Sichere Herkunftsländer

Der Gesetzesentwurf zur Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten (SHS) sieht vor, diese künftig per Rechtsverordnung der Bundesregierung anstatt per zustimmungspflichtigem Bundesgesetz festzulegen. Ziel ist die Beschleunigung der Verfahren durch Umgehung des aufwendigen parlamentarischen Prozesses, wodurch die Zustimmung des Bundesrates sowie die Expertenanhörung entfallen. Kritiker sehen hierin einen Widerspruch zum Verfassungsrecht (Art. 16a Abs. 3 GG), da es sich um einen grundrechtlich wesentlichen Eingriff handelt, der dem Parlament vorbehalten ist. Zudem drohen Intransparenz und mangelhafte Begründung, da die Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung und Offenlegung der Informationsquellen im Entwurf fehlt. Trotz geringer quantitativer Entlastung (3 Prozent der Asylsuchenden kommen aus den geplanten Staaten) dient die Maßnahme primär der politischen Symbolik. (Ausführliche Kritik dazu auf verfassungsblog.de von Valentin Feneberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Leuphana Universität Lüneburg)

Abschaffung des anwaltlichen Vertreters

Zu dem geplanten Gesetz (21/780) gab es am 6. Oktober 2025 eine Anhörung im Innenausschuss. Die Experten-Bewertungen dazu waren gegensätzlich. Es ging nicht nur um die „Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten durch Rechtsverordnung“, sondern auch um die „Abschaffung des anwaltlichen Vertreters bei Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam“. Die Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten soll sich künftig nur bei Asylanträgen nach der EU-Richtlinie 2013/32/EU ändern, nicht wenn es um eine Asylberechtigung im Sinne des Paragrafen 16a des Grundgesetzes geht.

Frühwarnsystem Pflichtanwalt?

Falk Fritzsch, Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg, befand, die Ausgangslage sei durch Vollzugsdefizite bei der Durchsetzung von Ausreisepflichten geprägt. EU-weit reise nur jeder fünfte Ausreisepflichtige aus. Er kritisierte, dass mit der Einführung des Paragrafen 62d in das Aufenthaltsgesetz durch die vorigen Koalitionsfraktionen 2024 neue Vollzugshindernisse geschaffen worden seien. Durch die Pflichtanwaltsbestellung sei ein Frühwarnsystem geschaffen worden, das es ermögliche, sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen. Fritzsch sprach sich für eine Aufhebung der Regelung aus, wie dies der Gesetzentwurf vorsehe.

Umgehung der Zustimmungspflichtigkeit verfassungswidrig?

Wiebke Judith, Pro Asyl, verwies darauf, dass die Asylantragszahlen seit 2024 stark zurückgegangen, die Zahlen der Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen dagegen gestiegen seien. Die Grundthese des Gesetzentwurfs, dass Deutschland aufgrund von zu hohen Asylantragszahlen auf Abschreckung setzen müsse, sei offensichtlich falsch. Das Europarecht erlaube nationale Listen sicherer Herkunftsstaaten. Das Grundgesetz sehe dafür ein Gesetzgebungsverfahren mit Zustimmung des Bundesrates vor. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Umgehung der Zustimmungspflichtigkeit sei verfassungswidrig. Dass Anwaltspflicht vorgeschrieben worden sei, ist für Judith eine folgerichtige Reaktion auf eine hohe Quote unrechtmäßiger Haftanordnungen.

Erhebliche Probleme in der Praxis

Stefan Keßler, Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland, sagte, er halte die vorgesehene Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats für verfassungswidrig. Der Kreis der unter erheblichen Einschränkungen leidenden Schutzsuchenden würde unangemessen erweitert. Die Regelung werde nach seiner Ansicht zu erheblichen Problemen in der Praxis führen und nicht zur Beschleunigung der Asylverfahren beitragen. Die Streichung der Regelung über die Pflichtbeiordnung anwaltlichen Beistands würde die Notlage der betroffenen Menschen erneut verschlimmern.

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden?

Holger Kolb, Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) beklagte, dass die Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsländer im Bundesrat gescheitert sei. Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht, legte dar, die Bearbeitung asylrechtlicher Verfahren binde etwa die Hälfte der Arbeitskraft der Verwaltungsrichter in Deutschland. Er halte den Gesetzentwurf für geeignet, das mit ihm verfolgte Beschleunigungsziel zu erreichen. Die Regelungen des Gesetzentwurfs seien unions- und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Veronika Vaith, Leiterin der Zentralen Ausländerbehörde Niederbayern, erklärte, aus Sicht der Vollzugspraxis sei das Vorhaben der neuen Bundesregierung sehr zu begrüßen.

