Pflegeassistenzausbildung

Mit dem Pflegeassistenzeinführungsgesetz soll ein eigenständiges und einheitliches Berufsprofil für die Pflegefachassistenz geschaffen werden. Die neue Ausbildung soll die bisherigen landesrechtlich geregelten Pflegehilfe- und Pflegeassistenzausbildungen ablösen. Das Bundeskabinett hat den Entwurf am 4. September auf den parlamentarischen Weg gebracht.

Referentenentwurf

Der Referentenentwurf sieht die Einführung einer generalistischen Pflegeassistenzausbildung vor, welche zur Berufsbezeichnung „Pflegefachassistentin“, „Pflegefachassistent“ oder „Pflegefachassistenzperson“ berechtigt. Im Kern sieht die neue Ausbildung folgendes vor:

  • Die Dauer der Ausbildung beträgt 18 Monate (in Teilzeit bis zu 36 Monate), es soll gleichzeitig umfassende Verkürzungsmöglichkeiten insbesondere bei beruflicher Vorerfahrung geben (zum Beispiel auf 12 Monate oder weniger).
  • Voraussetzung für die Ausbildung ist grundsätzlich ein Hauptschulabschluss. Gleichzeitig ist eine Zulassung ohne Schulabschluss bei einer positiven Prognose der Pflegeschule zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung möglich. 
  • Die Ausbildung umfasst Pflichteinsätze in den drei großen Versorgungsbereichen stationäre Langzeitpflege, ambulante Langzeitpflege, stationäre Akutpflege. Der Aufbau der Ausbildung folgt dem Vorbild des Pflegeberufegesetzes und macht eine verkürzte Qualifizierung zur Pflegefachperson möglich.
  • Es besteht ein Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung. Bisher erhielten nur rund die Hälfte der Auszubildenden eine Vergütung.

Mehr Interesse für die Ausbildung

Mit der neuen Ausbildung soll die Attraktivität des Berufs gesteigert werden, um mehr Interessentinnen und Interessenten für die Ausbildung zu gewinnen. Die Auszubildenden erhalten während der gesamten Ausbildungsdauer eine angemessene Ausbildungsvergütung. Für die Absolventinnen und Absolventen besteht die Möglichkeit, deutschlandweit in allen Versorgungsbereichen in der Pflege zu arbeiten. So entsteht ein vielfältiges, attraktives und durchlässiges Bildungssystem in der Pflege – von der Assistenzausbildung über die berufliche Fachkraftausbildung bis zur hochschulischen Qualifikation auf Bachelor-Niveau.

Verteilung von pflegerischen Aufgaben

Zur Sicherstellung der Qualität der pflegerischen Versorgung ist es notwendig, dass die Verteilung von pflegerischen Aufgaben zwischen Pflegefachpersonen und Pflegefachassistenzpersonen weiterentwickelt wird. Pflegefachassistenzpersonen sollen zukünftig vermehrt Aufgaben durchführen können, die heute noch teilweise von Pflegefachpersonen durchgeführt werden. Damit werden Pflegefachpersonen deutlich entlastet; das Personal wird insgesamt effizienter eingesetzt und Wegezeiten gespart.

Alternative: kürzere Ausbildungszeit

Als Ergebnis der regierungsinternen Vorberatungen wird im Entwurf in eckigen Klammern alternativ eine zwölfmonatige Ausbildung dargestellt, welche zur Berufsbezeichnung „Pflegehelferin“, „Pflegehelfer“ oder „Pflegehilfeperson“ führt. Da eine um ein Drittel verkürzte Ausbildung naturgemäß mit einem reduzierten Kompetenzprofil verbunden ist, handelt es sich bei einer solchen um eine Ausbildung, die zu einer Tätigkeit mit entsprechend reduziertem Einsatzbereich befähigt. Eine abschließende Entscheidung zur Ausbildungsdauer und die dazugehörigen Ausbildungsregelungen soll nach den Rückmeldungen im weiteren Abstimmungsprozess getroffen werden. 

Empfehlungen von Fachleuten 

In Vorbereitung einer bundesgesetzlichen Regelung haben das Bundesfamilienministerium und das Bundesgesundheitsministerium ein verfassungsrechtliches Gutachten zur Frage einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes vergeben. In einer Bund-Länder Expertinnen- und Expertengruppe wurden zudem fachliche Empfehlungen zur Frage der inhaltlichen Ausrichtung und Struktur der neuen Pflegeassistenzausbildung erarbeitet. Die 18-monatige Ausbildung zur „Pflegefachassistentin“, „Pflegefachassistent“ oder „Pflegefachassistenzperson“ folgt diesen Empfehlungen. 

Die vollständigen Empfehlungen sind hier abrufbar. 

Quelle: BMFSFJ, Bundeskabinett

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Elterngeld

„Wir werden den Basis- und Höchstbetrag beim Elterngeld dynamisieren.“ Koalititonsvertrag Seite 101.

