Immer mehr Frauen brauchen Grundsicherung im Alter

Immer mehr Frauen sind im Rentenalter auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung (20/14874) auf eine Kleine Anfrage (20/13164) der Gruppe Die Linke hervorgeht, ist die Zahl von 312.388 im Jahr 2014 auf 413.955 im vergangenen Jahr gestiegen.

ungenutztes Arbeitskräftepotenzial von Frauen

Die Bundesregierung äußert sich in der Antwort unter anderem zu Auswirkungen von Kindererziehungszeiten auf die Rente, zum Gender Pension Gap oder zur Erwerbsbeteiligung von Frauen in Deutschland. Diese sei in den vergangenen zehn Jahren von 2014 bis 2023 von 73,1 Prozent auf 77,2 Prozent gestiegen. Im dritten Quartal 2024 lag die Erwerbstätigenquote von Frauen demnach bei 77,6 Prozent. Mit diesen Zahlen liege Deutschland über dem EU-Durchschnitt von 71,0 Prozent, wie die Regierung betont. Sie verweist aber darauf, dass das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial von Frauen weiterhin hoch sei. Denn noch immer würden die Hälfte aller Frauen in Teilzeit arbeiten und die durchschnittliche Arbeitszeit vergleichsweise gering sein. „Die hohe Teilzeitquote und die durchschnittlich niedrigen Wochenarbeitszeiten weisen auf unzureichende Rahmenbedingungen für die substanzielle Erwerbstätigkeit von Frauen hin“, stellt die Bundesregierung fest.

Freistellungen für Sorgearbeit

In der Begründung der Fragestellung heißt es:

Frauen nehmen nach wie vor deutlich häufiger Freistellungen für Sorgearbeit wie Elternzeit in Anspruch. Nach der Schonzeit kommt es jedoch immer wieder zu Kündigungen, und die Diskriminierung von Eltern und Pflegenden im Job ist weit verbreitet. Abgesehen davon müssen Menschen mit negativen Konsequenzen auf dem Arbeitsmarkt rechnen, wenn sie sich entscheiden, Kinder zu bekommen oder Angehörige zu pflegen. Besonders Mütter, aber auch Väter, erleben aufgrund der Elternschaft schlechtere Karrierechancen, niedrigere Erwerbseinkommen und Renten.

Armutsrisiko von Rentnerinnen steigt

Zuletzt wurde die Abschaffung der sogenannten Mütterrente diskutiert, was die Situation von Frauen noch weiter verschlechtern würde, so die Befürchtungen vieler Expertinnen und Experten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung warnt, dass die Abschaffung der Mütterrente die Altersarmut und den Gender Pension Gap verstärken würde. Eine bessere Lösung wäre es, der Ungleichheit während der Erwerbsphase entgegenzuwirken. Fiele die vor zehn Jahren eingeführte Mütterrente wieder weg, könnte die Bundesregierung jährlich zwar rund 14 Milliarden Euro sparen. Fast neun Millionen Rentnerinnen, die vor 1992 Kinder geboren haben, würden aber durchschnittlich 107 Euro im Monat fehlen. Insbesondere träfe es Frauen aus den unteren Einkommensgruppen, Frauen mit mehr als drei Kindern und geschiedene Frauen. Die Armutsrisikoquote der Rentnerinnen stiege von 19,4 auf 22,3 Prozent.

Mütterrente

Kindererziehungszeiten bis zu einem Jahr nach dem Monat der Geburt, bei Geburten ab 1992 bis zu drei Jahren, sind Pflichtbeitragszeiten für die Rentenversicherung. Mütter (und Väter) erhalten seit 1.7.2014 zwei volle Entgeltpunkte pro Jahr (0,0833 pro Monat) zugeschrieben (sog. Mütterrente). Dadurch wirkt sich ein Jahr Kindererziehung zurzeit mit einem Betrag in Höhe des doppelten aktuellen Rentenwerts (39,32 EUR) aus.

Quellen: Bundestag, SOLEX, DIW

Abbildung: Fotolia_200192096_Subscription_XXL.jpg

G-BA: Neue Versorgungsformen

Der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss hat auf seiner Website vier neue Förderbekanntmachungen für Projekte zu neuen Versorgungsformen veröffentlicht: im zweistufigen Förderverfahren eine themenoffene und eine themenspezifische Förderbekanntmachung sowie im einstufig kurzen und einstufig langen Förderverfahren jeweils eine themenoffene Förderbekanntmachung. Förderbekanntmachungen im Bereich der Versorgungsforschung sind für den 20. Juni 2025 geplant. Hierzu gehört auch eine Förderbekanntmachung zur (Weiter-)Entwicklung medizinischer Leitlinien.

