Sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Das Bundeskabinett hat den „Gesetzentwurf zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ auf den parlamentarischen Weg gebracht.

Hohe Zahl an Gewaltopfer

Kinder und Jugendliche vor allen Formen von Gewalt, insbesondere vor sexueller Gewalt und Ausbeutung zu schützen, zählt zu den grundlegenden Aufgaben des Staates und der Gesellschaft. Aus den in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2023 ersichtlichen Entwicklungen resultiert ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Denn die Daten der jährlichen PKS zu kindlichen Gewaltopfern weisen ein konstant hohes Niveau aus, das nicht hingenommen werden kann. Die PKS weist 3.443 Fälle von Kindesmisshandlung mit insgesamt 4.336 Opfern aus. Insbesondere aber die Fallzahlen des sexuellen Missbrauchs von Kindern sind mit 16.375 Fällen (2022: 15.520) konstant hoch. Insgesamt weist die PKS hier 18.497 Opfer aus, 75,6 Prozent davon waren weiblich. 16.291 Opfer waren zwischen sechs und 14 Jahren alt, 2.206 betroffene Kinder waren jünger als sechs Jahre.

Große Dunkelziffer

Empirische Studien sowie Schätzungen der WHO (WHO 2013 „Europäischer Bericht über die Prävention von Kindesmisshandlung“) und des Europarates geben zudem berechtigte Hinweise darauf, dass das Dunkelfeld der nicht systematisch erfassten Fälle von allen Formen von Gewalt gegen Kinder um ein Vielfaches größer ist.

Ziele des Gesetzes

Der Gesetzentwurf verfolgt daher folgende Ziele:

  1. Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen und Einführung einer forschungsbasierten Berichtspflicht,
  2. stärkere Beachtung der Belange von Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexuelle Gewalt oder Ausbeutung erfahren oder erfahren haben,
  3. Fortentwicklung von Aufarbeitungsprozessen in Deutschland und Sicherstellung beratender Unterstützung zur individuellen Aufarbeitung und
  4. die weitere Stärkung von Prävention und Qualitätsentwicklung im Kinderschutz.

    Dieser Gesetzentwurf steht im Kontext der gefährdeten rechtzeitigen Erreichung der Ziele der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 25. September 2015 „Transformation unserer Welt: die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ und trägt insbesondere zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 16 bei, leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und transparente Institutionen auf allen Ebenen aufzubauen und Missbrauch und Ausbeutung von Kindern, den Kinderhandel, Folter und alle Formen von Gewalt gegen Kinder zu beenden.

Unabhängige Bundesbeauftragte

Den Hauptbestandteil des Gesetzentwurfes stellt die gesetzliche Verankerung der Struktur der oder des Unabhängigen Bundesbeauftragten gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (Unabhängige Bundesbeauftragte oder Unabhängiger Bundesbeauftragter) selbst dar. Die oder der Unabhängige Bundesbeauftragte steht zum Bund in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Zu ihrer oder seiner Struktur gehören der Arbeitsstab der oder des Unabhängigen Beauftragten, ein dort angesiedelter Betroffenenrat, der die Einbeziehung der Belange von Betroffenen sicherstellt, und eine Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, die dem berechtigten Interesse der Betroffenen, aber auch der Notwendigkeit für Staat und Gesellschaft Rechnung trägt, Unrecht an Kindern und Jugendlichen individuell und institutionell aufzuarbeiten, es öffentlich zu benennen und die öffentliche Debatte hierüber versachlicht zu führen.

Berichtspflicht

Der Gesetzentwurf sieht zudem eine Berichtspflicht für die Unabhängige Bundesbeauftragte oder den Unabhängigen Bundesbeauftragten vor, die einen wiederkehrenden Lagebericht zum Ausmaß sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche (on- und offline) beinhaltet und die Identifizierung von Lücken und Bedarfen für wirkungsvolle Ansätze zur Prävention und Intervention und für Hilfen sowie zur Forschung und Aufarbeitung enthält.

Beratungsservice

Um Betroffene wirksam und verlässlich bei individuellen Aufarbeitungsprozessen zu unterstützen, wird der Bund ein Beratungssystem bereitstellen. Es wird ein Beratungsservice finanziert, der geeignet ist, die individuelle Aufarbeitung zu fördern und damit die Lebenssituation von Betroffenen zu verbessern. Betroffene werden dadurch auch darin unterstützt, Aufarbeitungsprozesse gegenüber dem sozialen Nahbereich oder der Institution, in der sie sexuelle Gewalt oder Ausbeutung erlitten haben, aktiv mitzugestalten.

Die Verbindlichkeit des staatlichen Auftrags zur allgemeinen Aufklärung, Sensibilisierung und Qualifizierung wird durch einen gesetzlichen Auftrag an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung konkretisiert. Denn für einen wirkungsvollen Schutz ist kindzentrierte Prävention, Aufklärung und Fortbildung von zentraler Bedeutung.

