Bundesteilhabegesetz Reformstufe 3

Zum 01.01.2020 tritt die dritte Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Kraft: die Reform der Eingliederungshilfe. Die Eingliederungshilfe wird aus dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe herausgelöst und als eigenständiges Leistungsrecht in das SGB IX eingebettet. Damit einher gehen wesentliche Veränderungen, aber auch Verbesserungen für die leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen.

Kernpunkte im neuen SGB IX

  • Die Fachleistungen der Eingliederungshilfe werden in den bisherigen stationären Einrichtungen (den künftigen besonderen Wohnformen) von den existenzsichernden Leistungen der Sozialhilfe getrennt. Die Abkehr vom sog. „Komplettpaket“ erhöht die Wahlfreiheit und Selbstbestimmung der Betroffenen. Die Fachleistungen orientieren sich ab dem 01.01.2020 am individuellen Bedarf und werden unabhängig von der Wohnform erbracht.
  • Auch für die Eingliederungshilfe wird durch ein eigenes Kapitel für die Leistungen zur Teilhabe an Bildung der hohe Stellenwert der Bildung herausgestellt. Damit werden erstmals Assistenzleistungen für höhere Studienabschlüsse wie ein Masterstudium oder in bestimmten Fällen auch eine Promotion rechtssicher ermöglicht.
  • Durch eine Neustrukturierung und Konkretisierung der Leistungen zur Sozialen Teilhabe in der Eingliederungshilfe werden die Möglichkeiten einer individuellen und den persönlichen Wünschen entsprechenden Lebensplanung und -gestaltung weiter gestärkt. Eingliederungshilfebezieher profitieren so u.a. von einem neuen Leistungstatbestand, der Assistenzleistungen zur selbstbestimmten Alltagsbewältigung konkret regelt und auch die Unterstützung bei der Ausübung eines Ehrenamtes vorsieht.
  • Zudem treten weitere wesentliche Verbesserungen bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung in Kraft. Damit werden die Anreize zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung durch Menschen mit Behinderungen erhöht und eine angemessene Alterssicherung ermöglicht. Die Anrechnung des Partnereinkommens und -vermögens entfällt sogar vollständig.

Das „Reparatur-Gesetz“

Gleichzeitig mit der dritten Reformstufe des BTHG tritt zum 01.01.2020 das „Gesetz zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften“ in Kraft. Dieses Gesetz enthält klarstellende Regelungen bezüglich der Trennung der Leistungen in den bisherigen stationären Einrichtungen sowie weitere für eine reibungslose Umsetzung der Reformstufe notwendige redaktionelle Änderungen. Zudem wird ein Finanzierungsproblem gelöst, das durch die Systemumstellung in der Eingliederungshilfe einmalig entsteht: Innerhalb des ersten Quartals 2020 wird einmalig auf die Anrechnung der Rentenversicherungsleistungen für Menschen, die bis zu diesem Zeitpunkt in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben, verzichtet.

Angehörigen-Entlastungsgesetz

Auch das Angehörigen-Entlastungsgesetz bringt Ergänzungen in der Eingliederungshilfe, bzw. im SGB IX.

  • Die Weiterfinanzierung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) wird dauerhaft gesichert.
  • Es wird ein Budget für Ausbildung als (weitere) Alternative zu den Werkstätten für behinderte Menschen eingeführt. Damit werden die Chancen für Menschen mit Behinderungen verbessert, eine berufliche Ausbildung auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt absolvieren zu können.
  • In der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wird nunmehr auch gesetzlich klargestellt, dass Menschen mit Behinderungen auch im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen leistungsberechtigt sind.
  • Es wird in Bezug auf die Kosten einer als notwendig festgestellten Arbeitsassistenz klargestellt, dass es kein Ermessen bezüglich des Umfangs der Kostenübernahme gibt.

Ausblick

In den nächsten Jahren wird sich herausstellen, an welchen Stellen es in der Eingliederungshilfe hakt und wo nachgebessert werden muss. Die Diskussionen werden nicht abreißen.
Die Umstellungen – vor allem bei der Trennung der Leistungen – waren für alle Beteiligten, gerade auch für die Leistungsberechtigten, ihre Angehörigen und Gesetzlichen Vertreter ein enormer Kraftakt;  vielfach ist der Umstellungsprozess auch noch längst nicht beendet.