Da Antragstellende entscheiden müssen, über welches der verschiedenen Verfahren eine Förderung angestrebt wird, stellt der Innovationsausschuss neben den Förderbekanntmachungen auch eine vergleichende Übersicht zur Verfügung: Überblick für die Einreichung Ihres Antrags auf die passende Verfahrensart und Förderbekanntmachung

Einstufige Förderverfahren

Es wird zwischen einem einstufig kurzen Förderverfahren (bis zu 24 Monate Projektlaufzeit) und einem einstufig langen Förderverfahren (in der Regel 36 bzw. max. 48 Monate Projektlaufzeit) unterschieden.

Für beide Förderverfahren hat der Innovationsausschuss nun für 2025 jeweils eine themenoffene Förderbekanntmachung veröffentlicht.

  • Interessierte für das einstufig lange Verfahren haben die Möglichkeit, sich bis zum 6. Mai 2025 zu bewerben. Der Innovationsausschuss wird voraussichtlich im 4. Quartal 2025 über die Anträge entscheiden.
  • Interessierte für das einstufig kurze Verfahren können ihre Anträge fortlaufend einreichen – der Innovationsausschuss wird in regelmäßigen Abständen über eine Förderung entscheiden, bis die im jeweiligen Haushaltsjahr zur Verfügung stehenden Mittel für das einstufig kurze Verfahren (20 Mio. Euro) ausgeschöpft sind.

Zweistufiges Förderverfahren

Die themenspezifische Förderbekanntmachung im zweistufigen Verfahren benennt folgende Themenfelder für Projekte zu neuen Versorgungsformen:

  • Frauengesundheit
  • Einbindung von KI-Systemen in Versorgungsstrukturen und -prozesse
  • Demenzielle Erkrankungen in der ambulanten Versorgung
  • Multimodale Schmerztherapie in der ambulanten Versorgung
  • Stärkung der Kinder- und Jugendgesundheit

Anträge auf eine Projektförderung, die keinem der Themenfelder zuzuordnen sind, können über die themenoffene Förderbekanntmachung gestellt werden.

Interessierte für das zweistufige Verfahren haben die Möglichkeit, sich bis zum 15. April 2025 mit einer Ideenskizze zu bewerben. In der Ideenskizze können die wesentlichen Inhalte der geplanten neuen Versorgungsform vorgestellt werden. Der Innovationsausschuss wird voraussichtlich im 4. Quartal 2025 entscheiden, welche Ideenskizzen zur Ausarbeitung eines Vollantrags ausgewählt werden. Diese Ausarbeitung (Konzeptentwicklungsphase) wird für bis zu sechs Monate mit einem Förderbetrag von bis zu 75.000 € gefördert.

Quelle: G-BA

Abbildung: Fotolia_107637318_Subscription_XXL.jpg

Wie sicher ist die ePA?

Nach einer heute (15.1.25) beginnenden Testphase in ausgewählten Praxen sollte die elektronische Patientenakte (ePA) vier Wochen später für alle verfügbar sein, die der Ankündigung ihrer Kasse nicht widersprochen haben. Daraus wird wohl nichts. Die flächendeckende Einführung ist nun erstmal vorsichtig auf „frühestens in vier Wochen“ verschoben worden. So die Pressekonferenz des Bundesgesundheitsministeriums am 15. Januar.

Sicherheitslücke

Der Grund ist die Sicherheitslücke, die vom Chaos Computer Clubs (CCC) der Öffentlichkeit Ende Dezember präsentiert wurde. Danach sei es theoretisch möglich Zugang zu sämtlichen freigeschalteten Patientenakten zu erhalten. 

Diese Sicherheitslücken waren zum Beispiel möglich durch die unverschlüsselte Kartennummer auf der elektronischen Gesundheitskarte, Mängel im Kartenausgabeprozess für sogenannte Instituts-und Heilberufsausweise und den Erwerb gebrauchter Konnektoren. Das sind Geräte, die Zugang zur Infrastruktur des Gesundheitswesen gewähren.

zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen

Die gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH) räumte daraufhin ein, dass diese Angriffe theoretisch möglich sind, aber in der Praxis nur unter bestimmten Bedingungen und mit hohem Aufwand umzusetzen wären. Um die Schwachstellen zu beheben, sollen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen eingeführt werden, darunter eine Verschlüsselung, verbesserte Zugangskontrollen, verstärkte Überwachungssysteme und eine intensivere Sensibilisierung der Nutzer für den sicheren Umgang mit den Daten.

angemessenes Sicherheitskonzept

Grundsätzlich sind die Sicherheitsvorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) für die ePA hoch. Bereits im Oktober 2024 hatte ein Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie das Sicherheitskonzept geprüft und als angemessen befunden. Das war allerdings vor der Aufdeckung der Sicherheitslücke durch den CCC.

Schwachstellen schließen

Bundesgesundheitsminister Lauterbach versicherte in der Pressekonferenz, dass die Sicherheitsbedenken ernst genommen würden und sämtliche Schwachstellen bis zur kompletten Einführung der ePA geschlossen würden. Er betonte noch einmal den enormen Nutzen der ePA, zum Beispiel bei der Verhinderung von Schäden durch Medikamentenunverträglichkeiten.