Schutzkonzepte

Der Gesetzentwurf beinhaltet darüber hinaus eine Erweiterung der verpflichtenden Anwendung von Schutzkonzepten. Eine verbindliche Qualitätsentwicklung und -sicherung zum Gewaltschutz soll nicht mehr nur auf Einrichtungen und Familienpflege beschränkt sein, sondern sich auf alle Aufgabenbereiche der Kinder- und Jugendhilfe beziehen. Um aus Fällen wie „Staufen“ und „Lügde“ zu lernen, werden Fallanalysen problematischer Kinderschutzverläufe ausdrücklich als Bestandteil der dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe obliegenden Qualitätsentwicklung geregelt und durch die notwendigen datenschutzrechtlichen Regelungen flankiert. Betroffene bekommen ausdrücklich Zugang zu Akten bei den nach Landesrecht zuständigen Trägern der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe (in der Regel das Jugendamt), das ihnen hierzu auch Auskunft erteilt. Zudem stellt der nach Landesrecht zuständige Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe (in der Regel das Jugendamt) durch Vereinbarungen sicher, dass Betroffene auch bei Leistungserbringern Einsicht in die Akten und Auskünfte hierzu erhalten. Darüber hinaus wird dauerhaft ein telefonisches Beratungsangebot im medizinischen Kinderschutz verankert.

Quelle: BMFSFJ, Bundesregierung, UNRIC, wikipedia, WHO

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Reform der Notfallversorgung

Ziel des Gesetzesentwurfs ist die Verbesserung und Vernetzung der bisherigen Teilbereiche der medizinischen Notfall- und Akutversorgung. Hierfür sollen sog. Integrierte Notfallzentren eingerichtet und so künftig bundesweit eine einheitliche sektorübergreifende Notfallinfrastruktur gewährleistet werden. Zudem sollen die notdienstliche Akutversorgung der Kassenärztlichen Vereinigung ausgebaut bzw. durch die verpflichtende Einrichtung eines telemedizinischen Versorgungsangebots eine bessere Erstversorgung der Patientinnen und Patienten sichergestellt werden.

Defizite bei der Steuerung

Laut Bundesministerium für Gesundheit gebe es Defizite bei der effizienten Steuerung von Hilfesuchenden in die richtige Versorgungsebene, so dass Hilfesuchende zunächst selbst über den für sie richtigen Versorgungsbereich entscheiden. Erschwerend kommt hinzu, dass derzeit die Steuerung von Hilfesuchenden grundsätzlich durch zwei unterschiedliche telefonische Anlaufstellen erfolgt – einerseits über die Telefonnummer 116117 der Kassenärztlichen Vereinigungen andererseits durch die Notrufnummer 112, die bei den Rettungsleitstellen entgegengenommen werden.

Akutleitstelle

Die bisherigen Aufgaben der Terminservicestelle im Bereich der Akutfallvermittlung soll zukünftig die sogenannte Akutleitstelle der Kassenärztlichen Vereinigung wahrnehmen. Deren Vernetzung mit den Rettungsleitstellen soll eine bessere Steuerung von Hilfesuchenden ermöglichen. Dabei soll die digitale Fallübergabe mit medienbruchfreier Übermittlung bereits erhobener Daten wechselseitig möglich sein. Im Ergebnis werden durch diese bedarfsgerechte Steuerung sowohl Notaufnahmen als auch Rettungsdienste entlastet.

telemedizinische und aufsuchende Versorgung

Darüber hinaus soll die notdienstliche Akutversorgung der Kassenärztlichen Vereinigungen durch Konkretisierung des Sicherstellungsauftrages ausgebaut werden. Zur Sicherstellung einer medizinisch notwendigen Erstversorgung von Patientinnen und Patienten mit akutem Behandlungsbedarf werden die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, durchgängig eine telemedizinische und eine aufsuchende Versorgung bereitzustellen. Durch die stärkere Nutzung der Möglichkeiten der Telemedizin kann die Versorgung von Patientinnen und Patienten verbessert und gleichzeitig eine Entlastung von Ärztinnen und Ärzten erreicht werden. Eine aufsuchende und telemedizinische Versorgung trägt der demografischen Entwicklung und dem Wohl immobiler Patientinnen und Patienten Rechnung.

Integrierte Notfallzentren

Integrierte Notfallzentren werden als sektorenübergreifende Notfallversorgungsstrukturen etabliert. In diesen arbeiten zugelassene Krankenhäuser und die Kassenärztlichen Vereinigungen verbindlich so zusammen, dass immer eine bedarfsgerechte ambulante medizinische Erstversorgung bereitsteht. Die Integrierten Notfallzentren bestehen

  • aus der Notaufnahme eines Krankenhauses,
  • einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung im oder am Krankenhausstandort
  • und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen und ausgewählte Krankenhäuser werden verpflichtet, sich an Integrierten Notfallzentren zu beteiligen. Zusätzlich sollen zu Sprechstundenzeiten vertragsärztliche Leistungserbringer als „Kooperationspraxen“ an Integrierte Notfallzentren angebunden werden können.

Standorte

Die Standorte für Integrierte Notfallzentren werden von den Selbstverwaltungspartnern nach bundeseinheitlichen Rahmenvorgaben im erweiterten Landesausschuss nach § 90 Absatz 4a Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch innerhalb von sechs Monaten ab Inkrafttreten dieses Gesetzes festgelegt. Im Falle nicht fristgemäßer Einigung entscheidet das jeweilige Land über die Standortfestlegung. Integrierte Notfallzentren werden flächendeckend etabliert.