Unverändert seit 2007

Eine Erhöhung und Dynamisierung des Elterngeldes scheint in dieser Legislaturperiode nicht mehr in Sicht zu sein. Im April trat die Reduzierung der Einkommensgrenze in Kraft und bei der letzten Elterngeldreform 2021 wurde die Höhe des Elterngeldes nicht verändert. Der Elterngeld-Mindestbetrag von 300 Euro im Monat sowie die Deckelung bei 1.800 Euro im Monat sind seit der Einführung der Leistung 2007 unverändert.

Weit hinter der allgemeinen Preisentwicklung

Würden der Mindestbetrag und die Obergrenze beim Elterngeldbezug an die allgemeine Preisentwicklung angepasst werden, würden die Grenzbeträge beim Elterngeld deutlich höher liegen als sie das derzeit tun. Nach einer Berechnung des Prognos-Institut hätte der Höchstbetrag im Jahr 2023 bei 2.480 Euro liegen müssen, der Mindestbetrag bei 413 Euro, gemessen an der Preisentwicklung gemäß dem Verbraucherpreisindex des statistischen Bundesamts.

Beitragsbemessungsgrenze als Maßstab – damals

Einen noch höheren Höchstbetrag bekäme man, wenn man die Beitragsbemessungsgrenze als Maßstab nimmt. Das würde deswegen Sinn machen, weil bei Einführung des Elterngeldes 2007 der Höchstbetrag von 1.800 Euro anhand der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung festgelegt wurde. Danach müsste der Höchstbetrag 2023 bei 2.870 Euro liegen. Schließlich ist die Beitragsbemessungsgrenze in den vergangenen 16 Jahren von 5.250 auf 7.300 Euro monatlich (2023) gestiegen. Aus der Gesetzesbegründung von 2007: „Dieser Höchstbetrag (1.800) wird erreicht, wenn das Nettoeinkommen des berechtigten Elternteils vor der Geburt 2.700 Euro betragen hat. Das zugrunde liegende Bruttoeinkommen liegt damit der Höhe nach in einem Bereich, wie er bei der Festlegung der Beitragsbemessungsgrenze im Recht der Sozialversicherung
akzeptiert ist.“

Immer mehr beziehen den Höchstbetrag

Die Elterngeldstatistik zeigt, dass immer mehr Mütter und Väter, die Elterngeld beziehen, den Höchstbetrag erhalten:

  • 2009 hatten etwa 14 Prozent der Väter und nur drei Prozent der Mütter ein so hohes Einkommen, dass sie den Höchstbetrag von 1.800 Euro erhielten.
  • 2021 bezogen 24 Prozent der Väter und sieben Prozent der Mütter den Höchstbetrag. 

Das liegt daran, dass die Nominallöhne seit der Einführung des Elterngeldes gestiegen sind, der Elterngeld-Höchstbetrag von 1800 Euro aber nicht. Im Jahr 2007 lag der Höchstbetrag über dem mittleren Einkommen von Familien, seit 2017 liegt er darunter.

Weiterentwicklung des Elterngeldes

Weitergehende Vorschläge zur Weiterentwicklung des Elterngelds sowie eine datengestützte Analyse seiner Wirkungen finden sich ein einem gemeinsamen Papier von Prognos und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) von November 2023. Es zeigt unter anderem, dass die Erwerbstätigkeit von Müttern von Kindern im Alter von 1-3 gestiegen ist, sich mehr Väter in die Betreuung ihrer jungen Kinder einbringen und sich die Sorgearbeit partnerschaftlicher aufteilen.

Quellen: Nachrichten-Heute.net, prognos, FOKUS-Sozialrecht

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Kabinett beschließt SGB III – Modernisierung

Das Bundeskabinett hat den Entwurf des SGB-III-Modernisierungsgesetzes beschlossen. Der Gesetzentwurf enthält

  • weitere Schritte zur Digitalisierung und Automatisierung vor,
  • die Anpassung und den Ausbau von Förderinstrumenten,
  • die Verstetigung der Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung für Personen im In- und Ausland,

Weitere Änderungen:

  • Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird durch einen neuen Kooperationsplan ersetzt.
  • Die Beratung junger Menschen wird umfassender.
  • Die Zusammenarbeit der verschiedenen Sozialleistungsträger, wie sie etwa in Jugendberufsagenturen erfolgt, soll gestärkt werden.
  • Ein zusätzlicher Anreiz zu mehr Mobilität mit einem höheren Zuschuss bei auswärtiger Unterbringung im Rahmen von Praktika zur Berufsorientierung. (Siehe auch Beitrag zur Ausbildungsgarantie)

Ausführlich wurde der Gesetzentwurf hier schon Ende Juli vorgestellt.