Pilotphase entscheidend

Der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt erwartet eine elektronische Patientenakte, die Ärzte und Ärztinnen bei der Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten unterstützt. Das aber setze die Sicherheit der Daten sowie die Funktionalität im Praxisalltag und intuitive Nutzbarkeit der Anwendung voraus. Dann biete die ePA in der Versorgung einen echten Mehrwert. Deshalb sei es gut, dass sie zunächst in den Modellregionen getestet wird. Dort könnten erste konkrete Praxiserfahrungen in einer kontrollierten Umgebung gesammelt werden. Der positive Verlauf dieser Pilotphase sei zwingende Voraussetzung für den bundesweiten Rollout. Das sei entscheidend für den Erfolg der ePA für alle.

Quellen: BMG, CCC, FOKUS-Sozialrecht, wikipedia, Fraunhofer-Institut

Abbildung: pixabay.com doctor-4187242_1280.jpg

Zwischen Gesetzgebung und Wahlkampf – Ungewisse Zukunft der Betreuervergütung: Kabinett legt Formulierungshilfe vor

Mit dem Ende der Ampel-Koalition und der anstehenden Neuwahl des Deutschen Bundestages stehen viele Gesetzesvorhaben vor einer ungewissen Zukunft. Noch nicht verabschiedete Gesetzesvorhaben verfallen mit dem Ende der Legislaturperiode (sog. Diskontinuitätsprinzip).

Trotz #Ampelaus und geplanter Beantragung der Vertrauensfrage tagt das Bundeskabinett wöchentlich und beschließt weiterhin fleißig die Einbringung von Gesetzesvorhaben. Dies war auch in der Kabinettssitzung am 11.12.2024 wieder der Fall. Beschlossen wurde u. a. eine Formulierungshilfe zum „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung und zur Entlastung von Betreuungsgerichten und Betreuern“ – genauer gesagt eine „Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Gesetzentwurf“.

Was bedeutet das vom Gesetzgebungsprozess her?

  • „Formulierungshilfe“: Eine Formulierungshilfe ist ein Textenwurf, der von der Bundesregierung, in der Regel von den zuständigen Ministerien, erarbeitet wird. Dieser Text dient als Grundlage für einen späteren Gesetzentwurf.
  • für die Koalitionsfraktionen“: Diese Formulierung weist darauf hin, dass die Bundesregierung den Entwurf speziell für die Fraktionen der Parteien, die die Regierung bilden (die Koalitionsfraktionen), erarbeitet hat.
  • für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Gesetzentwurf“: Diese Formulierung bedeutet, dass der Gesetzentwurf formell von Abgeordneten der Koalitionsfraktionen und nicht von der Bundesregierung eingebracht werden soll. Ein Gesetzesvorhaben, das „aus der Mitte des Bundestages“ kommt, muss von einer Fraktion oder von mindestens fünf Prozent der Bundestagsabgeordneten unterzeichnet und eingebracht werden. Dies bestimmt die Geschäftsordnung des Bundestages in § 76 Absatz 1.

Was bedeutet das zeitlich?

  • Es müssen sich genügend Bundestagsabgeordnete (oder eine Fraktion) finden, die den Gesetzentwurf in die Hand nehmen und in den Bundestag einbringen. Ist dies geschehen, nimmt das Gesetzgebungsverfahren seinen Lauf:
  • Initiativen aus dem Bundestag gehen an den Bundesrat, der dazu Stellung nimmt, diese Stellungnahme geht dann zurück an die Initiatoren. Dies geschieht in der Regel innerhalb von sechs Wochen. Besonders eilige Vorlagen können bereits nach drei Wochen dem Bundestag zugeleitet werden, die Stellungnahme des Bundesrates wird nachgereicht.
  • Nun beginnen die Lesungen im Bundestag. In der ersten Lesung (Beratung) findet eine allgemeine Aussprache über die Notwendigkeit und den Zweck eines Gesetzes statt.
  • Nach der ersten Beratung wird der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung und Bearbeitung an den zuständigen Ausschuss überwiesen und dort ausführlich beraten (im Rahmen von Anhörungen, teilweise mit externen Sachverständigen). Am Ende steht ein schriftlicher Bericht mit einer Beschlussempfehlung, der dem Plenum des Bundestages zur zweiten Beratung vorgelegt wird.
  • In der zweiten Beratung findet eine Aussprache über den Gesetzentwurf, den Bericht des Ausschusses und dessen Änderungsanträge statt. Anschließend wird abgestimmt. Unmittelbar daran schließt sich die dritte Beratung an. Sie endet mit der Schlussabstimmung.
  • Der Bundestagspräsident leitet den Gesetzesbeschluss dem Bundesrat zu. Dort wird er einem oder mehreren Ausschüssen des Bundesrates zur Beratung zugewiesen, über deren Beschlussempfehlung dann das Plenum des Bundesrates abstimmt (zweiter Durchgang im Bundesrat).

Warum diese ausführliche Beschreibung?