Für 2023 ist geplant, endgültig den Personenkreis zu definieren, der in der Eingliederungshilfe leistungsberechtigt ist (§ 99 SGB IX). Bis dahin gilt weiter der § 53 Absatz 1 und 2 des Zwölften Buches und die §§ 1 bis 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung.

Quelle: FOKUS-Sozialrecht, BMAS, Thomas Knoche: Bundesteilhabegesetz Reformstufe 3


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Neu 1.1.2020

Hier eine kurze Zusammenfassung der Neuerungen zum 1. Januar 2020

Beiträge zu den Sozialversicherungen

  • Der Beitrag zur Arbeistlosenversicherung fällt von 2,5% auf 2,4%.
  • Der durchschnittliche Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung steigt von 0.9% auf 1,1%.
  • Alle anderen Beiträge bleiben konstant. Alle Zahlen finden Sie hier.

Regelbedarfe

Die Regelbedarfssätze im SGB II und im SGB XII steigen um 1,88%.

Arbeitslosengeld

Der Zugang zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld wird erleichtert. Die Mindestversicherungszeit von zwölf Monaten muss innerhalb einer Rahmenfrist von 30 Monate (bisher 24 Monate) nachgewiesen werden.

Verlängerung des Eingliederungszuschusses für Ältere

Arbeitgeber können von den Agenturen für Arbeit und Jobcentern mit einem Eingliederungszuschuss in Höhe von bis zu 50 Prozent des Arbeitsentgelts gefördert werden, wenn sie Arbeitsuchende mit Vermittlungshemmnissen einstellen. Allgemein können die Zuschüsse längstens bis zu zwölf Monate gewährt werden, bei über 50-jährigen Arbeitsuchenden nach einer bis Ende 2019 befristeten Sonderregelung bis zu 36 Monate. Mit Wirkung vom 1. Januar 2020 wird die Sonderregelung für die älteren Arbeitsuchenden mit Vermittlungshemmnissen um vier Jahre bis Ende 2023 verlängert.

Berufsbildung

Durch das Berufsbildungsmodernisierungsgesetz wird eine Mindestausbildungsvergütung (MAV) festgeschrieben.

Danach beträgt die Mindestvergütung

  • ab 2020 im ersten Ausbildungsjahr monatlich 515 Euro.
  • ab 2021 erhöht sie sich auf 550 Euro,
  • ab 2022 auf 585 Euro und
  • ab 2023 auf 620 Euro.

Die Vergütung erhöht sich im zweiten Ausbildungsjahr dann jeweils um
18 %, im dritten Jahr um 35 % und um im vierten um 40 %.

Gesetzlicher Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn beträgt ab dem 01.01.2020 brutto 9,35 Euro

Sozialversicherungsrechengrößen

Mit der Verordnung über die Sozialversicherungsrechengrößen 2020 wurden die maßgeblichen Rechengrößen der Sozialversicherung gemäß der Einkommensentwicklung angepasst. Im wesentlichen handelt es sich hierbei um die Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung, um die Bezugsgröße, um die Sachbezugswerte. Alle Zahlen finden Sie hier.

Angehörigen-Entlastungsgesetz

Es werden unterhaltsverpflichtete Eltern und Kinder von Menschen, die Leistungen der Hilfe zur Pflege oder andere Leistungen der Sozialhilfe erhalten, entlastet: Auf ihr Einkommen wird zukünftig erst ab einem Jahresbetrag von mehr als 100.000 Euro zurückgegriffen. Eine Ausnahme bilden nur unterhaltsverpflichtete Eltern minderjähriger Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher, die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII erhalten. In der Eingliederungshilfe wird der Kostenbeitrag, den unterhaltsverpflichtete Eltern für ihre volljährigen leistungsberechtigten Kinder aufbringen müssen, sogar unabhängig vom Einkommen vollständig entfallen.

Das Angehörigen-Entlastungsgesetz enthält weitere Änderungen, die das Bundesteilhabegesetz betreffen. Die Zusammenfassung der durch das BTHG zum 1.1.2020 gültigen Regelungen gibt es in einem gesonderten Beitrag.

