Schutz von Schwangeren vor Beratungsstellen

Eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes soll den Schutz von Schwangeren vor Beratungsstellen zum Schwangerschaftsabbruch sicherstellen.

Gehsteigbelästigungen

Schwangere sollen vor Schwangerschaftsberatungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, wirksamer vor sogenannten Gehsteigbelästigungen durch Abtreibungsgegner und -gegnerinnen geschützt werden. Mit einer Reform des Schwangerschaftskonfliktgesetzes sollen die Rechte der Schwangeren sowie das Beratungs- und Schutzkonzept in seiner Gesamtheit gestärkt werden.

Schwangerschaftskonfliktberatung

Unter den Voraussetzungen des § 218a StGB ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland straffrei. Damit ein Schwangerschaftsabbruch, für den keine medizinische oder kriminologische Indikation (§ 218a Absatz 2 und 3 StGB) vorliegt, straffrei ist, muss die Schwangere sich zuvor einer Schwangerschaftskonfliktberatung unterziehen (§ 218a Absatz 1 Nummer 2 StGB). Die Inanspruchnahme der Beratung und der Zugang zu Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sind daher auch mit Blick auf den Versorgungsauftrag der Länder und die Schutzpflicht des Staates zu gewährleisten.

Schwangere und Fachpersonal wirksamer schützen

Vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, finden mit zunehmender Häufigkeit Protestaktionen von Abtreibungsgegnern und -gegnerinnen statt. Dabei werden sowohl Schwangere als auch das Fachpersonal zum Teil gezielt gegen ihren Willen angesprochen, um ihnen zum Beispiel eine andere Meinung zu Schwangerschaftsabbrüchen aufzudrängen. Oder sie werden mit unwahren oder verstörenden Inhalten, die geeignet sind, die Beratung zu beeinträchtigen, konfrontiert. Die Schwangeren trifft das oftmals in einer schon bestehenden besonderen physischen und psychischen Belastungssituation.

Solche Verhaltensweisen, die nicht auf einen einvernehmlichen Austausch von Argumenten und sachlich zutreffenden Informationen abzielen, können das gesetzlich geschützte Regelungskonzept unterlaufen und die Inanspruchnahme der Schwangerschaftskonfliktberatung oder den Zugang zu Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, beeinträchtigen. Deshalb ist es zum einen erforderlich, die Letztverantwortung der Schwangeren in dieser höchstpersönlichen Angelegenheit sicherzustellen. Zum anderen geht es auch darum, dass das Fachpersonal seine Aufgabe möglichst ungestört ausüben kann. Diese Ziele will das geplante Zweite Gesetz zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes erreichen, indem es einen bundeseinheitlichen und rechtssicheren Umgang mit sogenannten Gehsteigbelästigungen festlegt.

Nicht hinnehmbare Verhaltensweisen als Ordnungswidrigkeiten untersagen

Durch die geplanten Änderungen im Schwangerschaftskonfliktgesetz sollen bestimmte, nicht hinnehmbare Verhaltensweisen untersagt werden, wenn diese geeignet sind, die Inanspruchnahme der Beratung in der Beratungsstelle oder den Zugang zu Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, zu beeinträchtigen. Dies gilt nur für wahrnehmbare Verhaltensweisen in einem Bereich von 100 Metern um den Eingangsbereich der Beratungsstellen und Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.

Unter diesen Voraussetzungen soll mit dem geplanten Gesetz beispielweise untersagt werden, das Betreten der Einrichtungen durch Hindernisse absichtlich zu erschweren, eine Schwangere gegen ihren erkennbaren Willen die eigene Meinung aufzudrängen, sie erheblich unter Druck zu setzen oder sie mit unwahren Tatsachenbehauptungen oder verstörenden Inhalten zu konfrontieren.

Verstöße gegen diese Verbote stellen dann eine Ordnungswidrigkeit dar und werden mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro belegt.

Bundesstatistik wird angepasst

Das geplante Gesetz enthält außerdem Änderungen zur Bundesstatistik zu Schwangerschaftsabbrüchen. Sie dienen einem genaueren Überblick über die Versorgungssituation in den Ländern. Bisher werden die Daten zu Schwangerschaftsabbrüchen nur auf Bundes- und Länderebene ausgewertet. Damit die Länder ihrem Versorgungsauftrag besser nachkommen können, gibt die Bundesstatistik mit Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes jährlich auch Auskunft über die regionale Verteilung der Schwangerschaftsabbrüche unterhalb der Länderebene. Zudem werden die Stellen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, künftig jährlich auf Bundes- und Länderebene nach Größenklassen gestaffelt dargestellt, um das Bild der Versorgungslage zu verbessern.

Quelle: BMFSFJ

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Bürgergeld für Straffällige bei Sucht-Therapien

Eine Gesetzeslücke schließen will das Land NRW mit einem Gesetzesänderungsantrag im Bundesrat. Es geht um § 7 SGB II, in dem die Leistungsberechtigten des Bürgergelds beschrieben sind. Dort heißt es in Absatz 4: „Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, … in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung …untergebracht ist.“ Dort soll nun folgender Satz angefügt werden: „Hiervon ausgenommen ist der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung auf Grundlage des § 35 des Betäubungsmittelgesetzes…“

§ 35 Zurückstellung der Strafvollstreckung

Die Vollstreckung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder eines Strafrestes von nicht mehr als zwei Jahren bei von Betäubungsmitteln abhängigen Verurteilten kann zurückgestellt werden, wenn sie die Tat aufgrund ihrer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen haben und sich wegen ihrer Abhängigkeit in einer ihrer Rehabilitation dienenden Behandlung befinden oder zusagen, sich einer bereits gewährleisteten Therapie zu unterziehen.

Therapie statt Strafe

Voraussetzung für die Gewährleistung des Therapiebeginns und damit für einen
Antrag auf Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG ist die Kostenzusage des zuständigen Trägers, um die Übernahme der für die therapeutische Maßnahme selbst anfallenden Kosten sicherzustellen. In der Vergangenheit wurden den betroffenen Personen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) gewährt, um ihren Lebensunterhalt während der Therapiemaßnahme zu sichern.