Trotz Pressemitteilungen oder Social-Media-Aktivitäten: Ein Gesetzgebungsverfahren folgt einem strikten Ablauf … und der braucht seine Zeit. Und das ist angesichts der angestrebten Bundestagswahl am 23.2.2025 ein echtes Problem.

Schaut man sich die Terminpläne von Bundestag und Bundesrat an, wird deutlich, dass die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag eine enge Kiste wird. Diese Plenumssitzungen sind terminiert:

16.12. Vertrauensfrage

17.12.-20.12. Plenum; nach derzeitiger Tagesordnung findet sich noch kein Topic für den Gesetzentwurf

Weitere Plenarsitzungen sind terminiert für den 27.01.-31.01. und 10.02.-11.02.2025.

Dann ist „Schicht im Schacht“. Wenn am 11.02.2025 das Gesetz nicht in 2./3. Lesung durch ist, dann unterliegt es der Diskontinuität.

Freilich .. theoretisch wäre es möglich, dass sich der Bundestag zu außerordentlichen Sitzungen im Plenum zusammenfindet. Da aber ab Januar 2025 der Wahlkampf auf Hochtouren läuft, ist das eher unwahrscheinlich.

Wäre das so schlimm … oder … die Hoffnung stirbt zuletzt

Verbände, Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer sind sich einig: So wie der Referentenentwurf und nun die fast unveränderte Formulierungshilfe dazu aussehen, sind sie nicht geeignet, den Beruf des Berufsbetreuers attraktiver zu machen oder die Kostensteigerungen der letzten Jahre auszugleichen. Viele haben nach dem Entwurf nicht nur keine Einkommenssteigerung, sondern sogar ein Einkommensminus errechnet.

Vielleicht ist es ganz gut, wenn sich eine neue Bundesregierung der dringend notwendigen Reform der Betreuervergütung annimmt. Vielleicht nimmt sie dann die vielen Einwände und Verbesserungsvorschläge auf und schafft ein wirklich zukunftsfähiges Vergütungssystem.

Wer die Formulierungshilfe und die Synopse zur bestehenden Rechtslage einsehen möchte, findet diese auf den Seiten des Bundesministeriums der Justiz:  https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2024_Neuregelung_Betreuerverguetung.html?nn=110490

Krankenhauspflicht bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen eingeschränkt

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die strikte Bindung ärztlicher Zwangsmaßnahmen an einen Krankenhausaufenthalt nicht verfassungsgemäß ist, wenn dies zu vermeidbaren Gesundheitsbeeinträchtigungen führt. Es erkannte eine Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG an, Zwangsmaßnahmen unter bestimmten Bedingungen auch in Einrichtungen außerhalb von Krankenhäusern zu ermöglichen. Der Gesetzgeber muss bis Ende 2026 eine Neuregelung schaffen.


Sachverhalt:

Eine Betroffene mit paranoider Schizophrenie wehrte sich gegen die betreuungsgerichtliche Ablehnung, eine Zwangsmedikation in ihrem Wohnverbund durchführen zu lassen. Der gesetzliche Vertreter hatte beantragt, ihr das Medikament dort zu verabreichen, da der Transport ins Krankenhaus regelmäßig retraumatisierend wirkte. Nach geltendem Recht durfte eine Zwangsbehandlung jedoch nur stationär in einem Krankenhaus erfolgen.

Das Amtsgericht genehmigte die Zwangsbehandlung im Krankenhaus, lehnte die Durchführung im Wohnverbund aber ab. Diese Entscheidung bestätigte das Landgericht. Der Bundesgerichtshof legte die Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung dem Bundesverfassungsgericht vor.

So hat das Gericht entschieden:

Strenge Voraussetzungen für ärztliche Zwangsmaßnahmen
Das Gericht stellte fest, dass ärztliche Zwangsmaßnahmen besonders hohen Anforderungen genügen müssen. Solche Eingriffe in das Recht auf körperliche Unversehrtheit seien nur als letztes Mittel zulässig. Der Gesetzgeber habe eine Schutzpflicht, medizinisch notwendige Maßnahmen zu ermöglichen, dürfe dabei aber Freiheitsrechte Betroffener nicht unverhältnismäßig einschränken.

Krankenhauspflicht nicht immer geeignet
Die bisherige Regelung, die Zwangsmaßnahmen an einen stationären Krankenhausaufenthalt bindet, sei nicht in allen Fällen verfassungsgemäß. Es könne zu erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen kommen, wenn Betroffene zur Durchführung der Maßnahme in ein Krankenhaus verbracht werden. Dies gelte insbesondere bei Personen, die durch den Ortswechsel retraumatisiert oder anderweitig gesundheitlich beeinträchtigt würden.

Alternativen in anderen Einrichtungen zulässig
Das Gericht betonte, dass eine Zwangsbehandlung auch in Einrichtungen außerhalb von Krankenhäusern zulässig sein kann, sofern dort ein mit dem Krankenhaus vergleichbarer Versorgungsstandard gewährleistet ist. Der Gesetzgeber müsse hierfür eine Ausnahme von der bisherigen Regelung schaffen, um unverhältnismäßige Belastungen für Betroffene zu vermeiden.

