgesetz„) und zum anderen die vermeintliche Abschaffung des Begriffs „Mutter“ durch die Tagesschau.

10 Arbeitstage nach der Geburt

Aber der Reihe nach: Das BMFSFJ setzt mit dem Familienstartzeitgesetz eine EU-Richtlinie und ein Vorhaben aus dem Koalititonsvertrag um. Kernpunkt ist ein zweiwöchiger Sonderurlaub nach einer Geburt, parallel zum Mutterschaftsurlaub, der in der Regel 12 Wochen nach der Geburt dauert.

Zehn Arbeitstage sollen Partnerinnen oder Partner der Mutter künftig nach der Geburt freigestellt werden. Alleinerziehende können eine Person aus ihrem Bekanntenkreis benennen, der der Anspruch auf den Sonderurlaub dann zugesprochen wird.

Umlageverfahren

Die Kosten hierfür sollen laut dem Gesetzentwurf nicht die Arbeitgeber*innen tragen, sondern werden durch ein Umlageverfahren finanziert. Es ist das gleiche Verfahren, das bislang für die Mutterschaftsleistungen gilt. Dabei zahlen Arbeitgeber*innen eine Umlage und bekommen dann die zu zahlenden Mutterschaftsbezüge von der Krankenkasse erstattet.

Die bezahlte Freistellung, der zehntägige Sonderurlaub läßt insbesondere ärmere Familien profitieren. Die Begründung aus dem Familienministerium lautet: Mütter und Väter, die nicht über große finanzielle Mittel verfügen, arbeiteten oft in körperlich anstrengenden Berufen, im Schichtdienst oder sie hätten lange Wege zur Arbeit zurückzulegen. Durch den Sonderurlaub würde folglich grade ihnen der Start in die erweiterte Familienzeit erleichtert werden.

Länger Elterngeld bei Frühgeburten

Zeitgleich mit der Partnerfreistellung nach der Geburt soll die Änderung des Mutterschutzgesetzes auch Eltern von Frühchen stärker berücksichtigen. Eltern, deren Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, sollen künftig einen weiteren Monat Basiselterngeld erhalten. Damit sollen Familien besser unterstützt werden, die einen höheren Bedarf für Pflege und Erziehung benötigen.

Nicht alle Mütter sind Gebärende

Bei der Berichterstattung über den Gesetzentwurf verwendete die Tagesschau zunächst statt den Begriff „Mutter“ die Begriffe „entbindende Person“ und „gebärende Personen“. Es gibt nun mal Familien mit zwei Müttern statt Vater und Mutter. Mit der Formulierung soll klargestellt werden, dass natürlich der neue Sonderurlaub für die Partnerin der gebärenden Mutter gilt.

Was ist woke?

Das verschaffte dem eigentlich unspektakulären Gesetzentwurf eine enorme Resonanz. Man darf nun nicht mehr „Mutter“ sagen! Der Untergang des Abendlands droht! Und alles nur wegen der „woken“ Verbotspolitik!

Ich bin sicher, dass die meisten Menschen, die andere als „woke“ beschimpfen, gar nicht wissen, was das bedeutet. Der Begriff „woke“ entstand in den 30er Jahren des letzten Jahhunderts in den USA und beschreibt ein „erwachtes“ Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus.

Der Begriff wird von Konservativen und Rechten bis hin zu Rechtsextremen abwertend verwendet und politisch instrumentalisiert. Bemühungen gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie oder Transphobie werden als „abartig, verrückt, gefährlich und als unmittelbare Bedrohung“ für die althergebrachte Lebensweise dargestellt.

Aufschrei bei den üblichen Verdächtigen

Kein Wunder also, dass der Versuch der Tagesschau, eine möglichst genaue und alle einschließende Formulierung zu wählen einen Aufschrei bei den üblichen konservativen Politikern im Einklang mit der AFD und den Propagandisten der Springer-Presse auslöste.

Die Tagesschau hat den Begriff später korrigiert, leider ohne Erklärung, nur dass es „Missverständnisse“ gegeben habe, und wieder „Mutter“ verwendet.

Das Familienstartzeitgesetz soll übrigens ab 1. Januar 2024 gelten.

Quellen: Tagesschau, buerger-geld.org

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