BSG-Urteil

Mit Urteil vom 5. August 2021 (B 4 AS 58/20 R) hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für verurteilte
Personen, die sich nach Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG in
einer stationären Entwöhnungstherapie befinden, gemäß § 7 Absatz 4 Satz 2 SGB
ausgeschlossen ist, da es sich bei Therapieeinrichtungen im Sinne des § 35 BtMG
um Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen im
Sinne des § 7 Absatz 4 Satz 2 SGB II handelt.

Therapie nicht mehr möglich

In der Praxis hat diese Rechtsprechung zur Folge, dass für Gefangene, gegen die
eine nach § 35 BtMG zurückstellungsfähige Strafe vollstreckt wird, eine Vermittlung in eine notwendige Therapie nach § 35 BtMG faktisch unmöglich wird.

Der bislang erfolgreiche Ansatz des § 35 BtMG, „Therapie statt Strafe“, droht daher
künftig weitgehend ins Leere zu laufen. Dies hat gesamtgesellschaftlich, aber auch
für den einzelnen Gefangenen/die einzelne Gefangene und sein/ihr unmittelbares
Umfeld dramatische Auswirkungen, da Gefangene ohne die dringend erforderliche
Drogentherapie in die Gesellschaft entlassen werden müssen.

Therapie soll nicht zu Leistungsausschluss führen

Um die geschilderten negativen Auswirkungen der sozialgerichtlichen
Rechtsprechung zu vermeiden und um die Anwendung des Ansatzes „Therapie statt
Strafe“ sicherzustellen, soll eine Regelung im SGB II dahingehend vorgenommen werden, dass der Aufenthalt in einer stationären Therapieeinrichtung nicht zu einem Leistungsausschluss von Bürgergeld führt. Ziel der Gesetzesänderung ist dabei die Sicherstellung eines Anspruchs auf Leistungen für verurteilte Personen, die sich nach Zurückstellung der Strafvollstreckung in einer stationären Entwöhnungstherapie befinden, ohne dabei in die Systematik der Sozialgesetzbücher einzugreifen.

Der Bundesrat hat bisher noch nicht über den Antrag beraten.

Quellen: Bundesrat, Bundestag, BSG

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Anhörung im Bundestag zur COP28

Seit 2015, als die Pariser Klimaziele beschlossen wurden, brachten alle nachfolgenden Klimakonferenzen enttäuschende Ergebnisse. Auch die am 30. November in Dubai stattfindende Klimakonferenz – COP 28 – weckt keine großen Hoffnungen und steht schon vor Beginn unter massiver Kritik. Vor allem der Veranstaltungsort und der Präsident der Weltklimakonferenz, Sultan Ahmed al-Dschaber, der gleichzeitig Chef von ADNOC ist, eines der weltweit größten Erdölkonzerne, sorgen bei Klimaschützern für Kopfschütteln.

Erdöl-Multi als Gastgeber

So schrieben im Januar hunderte Nichtregierungsorganisationen in einem offenen Brief an UN-Generalsekretär António Guterres, dessen Ernennung bedrohe die „Legitimität“ der Konferenz in Dubai. Keine guten Vorzeichen für die Rettung des Planeten also.

Anhörung im Bundestag

Trotzdem fand am 28. November im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags eine Anhörung von geladenen Sachverständigen statt, die durchweg mehr Anstrengungen zur Erreichung der Pariser Klimaziele forderten. Ausgenommen der von der AFD geladene Christopher Monckton of Brenchley, der wieder ein Bühne bekam für den Schwachsinn, den er im Auftrag des menschenverachtenden Heartland-Instituts verbreiten durfte. (Die Heartland-Stiftung ist übrigens Teil des Atlas-Netzwerks, dem anderem führende FDP-Politiker angehören, zum Beispiel Frank Schäffler, der vor kurzem durch die Torpedierung des von seiner eigenen Partei mitbeschlossenen Gebäude-Einergie-Gesetzes aufgefallen ist. Das nur am Rande.)

Zusage an Entwicklungsländer nicht eingehalten

Bertha Aguerta, Referentin für Klimafinanzierung und Entwicklung beim Verein Germanwatch, erinnerte daran, dass die Industriestaaten hätten zugesagt haben, seit 2020 100 Milliarden Dollar pro Jahr bereitzustellen, um den Entwicklungsländern zu helfen, Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen. 2021 sei dieses Ziel leider nicht erreicht worden. Zwar habe Deutschland seinen Beitrag geleistet. Andere Industriestaaten hätten dies jedoch nicht getan. Insofern müsse von einem Scheitern gesprochen werden. Anpassungsmaßnahmen, so Aguerta, seien jedoch besonders wichtig für die Entwicklungsländer, da die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher würden und die nachhaltige Entwicklung bedrohten.

Zielkonflikte

„Für mich ist proaktive internationale Klimapolitik Krisen- und Konfliktprävention“, sagte der von der Unionsfraktion nominierte Professor Jan Christoph Steckel vom Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Die globale Reduktion von Emissionen sei im globalen Interesse. Steckel forderte, die eigenen Ziele und Interessen klar zu formulieren, Zielkonflikte klar zu benennen, „und diese nach Möglichkeit auch aufzulösen“. Zielkonflikte gebe es international wie auch national. Der Anstieg der Kohleverstromung in den letzten Jahren in Ländern wie China, Indien, Indonesien und den Philippinen sei darauf zurückzuführen, dass es in diesen Ländern die günstigste Möglichkeit war, schnell viel Stromkapazität ans Netz zu bringen. „Ziele, wie Energiesicherheit oder kurzfristig günstiger Strom wurden von den nationalen Regierungen höher gewertet als klimapolitische Ziele.“

Dies bedeute aber nicht, dass es keine klimafreundlichen Alternativen gebe oder Kohle eine unumstößliche Bedingung für ökonomische Entwicklung sei, betonte Steckel. Diese Alternativen seien aber mit höheren Kosten verbunden. „Daher ist eine internationale Politik der ausgestreckten Hand, wie sie es unter anderem mit den Just Energy Transition Partnerships (JETPs) versucht wird, der richtige Weg“, sagte er.