Stellungnahme

Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit, in welchem der Paritätische Gesamtverband Mitglied ist, hat zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen.

wichtige Weichenstellungen

Der Referentenentwurf nehme wichtige Weichenstellungen vor: Eine wirksame Unterstützung und Beratung junger Menschen im Übergang in Ausbildung und Beruf sowie eine starke Kooperation der Rechtskreise in den Jugendberufsagenturen. Der Ausbau der Maßnahmen und die Kooperation mit anderen Rechtskreisen sollte die Situation junger Menschen insgesamt verbessern.

Finanzierung fraglich

Angesichts der Entwicklungen im Bundeshaushalt, angekündigter Kürzungen bei den Jobcentern, der Haushaltslage in den Kommunen und der finanziellen Ausstattung der Jugendhilfe darauf, bezweifeln die Autoren der Stellungnahme aber,  ob das Gesetz den Weg für einen Systemwechsel ebne. Es sei vielmehr notwendig, die meist prekäre Finanzierung des Übergangsbereiches zu ergänzen. Eine Stärkung der Rolle der Agenturen für Arbeit in der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit vor Ort dürfe weder einen Rückzug der Jobcenter und der Jugendhilfe anreizen noch deren Verdrängung befördern.

Ergänzung, nicht Ersetzung

Die grundsätzliche Erweiterung des Auftrags der Bundesagentur für Arbeit und infolgedessen der Agenturen für Arbeit vor Ort im § 28b SGB III RE dürfe nicht die bestehende Beratung, Betreuung und Unterstützung junger Menschen durch andere Rechtskreise ersetzen. Sie müsss als notwendige Ergänzung formuliert werden. Zur Unterstützung junger Menschen sollten Förderinstrumente, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei der Integration junger Menschen mit einer Vielzahl von Unterstützungsbedarfen zur Anwendung kommen, auch im Recht der Arbeitsförderung eingeführt werden. Der Bezug zum SGB VIII und SGB IX sei in diesem Kontext zusätzlich unbedingt herzustellen.

Quellen: BMAS, Paritätischer Gesamtverband, FOKUS-Sozialrecht

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Langfristige Finanzierung der Pflegeversicherung

Der Gesetzgeber hat die Bundesregierung mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) beauftragt, Vorschläge für die langfristige Leistungsdynamisierung zu erarbeiten und bis zum 31. Mai 2024 Empfehlungen für eine stabile und dauerhafte Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung (SPV) vorzulegen. Hierbei sollte insbesondere auch die Ausgabenseite der SPV betrachtet werden. Der vorliegende Bericht, der am 19.8.2024 dem Bundestag vorgelegt wurde, beinhaltet sowohl die Expertise der Exekutive als auch der Wissenschaft und wird gestützt durch objektive Studien und Analysen, die als Anlagen beigefügt sind. Mit diesem Bericht liegen nunmehr datengestützte Darstellungen möglicher Szenarien für eine systemische Weiterentwicklung der sozialen Pflegeversicherung, die damit verbundenen Langfristprojektionen zu ihrem Finanzierungsbedarf bis zum Jahr 2060 sowie mögliche Stellschrauben auf der Ausgaben-, wie auch der Einnahmenseite mit entsprechenden Finanzwirkungen vor.

Analyse des aktuellen Systems

Ausgangspunkt der dem Bericht zugrunde liegenden Überlegungen für eine langfristige Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung war den Angaben zufolge die Analyse des aktuellen Systems. Danach wird der weit überwiegende Teil der pflegebedürftigen Menschen ambulant versorgt. Von den rund 5,2 Millionen pflegebedürftigen Menschen entsprach dies Ende 2023 laut Vorlage rund 4,4 Millionen (rund 84 Prozent). 3,1 Millionen Menschen wurden danach überwiegend durch Angehörige gepflegt, rund 700.000 (rund 13 Prozent) Menschen wurden vollstationär und rund 140.000 (rund drei Prozent) in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe versorgt.

Gesamtausgaben

Die Gesamtausgaben der sozialen Pflegeversicherung lagen im Jahr 2023 bei rund 59,2 Milliarden Euro, wie aus der Unterrichtung weiter hervorgeht. Die Ausgaben für die ambulanten Leistungen beliefen sich danach auf rund 36,2 Milliarden Euro, für stationäre Leistungen lagen sie bei rund 19,7 Milliarden Euro (ohne stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe rund 19,3 Milliarden Euro).

Demografischer Wandel

Wie die Autoren ausführen, stellt der demografische Wandel für das Umlageverfahren, in dem die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung erfolgt, eine besondere Herausforderung dar: „Zum einen geht damit ein erwartbarer Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials einher, das zu einem weit überwiegenden Teil die Einnahmesituation der sozialen Pflegeversicherung bestimmt. Zum anderen werden neben der Tatsache, dass die Zahl der Pflegebedürftigen über das demografiebedingt erwartbare Maß steigt, auch die Babyboomer in den kommenden Dekaden potenziell zu Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfängern, was den Druck auf die Ausgabenseite nochmals erhöht“, heißt es dazu in der Vorlage weiter.