Notfallzentren für Kinder

Für Integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche können geeignete Standorte ausgewählt werden, an denen ein besonderer Bedarf an einer integrierten Notfallversorgungseinrichtung für Kinder und Jugendliche besteht. Wo die Einrichtung von speziellen Integrierten Notfallzentren für Kinder und Jugendliche nicht möglich ist, wird eine telemedizinische Unterstützung von Integrierten Notfallzentren durch Fachärztinnen und – ärzte für Kinder- und Jugendmedizin gewährleistet.

Apotheken

Zudem soll die Versorgung von Patientinnen und Patienten von Notdienstpraxen mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten durch die Einführung von Versorgungsverträgen mit öffentlichen Apotheken verbessert werden.

Quellen: BMG, Kompetenzzentrum Jugendcheck

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Bundestag beschließt 29. BAFöG Änderung

Die BAföG-Sätze und Freibeträge sollen zum kommenden Wintersemester steigen. Der Bundestag hat am Donnerstag, 13. Juni 2024, die von der Bundesregierung vorgelegte 29. BAföG-Novelle gebilligt. Für den Gesetzentwurf „zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes“ (20/11313) in der vom Bildungsausschuss geänderten Fassung (20/11815) stimmten die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP.

Bedarfssätze steigen um 5 Prozent

Mit dem entsprechenden Gesetz steigen zum Herbst die Grundbedarfssätze um fünf Prozent und die Wohngeldpauschale um 20 Euro von 360 auf 380 Euro. Zudem sollen Studierende aus ärmeren Haushalten zukünftig eine einmalige Studienstarthilfe in Höhe von 1.000 Euro erhalten. Auch soll das BAföG ein Semester über die Regelstudienzeit hinaus bezahlt und ein Wechsel der Fachrichtung erleichtert werden.

Verwaltungsvereinfachungen

Die Gesetzesnovelle zielt laut Bundesregierung auf Verwaltungsvereinfachungen durch „angemessene Pauschalierungen“ ab. Künftig soll auf Anrechnungsregelungen verzichtet werden. Der Entwurf sieht außerdem vor, die Freibeträge vom Einkommen der Eltern und Ehe- oder Lebenspartner der Geförderten sowie der Freibeträge bei der Darlehensrückzahlung um fünf Prozent anzuheben. Dies ermögliche es Studierenden zukünftig, einem Minijob mit einem Einkommen von 556 Euro pro Monat nachzugehen, ohne dass dieser auf die BAföG-Bezüge angerechnet wird, heißt es. 

Zudem sollen die Zuschüsse für die Pflege- und Krankenversicherung erhöht werden, um „dem Durchschnittswert des kassenindividuellen Zusatzbeitrages für 2024 Rechnung zu tragen“. Eine BAföG-Satzerhöhung ist in der Novelle nicht vorgesehen. 

Studienstarthilfe von 1.000 Euro

Das Kindergeld soll künftig nicht mehr als Elternunterhalt vom BAföG abgezogen werden, wenn ein Vorleistungsantrag vorliegt, heißt es in der Regelung. Die Bundesregierung will darüber hinaus eine Studienstarthilfe von 1.000 Euro einführen. 

Den einmaligen Zuschuss sollen Studierende unter 25 Jahren aus einkommensschwachen Haushalten mit Sozialleistungsbezug bekommen, um sich für den Studienstart beispielsweise mit einem Laptop oder Lehr- und Lernmaterialien auszustatten.

Flexibilitätssemester und Fachwechsel

Mit dem Änderungsgesetz will die Bundesregierung zudem ein sogenanntes Flexibilitätssemester einführen. Ein solches Semester soll es Studierenden ermöglichen, „ohne Angabe von Gründen über die Förderungshöchstdauer hinaus für ein Semester gefördert zu werden“. Auch sollen Studierende ein Semester länger Zeit bekommen, um aus „wichtigem Grund“ die Fachrichtung zu wechseln.

Liegt ein wichtiger Grund vor, können Studierende zukünftig bis zum Beginn des fünften Semesters das Fach wechseln. Ohne Angabe von Gründen soll ein Fachwechsel bis zum vierten Semester möglich sein. Bisher war ein Wechsel der Fachrichtung nur bis zu Beginn des dritten Semesters möglich. Wie es in dem Gesetzentwurf weiter heißt, soll die monatliche Rückzahlungsrate ab dem kommenden Wintersemester um 20 Euro von 130 Euro auf 150 Euro steigen. 

Änderungen im Ausschuss

Der Bildungsausschuss hat in seiner Sitzung am Mittwoch, 12. Juni, für den Gesetzentwurf der Bundesregierung gestimmt, jedoch einige Änderungen beschlossen. Mit ihrem Änderungsantrag (20/11815) legten die Koalitionsfraktionen unter anderem die Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge um rund fünf Prozent fest. 

Auch die Anhebung der Wohnkostenpauschale um 20 Euro war mit dem Änderungsantrag (20/11740) vorgesehen. Die zuvor geplante Erhöhung der Darlehensbeiträge wurde mit dem Änderungsantrag gestrichen.

Weitere Artikel

Über den Werdegang des 29. BAFöG-Änderungsgesetzes berichteten wir hier im Januar, März, April und Juni.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Bundesrat billigt Rentenerhöhung

Zum 1. Juli erhalten Rentnerinnen und Rentner mehr Geld. Am 14. Juni 2024 hat der Bundesrat einer entsprechenden Verordnung der Bundesregierung zugestimmt.