Quellen: Bundestag, Verfassungsblog

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GEAS – die Folgen für Kinder

Das GEAS-Anpassungsfolgegesetz zur Umsetzung der EU-Asylreform, Anfang September im Bundeskabinett beschlossen, stellt einen tiefgreifenden Einschnitt mit weitreichenden Folgen für Kinder und Jugendliche dar, die einen erheblichen Teil der Schutzsuchenden ausmachen. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie UNICEF und die AWO plädieren dafür, bestehende Spielräume für eine humane Flüchtlingspolitik zu nutzen und nur die notwendigsten Verschärfungen umzusetzen. Kinder und Jugendliche gelten als eigenständige Rechtsträger, deren Wohl in jedem Einzelfall vorrangig zu berücksichtigen und handlungsleitend sein muss.

Unbegleitete Minderjährige

Besondere Herausforderungen bestehen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMA). Obwohl UMA grundsätzlich vom Grenzasylverfahren ausgenommen sind, wird dies von Fachverbänden nicht als Grund zur Entspannung gewertet. Der Minderjährigenschutz in den Reformvorhaben ist noch nicht ausreichend konkretisiert, insbesondere im Hinblick auf die Altersfeststellung. Die Altersfeststellung ist entscheidend, da sie über das weitere Verfahren entscheidet. Kritisiert wird das Fehlen von Standards zur Durchführung, zur rechtlichen Vertretung und zur Anfechtbarkeit der Ergebnisse. Es besteht die Gefahr, dass Minderjährige ohne Rechtsbeistand durch eine Volljährigkeitsschätzung in das Grenzverfahren geraten.  

Inhaftierung von Kindern nicht ausgeschlossen

Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass die Gesetzentwürfe Inhaftierungen von Kindern – ob begleitet oder unbegleitet – im Migrationskontext nicht explizit ausschließen. UNICEF fordert eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die jede Form der Haft von Kindern ausschließt, da diese mit dem Kindeswohl unvereinbar sei. Ebenso wird die Möglichkeit neuer Sonderunterbringungen kritisiert, die mit Freiheitsbeschränkungen oder Leistungskürzungen einhergehen können.  

Bessere medizinische Versorgung

Positiv wird hingegen die geplante Erweiterung der medizinischen Versorgung für minderjährige Asylbewerberinnen und Asylbewerber gewertet. Personen mit einer Aufenthaltsgestattung sollen künftig uneingeschränkten Zugang zu Hilfen zur Gesundheit nach dem SGB XII erhalten, was über die bisher nur auf Akutbehandlung und Schmerzzustände beschränkten Leistungen hinausgeht.

Weitergabe personenbezogener Informationen

Verfahrensgarantien, wie eine individuelle Kindeswohlprüfung und die unabhängige rechtliche Vertretung, müssen gesetzlich abgesichert werden. Zudem wird die geplante umfassende Weitergabe personenbezogener Informationen, insbesondere sogenannter „altersspezifischer Umstände“ an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), kritisiert, da dies den Schutz sensibler Daten verletzen könnte.

Was ist GEAS?

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) ist die Antwort der Europäischen Union auf die Herausforderungen in der Migrationspolitik. Ab 2026 gelten für alle EU-Staaten die gleichen Regeln, wie Asylverfahren ablaufen sollen. So soll sichergestellt werden, dass überall nach denselben Standards entschieden wird – unabhängig davon, in welchem Land ein Antrag gestellt wird.

Neuerungen im GEAS

  • EU-Außengrenzverfahren: Künftig kann noch vor Einreise an den EU-Außengrenzen eine schnelle Durchführung von Asylverfahren ermöglicht werden. Für diese Verfahren gibt es einen unabhängigen Kontrollmechanismus, der sicherstellt, dass Grund- und Menschenrechte eingehalten werden.
  • Schnelle und einheitliche Verfahren: Entscheidungen sollen innerhalb weniger Tage oder Wochen fallen – nicht erst nach Monaten.
  • Verantwortung und Solidarität in Europa: Staaten an den Außengrenzen sollen nicht alleingelassen werden. Alle EU-Staaten leisten ihren Beitrag – durch Aufnahme von Menschen oder durch finanzielle Unterstützung.

Stellungnahmen

Eine umfassende Stellungnahme und ausführliche Kritik zum gesamten Gesetzentwurf hat der deutsche Juristinnenbund veröffentlicht. Ebenso die AWO.

unicef, Save the Children und das Kompetenzzentrum Jugendcheck haben Stellungnahmen mit dem Fokus auf geflüchtete Kinder und Jugendliche abgegeben.