Auseinanderlaufen von Ausgaben und Einnahmen

In der Gesamtschau führt dies dem Bericht zufolge bei einem unveränderten Beitragssatz und gleichzeitiger Konstanthaltung des Realwertes der Leistungen zu einem Auseinanderlaufen von Ausgaben und Einnahmen der Pflegeversicherung. Hierdurch würden sowohl die Finanzierbarkeit als auch die Leistungsfähigkeit gefährdet. Darüber hinaus gefährdeten Preis- und Lohnentwicklung, und damit einhergehende steigende Eigenanteile die Akzeptanz des Teilleistungssystems.

Finanzielle Überforderung pflegebedürftiger Menschen

Daneben verweisen die Autoren darauf, dass die Empfängerzahlen und die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung durch die „zum Teil deutlichen Leistungsausweitungen“ vor allem in der letzten Dekade stark gestiegen sind. Gleichzeitig stiegen die pflegebedingten Eigenanteile in der vollstationären Pflege respektive die Zuzahlungen in der ambulanten Pflege weiter. Dies führe zunehmend zu einer finanziellen Überforderung pflegebedürftiger Menschen. Ursächlich hierfür seien insbesondere „die krisenbedingte Verteuerung der Sachkosten, die gesetzlich verpflichtende Bezahlung von professionell Pflegenden auf Tarifniveau, sowie die gesetzlichen Vorgaben für die personelle Ausstattung und der gleichzeitig wirkende Fachkräfteengpass in der Pflege“.

Vier Grundszenarien

In dem Bericht werden zugleich „Grundszenarien möglicher Ausgestaltungsoptionen eines zukünftigen Systems“ aufgezeigt. Ausgehend vom Teilleistungscharakter und der Umlagefinanzierung des jetzigen Systems (inklusive ergänzender Kapitaldeckung zur Beitragssatzstabilisierung) seien alternative Ausgestaltungsoptionen entwickelt worden. „In der Kombination der systemprägenden Elemente Teil- versus Vollleistungssystem und Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren (mit Augenmerk auf Demografiefestigkeit) ergeben sich vier Grundszenarien für die konstitutive Ausgestaltung der sozialen Pflegeversicherung, wird dazu in der Vorlage des Weiteren ausgeführt.

Reformbedarf

Damit werden den Autoren zufolge die Möglichkeiten unterschiedlicher Reichweiten der Absicherung des Risikos Pflegebedürftigkeit von einer sozialen Teilabsicherung bis hin zur sozialen Vollabsicherung dargelegt. Diese könnten laut Unterrichtung jeweils über eine verpflichtende ergänzende Kapitaldeckung in unterschiedlicher Organisationsform und Ausprägung bis hin über ein reines Umlageverfahren finanziert werden. Je nach Ausgestaltung seien die künftige Finanzierungslücke sowie der sich daraus ergebende notwendige Reformbedarf in der sozialen Pflegeversicherung auf der Ausgaben- und Einnahmenseite kleiner oder größer.

Quellen: Bundesregierung, Bundestag, FOKUS-Soziarecht

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Vernachlässigung von Kindern im SGB XIV

Der Leitgedanke der Opferentschädigung ist im Wesentlichen in das seit Anfang 2024 gültige SGB XIV übernommen worden. Neben Opfern von Gewalttaten und Verbrechen haben nun aber auch Opfer von psychischer Gewalt – hierunter fallen insbesondere Fälle von sexueller Gewalt – Anspruch auf Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts.

Tatbestand erhebliche Vernachlässigung

Zu den weiteren Tatbeständen, die Anspruch auf soziale Entschädigung auslösen können, gehört auch die „erhebliche Vernachlässigung von Kindern“. (§ 14 Abs. 1 Nummer 5 SGB XIV). Was dieser Begriff beinhaltet und wie er ausgelegt werden kann, versucht das BMAS nun in einem Rundschreiben an die zuständigen Behörden der Länder darzulegen.

Die erhebliche Vernachlässigung von Kindern ist einer Gewalttat gleichzusetzen. Der Tatbestand setzt zunächst eine Vernachlässigung voraus. Eigenständige Relevanz kommt dem Tatbestand bei Verhaltensweisen zu, die nicht bereits durch den Begriff der (physischen oder psychischen) Gewalt erfasst werden.

Unterlassung fürsorglichen Handelns

Der Begriff „Vernachlässigung“ ist im Gesetz nicht näher definiert. Da das Soziale Entschädigungsrecht auf gesundheitliche Schädigungen abstellt, bietet es sich an, an die im medizinischen Bereich gebräuchliche Auslegung des Begriffs anzuknüpfen. Die Leitfäden der Länder zum Kinderschutz, die über die Homepage der Bundesärztekammer abrufbar sind, definieren die Vernachlässigung als die wiederholte oder andauernde Unterlassung fürsorglichen Handelns durch sorgeverantwortliche Personen, das zur Sicherung der seelischen und körperlichen Bedürfnisse des Kindes notwendig wäre.