Erstmals einheitliche Anpassung in Ost und West

Die Erhöhung zum 1. Juli 2024 beträgt in den alten und neuen Ländern 4,57 Prozent. Damit gilt künftig ein einheitlicher Rentenwert von 39,32 Euro in ganz Deutschland. Nachdem im letzten Jahr der aktuelle Rentenwert Ost aufgrund der höheren Lohnsteigerung in den neuen Bundesländern bereits den West-Wert erreicht hat, erfolgt die Anpassung der Renten nun zum ersten Mal bundeseinheitlich.

Jährliche Anpassung

Der aktuelle Rentenwert ist der Betrag, der einer abschlagsfreien monatlichen Rente aus Beiträgen eines Durchschnittverdieners für ein Jahr entspricht. Die Bundesregierung legt ihn jeweils zum 1. Juli eines Jahres per Verordnung fest. Dadurch wird die Rente an die Veränderung der Löhne und Gehälter angepasst.

Auch für Landwirtinnen und Landwirte verändern sich die Rentenbezüge. Ab 1. Juli 2024 gilt für sie ein allgemeiner Rentenwert von 18,15 Euro.

Verkündung und Inkrafttreten

Die Verordnung kann nach der Zustimmung des Bundesrates nun im Bundesgesetzblatt verkündet werden und am 1. Juli 2024 in Kraft treten.

Weitere Auswirkungen

Durch die Anhebung des Rentenwerts steigen nicht nur die Renten bei der

  • Altersrente
  • Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
  • Rente wegen voller Erwerbsminderung
  • Witwen- und Witwerrenten
  • Waisenrente,
  • Sozialversicherung der Landwirte

auch die Hinzuverdienstgrenzen sind betroffen:

  • für Rentner wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, deren Rentenbeginn vor dem 30.6.2017 lag.
  • für die Bezieher von Witwen- oder Witwerrenten

Auch für die Unfallversicherung ist der Rentenwert relevant:

Die Höhe des Pflegegeldes nach § 44 SGB VII wird jährlich entsprechend der Rentenentwicklung angepasst. Das Pflegegeld beträgt unter Berücksichtigung der Art oder Schwere des Gesundheitsschadens sowie des Umfangs der erforderlichen Hilfe ab 1.7.2020 monatlich

  • zwischen 443 EUR und 1.773 EUR in den alten Bundesländern
    (bis 30.6.2024: zwischen 426 EUR und 1.695 EUR) und
  • zwischen 439 EUR und 1.755 EUR in den neuen Bundesländern
    (bis 30.6.2024: zwischen 418 EUR und 1.678 EUR) festzusetzen.

Die Blindenhilfe ist ebenfalls an den Rentenwert gekoppelt:

So wird das Blindengeld zum 1. Juli

  • für Personen über 18 Jahre von 841,77 auf 880,28 EUR und
  • für Personen unter 18 von 421,61 auf 440,90 EUR steigen.

Auch die Blindenhilfe einiger Bundesländer, die ihre Leistung an den Rentenwert gekoppelt haben, steigt. Es sind dies:

  • Bayern
  • Berlin
  • Bremen
  • Hamburg
  • Hessen
  • Nordrhein-Westfalen.

Quelle; Bundesrat, BMASSOLEX, FOKUS-Sozialrecht

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Bundestag beschließt Berufsbildungsvalidierungs- und digitalisierungsgesetz (BVaDiG)

Inhalt des Gesetzes

Die Bundesregierung hat den Bundestag heute abschließend über das „Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG) beraten lassen. Das Gesetz enthält unterschiedlichste Regelungen: Neben der Feststellung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit unabhängig von einem formalen Berufsausbildungsabschluss (Validierung) und der Einführung von digitalen Dokumenten und Verfahren in der beruflichen Bildung (Digitalisierung) enthält der Gesetzesentwurf auch Regelungen zur Inklusion von Menschen mit Behinderung, zur Teilzeitausbildung und zum digitalen mobilen Ausbilden. Von den Änderungen betroffen sind das Berufsbildungsgesetz, das Registermodernisierungsgesetz, die Handwerksordnung und das Jugendarbeitsschutzgesetz.

Validierung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit

Die „Validierung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit“ bezieht sich auf ein Verfahren, bei dem die beruflichen Kompetenzen einer Person, die unabhängig von einem formalen Berufsausbildungsabschluss erworben wurden, festgestellt und bescheinigt werden. Dieses Verfahren ermöglicht es, die individuelle berufliche Handlungsfähigkeit einer Person zu dokumentieren und mit den Anforderungen eines bestimmten Berufs zu vergleichen. Durch die Validierung können berufliche Kompetenzen sichtbar gemacht und anerkannt werden, auch wenn sie nicht durch eine formale Ausbildung erworben wurden. Mit diesem Gesetz öffnet sich schließlich auch für solche Personen, die auf alternativen Wegen ihre Fähigkeiten erworben haben, der Zugang zu Weiter- und Fortbildung.