Quellen: Bundeskabinett, djb, AWO, unicef, KomJC, Save the Children

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Ganztag während der Schulferien

Während der Schulferien sollen nun auch Angebote der Jugendarbeit eines öffentlichen oder anerkannten freien Trägers gefördert werden können. Das Bundeskabinett hat am 1. Oktober das „Gesetz zur Stärkung der Angebote der Jugendarbeit im Ganztag während der Schulferien“ auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung greift damit auch auf eine Gesetzesinitiative des Bundesrats vom 13. Juni 2025 zurück.

Ziele

Ziel sei es, so die Bundesregierung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und Kindern bessere Bildungs- und Teilhabechancen zu ermöglichen. Mit dem Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) gelte ab dem 1. August 2026 stufenweise ein Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung für Kinder im Grundschulalter. Zur Umsetzung können Kindertageseinrichtungen oder Schulen mit externen Partnern wie Sportvereinen oder Jugendverbänden kooperieren. Mit der Änderung des § 24 SGB VIII soll ein Anspruch des Kindes eingeführt werden auf Förderung in Tageseinrichtungen an Werktagen im Umfang von acht Stunden täglich. Der Anspruch ist grundsätzlich auch in unterrichtsfreien Zeiten zu erfüllen. Die Länder können eine Schließzeit der Einrichtung im Umfang von bis zu vier Wochen im Jahr während der Schulferien (nicht notwendigerweise zusammenhängend) regeln.

Die Jugendarbeit sei in den Zeiten der Schulferien von besonderer Bedeutung, heißt es in der Gesetzesbegründung. Die Ferienzeit schaffe für Kinder Raum für Erholung sowie für Selbstorganisation und kann nach den individuellen Interessen, Bedarfen und Wünschen der Kinder gestaltet werden.

Stellungnahme des BAGFW

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) begrüßt die Gesetzesinitiative in ihrer Stellungnahme vom 16.9.25. Es bestehe aber noch ein erheblicher Klärungs- und Konkretisierungsbedarf bezüglich der rechtsanspruchs-erfüllenden Umsetzung. Bund, Länder und Kommunen müssten die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen, um die benötigten verlässlichen Strukturen – sowohl in der Ganztagsförderung als auch der Jugendarbeit – zu sichern und auszubauen. Nur so könne gewährleistet werden, dass alle Kinder Zugang zu qualitativ hochwertigen Bildungs- und Betreuungsangeboten erhalten und bewährte Angebote gefestigt werden.

Quellen: Paritätischer Gesamtverband, Bundeskabinett

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Sachbezugswerte 2026

Mit der Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung werden jedes Jahr die Sachbezüge für das kommende Jahr festgeschrieben. Die entsprechende Verordnung für das Jahr 2026 existiert schon – als noch nicht frei zugänglicher Referentenentwurf. Das Internetportal des Haufe-Verlags hat offensichtlich schon Zugang zu dem Verordnungsentwurf. Auf haufe.de wurden die neuen Sachbezugswerte veröffentlicht und ausführlich beschrieben.

Sachbezug Verpflegung 2026

Der Monatswert für Verpflegung soll ab 1.1.2026 von 333 Euro auf 345 Euro angehoben werden. Damit sind für verbilligte oder unentgeltliche Mahlzeiten

  • für ein Frühstück 2,37 Euro (bisher 2,30 Euro)
  • für ein Mittag- oder Abendessen 4,57 Euro (bisher 4,40 Euro)

je Kalendertag anzusetzen. Der kalendertägliche Gesamtwert für Verpflegung liegt demnach bei 11,51 Euro (bisher 11,10 Euro).

Sachbezug Unterkunft 2026

Ab 1.1.2026 soll der Wert für Unterkunft oder Mieten 285 Euro (bisher 282 Euro) betragen. Der Wert der Unterkunft kann auch mit dem ortsüblichen Mietpreis bewertet werden, wenn der Tabellenwert nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre (§ 2 Abs. 3 der SvEV). Kalendertäglich soll der Wert ab dem 1.1.2026 9,50 Euro (bisher 9,40 Euro) betragen.

Verbraucherpreisindex

Für die Sachbezüge 2026 ist der Verbraucherpreisindex im Zeitraum von Juli 2024 bis Juni 2025 maßgeblich.

Was ist ein Sachbezug?

Als Sachbezug bezeichnet man Einnahmen, die nicht in Geld bestehen oder geldwerte Vorteile (gwV), die den Empfänger bereichern, oder den Naturallohn. Damit gehört der Wert eines Sachbezugs bei einem Arbeitnehmer zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Ein Sachbezug wird jedoch nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG bis 50 Euro im Kalendermonat nicht zum Arbeitslohn gezählt (Freigrenze).

Quellen: Haufe, FOKUS-Sozialrecht, wikipedia

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