Weit entfernt von den nötigen Klimazielen

Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Sachverständige benannte Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Kira Vinke, sieht die Welt in einer „wirklich brenzligen Krise“. Aktuell würden Prozesse im Erdsystem losgetreten, die sich auf viele hunderte Jahre auswirken könnten. „Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Ambitionen im Klimaschutz steigern, auch national“, sagte sie. Die deutsche Klima-Außenpolitik gründe sich schließlich in ihrer Legitimierung auf ihrer Klima-Innenpolitik.

Um das 1,5 Grad-Ziel bis Ende des Jahrhunderts noch im Blick behalten zu können, müssten die Emissionen weltweit um 40 Prozent bis 2030 gesenkt werden, sagte Vinke. „Davon sind wir weit entfernt“, fügte sie hinzu. Benötigt werde der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien. Ein Ziel könne sein, bis 2030 11.000 Gigawatt hinzuzubauen. Die Expertin sprach sich für mehr multilaterale oder bilaterale Abkommen aus, um eine neue Dynamik auch mit Blick auf den Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung zu erzielen. Wenn es beispielsweise derzeit nicht möglich sei, einen globalen CO2-Preis zu erreichen, könne in kleineren Gruppen etwa ein Methanpreis ausgemacht werden. Dazu müsse versucht werden, „auch mit den Amerikanern eine stärkere Partnerschaft einzugehen“.

Vinke ging auch auf die Kreditvergabe für Klimaanpassungsmaßnahmen ein. Benötigt würden mehr Zuwendungen, „weil es für viele Länder nicht möglich ist, für bestimmte Anpassungsmaßnahmen Kredite aufzunehmen und diese fristgerecht zurückzuzahlen“.

Klimaclubs als Alternative

Professor Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, von der FDP-Fraktion zu der Anhörung eingeladen, blickt wenig hoffnungsvoll auf die anstehende Konferenz von Dubai. Erwartet worden sei, dass nun der Mechanismus des „Naming and Shaming“ einsetze. In den vorliegenden Dokumenten stehe davon aber gar nichts. Es sei nur eine kollektive statt einer individuellen Bestandsaufnahme geplant. Im Grunde vertage man sich bei dieser Bestandsaufnahme schon wieder bis zur nächsten in fünf Jahren, bemängelte er. „Es ist also nicht zu erwarten, dass dort der zentrale Vollzugsmechanismus des Paris-Abkommens greift“, so Schwarze.

Realistischer sei ohnehin derzeit ein Klimastabilisierungsszenario jenseits von zwei Grad. Schon 2026 werde wohl das 1,5 Grand-Ziel dauerhaft verletzt werden. Alternativen zum Paris-Abkommen seien die Klimaclubs. „Diese Idee ist für Ökonomen außerordentlich charmant“, sagte Schwarze. Sie stelle die CO2-Bepreisung in den Mittelpunkt aller Ziele, was viele Vorteile habe. Allerdings sei diese Zielsetzung etwa im Rahmen der G7 aufgegeben worden. Schwarze nannte dies ernüchternd. Es gelte nun, den klimafreundlichen technischen Fortschritt durch internationale Forschungskooperation stärker zu fördern.

Quellen: Bundeszentrale für politische Bildung, wikipedia, t-online, Bundestag

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Gesundheitliche Versorgung von Frauen ohne Aufenthaltsstatus

Frauen ohne geregelten Aufenthaltsstatus haben in Deutschland grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz. Sie können diesen aber aufgrund der im Aufenthaltsgesetz festgeschriebenen Übermittlungspflichten de facto nicht in Anspruch nehmen, ohne eine Abschiebung zu riskieren. Nicht praktikable Regelungen der Bedürftigkeitsprüfung und der Kostenerstattung bei Krankenhausbehandlungen erschweren den Zugang zu einer sicheren Geburtshilfe weiter.

Arbeitspapier

Die BAG Gesundheit/Illegalität hat ein wichtiges Arbeitspapier erstellt, in dem die Situation der betroffenen Frauen beschrieben wird. Obgleich Frauen innerhalb der Mutterschutzfristen eine Duldung bekommen können, besteht kein sicherer Schutz vor Umverteilung oder Abschiebung in dieser Zeit. Es gibt zudem große Hürden bei der Ausstellung von Geburtsurkunden und auch die gesundheitliche Versorgung der neugeborenen Kinder ist nicht gewährleistet.

Geltendes Recht

Der fehlende Zugang zu gesundheitlicher Versorgung in Schwangerschaft und Geburt steht in deutlichem Gegensatz zu internationalen Menschenrechtsverträgen, die in Deutschland geltendes Recht sind. (UN-Frauenrechtskonvention, UN-Kinderrechtskonvention, Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – Istanbul-Konvention).

Gesundheitsversorgung oder Abschiebung

Das Dilemma, in denen sich hier speziell schwangere Frauen befinden (Gesundheitsversorgung oder Abschiebung) haben im Übrigen auch andere Menschen ohne Papiere, wenn sie akute Erkrankungen oder Schmerzzustände behandeln lassen wollen. Um gesundheitliche Versorgung in Anspruch nehmen zu können, müssen Menschen ohne Papiere zuvor beim zuständigen Sozialamt einen Krankenschein beantragen. Das Sozialamt ist jedoch aufgrund der in Deutschland geltenden Übermittlungspflichten (§ 87 Abs. 2 AufenthG) gesetzlich verpflichtet, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus an die Ausländerbehörde zu melden. In der Praxis können Menschen ohne Papiere deshalb unser Gesundheitssystem nicht nutzen: Wenden sie sich an das Sozialamt, droht ihnen die Abschiebung. So können Menschen ohne Papiere ihr Recht auf gesundheitliche Versorgung de facto nicht in Anspruch nehmen.