Inklusion von Menschen mit Behinderung

Der geplante neue § 50d BBiG regelt spezielle Regeln für Menschen mit Behinderungen, die Schwierigkeiten haben, ihre beruflichen Fähigkeiten vollständig nachzuweisen. Diese Regeln sollen sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen trotz ihrer Einschränkungen fair behandelt werden. Es wird anerkannt, dass ihre Fähigkeiten möglicherweise nicht genau mit den Anforderungen eines bestimmten Berufs übereinstimmen, aber dennoch ihre individuellen Stärken und Fähigkeiten berücksichtigt werden. Es gibt auch klare Anweisungen, wie ihre Fähigkeiten bewertet werden sollen, auch wenn sie spezielle Unterstützung oder spezielle Arbeitsplätze benötigen. Diese Regeln sollen sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Chancen haben, ihre beruflichen Fähigkeiten zu zeigen und erfolgreich in ihrem Beruf zu sein. So soll beispielsweise die individuelle berufliche Handlungsfähigkeit am Maßstab eines Referenzberufs auch dann festgestellt und bescheinigt werden, wenn sie nicht vollständig vergleichbar mit der für den Referenzberuf erforderlichen Handlungsfähigkeit ist.

Teilzeitausbildungen

Im Gesetzentwurf werden verschiedene Änderungen bezüglich der Teilzeitausbildung vorgeschlagen, um die Flexibilität und Attraktivität dieses Ausbildungsmodells zu erhöhen. Beispielsweise soll ein Kürzungsmechanismus eingeführt werden, der es ermöglicht, die Ausbildungsdauer für Teilzeitauszubildende zu verkürzen, insbesondere für leistungsstarke Auszubildende mit bestimmten Qualifikationen oder Verpflichtungen wie einem dualen Studium oder Familien- bzw. Pflegeaufgaben. Auch soll eine automatische Verlängerung der Ausbildungsdauer möglich sein, wenn dies aufgrund der reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit nötig ist. Auch soll ein effizienterer Ausbildungs- und Prüfungsablauf ermöglicht werden.

Neue Regelungen zur Digitalisierung

Im Gesetzentwurf BVaDiG werden verschiedene Neuerungen im Bereich der Digitalisierung in der beruflichen Bildung vorgeschlagen. Darunter die praxisgerechte digitale Abfassung von Ausbildungsverträgen, die Einführung medienbruchfreier digitaler Prozesse, Ermöglichung digitaler Dokumente und Verfahren und neue Rahmenbedingungen zum digitalen mobilen Ausbilden.

Digitales mobiles Ausbilden

Beim digitalen mobilen Ausbilden werden Ausbildungsinhalte ohne gleichzeitige Anwesenheit von Lehrlingen (Auszubildenden) und Ausbildern am gleichen Ort vermittelt. Laut Gesetzentwurf sollen dafür geeignete Informationsmittel, Orte, Inhalte und Qualitätsstandards festgelegt werden.

So geht’s weiter

Die meisten Regelungen zum Feststellungsverfahren sollen ab dem 1. Januar 2025 gelten. Um die Umsetzung zu erleichtern, kann die dem Verfahren zugrundeliegende Verordnung bereits zum 01. August 2024 in Kraft treten. Bisher sind 16 Berufe von der Validierung betroffen, etwa 300 weitere würden dafür in Frage kommen. Das Gesetz wird nun dem Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt. Ein Inkrafttreten des Gesetztes ab ersten August ist auch bei einer Annahme des Gesetztes durch den Bundesrat wohl eher unwahrscheinlich.

Quellen: bundestag.de (176. Sitzung des Bundestages), Gesetzentwurf eines Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetzes (BVaDiG), bmbf.de (Bundesministerium für Bildung und Forschung). 

Entlastungsbetrag in der Pflegeversicherung

Zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen (Entlastungsbetrag) nach § 45b SGB XI sollen Pflegepersonen entlasten sowie dem Pflegebedürftigen helfen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrecht zu erhalten und den Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können. Der dafür einzusetzende Entlastungsbetrag bis zu 125 EUR monatlich für die Pflegegrade 1 bis 5 ist als Kostenerstattungsanspruch gestaltet.

Frist läuft Ende Juni ab

Der VDK weist jetzt darauf hin, dass nur noch bis Ende Juni 2024 nicht eingeforderte Leistungen aus 2023 bei der Pflegekasse abgerufen werden können. Der Entlastungsbetrag kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden. Danach verfällt der Anspruch.

Bestandteil der häuslichen Pflege

Zusätzliche Betreuungsleistungen gelten bei pflegebedürftigen Personen als Bestandteil der häuslichen Pflege. Sie ergänzen also die Leistungen der ambulanten und teilstationären Pflege. Dies kann der eigene Haushalt, der Haushalt der Pflegeperson oder ein Haushalt sein, in dem der Pflegebedürftige aufgenommen wurde. Auch wenn der Pflegebedürftige in einer Wohngruppe oder in einem Altenheim wohnt, ist ein Leistungsanspruch gegeben.

Bei diesen zusätzlichen Betreuungsleistungen muss es sich um Angebote handeln, die auf die Entlastung der Pflegeperson ausgerichtet sind.

niedrigschwellige Betreuungsangebote

Zu den niedrigschwelligen Betreuungsangeboten zählen insbesondere:

Betreuungsgruppen für Menschen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf (z.B. Alzheimergruppen),
Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger bzw. Pflegepersonen im häuslichen Bereich,
Tagesbetreuung in Kleingruppen (Tagesmuttermodell)
Einzelbetreuung
Familienentlastenden Dienste

Voraussetzung für die Leistungserbringung ist, dass es sich um geförderte bzw. förderungsfähige Angebote nach § 45c SGB XI handelt. Um welche niedrigschwelligen Betreuungsangebote es sich im Einzelnen handelt, bestimmt das jeweilige Bundesland auf der Grundlage einer Rechtsverordnung.