Kein Widerspruch zu Grundrechten
Das Gericht sah keinen Widerspruch zwischen den Schutzpflichten des Staates und der Achtung von Freiheitsrechten. Eine ausgewogene Regelung, die individuelle Umstände berücksichtigt, sei möglich und notwendig.

Gesetzgeber hat bis Ende 2026 Zeit
Das Bundesverfassungsgericht gab dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 2026, um eine neue Regelung zu schaffen. Bis dahin bleibt die bisherige Rechtslage in Kraft.

Bundesverfassungsgericht vom 26. November 2024 (1 BvL 1/24)

Leistungsbeträge in der sozialen Pflegeversicherung 2025

Nach § 30 SGB XI steigen Beträge für die Leistungen der Pflegeversicherung zum 1. Januar 2025 um 4,5 Prozent. Es geht um alleim Vierten Kapitel SGB XI aufgeführten Leistungen. Das Bundesgesundheitsministerium hat die Beträge nun vorab veröffentlicht. Die vorgesehene formale Bekanntmachung im Bundesanzeiger erfolge in Kürze.

Pflegesachleistung

(§ 36 Absatz 3 SGB XI)

bis 31.12.2024ab 01.01.2025
Pflegegrad 10 €0 €
Pflegegrad 2761 €796 €
Pflegegrad 31.432 €1.497 €
Pflegegrad 41.778 €1.859 €
Pflegegrad 52.200 €2.299 €

Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen

(§ 37 Absatz 1 Satz 3 SGB XI)

bis 31.12.2024ab 01.01.2025
Pflegegrad 10 €0 €
Pflegegrad 2332 €347 €
Pflegegrad 3573 €599 €
Pflegegrad 4765 €800 €
Pflegegrad 5947 €990 €

Tagespflege und Nachtpflege

(§ 41 Absatz 2 Satz 2 SGB XI)

bis 31.12.2024ab 01.01.2025
Pflegegrad 10 €0 €
Pflegegrad 2689 €721 €
Pflegegrad 31.298 €1.357 €
Pflegegrad 41.612 €1.685 €
Pflegegrad 51.995 €2.085 €

Vollstationäre Pflege

(§ 43 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 SGB XI)

bis 31.12.2024ab 01.01.2025
Pflegegrad 1125 €131 €
Pflegegrad 2770 €805 €
Pflegegrad 31.262 €1.319 €
Pflegegrad 41.775 €1.855 €
Pflegegrad 52.005 €2.096 €

Für alle Pflegegrade erhöhen sich jeweils folgende Leistungen:

  • Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen (§ 38a Absatz 1 Satz 1 SGB XI) – von 214 € auf 224 €.
  • Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel (§ 40 Absatz 2 Satz 1 SGB XI) – von 40 € auf 42 €.
  • Leistungsanspruch beim Einsatz digitaler Pflegeanwendungen (§ 40b Absatz 1 SGB XI) – von 50 € auf 53 €.
  • Entlastungsbetrag (§ 45b Absatz 1 Satz 1 SGB XI) – von 125 € auf 131 €.
  • Berechnung und Zahlung des Heimentgelts gemäß § 87a Absatz 4 Satz 1 SGB XI (Betrag bei Rückstufung des Pflegebedürftigen) von 2.952 € auf 3.085 €.
  • Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (§ 40 Absatz 4 Satz 2 bis 4 SGB XI) – von 4.000 € auf 4.180 €. Maximaler Gesamtbetrag je Maßnahme zur Verbesserung des gemeinsamen Wohnumfeldes – von 16.000 € auf 16.720 €.
  • Anschubfinanzierung zur Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen (§ 45e
    Absatz 1 Satz 1 und 2 SGB XI) – 2.500 € auf 2.613 €. Maximaler Gesamtbetrag je Wohngruppe – von 10.000 € auf 10.452 €.

Für Pflegegrade 2 bis 5 erhöhen sich jeweils folgende Leistungen:

  • Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson (§ 39 Absatz 1 Satz 3 SGB XI) – von 1.612 € auf 1.685 €.
  • Kurzzeitpflege, Leistungsbetrag gemäß § 42 Absatz 2 Satz 2 SGB XI – von 1.774 € auf 1.854 €.

Leistungsbetrags – Übertragung

Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson, Leistungsbetrags – Übertragungsmöglichkeit gemäß § 39 Absatz 2 SGB XI. Der Leistungsbetrag kann um bis zu 843 € (2024: 806 €) aus noch nicht in Anspruch genommenen Mitteln der Kurzzeitpflege auf insgesamt bis zu 2.528 € im Kalenderjahr erhöht werden. (2024: 2.418 €)

Quelle: BMG

Abbildung: Fotolia_131963391_Subscription_XL.jpg

Ampel-Pläne, was bleibt, was nicht?