Nothelferparagraph funktioniert nicht

Ärzt*innen und anderes medizinisches Personal haben im Notfall die Pflicht, medizinische Hilfe zu leisten. Der „Nothelferparagraph“ (§ 6a AsylbLG) soll ermöglichen, dass Krankenhäuser die Kosten für im Notfall erfolgte Leistungen rückwirkend vom Sozialamt erstattet bekommen können. Grundsätzlich muss das Sozialamt hierbei jedoch stets prüfen, ob eine materielle Hilfebedürftigkeit vorliegt und Patient:innen für die Behandlungskosten nicht selbst aufkommen können. An der Bedürftigkeitsprüfung scheitert in der Regel die rückwirkende Finanzierung, da Menschen ohne Papiere die geforderten Dokumente und Nachweise wie Kontoauszüge, Mietverträge oder Passkopien zumeist nicht erbringen können. Die geltenden Regelungen sind somit nicht praktikabel: Eine Kostenerstattung durch das Sozialamt im Notfall greift nur in einem Bruchteil der Fälle. Dies hat Auswirkungen auf die Möglichkeit und Bereitschaft der Krankenhäuser, die Versorgung in angemessenem Umfang sicherzustellen. Im Notfall gilt zudem ein „verlängerter Geheimnisschutz“. Danach unterliegen nicht nur Ärzt*innen und medizinisches Personal der Schweigepflicht, sondern auch die Verwaltungsmitarbeitenden im Krankenhaus und die Angestellten der Sozialämter. Sie dürfen keine Informationen über die Person an die Ausländerbehörde oder Polizei melden. Der verlängerte Geheimnisschutz ist jedoch nach wie vor in den Sozialämtern nicht ausreichend bekannt. Es ist deshalb in der Praxis unsicher, ob nicht doch eine Weitergabe der personenbezogenen Daten erfolgt.

Menschen ohne Papiere

Der Begriff „Menschen ohne Papiere“ beschreibt Personen, die sich ohne legalen asyl- oder ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel, ohne Duldung und ohne behördliche Erfassung in Deutschland aufhalten. Menschen ohne Papiere verfügen in Deutschland über keine Arbeitserlaubnis und keine Krankenversicherung. Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen ohne geregelten Aufenthaltstitel in Deutschland leben: Personen können mit einem Visum einreisen und nach Ablauf des Visums nicht wieder ausreisen. Ein Asylantrag kann abgelehnt worden und der Ausreisetermin verstrichen sein. Auch eine Scheidung kann ein Grund für den Verlust des Aufenthaltstitels sein. Manche Menschen sind auch von Arbeitsausbeutung betroffen. Viele Menschen ohne Papiere leben seit Jahren in Deutschland, arbeiten hier und ziehen Kinder auf. Achtung: Menschen ohne Papiere sind nicht gleichzusetzen mit geflüchteten Menschen. Andere Begriffe für „Menschen ohne Papiere“ sind: „Sans-Papiers“, „Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus“ oder „Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität“.

Quellen: BAG Gesundheit/Illegalität, Diakonie Deutschland, Tacheles e.V., wikipedia

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Pflege ab 1. Januar 2024

Mit dem PUEG (Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege) werden die Leistungen der Pflegeversicherung um etwa 5 Prozent erhöht. Das betrifft das Pflegegeld und die Pflegesachleistungen. Die genauen Beträge können Sie hier nachlesen. Dort berichteten wir auch über die Erhöhung des Umwandlungsbetrags nach § 45a Abs. 2 SGB XI für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag und über die geplante Dynamisierung der Höhe der Leistungen ab 2025. Was ändert sich noch?

Pflegeunterstützungsgeld

Beschäftigte haben das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Liegen die Voraussetzungen der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung vor und hat die oder der Beschäftigte für diesen Zeitraum beispielsweise keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber, kann der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld geltend gemacht werden. Das Pflegeunterstützungsgeld wird auf Antrag gewährt.

Ab dem 01.01.2024 besteht nun pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage An-
spruch auf Pflegeunterstützungsgeld nach § 44a Abs. 3 SGB XI und nicht mehr wie
bisher für die gesamte Dauer der Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen. Es bleibt aber dabei, dass die 10 Tage jeweils nur für einen Pflegebdürftigen gelten, auch wenn sich mehr als eine Pflegeperson um ihn gekümmert haben.

Verhinderungs- und Kurzzeitpflege

Verhinderungs- und Kurzzeitpflege sollen zu einem Gemeinsamen Jahresbetrag zusammengefasst werden. Das ist aber erst zum 1.Juli 2025 geplant. Dann steht für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege künftig ein kalenderjährlicher Gesamtleistungsbetrag von bis zu 3.539 Euro zur Verfügung, den die Anspruchsberechtigten nach ihrer Wahl flexibel für beide Leistungsarten einsetzen können. Die bisherigen unterschiedlichen Übertragungsregelungen entfallen dann und müssen somit nicht mehr beachtet werden.

Ab 1.Januar 2024:

Die wesentlichen Rechtswirkungen des Gemeinsamen Jahresbetrags werden für Pflegebedürftige mit den Pflegegraden 4 und 5 bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs vorgezogen. Daher gilt ab Januar 2024:

  • Die Verhinderungspflege kann anstatt bis zu sechs bereits bis zu acht Wochen im Kalenderjahr in Anspruch genommen werden,
  • auch die hälftige Fortzahlung eines zuvor bezogenen (anteiligen) Pflegegeldes während der Verhinderungspflege erfolgt anstatt für bis zu sechs bereits für bis zu acht Wochen im Kalenderjahr,
  • es können im Kalenderjahr bis zu 100 Prozent – im Jahr 2024 also bis zu 1.774 Euro – der Mittel der Kurzzeitpflege zugunsten der Verhinderungspflege umgewidmet werden, soweit die Mittel nicht bereits für Leistungen der Kurzzeitpflege verbraucht worden sind (der umgewidmete Betrag wird dabei auf den Leistungsbetrag der Kurzzeitpflege angerechnet, vermindert diesen also entsprechend) und
  • die sechsmonatige Vorpflegezeit vor der erstmaligen Inanspruchnahme von Verhinderungspflege entfällt.

Leistungszuschläge bei Vollstationärer Pflege

Die Leistungszuschläge, die die Pflegeversicherung nach § 43c SGB XI für Pflegebedürftige ab dem Pflegegrad 2 in vollstationären Pflegeeinrichtungen übernimmt, werden erhöht. Die Höhe der monatlichen Zuschläge ist dabei abhängig von der Verweildauer der Pflegebedürftigen in der vollstationären Pflege.