Antrag erforderlich

Die zusätzlichen Betreuungsleistungen müssen beantragt werden. Antragsberechtigt ist der Versicherte oder ein von dieser Person Bevollmächtigter bzw. dessen Betreuer oder gesetzlicher Vertreter.

Die in einem Kalenderjahr nicht in Anspruch genommenen Leistungen dürfen auf das nächste Kalenderhalbjahr übertragen werden. Ein gesonderter Antrag ist hierzu nicht erforderlich. Wird der auf das folgende Kalenderhalbjahr übertragene Leistungsanspruch nicht ausgeschöpft, verfällt dieser Anspruch.

Informations-Defizite

Laut VDK nehmen bis zu 80 Prozent der Berechtigten den Entlastungsbetrag gar nicht in Anspruch, oftmals, weil sie nicht informiert wurden, dass es ihn gibt. Aber auch andere Schwierigkeiten verhindern die Inanspruchnahme:

  • Es fehlt oft an Angeboten von Dienstleistern, die mit den Pflegekassen abrechnen dürfen.
  • Auch ambulante Dienste streichen bei Personalmangel häufig kurzfristig solche Angebote.
  • In einigen Bundesländern sind zudem die Hürden für eine Anerkennung sehr hoch, weshalb sich nur wenige Privatpersonen zertifizieren lassen.

Informatives Video

So entgehen nach VdK-Berechnungen den Versicherten dadurch rund zwölf Milliarden Euro im Jahr. Der VDK hat ein informatives Video veröffentlicht, das über den Entlastungsbetrag informiert, aber auch die Schwierigkeiten bei der Umsetzung anspricht.

Quellen: Sozialverband VDK, SOLEX

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Stärkung der dualen Berufsausbildung

Die berufliche Bildung soll digitalisiert und entbürokratisiert werden. Dazu will die Bundesregierung am 14. Juni den Bundestag abschließend über das „Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz“ beraten lassen.

Zu wenig Ausbildungsverträge

Die Ausbildung im dualen System erfolgt an zwei Lernorten, dem Betrieb und der Berufsschule, und zeichnet sich durch lernortübergreifende Lernprozesse (Duales Lernen) aus. Als Problem bezeichnet die Bundesregierung, dass die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zuletzt auf dem reduzierten Niveau der Corona-Pandemie stagnierte. Betriebe stünden vor immer größeren
Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen. Weniger junge Menschen
entschieden sich im langfristigen Trend für eine duale Berufsausbildung. Die
Folge: Das Angebot an qualifizierten Fachkräften könne die Nachfrage in immer
mehr Berufen nicht mehr decken.

Gesetzesziele:

  1. geht es darum, die berufliche Handlungsfähigkeit, die unabhängig von einem formalen Berufsausbildungsabschluss erworben wurde, festzustellen, zu bescheinigen und „im System der beruflichen Bildung anschlussfähig zu machen“.
  2. sollen „medienbruchfreie digitale (Verwaltungs-)Prozesse“ mit dem Gesetz „konsequent“ ermöglicht werden. Die Bundesregierung sieht das Gesetz als Bestandteil der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung. Geändert werden sollen das Berufsbildungsgesetz, das Registermodernisierungsgesetz, die Handwerksordnung und das Jugendarbeitsschutzgesetz.

Digitale Dokumente und Verfahren

Konkret ist ein Verfahren vorgesehen, um die individuelle berufliche Handlungsfähigkeit, die einer Berufsausbildung vergleichbar ist („Validierung“), im System der dualen Berufsbildung festzustellen und zu bescheinigen. Darüber hinaus sollen digitale Dokumente und Verfahren in der beruflichen Bildung ermöglicht werden. 

Dies betrifft laut Bundesregierung etwa eine praxisgerechte, digitale Abfassung der wesentlichen Inhalte des Ausbildungsvertrages oder eines „medienbruchfreien“ Verfahrens für digitale Berichtshefte. Auch soll die Berufsschulnote auf dem Abschlusszeugnis der zuständigen Stellen verbindlich ausgewiesen werden können, um die Rolle der Berufsschulen in der dualen Berufsbildung zu stärken.

Zugleich will die Regierung mit dem Gesetz Bürokratie abbauen und berufsschulische Leistungen besser sichtbar machen. Für gemeinsame Berufe mehrerer Berufsbereiche sollen transparente, rechtssichere Regelungen ermöglicht werden, heißt. Zudem soll es einige Klarstellungen aufgrund von Gerichtsentscheidungen geben.

Antrag der Gruppe Die Linke

Die Gruppe Die Linke will die Ausbildungsqualität bei der dualen Ausbildung verbessern und fordert deshalb eine Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG). In ihrem Antrag spricht sich die Gruppe für verbindliche Regelungen im BBiG aus, „die die Schutz- und Mitbestimmungsrechte der Auszubildenden deutlich verbessern“.

Aus Sicht der Linken-Abgeordneten ist die Lage in der beruflichen Bildung in einem „dramatischen Zustand“. Die Novellierung von 2019 / 2020 habe sie „nicht ausreichend gestärkt und nicht krisensicher gemacht“, heißt es in der Vorlage. Eine weitere Novellierung sei daher dringend geboten.

