Krankenhausreform beschlossen

Nach einer teilweise hitzigen Debatte mit gegenseitigen Vorwürfen von Regierung und Opposition hat der Bundestag die umstrittene Krankenhausreform beschlossen. Für den in den Beratungen noch veränderten Regierungsentwurf zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG, 20/1185420/1289420/13059 Nr. 4) votierten am Donnerstag, 17, Oktober 2024, in namentlicher Abstimmung 373 Abgeordnete, 285 stimmten dagegen, es gab eine Enthaltung.

Ziele

Mit einer großen Krankenhausreform sollen die Vergütungsstrukturen verändert und die Versorgung verbessert werden. Das Ziel sei die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität, die Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung, die Steigerung der Effizienz und eine Entbürokratisierung, heißt es in dem Entwurf der Bundesregierung für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG). 

Vorhaltepauschale statt Fallpauschale

Das derzeit auf Fallpauschalen (DRG) basierende System der Krankenhausvergütung sei stark mengenorientiert. Für die Kliniken bestehe ein ökonomischer Anreiz, möglichst viele Patienten zu behandeln. Künftig sollen 60 Prozent der Betriebskosten über eine Vorhaltepauschale abgegolten werden. Die Mittel für die Vorhaltevergütung würden generiert, indem die Fallpauschalen abgesenkt werden, heißt es in dem Entwurf. In einer Konvergenzphase soll ein fließender Übergang von den Fallpauschalen hin zu einer um eine Vorhaltevergütung ergänzte Finanzierungssystematik vollzogen werden.

65 Leistungsgruppen

Die Krankenhäuser erhalten die Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen, die ihnen von der Planungsbehörde der jeweiligen Länder zugewiesen werden. Die insgesamt 65 Leistungsgruppen sind mit Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen verknüpft. So soll sichergestellt werden, dass Krankenhäuser ein bestimmtes Maß an technischer Ausstattung, qualifiziertes Personal und die erforderlichen Fachdisziplinen aufweisen. Die Medizinischen Dienste sollen regelmäßig prüfen, ob Krankenhäuser die erforderlichen Qualitätskriterien für die Leistungsgruppen einhalten. 

Ausbau der sektorenübergreifenden und integrierten Gesundheitsversorgung

Festgelegt werden sollen die Leistungsgruppen und Qualitätskriterien durch eine zustimmungsbedürftige Rechtsverordnung. Die notwendige elektronische Datenübermittlung soll über digitale Informationsportale ermöglicht werden. Das soll zu mehr Effizienz und weniger Bürokratie beitragen. Um strukturschwache Regionen zu unterstützen, ist der Ausbau der sektorenübergreifenden und integrierten Gesundheitsversorgung vorgesehen. Die Länder erhalten die Möglichkeit, sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen zu bestimmen mit stationären und erweiterten ambulanten Leistungen.

Transformationsfond in Höhe von 50 Milliarden Euro

Neben der Vorhaltevergütung werden für die Bereiche Pädiatrie, Geburtshilfe, Stroke Unit, Traumatologie und Intensivmedizin sowie für die Teilnahme an der Notfallversorgung zusätzliche Mittel gewährt. Um die Strukturreform der Krankenhäuser finanziell abzusichern, soll über einen Zeitraum von zehn Jahren (2026 bis 2035) ein sogenannter Transformationsfond in Höhe von 50 Milliarden Euro bereitgestellt werden, jeweils zur Hälfte getragen von den Ländern und aus Mitteln der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds des Bundes. Die Liquidität der Krankenhäuser wird der Vorlage zufolge außerdem durch die vollständige Tarifrefinanzierung sowie durch die Anwendung des vollen Orientierungswertes verbessert. Für bedarfsnotwendige ländliche Krankenhäuser sollen die jährlichen Förderbeträge erhöht werden.

Änderungen im Gesundheitsausschuss

Der Gesundheitsausschuss nahm am Mittwoch, 16. Oktober, 50 Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen zum Regierungsentwurf an, die sich vielfach mit der technischen Umsetzung der Reform befassen.

Bei den Änderungen geht es unter anderem um eine künftige ärztliche Personalbemessung im Krankenhaus, die Einbindung von Bundeswehrkrankenhäusern in die Versorgung, Qualitätsanforderungen für hebammengeleitete Kreißsäle in Krankenhäusern, die Streichung der Stichprobenprüfung und Entbürokratisierung der Einzelfallprüfung bei der Krankenhausabrechnung, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Transformationsfonds einschließlich einer Beteiligung der Privaten Krankenversicherung und die geplante Evaluation des Gesetzes.