Zum 1. Januar 2024 wird der Anteil an den pflegebedingten Aufwendungen, den die Pflegeversicherung leistet,

  1. bei einer Verweildauer von 0 bis 12 Monaten von 5 % auf 15 %,
  2. bei einer Verweildauer von 13 bis 24 Monaten von 25 % auf 30 %,
  3. bei einer Verweildauer von 25 bis 36 Monaten von 45 % auf 50 % und
  4. bei einer Verweildauer von mehr als 36 Monaten von 70 % auf 75 %

des von der oder dem Pflegebedürftigen in der vollstationären Pflegeeinrichtung zu zahlenden Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen angehoben.

Krankengeldanspruch bei Mitaufnahme als Begleitperson eines Kindes

Versicherte haben ab 1. Januar 2024 einen Anspruch auf Kinderkrankengeld, wenn und solange die Mitaufnahme eines Elternteils bei stationärer Behandlung des versicherten Kindes aus medizinischen Gründen im Sinne des § 11 Abs. 3 SGB V notwendig ist. Mehr dazu hier.

Quellen: BMG, FOKUS-Sozialrecht, Carmen P. Baake: Beraterbrief Pflege

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Leistungen für Asylbewerber und der „Pullfaktor“

§ 3 Abs. 1 AsylbLG enthält eine Definition des notwendigen Bedarfs und des notwendigen persönlichen Bedarfs. Bei den Grundleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes wird seit jeher unterschieden zwischen notwendigem Bedarf und notwendigem persönlichen Bedarf (vor 2015 gerne als „Taschengeld“ bezeichnet. Bis 23.10.2015 wurde dieser Betrag dann Bargeldbetrag genannt – diese Bezeichnung ließ sich aufgrund der Einführung des Sachleistungsprinzips in Erstaufnahmeeinrichtungen durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz nicht mehr aufrecht erhalten).

Grundleistungen in Aufnahmeeinrichtungen

Während der Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung (§ 44 AsylG) wird der notwendige Bedarf zwingend durch Sachleistungen gedeckt. Die Dauer dieses Aufenthaltes kann je nach Gesetzeslage im Bundesland unterschiedlich hoch sein. § 47 Abs. 1 AsylG spricht von „bis zu sechs Monaten“, § 47 Abs. 1bAsylG eröffnet den Bundesländern, eine weit längere Verweildauer festzulegen (bis zu 24 Monate). Das Asylbewerberleistungsgesetz „begrenzt“ die Leistungsdauer der Grundleistungen aufgrund von § 2 AsylbLG: nach einem 18-monatigem Aufenthalt muss das Sozialamt die sogenannten „Analogleistungen“ erbringen – es sei denn, die Aufenthaltsdauer wurde „rechtsmissbräuchlich beeinflusst“ 

Beim notwendigem persönlichen Bedarf gilt ebenfalls der Vorrang der Sachleistungen. Allerdings gilt dies nur, soweit die Gewährung von Sachleistungen mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Ist dies nicht der Fall, können Leistungen auch in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden. 

Grundleistungen außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen

Sind die Asylsuchenden nicht mehr verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sind im Regelfall Geldleistungen zur Selbstversorgung zu gewähren. Nur wenn die Umstände es erfordern, können statt der Geldleistungen Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, Wertgutscheinen oder Sachleistungen gewährt werden. Angesichts des Verwaltungsaufwandes und der erheblichen Mehrkosten der Abweichung von Geldleistungen zu Lasten der öffentlichen Hand dürften solche Umstände real kaum begründbar sein.

Die Regelsätze decken nicht den Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat ab, hierfür sind in Form von Geld- oder Sachleistungen die Bedarfe zu decken.

Bedarfssätze der Grundleistungen

Die Bedarfssätze der Grundleistungen sind seit 01.09.2019 in § 3a AsylbLG geregelt. Die Bedarfsstufen sind dabei in enger Anlehnung an die in § 8 RBEG geregelten, nach Alter und Haushaltskonstellation differenzierenden Regelbedarfsstufen ausgestaltet. Die Bedarfssätze sollen jährlich angepasst werden.

Danach ergeben sich folgende Bedarfssätze zum 01.01.2024:

Stufe Notwendiger Bedarf Notwendiger persönlicher Bedarf Grundleistung gesamt
1
(Alleinstehend oder Alleinerziehende)
256 EUR 204 EUR 460 EUR
2
(Paare in einer Wohnung/Unterbringung in Sammelunterkunft*)
229 EUR 184 EUR 413 EUR
3
(Erwachsene in einer stationären Einrichtung; Erwachsene unter 25 Jahren, die im Haushalt der Eltern leben)
204 EUR 164 EUR 368 EUR
plus 20 Euro Sofortzuschlag
4
(Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren)
269 EUR 139 EUR 408 EUR
plus 20 Euro Sofortzuschlag
5
(Kinder zwischen 6 und 13 Jahren)
204 EUR 137 EUR 341 EUR
plus 20 Euro Sofortzuschlag
6
(Kinder bis 5 Jahren)
180 EUR 132 EUR 312 EUR
plus 20 Euro Sofortzuschlag

Pull-Faktoren

Anders als von vielen Politikern und Medien immer wieder beklagt, spielen die Leistungen für Asylbewerber als „Pullfaktoren“ nur eine geringe Rolle. Wesentlich wichtiger für die Auswahl eines Fluchtziels sind soziale Kontakte oder die Sprache. Oft ist es für die Menschen gar nicht möglich, ökonomische Kalküle bei der Wahl des Ziellandes aufzustellen, weil die Auslöser für die Flucht meistens vollkommen unvorhergesehen eintreffen. Eine gute Zusammenfassung des Standes der wissenschaftlichen Forschung zu Fluchtursachen und Fluchtentscheidungen (Migrationsforschung) konnte man am 12.10.2022 auf der Onlineseite der Tagesschau nachlesen.

Quellen: Bundesanzeiger, Tagesschau, SOLEX

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Bundestag berät über das Selbstbestimmungsgesetz

Der Bundestag hat am Mittwoch, 15. November 2023, erstmals den Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (20/9049) beraten. Im Anschluss an die Aussprache überwiesen die Abgeordneten die Vorlage zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Geschlechtseinträge und Vornamen künftig deutlich einfacher geändert werden können. Zur Begründung führt die Bundesregierung an, dass sich das „medizinische und gesellschaftliche Verständnis von Geschlechtsidentität“ in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt habe. „Die aktuelle Rechtslage trägt dem nicht ausreichend Rechnung“, heißt es weiter. Ziel des Entwurfs sei es, Regelungen zu vereinheitlichen, zu entbürokratisieren „und zum Schutz der verfassungsrechtlich geschützten Geschlechtsidentität zu regeln“. Der Entwurf treffe „keine Regelungen zu geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen“.