Eine Vernachlässigung körperlicher Bedürfnisse liegt u. a. bei unzureichender Nahrung oder Verweigerung medizinisch notwendiger Hilfe vor. Eine Vernachlässigung seelischer Bedürfnisse kann etwa in mangelnder Zuwendung, fehlender sprachlicher Förderung oder in einem abwertenden Verhalten liegen. Zu beachten ist, dass es sich grundsätzlich um ein wiederholtes oder andauerndes Verhalten handeln muss.

Kein vorsätzliches Verhalten nötig

Ein vorsätzliches Verhalten ist nicht erforderlich; erfasst sind auch Fälle, in denen die Sorgeberechtigten vorsatzlos handeln. Ein Bezug zum Straftatbestand des § 225 StGB besteht nicht, sodass es nicht darauf ankommt, ob die Vernachlässigung böswillig erfolgte.

Erheblich

Die Vernachlässigung muss erheblich sein. Wann die Erheblichkeitsgrenze überschritten ist, kann nicht pauschal definiert werden. Vielmehr ist eine Einzelfallbetrachtung notwendig, bei der insbesondere das Alter und die Einsichtsfähigkeit des Kindes eine Rolle spielen. So wird man ein dreijähriges Kind nicht, ein zwölfjähriges dagegen schon regelmäßig alleine zu Hause lassen können. Häufige Wiederholungen oder ein lange andauerndes Fehlverhalten können für die Erheblichkeit der Vernachlässigung sprechen, ebenso die Intensität des Verhaltens. Für die Annahme einer erheblichen Vernachlässigung genügt es nicht, wenn die Entwicklung des Kindes nicht bestmöglich verläuft.

Gilt für Kinder bis 14

Die Norm erfasst nur die erhebliche Vernachlässigung von Kindern. Kinder sind nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII Personen unter 14 Jahren. Abweichungen davon können sich beim Vorliegen einer Behinderung ergeben.

Altfälle

Bei Fällen, die vor dem Inkrafttreten des SGB XIV stattgefunden haben, muss geprüft werden, ob die Vernachlässigung Tatbestand des damals geltenden Opferentschädigungsgesetz war. Danach war eine „erhebliche Vernachlässigung“ nur dann gegeben, wenn die zugrundeliegende Tat oder Unterlassung geeignet war, schwere gesundheitliche Schädigungen hervorzurufen, und zudem nach dem StGB (§ 225) strafbar war.

Quellen: BMAS, SOLEX

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Mindestpersonalausstattung in Psychiatrien

Der G-BA legt im Auftrag des Gesetzgebers seit 2020 in der „Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie“ (PPP-RL) qualitätssichernde Maßnahmen für die stationäre psychiatrische, kinder- und jugendpsychiatrische und psychosomatische Versorgung fest. Ziel ist es, mit personellen Mindestvorgaben eine möglichst gute Patientenversorgung abzusichern. Da es sich um Mindestanforderungen handelt, können die Einrichtungen in den Budgetverhandlungen vor Ort darüber hinaus gehen und mehr Personal vorhalten: um etwa eine leitliniengerechte Behandlung sicherzustellen oder personelle Ausfallzeiten auszugleichen.

Übergangsregelungen verlängert

Um die Einrichtungen beim teilweise noch notwendigen Personalaufbau nicht zu überfordern, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Übergangsregelungen erneut verlängert: Psychiatrische und psychosomatische Kliniken müssen nun erst ab Januar 2027 die Personalvorgaben zu 95 Prozent erfüllen – und nicht schon im laufenden Jahr. Eine hundertprozentige Umsetzung der Mindestpersonalvorgaben wird erst ab dem Jahr 2029 von diesen Einrichtungen erwartet und nicht bereits ab 2026. Auch die finanziellen Folgen, die ab dem Jahr 2026 für die Krankenhäuser bei fehlendem Personal greifen, hat der G-BA reduziert.

Fachkräftemangel

Die Verlängerung der Übergangsregeln begründet der G-BA damit, dass 2023 erst rund die Hälfte der Einrichtungen bereits ausreichend Personal aufgebaut habe. Andernorts fehlten die benötigten Fachkräfte noch, auch wenn einige Einrichtungen nur knapp unter den Mindestvorgaben lägen. In Zeiten, in denen Fachkräfte in vielen Branchen schwer zu finden seien, sei der Personalaufbau nicht einfach, aber notwendig.

Selbst Mindestvorgaben reichen kaum

Der Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), Herbert Weisbrod-Frey, bedauert diese Entscheidung. Die PPP-RL mache lediglich Mindestvorgaben, sie garantiere noch keine leitliniengerechte Versorgung. Die Vorgaben hätten eigentlich schon 2020 umgesetzt werden sollen. Doch es gäbe immer wieder Verzögerungen – zu Lasten der Patientinnen und Patienten sowie des Personals.