Quelle: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Gerichtsentscheidungen zu Migrationspolitik

Fast überall in Europa ist es den rechtspopulistischen Kräften gelungen, Migration als größtes Problem darzustellen. Selbst die Klimakatastrophe und ihre tödlichen Gefahren scheinen auf einmal harmlos zu sein im Vergleich zu der Bedrohung, die angeblich von den Menschen ausgeht, die täglich vor Krieg, Folter, Mord, Hunger und dem Verlust ihrer Lebensgrundlagen aus ihrer Heimat fliehen müssen. Dabei hat die eigentliche Migrations-Bedrohung als Folge der Flucht aus den immer größer werdenden Gebieten der Erde, die wegen der Erderwärmung unbewohnbar werden noch gar nicht richtig begonnen.

Unterbringung außerhalb der EU unzulässig

Gut, dass es noch demokratische Strukturen und unabhängige Gerichte gibt, die die Politik in die Schranken weist, wenn sie allzu schnell mit einfach scheinenden Lösungen die Menschenrechte von Geflüchteten missachtet. So musste die italienische Regierung jetzt einen schweren Rückschlag hinnehmen bei dem Versuch, die Asylverfahren aus der EU auszulagern.

Zurückweisungen an den Binnengrenzen sind unrechtmäßig

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 15. Oktober 2024 lässt aufhorchen: Der Gerichtshof bestätigt die Unrechtmäßigkeit von Zurückweisungen an den Binnengrenzen. In seinem Urteil stellt der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) klar: Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Grenzen sind nicht zulässig. Damit erteilt er Verwaltungsabkommen wie dem “Seehofer-Deal” von 2018 eine klare Absage und stärkt den Zugang zum Rechtsschutz von Asylsuchenden an der Grenze.

kein Zugang zu einem effektiven Rechtsschutz

Der Kläger H.T. aus Syrien stellte im Juni 2018 auf der griechischen Insel Leros einen Asylantrag. Er litt unter den dortigen Lebensverhältnissen, die jenen im Elendslager „Moria“ auf Lesbos glichen und fürchtete zudem die Abschiebung in die Türkei und von dort die Kettenabschiebung nach Syrien. Im September 2018 floh er über Österreich nach Deutschland. Dabei wurde er von der deutschen Bundespolizei aufgegriffen und, trotz dass er ein Asylgesuch äußerte, nur wenige Stunden später nach Griechenland abgeschoben – basierend auf dem Seehofer-Deal zwischen Deutschland und Griechenland. In den Stunden zwischen Aufgriff und Abschiebung hatte er keinen Zugang zu einem effektiven Rechtsschutz. Ein Dublin-Verfahren wurde nicht durchgeführt.

Beschwerde beim EGMR

Auf Leros wurde H.T. fast drei Monate inhaftiert, in einer Zelle mit verhangenem Fenster und ohne die Möglichkeit, einen Außenbereich aufzusuchen. Der griechische Flüchtlingsrat half ihm, aus der Haft zu kommen und ein Asylverfahren in Griechenland durchzuführen.

Im März 2019 reichte H.T. Individualbeschwerde beim EGMR ein. Er macht geltend, dass seine Rückführung durch Deutschland sowie seine Behandlung und Inhaftierung in Griechenland das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Artikel 3) und das Recht auf wirksame Beschwerde (Artikel 13) in der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzen.

als subsidiär schutzberechtigt anerkannt

2021 wurde H.T. in Griechenland als Flüchtling anerkannt. Aufgrund der unhaltbaren Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge in Griechenland, floh H.T nach Deutschland und stellte hier einen Asylantrag. 2022 wurde er durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als subsidiär schutzberechtigt anerkannt.

Zurückweisungspraxis beenden

PRO ASYL und ECCHR (Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte) begrüßen das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und fordern die Ampelregierung auf, der Zurückweisungspraxis an den deutschen Grenzen ein Ende zu setzen.

Quellen: Welthungerhilfe, Tagesschau, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Pro Asyl, wikipedia

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Bundesrat fordert Reform der Pflegeversicherung

Der Bundesrat hat am 18. Oktober 2024 auf Initiative der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bremen, Saarland und Hamburg eine Entschließung zur Reform der Pflegeversicherung gefasst.

Gesetzliche Pflegeversicherung unter Druck

Die gesetzliche Pflegeversicherung gerate durch den demografischen Wandel, einige in der Vergangenheit verabschiedete Gesetze, wie das Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz, sowie allgemein steigende Kosten zunehmend unter Druck, heißt es in der Entschließung. Auf der einen Seite gebe es steigende Ausgaben, die unter anderem durch eine höhere Zahl an Pflegebedürftigen verursacht werden. Dem gegenüber stünden sinkende Einnahmen aufgrund des bevorstehenden Renteneintritts der sogenannten „Babyboomer“. Als Folge des demografischen Wandels kämen die Ressourcen der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen immer mehr an ihre Grenzen.

Reform der Pflegeversicherung gefordert

Der Bundesrat mahnt daher die Umsetzung einer baldigen und ausgewogenen Reform der sozialen Pflegeversicherung durch die Bundesregierung an, um sowohl ihre Finanzierung als auch die Pflege der Versicherten sicherzustellen. Er erwartet von der Bundesregierung, dass diese noch in dieser Legislaturperiode und unter umfassender Beteiligung der Länder einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt.