Linke will Mindestausbildungsvergütung erhöhen

Von der Bundesregierung fordert die Gruppe, im Zuge einer BBiG-Novellierung eine Reihe von Grundsätzen zu verankern beziehungsweise analog in der Handwerksordnung anzupassen. So solle etwa in Paragraf 17 des BBiG die Mindestausbildungsvergütung branchenübergreifend auf 80 Prozent der in Tarifverträgen vereinbarten durchschnittlichen Ausbildungsvergütung angehoben werden. Auch sollen die Regelungen und Schutzbestimmungen des BBiG nach dem Willen der Linken auf die betrieblichen Ausbildungsphasen dualer Studiengänge und schulisch-betrieblicher Ausbildungsgänge ausgeweitet werden.

Ferner spricht sich die Gruppe unter anderem dafür aus, die dreimonatige Ankündigungsfrist bei beabsichtigter Nichtübernahme auf alle Auszubildenden auszuweiten, die betriebliche Mitbestimmung, vor allem die Jugend- und Auszubildendenvertretungen, zu stärken und barrierefreie Beschwerdestellen bei den Berufsbildungsausschüssen einzurichten.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht, fremdwort.de

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Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen ab Juli 2024

Die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO maßgebenden Beträge ändern sich jedes Jahr entsprechend der Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes. Bis zum 1.7.2021 geschah dies nur alle zwei Jahre. Der nun jährliche Rhythmus wird damit begründet, dass vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens der dafür höhere Verwaltungsaufwand von immer geringerer Bedeutung sei.

Die jährliche Erhöhung wird jeweils in einer eigenen Bekanntmachung veröffentlicht. Zu verwenden sind die Freigrenzen, die sich aus der jeweiligen Bekanntmachung ergeben.

Pfändungsfreibetrag und Unterhaltsfreibeträge

Die Pfändungsfreigrenze steigt zum 1. Juli 2024 auf 1.491,75 Euro (aktuell 1.402,28 Euro).

Der pfändungsfreie Sockelfreibetrag für den Schuldner kann im Einzelfall aufgestockt werden. So können auch Freibeträge gewährt werden, wenn der Schuldner einer oder mehreren Personen Unterhalt gewährt. Der pfändungsfreie Betrag erhöht sich in diesem Fall zum 1.7.2024:

  • für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, um 560,90 EUR, (aktuell 527,76 Euro)
  • für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, um 312,78 EUR, (aktuell 294,02 Euro).

Pfändungsschutz, grundsätzliches

Die Leistung des Sozialstaates besteht nicht nur darin, dem bedürftigen Bürger Geld- oder Sachleistungen zu gewähren, sondern diese Leistungen, die in der Regel gerade ein Existenzminimum sichern, vor dem Zugriff Dritter zu schützen. Dies stellt u.a. der Pfändungsschutz sicher.

Arbeitseinkommen ist grundsätzlich pfändbar; dies gilt auch für Hinterbliebenenbezüge und Renten. Eine ganze Reihe von Einkommensarten sind jedoch unpfändbar. Mehr dazu in SOLEX.

Übersichtstabelle

Der Verein Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg e.V. hat dazu eine Übersichtstabelle erstellt.

Quellen: Bundesanzeiger, Schuldnerberatung Hamburg, SOLEX

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Jetzt doch: Erhöhung der BAföG-Sätze

In seiner Stellungnahme zu den aktuellen BAföG Reformplänen hatte der Bundesrat es am 26. April 2024 für erforderliche gehalten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Bedarfssätze mindestens auf das Bürgergeld-Niveau anzuheben. Der derzeitige BAföG-Bedarf für Studierende liege mit 452 Euro deutlich unter dem Grundbedarf beim Bürgergeld in Höhe von 563 Euro. Eine derartige Ungleichbehandlung sei nicht zu rechtfertigen. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten sollten bei den Bedarfssätzen berücksichtigt werden, damit das BaföG existenzsichernd ausgestaltet sei.

Existenzsichernde Bedarfssätze

Auch die Mehrheit der Experten in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am letzten Mittwoch beanstandete die ausbleibende Erhöhung des BAföG-Grundbedarfs und forderte existenzsichernde Bedarfssätze.

Noch am gleichen Tag beschloss das Bundeskabinett genau das zu tun mit einer „Formulierungshilfe„, mit der in den Gesetzentwurf auch eine Erhöhung der Bedarfssätze eingebaut werden soll.

Bedarfssätze und Freibeträge steigen

Durch die nun vom Bundeskabinett beschlossenen Änderungen sollen sowohl die Grundbedarfsätze als auch die Freibeträge und die Wohnkostenpauschale steigen. Konkret bedeutet dies, dass Grundbedarfsätze um 5 Prozent, die Freibeträge um insgesamt 5,25 Prozent und die Wohnkostenpauschale für auswärtswohnende Studierende und Schülerinnen und Schüler von 360 auf 380 Euro angehoben werden.