Die Mindestvorgaben, so der Patientenvertreter, seien noch keine leitliniengerechte Personalausstattung. Sie bleibe trotz längerer Übergangszeit das Ziel. Für eine leitliniengerechte Versorgung müsse über diesen Mindeststandard hinaus zusätzliches Personal eingesetzt werden. Das müsse bei den Budgetverhandlungen auf örtlicher Ebene berücksichtigt werden, damit die Einrichtungen nicht unter einen restriktiven Budgetdruck geraten und Stellen abbauen, die für eine bedarfsgerechte Versorgung gebraucht werden.

Quellen: G-BA, verdi

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Sachbezugswerte 2025

Mit der Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung werden jedes Jahr die Sachbezüge für das kommende Jahr festgeschrieben. Die entsprechende Verordnung für das Jahr 2025 existiert schon – als noch nicht frei zugänglicher Referentenentwurf. Das Internetportal des Haufe-Verlags hat offensichtlich schon Zugang zu dem Verordnungsentwurf. Auf haufe.de wurden die neuen Sachbezugswerte veröffentlicht und ausführlich beschrieben.

Sachbezug Verpflegung 2025

Der Monatswert für Verpflegung soll ab 1.1.2025 von 313 Euro auf 333 Euro angehoben werden. Damit sind für verbilligte oder unentgeltliche Mahlzeiten

  • für ein Frühstück 2,30 Euro (bisher 2,17 Euro)
  • für ein Mittag- oder Abendessen 4,40 Euro (bisher 4,13 Euro)

je Kalendertag anzusetzen. Der kalendertägliche Gesamtwert für Verpflegung liegt demnach bei 11,10 Euro (bisher 10,43 Euro).

Sachbezug Unterkunft 2025

Ab 1.1.2025 soll der Wert für Unterkunft oder Mieten 282 Euro (bisher 278 Euro) betragen. Der Wert der Unterkunft kann auch mit dem ortsüblichen Mietpreis bewertet werden, wenn der Tabellenwert nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre (§ 2 Abs. 3 der SvEV). Kalendertäglich soll der Wert ab dem 1.1.2025 9,40 Euro (bisher 9,27 Euro) betragen.

Verbraucherpreisindex

Für die Sachbezüge 2025 ist der Verbraucherpreisindex im Zeitraum von Juli 2023 bis Juni 2024 maßgeblich.

Was ist ein Sachbezug?

Als Sachbezug bezeichnet man Einnahmen, die nicht in Geld bestehen oder geldwerte Vorteile (gwV), die den Empfänger bereichern, oder den Naturallohn. Damit gehört der Wert eines Sachbezugs bei einem Arbeitnehmer zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Ein Sachbezug wird jedoch nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG bis 50 Euro im Kalendermonat nicht zum Arbeitslohn gezählt (Freigrenze).

Quellen: Haufe, FOKUS-Sozialrecht, wikipedia

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Rückwirkende Freibetragserhöhung

Wie schon im Beitrag vom 19. Juli beschrieben, sollen mit dem 2. Jahressteuergesetz 2024 unter anderem der steuerliche Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag erhöht werden. Danach soll

  • der Grundfreibetrag um 300 Euro auf 12.084 Euro und
  • der steuerliche Kinderfreibetrag um 60 Euro auf 6.672 Euro

zum 1. Januar 2025 angehoben werden.

Wo die Zahlen herkommen

Um auf die im Gesetzentwurf angegebenen Erhöhungsbeträge von 300 Euro, bzw. 60 Euro zu kommen, müsste der Grundfreibetrag 2024 bei 11.784 Euro liegen und der Kinderfreibetrag bei 6.612 Euro.

Ein Blick ins Einkommensteuergesetz zeigt aber, dass die Beträge dort seit dem 1. Januar 2024 bei 11.604 Euro und 6.384 Euro betragen.

Anpassung erforderlich

Im Ende Juli vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzentwurf zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 erklärt der Finanzminister, dass die Regelbedarfserhöhung 2024 höher als noch im 14. Existenzminimumbericht prognostiziert ausgefallen sei. Dies wirke sich auf die Höhe des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums für das Jahr 2024 aus. Nach Aktualisierung der Datenbasis infolge der höheren Fortschreibung der sozialrechtlichen Regelbedarfe ergebe sich ein Anpassungsbedarf bei den steuerlichen Freibeträgen zur Freistellung des sächlichen Existenzminimums von Erwachsenen bzw. Kindern.