Mehr Einnahmen, weniger Ausgaben

Zudem fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, Stellschrauben zur Entlastung der Ausgabenseite und zur Stärkung der Einnahmeseite der Pflegeversicherung zu entwickeln. Ziel müsse es sein, die finanziellen Belastungen der Beitragszahler, der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen sowie der sonstigen Kostenträger in ein gerechtes und ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Die Pflegebedürftigen dürften dabei nicht unzumutbar belastet werden.

Wie es weitergeht

Die Entschließung wird der Bundesregierung zugeleitet. Diese entscheidet, wann sie sich mit den Länderforderungen befasst. Feste Fristvorgaben gibt es hierfür nicht.

Quelle: Bundesrat

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Zusatzbeitrag steigt

Der Schätzerkreis nach § 220 SGB V hat die Aufgabe, auf der Basis der amtlichen Statistiken der gesetzlichen Krankenversicherung die Entwicklung der Einnahmen, Ausgaben sowie der Zahl der Versicherten und Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung des laufenden Jahres zu bewerten und auf dieser Grundlage eine Prognose über die weitere Entwicklung im jeweiligen Folgejahr zu treffen.

Schätzungen als Grundlage

Die Schätzung für das Folgejahr dient als Grundlage für die Festlegung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a SGB V durch das Bundesministerium für Gesundheit, für die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nach den §§ 266 und 270 SGB V sowie für die Durchführung des Einkommensausgleichs nach § 270a SGB V.

Blockade der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen

Anders als in den Vorjahren musste der Schätzerkreis am 15.10. die Bekanntgabe seiner Beratungsergebnisse aber verschieben. Denn während das Gremium berechnen sollte, wie groß der Beitragssprung in der GKV im kommenden Jahr ausfallen muss, spitzte sich draußen ein Streit zu, der eben jene Berechnungen torpedierte: Die FDP erneuerte ihre Ankündigung, die gesetzlich vorgeschriebene Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen zu blockieren. Kurz zuvor hatte es noch geheißen, der Stein sei aus dem Weg geräumt. Doch ohne verlässliche Informationen, bis zu welchen Einkommen im kommenden Jahr GKV-Beiträge fällig werden, ist es schlecht möglich, Annahmen über die Kassen-Einnahmen zu treffen – die Kernaufgabe des Schätzerkreises.

Zusatzbeitrag steigt vermutlich um 0,8 Prozent

Offenbar hat es heute, am 16.10. doch noch eine wie immer geartete Einigung gegeben, denn der Schätzerkreis werde, wie das „Handelsblatt“ berichtet, voraussichtlich heute noch fertig werden. Gerechnet wird mit einer saftigen Erhöhung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags in der Krankenversicherung. Die „Wirtschaftswoche“ meldete am 16.10. mittags, der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) empfehle eine Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages um 0,8 Prozentpunkte auf dann 2,5 Prozent.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) hatte im September bereits mitgeteilt, dass er für 2025 von mit einem Zusatzbeitragssatz von mindestens 2,3 Prozent ausgeht. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz lag im August bei 1,78 Prozent, wie das Bundesgesundheitsministerium mitgeteilt hatte.

Jede Krankenkasse entscheidet für sich

Bei dem Schätzwert für das kommende Jahr handelt es sich allerdings nur um eine theoretische Größe. Wie sehr der Beitragssatz für die Versicherten wirklich steigt, entscheidet jede Krankenkasse für sich.

Pflegeversicherungsbeiträge steigen auch

Offenbar sollen auch die Pflegeversicherungsbeiträge um 0,25 bis 0,3 Prozentpunkte steigen. Offenbar ist die finanzielle Lage der gesetzlichen Pflegeversicherung ebenfalls dramatisch, so die Tagesschau, die sich auf einen Bericht des Redaktionsnetzwerk Deutschland beruft.

Quellen: Bundesamt für soziale Sicherung, Handelsblatt, Wirtschaftswoche, Tagesschau

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Wir leben auch gerne

Gesundheitsexperten haben sich in einer Anhörung mit der Kassenzulassung des nichtinvasiven Pränataltests (NIPT) befasst. Die ExpertInnen äußerten sich am Mittwoch, 9. Oktober 2024, in der Anhörung des Gesundheitsausschusses sowie in schriftlichen Stellungnahmen.

Carina Kühne

Zu Wort kam in der Anhörung auch Carina Kühne, die selbst das Down-Syndrom hat und eindringlich dafür warb, mehr Verständnis aufzubringen für Menschen mit einer Anomalie. Sie sehe den NIPT kritisch. Es mache sie traurig, wenn Schwangerschaften abgebrochen werden.