Aktuelle Änderungspläne sind nun:

  • Die Grundbedarfsätze des BAföG werden um fünf Prozent angehoben.
  • Die Wohnkostenpauschale für auswärtswohnende Studierende und Schülerinnen und Schüler wird von 360 auf 380 Euro angehoben.
  • Wer vor der Aufnahme eines Studiums bestimmte Sozialleistungen bezieht, hat einen Anspruch auf eine einmalige Studienstarthilfe in Höhe von 1.000 Euro. Sie wird als Zuschuss gewährt und muss nicht zurückgezahlt werden.
  • Die Freibeträge vom Einkommen der Eltern und der Ehe- oder Lebenspartnerin beziehungsweise -partner der Geförderten werden um insgesamt 5,25 Prozent angehoben.
  • Ebenso werden die Freibeträge, die bei der Darlehensrückzahlung gelten, um nun insgesamt 5,25 Prozent erhöht.
  • Der Freibetrag für eigenes Einkommen der Geförderten wird so angepasst, dass sie bis zum Umfang eines sogenannten Minijobs hinzuverdienen können, ohne dass es auf den BAföG-Anspruch angerechnet wird.
  • Es wird ein sogenanntes Flexibilitätssemester eingeführt, das allen Studierenden einmalig die Möglichkeit gibt, ohne Angabe von Gründen über die Förderungshöchstdauer hinaus für ein Semester weiter BAföG zu erhalten. Damit ist es zum Beispiel möglich, sich ganz auf die Abschlussarbeit zu konzentrieren, auch wenn die formale Regelstudienzeit leicht überschritten wird.
  • Ein Fachrichtungswechsel kann künftig ohne negative Folgen für den BAföG-Anspruch auch noch etwas später im Studium vorgenommen werden.
  • Zudem soll der bürokratische Aufwand bei der Beantragung und Bewilligung des BAföG reduziert werden. Dies soll beispielsweise durch angemessene Pauschalierungen und Verzicht auf Anrechnungsregelungen geschehen.

Keine Erhöhung der Mindestraten

Wie die Tagesschau berichtet, wird der ursprüngliche Plan, die Mindestraten (§ 18 BAföG) bei der BAföG-Rückzahlung von 130 auf 150 Euro im Monat zu erhöhen, nicht umgesetzt. Es bleibt dabei, dass maximal 10.010 Euro Schulden getilgt werden müssen, denn nach 77 abgezahlten Raten wird in der Regel der Rest erlassen.

Gültig ab August/Oktober 2024

Auch das BAföG für Schüler soll angehoben werden. Die vorgesehenen Änderungen des BAföG sollen zum Beginn des Schuljahres 2024/25 beziehungsweise zum Wintersemester 2024/25 in Kraft treten.

Quellen: Bundestag, Bundesregierung, Tagesschau, FOKUS-Sozialrecht

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Statistisches Bundesamt veröffentlicht Engpassbetrachtung für erwerbsmäßig tätige Pflegekräfte

Der Pflegeberuf steht bereits seit einigen Jahren im Fokus des öffentlichen Diskurses als sogenannter Engpassberuf. Aufgrund demografischer Entwicklungen und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat das Statistische Bundesamt den Beruf in einer Engpassbetrachtung im Rahmen der Pflegekräftevorausberechnung 2024 bewertet. Diese Analyse beleuchtet die zukünftigen Herausforderungen und den erwarteten Bedarf an Pflegekräften, der durch den demografischen Wandel sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite erheblich beeinflusst wird.

Demografische Entwicklung

Demografische Entwicklungen beeinflussen den Pflegearbeitsmarkt sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite erheblich. In den kommenden drei Jahrzehnten erreichen die geburtenstarken Jahrgänge das Alter von 80 Jahren. Die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden, liegt in der Altersgruppe der 80- bis 84-Jährigen bereits bei 25 % der Männer und 35 % der Frauen. Ab 90 Jahren steigt diese Wahrscheinlichkeit auf 70 % bei den Männern und 86 % bei den Frauen. Diese Entwicklung erhöht den Bedarf an Pflegekräften erheblich. Gleichzeitig wirkt sich die demografische Entwicklung auch auf der Angebotsseite aus: Die Babyboomer-Generation wird in den nächsten 10 bis 15 Jahren den Arbeitsmarkt verlassen, während aus den jüngeren Jahrgängen weniger Menschen nachrücken.

Bedarf und Angebot von Pflegekräften bis 2049

Diese Vorausberechnungen dienen dazu, den potenziellen Engpass am Pflegearbeitsmarkt in der Zukunft zu quantifizieren. Der Vergleich zwischen dem vorausberechneten Bedarf und dem Angebot an Pflegekräften zeigt, dass der künftige Bedarf deutlich höher sein wird als die zu erwartende Zahl an Pflegekräften. Laut Statistischem Bundesamt könnten bei einer positiven Trendentwicklung in zehn Jahren bereits rund 90.000 Pflegekräfte fehlen. Bis 2049 könnte sich diese Zahl auf fast 280.000 verdreifachen. Insgesamt würden somit knapp ein Fünftel mehr Pflegekräfte benötigt als 2019 im Einsatz waren. Sollte der positive Trend nicht anhalten, könnte die Lücke zwischen verfügbaren und benötigten Pflegekräften noch größer werden: In zehn Jahren könnte der Engpass bei rund 350.000 Pflegekräften liegen, und bis 2049 würden in diesem Szenario etwa 690.000 Pflegekräfte fehlen, was mehr als einem Drittel der 2019 tätigen Pflegekräfte entspricht.

Quellen: destatis.de, Beraterbrief Pflege Ausgabe Juni 2024/11