Nach dem Aus der Ampelkoalition werden einige Gesetzespläne, über die wir hier berichtet haben, erst mal auf Eis gelegt. Eine neue Regierung muss sich wieder neu darum kümmern, wenn sie das denn will. Hier ein Überblick über den Stand der Dinge bei den Vorhaben, die sozialrechtliche Relevanz haben.

Kindergrundsicherung

Mit der Kindergrundsicherung sollte ursprünglich nicht nur das Leistungsniveau erhöht, sondern auch mehr Familien und ihre Kinder mit Unterstützungsbedarf erreicht werden. Bisherige finanzielle Förderungen wie das Kindergeld, die Leistungen für Kinder und Jugendliche nach dem SGB II/XII, dem Asylbewerberleistungsgesetz, den Kinderzuschlag und Teile des Bildungs- und Teilhabepaketes sollten in einer Leistung gebündelt, die aus zwei Bestandteilen bestehen wird, dem für alle Kinder und Jugendlichen zu zahlenden Garantiebetrag sowie ergänzend einem einkommensabhängigen Zusatzbetrag. Die Schnittstellen zu Unterhaltsleistungen und Unterhaltsvorschuss, Wohngeld und BAföG sollen möglichst reibungsslos geregelt werden. Die Kindergrundsicherung soll einfach und unbürokratisch sein, das Antragsverfahren digitalisiert und weitgehend automatisiert.

Familienzeit

Umsetzungsversuch einer EU-Richtlinie, gescheitert an der Finanzierung. Kernpunkt sollte ein zweiwöchiger Sonderurlaub nach einer Geburt sein, parallel zum Mutterschaftsurlaub. Zehn Arbeitstage sollten Partnerinnen oder Partner der Mutter künftig nach der Geburt freigestellt werden. Alleinerziehende hätten eine Person aus ihrem Bekanntenkreis benennen können, der der Anspruch auf den Sonderurlaub dann zugesprochen wird.

Rente

Die Reform der privaten Altersvorsorge (pAV-Reformgesetz) ist erst mal gescheitert, das war ein Projekt von Ex-Finanzminister Lindner. Damit sollte es möglich sein, mit Steuerförderung in ETFs ( börsengehandelte Fonds) zu investieren. Dagegen hofft der Bundesarbeitsminister darauf, dass sein Rentenpaket 2 die parlamentarischen Hürden noch vor den Neuwahlen schafft. Die Chancen stehen allerdings nicht gut. In dem Rentenpaket 2 geht es vor allem um die Stabilisierung des Rentenniveaus und um die Einführung des „Generationenkapitals“ (Aktienrente). 

Krankenhausreform

Die Krankenhausreform sollte eigentlich am 22.11.24 abschließend im Bundesrat beschlossen werden. Noch ist aber nicht entschieden, ob der Bundesrat nicht doch den Vermittlungsausschuss anruft und die Reform damit auch erstmal blockiert.

Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kindersofortzuschlag

Die jeweiligen Anpassungen stecken im „Steuerfortentwicklungsgesetz„. Dieses Gesetz möchte die Bundesregierung dringend noch verabschieden. Eigentlich dürfte das kein Problem sein, denn auch FDP und CDU/CSU haben keine Einwände. Allerdings umfasst das Gesetz noch weitere Punkte, ist insgesamt ziemlich umfangreich und muss auch noch durch den Bundesrat. Das könnte zu Verzögerungen führen. Im Zweifel würden die neuen Beträge aber auch rückwirkend gelten.

Rechengrößen in der Sozialversicherung

Auf die neuen Beitragsbemessungsgrenzen und die Bezugsgröße in der Sozialversicherung hat sich die Ampel am Mittwoch, wenige Stunden vor ihrem Aus, noch geeinigt. Dadurch zahlen Gutverdienende mehr Sozialabgaben. Es gibt ab 1. Januar 2025 keine Unterschiede mehr zwischen „neuen“ und „alten“ Bundesländern. Nur der Bundesrat muss am 22. November noch zustimmen.

SGB III und SGB II – Sanktionen

Die SGB II und SGB III Änderungen im Rahmen der „Wachstumsinitiative“ werden nun nicht mehr verabschiedet werden. Das heißt die Regelungen zu den Verschärfungen im Sanktionsrecht, zu monatlichen Meldeterminen, höhere zumutbare Pendelzeiten werden erst einmal nicht kommen.

Quellen: Bundestag, FOKUS-Sozialrecht, ZEIT, Tagesschau, Frankfurter Rundschau

Abbildung: Titelseite Koalitionsvertrag 2021 koalition.jpg

Bundesrat fordert Reform der Pflegeversicherung

Der Bundesrat hat am 18. Oktober 2024 auf Initiative der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bremen, Saarland und Hamburg eine Entschließung zur Reform der Pflegeversicherung gefasst.