Sie betonte mit Blick auf ihre eigene Lage: „Ich lebe damit und weiß nicht, wie es wäre, wenn ich das nicht hätte.“ Sie wolle werdenden Eltern die Angst nehmen. Sie sagte: „Wir leben auch gerne.“

Interfraktioneller Antrag

In einem interfraktionellen Antrag fordern Abgeordnete, die Folgen der Kassenzulassung des NIPT systematisch auszuwerten. Nach der Einigung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sei der NIPT seit Juli 2022 eine Kassenleistung, sofern die Schwangere zusammen mit der Gynäkologin zu dem Schluss komme, dass der Test notwendig sei, heißt es in dem Antrag (20/10515). Jedoch regele der G-BA weder in den Mutterschaftsrichtlinien (MuRL) noch in der „Versicherteninformation Bluttest auf Trisomien / Der nicht invasive Pränataltest (NIPT) auf Trisomie 13, 18 und 21“ ausreichend klar, wann dieser Bluttest angewendet werden solle.

Es sei zu befürchten, dass den Schwangeren unabhängig von einer medizinischen Relevanz empfohlen werde, den NIPT vornehmen zu lassen, auch damit sich Ärzte absichern können. Dies könnte dazu führen, dass der Test so regelmäßig angewendet werde, dass es faktisch einer Reihenuntersuchung gleichkomme.

Monitoring

Die Abgeordneten fordern ein Monitoring zur Umsetzung und zu den Folgen der Kassenzulassung, um zeitnah belastbare Daten zu verschiedenen Aspekten erheben und auswerten zu können. Zudem sollte ein interdisziplinäres Expertengremium eingesetzt werden, das die rechtlichen, ethischen und gesundheitspolitischen Grundlagen der Kassenzulassung des NIPT prüft.

Der Berufsverband der Frauenärzte erklärte, Aufklärung und Beratung der Frauen fänden auf höchstem Niveau statt. Die fachgebundene genetische Beratung zur NIPT-Trisomie dürfe nur von dafür qualifizierten Ärzten erbracht werden. Daher stelle sich die Frage, welches übergeordnete Gremium die Qualität weitergehend überprüfen solle.

Behinderung lässt sich nicht wegtesten

Der Verein „mittendrin“, ein Zusammenschluss von Eltern behinderter Kinder, kritisierte, mit der Kassenfinanzierung des NIPT werde die gesellschaftliche Vereinbarung getroffen, dass ein Kind mit Trisomie vermeidbar sei. Der Test verschiebe den Blick auf Behinderung von einer sozialen zu einer individuellen Verantwortung. Behinderung lasse sich aber nicht wegtesten. Es sei besorgniserregend, dass es bei einer breiten Anwendung des NIPT auch bei jüngeren Schwangeren vermehrt zu falsch-positiven Befunden komme.

Die Bremer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle Cara erklärte, bei einem auffälligen Testergebnis gerieten die betroffenen Frauen und ihre Partner in Schockzustände und Krisen. Der erste Impuls sei, die Schwangerschaft abzubrechen. Anders als der NIPT ermögliche das Ersttrimester-Screening (ETS) eine sehr weitgehende Beurteilung des Feten.

fundamentale ethische Grundfragen

Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken erinnerte in der Anhörung an vergebliche Bitten in den vergangenen Jahren, die Nutzung molekulargenetischer Testverfahren in der Schwangerschaft politisch zu regeln, da es sich um fundamentale ethische Grundfragen handele. Hecken betonte, der Bluttest sei nicht als Einstieg in ein Massen-Screening gedacht.

Test wird zur Norm

Marion Baldus von der Hochschule Mannheim gab zu bedenken, dass der niederschwellige Test von den Frauen als geprüfte und sinnvolle Maßnahme eingeschätzt werde. Im Vordergrund stehe die Sicherheit und Sorgenfreiheit und der Wunsch nach Bestätigung, ein gesundes Kind zu bekommen. Sie betonte, sobald der NIPT als Kassenleistung breit eingesetzt werde, werde er zur Norm. Dies sei derzeit zu beobachten.

Akzeptanz für Menschen mit einer Behinderung sinkt

Die Verbände von Menschen mit Behinderungen sehen sich in ihren Befürchtungen bestätigt. Die Bundesgeschäftsführerin der Lebenshilfe, Jeanne Nicklas-Faust, geht davon aus, dass die Tests inzwischen bei 40 Prozent der Schwangerschaften eingesetzt werden. Sie kämen damit einer «Reihenuntersuchung» gleich, erklärte sie. Dies sei politisch nicht gewollt. Vielmehr sei es darum gegangen, die Tests für alle zugänglich zu machen, nicht nur für Selbstzahler. Die häufige Anwendung könne dazu führen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für Menschen mit einer Behinderung sinke, warnte Nicklas-Faust.

Über die wesentlichen Inhalte des Antrags berichteten wir hier am 21.4.2024.