Wohngeld

Zu Jahresbeginn tritt die Reform des Wohngeldes in Kraft.

  • Schwerpunkt der Reform ist die Anhebung des Leistungsniveaus des Wohngeldes, unter anderem mit einer Anpassung der Parameter der Wohngeldformel.
  • Es wird eine neue Mietenstufe VII eingeführt, um Haushalten in Gemeinden (ab 10.000 Einwohnern) und Kreisen (mit Gemeinden unter 10.000 Einwohnern und gemeindefreien Gebieten) mit besonders hohen Mietniveaus gezielter bei den Wohnlosten zu entlasten.
  • Miethöchstbeträge werden regional gestaffelt angehoben, um der regional unterschiedlichen Mietenentwicklung gerecht zu warden.
  • Das Wohngeld soll dynamisiert werden. Es soll alle zwei Jahre an die Miet- und Einkommensentwicklung angepasst werden. Die erste Fortschreibung ist für den 1.Januar 2022 vorgesehen

SGB XIV

Das neue Buch SGB XIV ist im Bundesgesetzblatt erschienen und hat damit Gesetzeskraft. Es regelt das Soziale Entschädigungsrecht und löst das Bundesversorgungsgesetz (BVG) und das Opferentschädigungsgesetz (OEG) ab. Wirksam wird es aber in wesentlichen Teilen erst ab 2024. Ab 1.1.2020 ergeben sich aber folgende Neuerungen:

  • Rückwirkend zum 1. Juli 2018 werden für Leistungsberechtigte nach dem Bundesversorgungsgesetz, das unter anderem für Gewaltopfer einschließlich Terroropfer gilt, die Waisenrenten und das Bestattungsgeld bei schädigungsbedingtem Tod erhöht und die Leistungen für Überführungskosten verbessert.
  • Auch das Opferentschädigungsgesetz selbst wird rückwirkend zum 1. Juli 2018 geändert. Dadurch erhalten sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltende Ausländerinnen und Ausländer, die Opfer einer Gewalttat werden, die gleichen Entschädigungsleistungen wie deutsche Gewaltopfer.
  • Zum 1. Januar 2020 wird das Bundesversicherungsamt in Bundesamt für Soziale Sicherung umbenannt. Durch die Namensänderung kommt die stetige Weiterentwicklung von einer Aufsichts- zu einer vielschichtigen Verwaltungs- und Finanzbehörde im Rechtskreis der Sozialversicherung zum Ausdruck.

Quellen: FOKUS-Sozialrecht, BMAS

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Düsseldorfer Tabelle 2020

Die Düsseldorfer Tabelle enthält Leitlinien für den Unterhaltsbedarf von Unterhaltsberechtigten i.S.d. § 1610 BGB . Sie beruht auf Koordinierungsgesprächen zwischen Richterinnen und Richtern der Familiensenate der Oberlandesgerichte Düsseldorf, Köln, Hamm, der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages e.V. sowie einer Umfrage bei den übrigen Oberlandesgerichten. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegebene Tabelle gibt seit 1962 einheitliche Richtwerte für die Berechnung des Familienunterhalts vor. Die Düsseldorfer Tabelle selbst hat keine Gesetzeskraft.

Die Bedarfssätze für minderjährige Kinder der ersten Einkommensgruppe der Tabelle werden jedes Jahr an die Vorgaben der Mindestunterhaltsverordnung angepasst.

Die komplette Düsseldorfer Tabelle 2020 finden Sie hier.

2020 beträgt der Mindestunterhalt

  • in der ersten Altersstufe (bis Vollendung des sechsten Lebensjahres) 369 EUR
  • in der zweiten Altersstufe (vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs) 424 EUR
  • in der dritten Altersstufe (vom 13. Lebensjahr an) 497 EUR

Diese der Entscheidung des Gesetzgebers folgende Erhöhung des Mindestunterhalts führt zugleich zu einer Änderung der Bedarfssätze der 2. bis 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle. Sie werden wie in der Vergangenheit ab der 2. bis 5. Gruppe um jeweils 5 Prozent und in den folgenden Gruppen um jeweils 8 Prozent des Mindestunterhalts angehoben.