Rückwirkend zum 1.Januar 2024

Mit der weiteren Anhebung des in den Einkommensteuertarif integrierten Grundfreibetrags um 180 Euro auf 11.784 Euro werde die steuerliche Freistellung des Existenzminimums der einkommensteuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürger für das Jahr 2024 sichergestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe bei der Besteuerung von Familien ein Einkommensbetrag in Höhe des sächlichen Existenzminimums eines Kindes zuzüglich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung nicht besteuert werden. Der steuerliche Kinderfreibetrag werde für das Jahr 2024 entsprechend um 228 Euro auf 6.612 Euro angehoben.

Das Ganze wirkt sich rückwirkend zum 1. Januar 2024 aus, sobald das Gesetz verabschiedet ist. Dann passen auch wieder die Zahlen aus dem 2. Jahressteuergesetz 2024.

Quellen: Bundesregierung, Bundesfinanzministerium, FOKUS-Sozialrecht

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RSV Prophylaxe

Das Respiratorische Synzytial Virus (RSV) ist ein weltweit verbreiteter Erreger von akuten Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege in jedem Lebensalter und weltweit die häufigste Ursache von Erkrankungen der unteren Atemwege bei Neugeborenen und Säuglingen. Besonders hoch ist die RSV-Krankheitslast in den ersten sechs Lebensmonaten.

Die RSV-Erkrankungen treten saisonal gehäuft in den Herbst- und Wintermonaten auf, in der Regel zwischen November und März.

RSV-Prophylaxeverordnung

Mit der vom Bundesgesundheitsministerium jetzt auf den Weg gebrachten RSV-Prophylaxeverordnung wird ein Anspruch für gesetzlich Versicherte auf Arzneimittel mit dem monoklonalen Antikörper Nirsevimab aufbauend auf der STIKO-Empfehlung vom 27. Juni 2024 begründet.

Impfung zeitnah nach der Geburt

Neugeborene, die zwischen April und September geboren werden, sollten Nirsevimab möglichst vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison (idealerweise von September bis November) erhalten. Während der RSV-Saison sollten Neugeborene, die von Oktober bis März geboren werden, Nirsevimab möglichst zeitnah nach der Geburt erhalten, bestenfalls bereits im Zuge des Aufenthalts in der Geburtseinrichtung oder spätestens innerhalb der ersten Lebenswoche.

Schwere Krankheitsverläufe verhindern

Hintergrund ist, dass der Schutz der passiven Immunisierung durch die einmalige Nirsevimabgabe gegenüber der Verhinderung von sehr schwer verlaufenden RSV-assoziierten unteren Atemwegsinfektionen 81% beträgt und mit einer Schutzdauer von mindestens sechs Monaten annehmbar über die gesamte RSV-Saison anhält.

Mit dem umfassenden Anspruch sollen RSV-bedingte schwere Krankheitsverläufe, intensivmedizinische Behandlungen, Hospitalisierungen sowie Todesfälle bei Neugeborenen und Säuglingen jeglichen Gestationsalters unabhängig von möglichen Risikofaktoren in der ersten RSV-Saison in Deutschland verhindert und damit auch die Versorgungskapazitäten im ambulanten und stationären Bereich entlastet werden.

STIKO-Empfehlung für Ältere

Die STIKO empfiehlt allen Personen, die älter als 75 Jahre sind, eine einmalige RSV-Impfung als Standardimpfung möglichst vor der RSV-Saison (d.h. idealerweise im September/Anfang Oktober).

Außerdem empfiehlt die STIKO Personen im Alter von 60 bis 74 Jahren, die eine schwere Form einer der unten aufgeführten Grunderkrankungen haben oder in einer Einrichtung der Pflege leben, eine einmalige RSV-Impfung als Indikationsimpfung.

Grunderkrankungen:

  • chronischen Erkrankungen der Atmungsorgane,
  • chronischen Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen,
  • chronischen neurologischen und neuromuskulären Erkrankungen,
  • hämato-onkologischen Erkrankungen,
  • Diabetes mellitus (mit Komplikationen)
  • angeborener oder erworbener Immundefizienz.

Gleichzeitig mit Grippe-Impfung

Beide zugelassenen RSV-Impfstoffe können gleichzeitig mit der saisonalen Influenza-Impfung gegeben werden.

Quellen: BMG. G-BA, STIKO, wikipedia

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Wohngemeinnützigkeit

In der Wohn(ungs)gemeinnützigkeit erhalten Wohnungsunternehmen dauerhafte Steuerbefreiungen z. B. in Bezug auf die Körperschaft-, Gewerbe-, Grund- und Grunderwerbsteuer dafür, dass sie dauerhaft gemeinnützig handeln, indem sie preisgünstigen und sozialen Wohnraum für Haushalte bereitstellen, deren Einkommen unterhalb bestimmter Grenzen liegen.[1] Sie unterscheidet sich somit in der Art und Weise sowie der Dauer der Förderung und Bindung vom Sozialen Wohnungsbau, der in der Regel durch einmalige Darlehen oder Zuschüsse geprägt ist und zeitlich begrenzt ist, Wohnungen also irgendwann ihre Sozialbindungen verlieren, obgleich sich diese Instrumente meist ergänzen bzw. ergänzt haben.