Quellen: Bundestag-Gesundheitsausschuss, domradio.de, kobinet, FOKUS-Sozialrecht

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Aufstiegsfortbildung im Bundestag

Die von der Bundesregierung geplante Novellierung der Aufstiegsfortbildungsförderung debattiert das Parlament am Donnerstag, 17. Oktober 2024. Für die erste Lesung ihres Entwurfs eines fünften Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (20/1277720/13169) sind rund 30 Minuten eingeplant. Anschließend soll der Entwurf in die Ausschüsse überwiesen werden. Bei den weiteren Beratungen soll der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung federführend sein. 

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Mit dem Gesetz verfolgt die Bundesregierung nach eigener Auskunft das Ziel, die höherqualifizierende Berufsbildung in Deutschland zu stärken. Durch Leistungsverbesserungen und die Erweiterung der Fördermöglichkeiten sollen berufliche Aufstiegsfortbildungen demnach „noch attraktiver werden“. Hintergrund der Novelle sei, dass der Arbeitsmarkt weiterhin vor großen Herausforderungen stehe und der Bedarf an beruflich hochqualifizierten Fachkräften „hoch und akut“ sei.

Mögliche finanzielle Hemmnisse für berufliche Aufsteigerinnen und Aufsteiger bei einer Entscheidung für die höherqualifizierende Berufsbildung sollen dadurch abgebaut werden. Auch die Arbeitgeber sollen künftig weiter entlastet werden: Wenn sie Zuschüsse zu den Kosten der Fortbildungen ihrer Mitarbeitenden leisten, sollen diese „bei der Förderung nicht mehr auf den Maßnahmebeitrag angerechnet“ werden.

Vereinbarkeit von Familie und Aufstiegsfortbildung

Ein besonderer Fokus werde bei der Novelle des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes darüber hinaus auf die Vereinbarkeit von Familie und Aufstiegsfortbildung gelegt. So soll der Kinderbetreuungszuschlag für Alleinerziehende in Voll- und Teilzeit von 150 Euro auf 160 Euro pro Monat angehoben werden.

Die Fördersumme für die Erstellung eines Meisterstücks oder vergleichbarer Arbeiten soll von bisher 2.000 Euro auf 4.000 Euro erhöht werden. Zudem werde der Anreiz, nicht nur an geförderten Vorbereitungsmaßnahmen teilzunehmen, sondern auch erfolgreich die Aufstiegsprüfung zu bestehen, durch die Anhebung des Darlehenserlasses bei Bestehen der Prüfung („Bestehenserlass“) von 50 Prozent auf 60 Prozent gesteigert.

Über die wesentlichen Inhalte des Gesetzentwurfs berichteten wir hier am 23.4.2024.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Gemeinnützigkeit von Vereinen

Der Bundesgerichtshof entschied Anfang 2019, dass das Netzwerk Attac nicht gemeinnützig sei, weil es versuche, „politische Meinungen zu beeinflussen“. Dieses Urteil hatte für viele Vereine weitreichende Folgen.

Angst vor politischer Aktivität

Neben Attac wurde seitdem mehreren Organisationen die Gemeinnützigkeit aberkannt, zum Beispiel der Kampagnenplattform Campact und dem Faktencheck-Team vom Volksverpetzer. Manche, wie z.B. die Petitionsplattform innn.it (ehem. change.org) konnten die Gemeinnützigkeit nach langwierigen Prüfungen und Verhandlungen wiedererlangen oder auf dem Klageweg zurückerhalten. Im Ergebnis hat sich aber inzwischen bis weit in vermeintlich unpolitische Sport-, Brauchtums- und Kulturvereinen die Angst festgesetzt, dass jegliche politische Aktivität z.B. in Form einer Unterschrift unter einen Appell gegen Rassismus oder Rechtsextremismus die Gemeinnützigkeit der Vereine bedrohe.

Anzeigen und Denunziationen

Auf der anderen Seite sind die AfD und andere rechtsextremistische Gruppen
dazu übergegangen, politische Aktivitäten von nicht-rechtsextremen Vereinen bei
lokalen Finanzämtern zu denunzieren und anzuzeigen, um die Vereine in der
Mitte der Gesellschaft zu zerschlagen und einzuschüchtern.

Antrag für eine Reform

In einem Antrag der Gruppe Die Linke im Bundestag vom 30.9.2024 wird der Bundestag daher aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Reform der Gemeinnützigkeit vorzulegen. Darin solle der Katalog der steuerbegünstigten Zwecke deutlich präzisiert und ergänzt werden:

Nötige Ergänzungen

Mit Hinweis auf die Werte des Grundgesetzes müssen Zwecke wie die „Förderung der demokratischen Teilhabe und der Wahrung und Verwirklichung der nationalen und internationalen Grund- und Menschenrechte“, die „Förderung des Friedens und des gesellschaftlichen Zusammenhalts “, die „Förderung der Durchsetzung des Sozialstaatsgebots und der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen“, die „Förderung des Klimaschutzes“, die „Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus sowie von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und sexueller Orientierung, eines Merkmals der Behinderung und des sozialen Status sowie von jeglicher gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, die „Förderung der informationellen Selbstbestimmung“ und die „Förderung gemeinnützigen Journalismus“ in den Katalog aufgenommen werden. Gleichzeitig müssen diesen Zwecken entgegengerichtete, z.B. demokratiefeindliche oder gruppenbezogen menschenfeindliche Aktivitäten eines Vereins den Ausschluss von jeglicher Steuerbegünstigung zur Folge haben.