Gesetzliche Pflegeversicherung unter Druck

Die gesetzliche Pflegeversicherung gerate durch den demografischen Wandel, einige in der Vergangenheit verabschiedete Gesetze, wie das Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz, sowie allgemein steigende Kosten zunehmend unter Druck, heißt es in der Entschließung. Auf der einen Seite gebe es steigende Ausgaben, die unter anderem durch eine höhere Zahl an Pflegebedürftigen verursacht werden. Dem gegenüber stünden sinkende Einnahmen aufgrund des bevorstehenden Renteneintritts der sogenannten „Babyboomer“. Als Folge des demografischen Wandels kämen die Ressourcen der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen immer mehr an ihre Grenzen.

Reform der Pflegeversicherung gefordert

Der Bundesrat mahnt daher die Umsetzung einer baldigen und ausgewogenen Reform der sozialen Pflegeversicherung durch die Bundesregierung an, um sowohl ihre Finanzierung als auch die Pflege der Versicherten sicherzustellen. Er erwartet von der Bundesregierung, dass diese noch in dieser Legislaturperiode und unter umfassender Beteiligung der Länder einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt.

Mehr Einnahmen, weniger Ausgaben

Zudem fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, Stellschrauben zur Entlastung der Ausgabenseite und zur Stärkung der Einnahmeseite der Pflegeversicherung zu entwickeln. Ziel müsse es sein, die finanziellen Belastungen der Beitragszahler, der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen sowie der sonstigen Kostenträger in ein gerechtes und ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Die Pflegebedürftigen dürften dabei nicht unzumutbar belastet werden.

Wie es weitergeht

Die Entschließung wird der Bundesregierung zugeleitet. Diese entscheidet, wann sie sich mit den Länderforderungen befasst. Feste Fristvorgaben gibt es hierfür nicht.

Quelle: Bundesrat

Abbildung: Fotolia_123446516_Subscription_XXL.jpg

Krankenbeförderung durch Videosprechstunde

Die Kosten für Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten oder stationären Behandlung können von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Voraussetzung ist, dass sie im Zusammenhang mit einer Leistung der gesetzlichen Krankenkasse zwingend medizinisch notwendig ist.

Krankentransport-Richtlinie

Der G-BA regelt in der Krankentransport-Richtlinie die genauen Voraussetzungen, Bedingungen und Inhalte der Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransporten und Rettungsfahrten durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte sowie Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten. Zudem kann vom Krankenhaus im Rahmen des Entlassmanagements eine Krankenbeförderung verordnet werden.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat jetzt mit einem aktuellen Beschluss konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen zukünftig auch eine Krankenbeförderung per Videosprechstunde verordnet werden kann. Diese Möglichkeit besteht bereits für die Verordnung von Heilmitteln sowie Leistungen der häuslichen Krankenpflege und der medizinischen Rehabilitation. Auch die Arbeitsunfähigkeit kann per Videosprechstunde überprüft und bescheinigt werden.

Voraussetzungen

Für die Verordnung von Krankenbeförderung per Videosprechstunde gilt Folgendes:

  • Die Patientin oder der Patient muss in der Praxis bereits unmittelbar persönlich bekannt sein.
  • Ob die medizinischen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch auf Krankenbeförderung (weiterhin) bestehen, muss per Videosprechstunde sicher beurteilt werden können. Bestehen Zweifel, ist nochmals eine unmittelbare Untersuchung notwendig.
  • Sind alle relevanten Informationen durch eine unmittelbare Behandlung oder eine Videosprechstunde bekannt, kann eine Krankenbeförderung auch nach Telefonkontakt verordnet werden.
  • Ein Anspruch auf eine Verordnung per Videosprechstunde oder nach Telefonkontakt besteht nicht.

Inkrafttreten

Die Richtlinienänderung tritt in Kraft, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie rechtlich nicht beanstandet und der G-BA den Beschluss im Bundesanzeiger veröffentlicht hat.

Quelle: G-BA

Abbildung: pixabay.com opel-record-c-6543583_1280.png

Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung ab 2026?

Mehr Geld für Betreuerinnen und Betreuer, Vormünder und im Familienrecht tätige Pflegerinnen und Pfleger: Bundesministerium der Justiz veröffentlichte am 16. September 2024 den  „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung und zur Entlastung von Betreuungsgerichten und Betreuern“ als Referentenentwurf.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärte dazu:
„Zu kompliziert, zu bürokratisch, zu niedrig: Die Vergütung von beruflichen Betreuerinnen und Betreuern sowie Vormündern ist nicht mehr zeitgemäß. Viele Menschen in unserem Land sind auf eine rechtliche Betreuung angewiesen. Durch Alter, Krankheit oder Behinderung können sich viele Menschen nicht um ihre eigenen rechtlichen Angelegenheiten kümmern. Auch Vormünder leisten wichtige Arbeit: Gefragt sind sie dann, wenn Eltern nicht für ihr Kind sorgen und es nicht vertreten können. Wir wollen, dass diese Arbeit angemessen und möglichst unkompliziert vergütet wird. Dazu reformieren wir jetzt die Vormünder- und Betreuervergütung. Dabei haben wir auch die ehrenamtlichen Betreuer und Vormünder im Blick. Weniger Bürokratie – dafür angemessene Bezahlung und Aufwandsentschädigung: Das bleibt unser Ziel.“