Während es die Wohnungsgemeinnützigkeit in Österreich und vergleichbare Modelle z. B. in den Niederlanden gibt, wurde sie in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1990 abgeschafft. Seit etwa 2020 wird die Neueinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit in Deutschland diskutiert. 2021 wurde ihre Wiedereinführung im Koalitionsvertrag der Ampel festgehalten.[2] 2024 folgte die gesetzliche Neuregelung als Teil des Jahressteuergesetzes.

Neue Wohngemeinnützigkeit im Ausschuss

Die geplante Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit ist in einer Sitzung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen am 26. Juni 2024 von den Koalitionsfraktionen begrüßt worden, in der Opposition aber auf Kritik gestoßen. In der von der Vorsitzenden Sandra Weeser (FDP) geleiteten Sitzung erinnerte die SPD-Fraktion an die große Bedeutung des sozialen Wohnungsbaus noch vor einigen Jahrzehnten. Die Koalition schaffe jetzt die Möglichkeit, wieder eine neue Wohngemeinnützigkeit zu begründen. Die vorgesehenen Maßnahmen seien ein wichtiger und großer Schritt.

Teil des Jahressteuergesetzes 2024

Nach Angaben der Bundesregierung ist im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 vorgesehen, für sozial orientierte Unternehmungen künftig einen praktikablen Rahmen zu schaffen, um vergünstigen Wohnraum bereitzustellen und dabei von den umfassenden Steuererleichterungen der Gemeinnützigkeit profitieren zu können. Hierdurch könne neben der sozialen Wohnraumförderung ein weiteres Segment bezahlbaren Wohnens etabliert werden, in dem die Mietpreis- und Belegungsbindungen dauerhaft Bestand hätten. Das Einkommen der Mieter dürfe das Fünf- bzw. (bei Alleinstehenden und Alleinerziehenden) das Sechsfache des Regelsatzes der Sozialhilfe im Sinne des Paragraf 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht überschreiten.

Damit kann nach Angeben der Regierung die Vermietung an rund 60 Prozent der Haushalte in Deutschland unter den Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit steuerbefreit erfolgen. Die vergünstigte Miete müsse dauerhaft unter der marktüblichen Miete angesetzt werden. Die Prüfung der Einhaltung der Einkommensgrenze soll nur noch am Anfang des Mietverhältnisses erfolgen. Ein „Herauswachsen“ der Mietenden durch Einkommenszuwächse sei damit für den Erhalt der Gemeinnützigkeit unschädlich. Mit dem Jahressteuergesetz erfolge der erste Schritt zur Wohngemeinnützigkeit, weitere Schritte sollten folgen.

Kritik aus der Opposition

Die CDU/CSU-Fraktion wies darauf hin, dass selbst eine Vertreterin von Bündnis 90/Die Grünen davon gesprochen habe, dass von der Maßnahme kein neuer Schwung im Wohnungsmarkt zu erwarten sei. Das liege auch daran, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten Investitionszulagen nicht eingeführt würden. Die Unionsfraktion kritisierte zudem, dass nur zu Beginn des Mietverhältnisses eine Prüfung der Einhaltung der Einkommensgrenzen stattfinden solle. Damit würden Zweifel an der Zielgenauigkeit der Maßnahme bestehen. Diesen Punkt griff auch die AfD-Fraktion auf. Die zu erwartenden Fehlbelegungen der Wohnungen seien eine soziale Ungerechtigkeit und keine soziale Mischung, wie von der Koalitionsseite behauptet werde.

Von der Fraktion Bündnis/90 Die Grünen wurde die Kritik der Unionsfraktion zurückgewiesen. Es sei doch die CDU gewesen, die eine neue Wohngemeinnützigkeit mit Steuervorteilen gefordert habe. Es werde jetzt ein neuer Sektor auf dem Wohnungsmarkt geschaffen, der nicht profitorientiert sei, sondern dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stelle. Die Maßnahmen im Jahressteuergesetz seien ein erster wichtiger Schritt.

Von der Gruppe Die Linke wurde kritisiert, dass die neue Regelung viel zu eng gesteckt sei. Es würden bestenfalls 0,24 Prozent aller Mieter davon profitieren. Damit komme man nicht weit. Die frühere Wohngemeinnützigkeit habe 30 Prozent des Wohnungsmarktes abgedeckt. Da müsse man wieder hinkommen.

Die FDP-Fraktion erklärte, mit der neuen Wohngemeinnützigkeit werde die etablierte Wohnungswirtschaft ergänzt, aber auf keinen Fall benachteiligt. Dieses Ziel werde mit der jetzt geplanten Regelungen erreicht.

Quellen: BMWSB (Wohnungsbauministerium), wikipedia

Abbildung: Walhalla-Verlag, Wohngeld.jpg