Demokratieklausel gefordert

Eine unmissverständliche Demokratieklausel soll es einem gemeinnützigen Verein nicht nur erlauben, außerhalb seiner Satzungszwecke gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung zu nehmen, sondern auch den Einsatz für Demokratie und Menschenrechte ausdrücklich als Ausdruck gemeinnützigen Handeln anerkennen.

Demokratieklausel im Steuerfortentwicklungsgesetz

In der Anhörung des Finanzausschusses zum Steuerfortentwicklungsgesetz wurde am 7.10.2024 auch über die Änderung des § 58 der Abgabenordnung gesprochen. Dort soll ein neuer Punkt 11 eingeführt werden, nach dem eine Steuervergünstigung nicht mehr ausgeschlossen ist, wenn „eine Körperschaft außerhalb ihrer Satzungszwecke gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung nimmt.“

Der von den Linken berufene Sachverständige wertete das als einen Fortschritt. Er lobte die „Demokratieklausel“, derzufolge sich gemeinnützige Organisationen künftig im Einzelfall politisch äußern dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu verlieren. Auch Vereine seien Grundrechtsträger. Demokratiefördernde Organisationen sollten gestärkt werden. Denkbar seien auch „neue Zwecke der Förderung“, beispielsweise Rechtsstaatlichkeit.

Quellen: Tagesschau, Bundestag

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Unfallversicherung auf dem Weg zur Kita oder Schule

Gemeint ist hier der Schutz, wenn auf dem Weg zur beruflichen Tätigkeit ein Kind zur Kita/Schule gebracht oder abgeholt wird. Bislang waren nur die Eltern durch die Unfallversicherung geschützt. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Unfallversicherung soll der Personenkreis nun erweitert werden.

Anknüpfung ans Umgangsrecht

Der Wegeunfallversicherungsschutz bei der Begleitung von Kindern zur Schule oder Kita solle an das Umgangsrecht im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geknüpft werden, so die Gesetzes begründung. Hierdurch stünden neben den leiblichen Eltern aus demselben Haushalt zukünftig auch ein getrenntlebendes Elternteil, ein im Haushalt lebender neuer Lebenspartner und andere in einem engen Verhältnis zum Kind stehende Personen unter Schutz.

Vielfältigere Lebensrealitäten und Familienmodelle

Die Einbeziehung weiterer Personengruppen in den Versicherungsschutz bei Wegeunfällen trage dem erhöhten Maß von Verantwortungsübernahme dieser Personen bei der Betreuung von Kindern Rechnung. Zugrunde lägen Fallkonstellationen, die auf Dauer angelegt sind und den Alltag des Kindes wesentlich mitprägten. Die bisherige Rechtslage (Einstufung entsprechender Tätigkeiten als unversichert) werde angesichts der vielfältigen Lebensrealitäten und Familienmodelle als unzureichend empfunden, da sie der tatsächlichen Verantwortungsübernahme dieser bisher nicht geschützten Personen im Alltag nicht gerecht werde. Aus sozialpolitischer Sicht sei eine entsprechende Ausweitung daher geboten. Dabei orientiere sich die Ausweitung an der Wertung, die der Gesetzgeber in §§ 1684 f. BGB bei der Regelung des gesetzlichen Umgangsrechts getroffen hat.

Enge Bezugspersonen

Erfasst werden somit neben getrenntlebenden Eltern, Großeltern und Geschwistern auch enge Bezugspersonen des Kindes, die in einer sozial-familiären Beziehung mit dem Kind leben.

Entsprechend der Wertung des BGB sind darüber hinaus auch Großeltern und Geschwister des Kindes als Umgangsberechtigte gemäß § 1685 BGB in gleicher Weise bei Verbringung von Kindern wegen Ausübung der Erwerbsarbeit ebenfalls in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung hinsichtlich dabei bestehender Wegerisiken einbezogen. Gleiches gilt für den leiblichen Vater, der Inhaber des Umgangsrechtes nach § 1686a BGB sein kann.