Für Menschen, deren Geschlechtsidentität vom Geschlechtseintrag abweicht, sollen danach künftig nicht mehr die Regelungen des Transsexuellengesetzes (TSG) einschlägig sein. Diese sehen unter anderem vor, dass sich Personen, die Vornamen und Geschlechtseintrag ändern wollen, zweifach begutachten lassen müssen.

Erklärung gegenüber dem Standesamt

Stattdessen ist laut Entwurf vorgesehen, dass eine Person die Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags per Erklärung gegenüber dem Standesamt veranlassen kann. Diese Regelung lehnt sich laut Entwurf an die Regelungen für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung an. Diese haben seit 2018 die Möglichkeit, gegenüber dem Standesamt ihren Geschlechtseintrag streichen oder in „divers“ ändern zu lassen. Die in diesen Fällen vorgesehene Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung soll künftig entfallen.

Die Neuregelung greift laut Entwurf auch für nichtbinäre Personen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Bisher gab es demnach für diese Personen keine explizite Regelung zur Änderung des Geschlechtseintrags. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes seien auch in diesen Fällen die Regelungen des TSG einschlägig gewesen, heißt es im Entwurf. Mit der Neuregelung soll das TSG aufgehoben werden.

Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag

Kernstück des Entwurfs ist ein neues „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“ (Selbstbestimmungsgesetz). Es soll die Voraussetzungen zur Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags regeln. Grundsätzlich ist vorgesehen, dass eine Änderung drei Monate vorher beim zuständigen Standesamt angemeldet werden muss. Nach einer Änderung soll eine weitere Änderung erst nach Ablauf von einem Jahr (Sperrfrist) möglich sein.

Mit der Erklärung vor dem Standesamt soll die betreffende Person versichern, dass „der gewählte Geschlechtseintrag beziehungsweise die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht“ und „ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist“.

Regelungen für Minderjährige und Betreute

Für Minderjährige und Personen mit Betreuer gelten abweichende Regelungen. Beschränkt geschäftsfähige minderjährige Personen, die mindestens 15 Jahre alt sind, sollen die entsprechende Erklärung selbst abgegeben können, benötigen dazu aber die Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Stimmt dieser nicht zu, soll laut Entwurf das Familiengericht die Zustimmung ersetzen können, „wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht“.

Bei geschäftsunfähigen Minderjährigen beziehungsweise Minderjährigen, die noch nicht 15 Jahre alt sind, soll nur der gesetzliche Vertreter die Erklärung abgeben können. Die Sperrfrist zur erneuten Änderungen soll für Minderjährige und Personen mit Betreuer nicht gelten.

Regelungen zur Wirkung der Änderungen

In dem Entwurf werden zudem Regelungen zur Wirkung der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen aufgeführt. Danach sollen grundsätzlich der jeweils aktuelle Geschlechtseintrag und die jeweils aktuellen Vornamen im Rechtsverkehr maßgeblich sein. Ausdrücklich wird ausgeführt, dass „betreffend den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen […] die Vertragsfreiheit und das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers sowie das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, unberührt [bleiben]“. Als Beispiel wird in die Begründung auf den Zugang zu Saunas verwiesen.

Normiert wird auch, welche Folgen die Änderung eines Geschlechtseintrags auf quotierte Gremien hat. Ferner wird angeführt, dass Rechtsvorschriften, die etwa künstliche Befruchtung, Schwangerschaft oder Entnahme von Samenzellen betreffen, unabhängig von dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht der jeweiligen Person gelten sollen, wenn die Person etwa gebärfähig ist. Weitere Regelungen betreffen unter anderem die Änderung von Registern und Dokumenten, das Offenbarungsverbot, das Eltern-Kind-Verhältnis sowie die Wehrpflicht im Spannungs- und Verteidigungsfall.

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 20. Oktober 2023 eine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf beschlossen. So fordert die Länderkammer unter anderem eine Schärfung des Offenbarungsverbots, die die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung allerdings ablehnt.

Grundsätzlich kritisiert der Bundesrat, „dass die vorgelegten Pläne sich in verschiedenen Bereichen als unzulänglich erweisen, insbesondere mit Blick auf die Interessen von Kindern und Jugendlichen“. Konkret moniert die Länderkammer, dass es in Fällen von Minderjährigen bis 14 Jahre allein dem elterlichen Willen überlassen sein soll, Geschlechtseintrag und Vornamen der Kinder zu ändern, „ohne jede Beratung, Prüfung und Erforschung des Kindeswohls und -willens von außen“. Dies stünde in „eklatantem Widerspruch etwa zur kindzentrierten Ausgestaltung familiengerichtlicher Verfahren“, führt die Länderkammer aus.

Die Bundesregierung hält den Vorwurf, dass der Entwurf die Interessen von Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend berücksichtige, für nicht zutreffend. Sie lehnt vor allem die generelle Beteiligung der Familiengerichte bei Minderjährigen ab. „Für eine generelle Kontrolle des Staates durch die Familiengerichte zum Schutz des Minderjährigen besteht keine Veranlassung, zumal eine erneute Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen bei Minderjährigen ohne Einhaltung einer Sperrfrist erklärt werden kann“, entgegnet die Bundesregierung.

Langer Weg

Den langen Weg des Selbstbestimmungsgesetzes begleiteten wir hier in mehreren Beiträgen:

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

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Gallengangsverschluss bei Neugeborenen

Die Gallengangatresie ist eine seltene Erkrankung mit Verschluss der Gallenwege, die ausschließlich im Neugeborenenalter auftritt. Die Ursache ist noch ungeklärt. Die Gallengangatresie kann im Säuglingsalter unbehandelt zu einem tödlichen Leberversagen führen. Im neuen Gelben Heft der Früherkennungsuntersuchungen für Kinder ist bei der U2 eine Stuhlfarbkarte abgebildet, so dass Eltern nun bei einer auffallend blassen Stuhlfarbe ihres Babys einen Verdacht sofort ärztlich abklären lassen.