Geplante Neuerungen

Erhöhung der Vergütung für berufliche Betreuerinnen und Betreuer
Die Vergütung der beruflichen Betreuerinnen und Betreuer wird um durchschnittlich 12,7 Prozent erhöht. Dieser Erhöhungsrahmen orientiert sich an den bei den Betreuungsvereinen zur Refinanzierung einer tarifgebundenen Vollzeit-Vereinsbetreuerstelle anfallenden Kosten im Vergleich zur aktuellen durchschnittlichen Vergütung.

Vereinfachung der Vergütungssystematik
Das neue Vergütungssystem sieht vor, die Fallpauschalen von bisher 60 auf nur noch acht monatliche Pauschalen zu reduzieren. Diese sollen sich in Grund- und Qualifikationsstufen gliedern, wobei die Differenzierung nach dem Aufenthaltsort des Betreuten entfällt. Künftig wird nur noch zwischen Betreuungen, die bis zu zwölf Monate dauern, und solchen, die länger andauern, unterschieden.

Wegfall von Sonderpauschalen
Die bisher vorgesehenen Pauschalen für spezielle Betreuungskonstellationen werden abgeschafft, was die Berechnung der Vergütung deutlich vereinfacht und die Bearbeitung in den Gerichten beschleunigen soll.

Anpassung an das Tarifniveau
Die Vergütung der beruflichen Betreuer wird künftig an die Tarifanpassungen im öffentlichen Dienst gekoppelt. Die Fallpauschalen sollen an die Kosten einer Vollzeit-Betreuungsstelle angelehnt werden, um eine auskömmliche Finanzierung zu gewährleisten.

Dauervergütungsfestsetzung als Regelform
Die Dauervergütungsfestsetzung, die bislang nur eine Option war, wird zur Regelform. Dies soll den Verwaltungsaufwand für die Rechtspfleger deutlich reduzieren und sicherstellen, dass Betreuer regelmäßig und planbar vergütet werden können.

Erhöhung der Aufwandspauschale für ehrenamtliche Betreuer
Auch die Aufwandspauschale für ehrenamtliche Betreuer wird an die gestiegenen Kosten angepasst, um den seit 2022 erhöhten Aufwand zu kompensieren. Deshalb soll die jährliche Aufwandschale nach § 1878 BGB von 425 Euro auf 450 Euro erhöht werden.

Anpassung der Vormündervergütung
Die Vergütung für berufliche Vormünder, Verfahrenspfleger sowie Umgangs- und Nachlasspfleger wird ebenfalls angehoben – ebenfalls um durchschnittlich 12,7 Prozent. Neu eingeführt wird eine Sondervergütung für Tätigkeiten außerhalb der Geschäftszeiten, um Anreize für die Übernahme dieser anspruchsvollen Aufgaben zu schaffen.

Entbürokratisierung der Schlussabwicklung bei Beendigung der Betreuung
Die Schlussabwicklung bei der Beendigung einer Betreuung wird vereinfacht, um bürokratische Hürden abzubauen und die Arbeit der Gerichte zu entlasten. So soll auf das Instrument der Schlussrechnungslegung weitgehend verzichtet werden. Die Verpflichtung soll lediglich in den Fällen einer fortdauernden Betreuung und der Amtsbeendigung durch Betreuerwechsel erhalten bleiben. In den übrigen Fällen soll sie durch eine Pflicht zur Einreichung einer Vermögensübersicht ersetzt werden. Auch die Pflicht zur Schlussberichterstattung soll neu geregelt werden: Sie soll auf den Fall der Beendigung des Betreueramtes durch Betreuerwechsel begrenzt werden und gleichzeitig hinsichtlich der Mitteilungspflichten konkretisiert werden.

Weiteres Vorgehen und Inkrafttreten

Der Referentenentwurf wurde am 16. September 2024 an die Bundesländer und Verbände mit der Bitte um Stellungnahme versendet. Im Laufe des Oktobers soll der Entwurf dann – ggf. bereits nachgebessert – in den Koalitionsausschuss eingebracht und dann als Regierungsentwurf in das Gesetzgebungsverfahren eingephast werden.

Bis der genannte Personenkreis eine erhöhte Vergütung erhält dauert es allerdings. Als Inkrafttreten ist derzeit der 1. Januar 2026 genannt. Bis dahin gelten die Regelungen der Inflationsausgleichs-Sonderzahlung, die seit 1. Januar 2024 als vorübergehende Zwischenlösung eine monatliche Sonderzahlung eingeführt hat und die zum 31. Dezember 2025 ausläuft.

Quelle: Pressemeldung BMJ vom 16.9.2024 und BMJ-Seite zum Gesetzgebungsverfahren

Abbildung: pixabay – wewewegrafikbaydeh