Bundesrat

Der Gesetzentwurf wird am 18.10.24 im Bundesrat diskutiert. Dazu liegt dem Bundesrat eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration und Sozialpolitik vor, der eine eindeutigere Formulierung vorschlägt, wer denn alles zu den nun geschützten Personengruppen gehört.

tatsächliche Inhaberschaft eines Umgangsrechts

Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sei es nun nur noch erforderlich, dass
die Personen dem Grunde nach Inhaber des gesetzlichen Umgangsrechts sein
können. Damit sei eine über die Person hinausgehende Prüfung grundsätzlich
nicht erforderlich. Anders sehe dies lediglich bei der neu aufgenommenen Personengruppe nach § 1685 Absatz 2 BGB aus. Hier müsste der Unfallversorgungsträger auch nach dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Prüfung von originär familienrechtlichen Fragestellungen, nämlich zur sozial-familiären Beziehung, anstellen. Da umgangsberechtigte Personen nach § 1685 Absatz 2 BGB grundsätzlich alle Personen sein können und zwar unabhängig davon, ob sie miteinander verwandt sind oder nicht, sollte der Personenkreis eingegrenzt und die tatsächliche Inhaberschaft eines Umgangsrechts nach § 1685 Absatz 2 BGB Voraussetzung sein.

Quellen: BMAS, Bundesrat, FOKUS-Sozialrecht

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Beiträge zur studentischen KV und PV

Wegen der Anhebung des BAföG-Höchstsatzes steigen diesen Herbst auch wieder die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für Studierende.

bis 25. Lebensjahr: Familienversicherung

Grundsätzlich gilt: Gesetzlich versicherte Studenten sind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres beitragsfrei über die Familienversicherung der Eltern krankenversichert.

Sonderregelung

Die gesetzliche Sonderregelung über die Versicherungspflicht von Studenten während ihres Studiums findet sich im § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V. Wer als Student nicht mehr beitragsfrei in der Familienversicherung krankenversichert ist oder wenn die Eltern als Selbständige oder Beamte privat versichert sind, muss der studentischen Krankenversicherung beitreten.

Der Krankenkassenbeitrag für Studenten richtet sich nach dem BAföG-Höchstsatz. Steigt dieser, steigen auch die Kosten für die Krankenversicherung.

Aktuelle Beiträge

Der aktuelle Beitrag zur studentischen Krankenversicherung ab Wintersemester 2024/2025 beträgt 87,38 EUR.

Beiträge studentische Kranken und Pflegeversicherung ab Wintersemester 2024/2025:

Krankenversicherung87,38 EUR
durchschnittlicher Zusatzbeitrag*)14,54 EUR
Pflegeversicherung**)29,07 EUR
Pflegeversicherungszuschlag für Kinderlose ab dem 23. Lebensjahr34,20 EUR
möglicher höchster Gesamtbeitrag (Summe der Zeilen 1,2,4)136,12 EUR
*)der Zusatzbeitrag kann von Kasse zu Kasse variieren, Durchschnitt 2024: 1,7%.
**)der PV-Beitragssatz reduziert sich für Studenten mit Kindern ab dem zweiten Kind um jeweils 0,25% pro Kind. Also bei zwei Kindern: 26,93 EUR, bei drei Kindern: 24,80 EUR, usw.

Änderungszeitpunkte

Der Beitrag ändert sich bei einer Erhöhung des Bedarfssatzes bei Studenten einer Hochschule immer zum 1.10. (bzw. 1.4.) eines Jahres. Bei Studenten einer Fachhochschule immer zum 1.9. (bzw. 1.3.).

Ab 30. Lebensjahr: Ende der studentischen Krankenversicherung

Die studentische Krankenversicherung endet zum Ende des Semesters, in dem der Student das 30. Lebensjahr vollendet. Nur bei Vorliegen besonderer Gründe kommt eine Verlängerung im Einzelfall in Betracht. Danach gilt der Student in der gesetzlichen Krankenkasse als freiwillig versicherter Student.

Für freiwillig versicherte Studenten gibt es durch die BaföG-Änderung 2024 einen höheren Zuschlag für die Kranken- und Pflegeversicherung.

Zuschläge für Freiwillig Versicherte

Studierende und Auszubildende, die in der Regel ab dem 30. Lebensjahr nicht mehr in der Krankenversicherung der Studierenden versicherungspflichtig sind und als freiwillig Versicherte höhere Beiträge zahlen müssen, bekommen entsprechend höhere Zuschläge (vgl. § 13a Abs. 2 und 4 BAföG):

185 EUR für die Krankenversicherung,
48 EUR für die Pflegeversicherung,

Quellen: SOLEX

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Verschärfungen im SGB II

Am 26. September 2024 wurde das SGB III – Modernisierungsgesetz mit der ersten Lesung im Bundesrat beraten. Am 2. Oktober beschloss das Bundeskabinett eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen für eben dieses Gesetz. Dieses sei Teil der Wachstumsinitiative der Bundesregierung, mit der der deutschen Wirtschaft schnell zusätzliche Impulse für eine neue wirtschaftliche Dynamik gegeben werden solle, so das Bundeskabinett.