Gehört jetzt ins Gelbe Heft: die Stuhlfarbkarte auf Seite 14

Kinder-Richtlinie

Um Erkrankungen und Entwicklungsstörungen rechtzeitig behandeln zu können, sind regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen für Kinder ein fester Bestandteil des Krankenversicherungs-Leistungsspektrums. In der Kinder-Richtlinie legt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) alle Details hierzu fest. Neben speziellen Früherkennungsuntersuchungen für Neugeborene gehören die Kinderuntersuchungen in festgelegten Abständen dazu.

Die vorgesehenen Untersuchungen müssen innerhalb bestimmter Zeiträume wahrgenommen werden. Im Kinderuntersuchungsheft, dem sogenannten Gelben Heft, dokumentieren die Ärztinnen und Ärzte ihre Befunde.

Bei der Geburt das Gelbe Heft

Das Gelbe Heft wird den Eltern nach der Geburt von der Entbindungsstation oder durch die Hebamme übergeben.

Die Gelben Kinderuntersuchungshefte mit integrierter Stuhlfarbkarte bei der Früherkennungsuntersuchung U2 stehen nun zum Abruf bereit. Kliniken, Kassenärztliche Vereinigungen und Hebammenverbände können sie ab sofort über das Online-Bestellsystem auf der G-BA-Website anfordern. Vertragsärztinnen und -ärzte erhalten die für ihre Praxis benötigten Kinderuntersuchungshefte über ihre zuständige Kassenärztliche Vereinigung.

Das Gelbe Heft mit Stuhlfarbkarte

Die neue Stuhlfarbkarte ist – anders als der Name vielleicht vermuten lässt – kein herausnehmbares Produkt, sondern wird auf Seite 14 bei der Früherkennungsuntersuchung U2 abgebildet. Das Farbschema gehört zur ärztlichen Aufklärung rund um das Screening auf Gallengangverschluss, der unbehandelt zu einem tödlichen Leberversagen führen kann. Bislang wurden Eltern bei der U2 und U3 zwar über die Erkrankung informiert, aber ein Farbmuster für zuhause gab es nicht. Das ändert sich nun. Entsprechende Hinweise sind nun in die Begleittexte zur U2 und U3 aufgenommen.

Quellen: G-BA, FOKUS-Sozialrecht

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Kritik an der Kindergrundsicherung

Hier auf FOKUS-Sozialrecht erscheinen schon ab und an Beiträge, die die wesentlichen Punkte und Begrifflichkeiten der Kindergrundsicherung erläutern sollen (hier, hier und hier). Immerhin soll sie in gut einem Jahr in Kraft treten.
Oder vielleicht doch nicht?

2025 nicht realisierbar

In der Anhörung des Familienausschusses vom 8.11.2023 jedenfalls sagte eine Sprecherin der Bundesanstalt für Arbeit (BA), die Umsetzung des Gesetzes zum 1.1.2025 sei nicht realisierbar. Es müsse die IT angepasst, Personal akquiriert und qualifiziert und ein Schnittstellenmanagement aufgebaut werden, um Familien unnötige Weg zu ersparen.

Gesetzesziele verfehlt

Überhaupt würde der Aufbau des neuen „Familienservice“ nach Ansicht einiger Experten die Verwaltungskosten in die Höhe treiben und das System unnötig verkomplizieren. Dabei war doch die Grundidee, die von allen Sachverständigen im Übrigen begrüßt wird, familienpolitische Leistungen zusammenzuführen und dadurch leichter zugänglich zu machen. Die Vorlage der Regierung würde aber nicht dazu führen, Mehrfachzuständigkeiten zu beseitigen, Familien würden nicht Leistungen aus einer Hand bekommen, wie es eigentlich das Ziel des Gesetzes sei.

Kinder aus der Armut holen

Ziel der Kindergrundsicherung ist es, Millionen Kinder aus der Armut zu holen, indem die bisherigen Leistungen Kindergeld, Bürgergeld, Sozialhilfe, Kinderzuschlag und die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes zusammengeführt und im Wesentlichen von einem neu zu schaffenden „Familienservice“ bei der Bundesagentur für Arbeit (in Anlehnung an die bisherigen Familienkassen) bearbeitet werden. Die Kindergrundsicherung soll aus drei Teilen bestehen: dem einkommensunabhängigen Kindergarantiebetrag für alle Kinder und Jugendlichen (entspricht dem Kindergeld), dem einkommensabhängigen und altersgestaffelten Kinderzusatzbetrag sowie den Leistungen für Bildung und Teilhabe. Dadurch, dass Unterhaltsleistungen und Unterhaltsvorschuss bei der Bemessung des Kinderzusatzbetrages grundsätzlich nur zu 45 Prozent berücksichtigt werden, soll sich die Situation von Alleinerziehenden, die Bürgergeld erhalten, und Alleinerziehenden mit noch nicht eingeschulten Kindern besonders verbessern.

Verwaltungsreform ist zu wenig

Kritik gab es mehrfach auch daran, dass der Gesetzentwurf bisher keine Anhebung des soziokulturellen Existenzminimums für Kinder vorsieht. Dies bezeichneten vor allem die Vertreter von Wohlfahrtsverbänden als enttäuschend. Andreas Aust vom Paritätischen Gesamtverband betonte, eine Kindergrundsicherung müsse deutlich mehr sein als eine Verwaltungsreform. „Um Armut zu bekämpfen, brauchen Familien schlicht und einfach mehr Geld.“ Für einen Großteil der armen Kinder würden sich die Leistungen aber nicht ändern, sagte er. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverband VdK Deutschland, bekräftigte, dass die Bündelung von Leistungen ein ganz wichtiges Ziel der Kindergrundsicherung sei, denn das jetzige System funktioniere nicht so, wie es Kinder und Jugendliche eigentlich bräuchten. Sie appellierte an die Abgeordneten, in den Beratungen dafür zu sorgen, dass die Ungleichbehandlung von Familien mit viel Geld und jenen mit wenig Geld abgeschafft wird. Bernd Siggelkow, Vorstand der Kinderstiftung „Arche“, verwies darauf, dass es armen Kindern nicht nur an Geld mangele, sondern auch an Ressourcen, auf die sie zurückgreifen können, unter anderem auf ein ganz anders aufgestelltes Bildungssystem. Auch müsse sichergestellt werden, dass die Leistungen bei den Kindern direkt ankommen, lautete sein Appell an die Abgeordneten.