Als Teil der Wachstsumsinitiative unter Punkt 23 sind mit der Überschrift: „Erwerbsanreize im Bürgergeldbezug stärken“ auch Verschärfungen beim Bürgergeld geplant. Wie das konkret aussehen soll, hat das Kabinett heute beschlossen. Die „Anpassungen“ beim Bürgergeld sollen mehr Menschen in Arbeit bringen und für mehr Fairness im Sozialstaat sorgen.

Wichtige Maßnahmen im Einzelnen:

  • Die Bundesregierung will für Menschen im Bürgergeld eine Anschubfinanzierung einführen. Der Betrag wird als Prämie an diejenigen ausbezahlt, die eine Arbeit gefunden haben und dadurch seit mindestens sechs Monaten nicht länger auf Bürgergeld angewiesen sind.
  • Wer mehr als sechs Stunden täglich arbeitet, soll einen Hin- und Rückweg von insgesamt drei statt bisher zweieinhalb Stunden in Kauf nehmen müssen. Bei einer geringeren Arbeitszeit soll eine tägliche Pendelzeit von zweieinhalb statt bisher zwei Stunden zumutbar sein.
  • Wer eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Eingliederungsmaßnahme ohne triftigen Grund ablehnt, soll künftig sofort mit einer deutlicheren Leistungsminderung von 30 Prozent des Regelbedarfs für drei Monate rechnen müssen. Bislang erfolgen die Kürzungen stufenweise: Bei der ersten Pflichtverletzung um zehn Prozent für einen Monat, bei einer zweiten um 20 Prozent für zwei Monate, bei einer dritten um 30 Prozent für drei Monate. Außerdem: Wer Termine im Jobcenter ohne einen wichtigen Grund nicht wahrnimmt, soll zukünftig eine Leistungsminderung von 30 Prozent statt bisher 10 Prozent für einen Monat erhalten.
  • Wer Hilfe der Allgemeinheit in Anspruch nimmt, darf diese Unterstützung nicht ausnutzen und schwarzarbeiten. Deshalb soll der Katalog der Pflichtverletzungen um Schwarzarbeit erweitert werden. Wer Bürgergeld bezieht und schwarz arbeitet, dem soll das Bürgergeld gemindert werden. Die Jobcenter sollen gesetzlich verpflichtet werden, Verdachtsfälle auf Schwarzarbeit an die Zollverwaltung zu melden.
  • Für Geflüchtete, die Bürgergeld beziehen, soll es künftig verpflichtende Integrationspraktika geben. Sie sollen es Geflüchteten leichter machen, eine Arbeit oder Ausbildung aufzunehmen – und Arbeitgebern wiederum erleichtern, Geflüchtete einzustellen.
  • Im Zuge des Jobturbo sollen Arbeitgeber künftig einen Entgeltzuschuss erhalten, wenn sie Geflüchtete zur Teilnahme an einem Berufssprachkurs freistellen.  
  • Das Bürgergeld dient als existenzsichernde Leistung. Bevor es beansprucht wird, sollte das eigene Vermögen für den Lebensunterhalt eingesetzt werden. Die Karenzzeit für das Schonvermögen soll nun von einem Jahr auf sechs Monate verkürzt werden.
  • Es soll ein neues Förderinstrument zur Erprobung einer Beschäftigungsperspektive geben. Damit sollen ein Arbeitsplatzwechsel vom bisherigen zu einem neuen Arbeitgeber unterstützt und Arbeitslosigkeit vermieden werden.
  • Die Einwanderung von ausländischen Fachkräften in die Zeitarbeit wird ermöglicht. Vorrangiges Ziel ist es, die Beschäftigten dauerhaft in die Entleihbetriebe zu integrieren und somit die dortigen Fachkräfteengpässe zu lindern. 

Ärger mit den Verbänden

Die Verbände beklagen, dass ihnen die gesetzlich vorgeschriebene Frist zu einer Stellungnahme zu den Plänen nicht gewährt wurde. Das BMAS habe am 27.09., gegen 14:17 Uhr den Referentenentwurf des „Gesetzes zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung“ vorgelegt und im Rahmen der Verbändeanhörung um Stellungnahme bis zum 30. Sept., 16 Uhr gebeten. Also eine Stellungnahmefrist binnen 3 Tagen und übers Wochenende.

Deswegen haben der Verein Tacheles, der Paritätische Gesamtverband, die Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit und die Bundesverbraucherhilfe daher entschieden, in diesem Verfahren keine Stellungnahme abzugeben. Die Anhörung von Verbänden und Expert*innen dürfe nicht zu einem bloßen Ritual degradiert werden. Dazu eine Protestnote von Tacheles e.V.

weiteres Verfahren

Der Gesetzentwurf und die heute beschlossenen Änderungen werden nun dem Bundesrat vorgelegt. Die nächste Bundesratssitzung findet am 18 Oktober statt.

Quellen: Bundeskabinett, Tacheles e.V., FOKUS-Sozialrecht

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