Quellen: Bundestag, Bundesregierung, FOKUS-Sozialrecht

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Kritik am Klimaschutzgesetz

„Keine Verschiebung von Reduktionslasten in die Zukunft und damit auf die nachfolgenden Generationen“ war ein Kernsatz des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 29. April 2021. Darauf wies Roda Verheyen, Vorstand von Green Legal Impact und Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts bei der Sachverständigen-Anhörung am 8. November 2023 zur geplanten Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes hin.

Belastung der nachfolgenden Generationen

Genau diese Verschiebung der Lasten passiere aber nun mit der geplanten Novelle. Die auf Vorschlag der SPD geladenen Expertin appellierte an die Abgeordneten: „Es ist zwingend erforderlich, dieses Gesetz so nicht anzunehmen.“ Zu dem gleichen Ergebnis kam Thorsten Müller, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, der ebenfalls auf Vorschlag der SPD eingeladen war.

Aufhebung der Sektorenziele

Kern der Novelle des Klimaschutzgesetzes ist die Aufhebung der Sektorenziele, so dass nun nur noch die Jahresemissionsgesamtmengen für alle Sektoren zusammen bewertet werden und gegebenenfalls für Nachbesserungen sorgen sollen. Dies entlastet vor allem das Verkehrsministerium, dass seine Sektorenziele bisher krachend verfehlt hat.

Klimablockadepolitik

Das Klimaschutzgesetz sei „nicht ansatzweise mit der 1,5 Grad-Grenze kompatibel, sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Mit dem Gesetz gehe es offenbar darum, “säumige Ministerien vor schlechter Presse zu schonen und Klimablockadepolitik in Schlüsselsektoren wie dem Verkehr in einer mehrjährigen Gesamtrechnung„ zu verstecken. Müller-Kraenner, der auf Einladung der Linken-Fraktion Stellung nahm, sprach von drohender “Verantwortungsdiffussion„. Ähnlich sah das Tobias Pforte-von Randow vom Deutschen Naturschutzring. Der vorliegende Gesetzentwurf diene lediglich der Verschleierung ungenügender Klimaschutzbemühungen sagte der Experte, der auf Einladung der Grünen-Fraktion sprach.

Keine Aufweichung der Sektorziele

Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sprach sich dezidiert gegen eine Aufweichung der Sektorziele aus und plädierte für eine Beibehaltung der derzeitigen Methodik, die eine gezielte Anreizwirkung zur Senkung der Treibhausgasemissionen in den Sektoren habe. Dazu führte die Expertin, die auf Einladung der Grünen-Fraktion an der Anhörung teilnahm, aus, dass zur Vermeidung von Zielabweichungen die Verrechnung von Über- und Untererfüllungen nur bis zu einer bestimmten Grenze zugelassen werden sollte.

gemeinsame Verantwortung der Regierung

Eine andere Meinung hat der von der CDU eingeladene Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina/Nationale Akademie der Wissenschaften, Gerald Haug. Er nannte die sektorübergreifende Klimaschutzpolitik genauso richtig wie die daraus folgende gemeinsame Verantwortung der Regierung.

Langfristige und strukturelle Maßnahmen unzureichend

Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagte, der Reformbedarf für das Klimaschutzgesetz bestehe, weil dessen Steuerungsmechanismen zwar hohe Verbindlichkeit und Flexibilität aufwiesen, „aber an den jeweils falschen Stellen“. Jahresscharfe sektorale Emissionsminderungsziele und die Zuweisung von sektoraler ministerieller Verantwortlichkeit schafften eine Vielzahl von politischen Interventionspunkten – vor allem bei der Ausgestaltung der Sofortprogramme, die bisher das zentrale Instrument der Nachsteuerung seien. Es sei jedoch mehr als fraglich, ob dies auch zu höherer langfristiger Glaubwürdigkeit führe. „Denn Sofortprogramme schließen Lücken, die in der Regel überhaupt erst entstehen, weil die langfristigen und strukturellen Maßnahmen unzureichend sind“, sagte Pahle, der auf Einladung der FDP sprach.

Teure Zukunft

Verkehr und Gebäude seien die Sektoren, die schon in der Vergangenheit ihre Ziele nicht erreicht hätten, sodass man nach europäischen Regeln Emissionszertifikate mit deutschem Steuerzahlergeld zukaufen musste, erklärte Christoph Bals von Germanwatch, der auf Einladung der Unionsfraktion sprach. Das werde zukünftig aber viel teurer, sagte Bals. Abschätzungen gingen von bis zu zweistelligen Milliardenbeträgen aus. Eventuell drohten EU-Vertragsverletzungsverfahren und Strafzahlungen. Eine fehlende Strategie im Verkehrs- und Gebäudebereich wäre daher “grob fahrlässig„, so Bals.

Finanzausstattung der Kommunen

Am bestehenden Monitoring und Kontrollmechanismus sowie der Pflicht, innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm zur Nachsteuerung vorzulegen, müsse festgehalten werden, forderte auch Tim Bagner vom Deutschen Städtetag, der auf Einladung gemäß einer Regelung der Geschäftsordnung des Bundestags zur Teilnahme von Vertretern kommunaler Spitzenverbände an Anhörungen sprach. Wie Bagner und Nadine Schartz vom Deutschen Landkreistag forderte Alexander Kramer vom Deutschen Städte- und Gemeindebund Bund und Länder auf, für eine langfristige und hinreichende Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen.

soziale Akzeptanz

Leon Krüger vom DGB, der auf Einladung der SPD-Fraktion sprach, unterstrich das Anliegen des Gewerkschaftsbundes, dass es für die ökonomisch ausgewogene Flankierung wie auch die soziale Akzeptanz der Klimaschutzmaßnahmen unerlässlich sei, die Bevölkerung über ein Klimageld zu entlasten und so klimaschutzbezogene Mehrbelastungen zu kompensieren“.

Quellen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesverfassungsgericht

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