Auch die Bedarfssätze volljähriger Kinder, die in 2018 und in 2019 unverändert blieben, werden zum 01.01.2020 angehoben. Sie betragen 125 Prozent des Bedarfs der 2. Altersstufe.

Die Einkommensgruppen, die zuletzt zum 01.01.2018 erhöht wurden, bleiben unverändert.

Bedarf von Studierenden

In Anlehnung an den zum 01.08.2019 gestiegenen Höchstsatz nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz steigt der Bedarf eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, von bisher 735 EUR auf 860 EUR (einschließlich 375 EUR an Warmmiete).

Auf den Bedarf des Kindes ist nach § 1612b BGB das Kindergeld anzurechnen. Dieses beträgt seit dem 1. Juli 2019:

  • für ein erstes und zweites Kind 204 EUR,
  • für ein drittes Kind 210 EUR und
  • ab dem vierten Kind 235 EUR.

Das Kindergeld ist bei minderjährigen Kindern in der Regel zur Hälfte und bei volljährigen Kindern in vollem Umfang auf den Barunterhaltsbedarf anzurechnen. Die sich nach Abzug des Kindergeldanteils ergebenden Beträge sind in den im Anhang der Tabelle beigefügten „Zahlbetragstabellen“ aufgelistet.

Selbstbehalte

Erstmals seit 2015 ändern sich die sogenannten Selbstbehalte. Diese Selbstbehalte bilden den dem Unterhaltspflichtigen mindestens zu belassenden Betrag ab. Gegenüber den Ansprüchen minderjähriger Kinder und volljähriger unverheirateter Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, beträgt der notwendige Selbstbehalt

  • des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 960 EUR und
  • des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1.160 EUR

statt bislang 880 EUR bzw. 1.080 EUR. Der notwendige Selbstbehalt beinhaltet

  • Wohnkosten (Warmmiete) von 430 EUR.

Der Selbstbehalt kann erhöht werden, wenn die Wohnkosten diesen Betrag überschreiten und nicht unangemessen sind. Sofern nicht der Mindestbedarf des unterhaltsberechtigten Kindes betroffen ist, beträgt

  • der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Eigenbedarf mindestens 1.400 EUR

statt bisher 1.300 EUR.

Gegenüber Ansprüchen auf Ehegattenunterhalt bzw. Unterhaltsansprüchen der Mutter oder des Vaters eines nicht ehelichen Kindes beträgt der Eigenbedarf

  • des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ab dem 01.01.2020 1.280 EUR und
  • des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1.180 EUR.

Die Unterscheidung zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen erfolgt in Anlehnung an den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Oktober 2019 (Aktenzeichen XII ZB 341/17).

Der Selbstbehalt gegenüber Unterhaltsansprüchen von Eltern steigt zum 01.01.2020 von bisher 1.800 EUR auf 2.000 EUR. Auswirkungen des sogenannten Angehörigenentlastungsgesesetzes sind noch nicht berücksichtigt.

Die nächste Änderung der Düsseldorfer Tabelle wird voraussichtlich zum 1. Januar 2021 erfolgen. Nach der Mindestunterhaltsverordnung vom 12. September 2019

beträgt der Mindestunterhalt 2021

  • in der ersten Altersstufe (bis Vollendung des sechsten Lebensjahres) 387 EUR
  • in der zweiten Altersstufe (vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs) 434 EUR
  • in der dritten Altersstufe (vom 13. Lebensjahr an) 508 EUR

Quelle: Oberlandesgericht Düsseldorf

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Kinder- und Jugendstärkungsgesetz

Seit 2016 arbeitet das Familienministerium an einer Reform der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII). Schon der erste Entwurf scheiterte an der massiven Kritik, unter anderem von Fachverbänden, die vor der Auflösung der individuellen Rechtsansprüche und Auflösung der Finanzierungsstrukturen warnten.

Im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode haben CDU/CSU und SPD vereinbart, die Kinder- und Jugendhilfe weiterzuentwickeln und dabei insbesondere den Kinderschutz und die Unterstützung von Familien zu verbessern.

Langwieriger Prozess

Im April 2017 wurde ein Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen“ vorgelegt. Aufgrund anhaltender Kritik wurde der Entwurf jedoch von der Tagesordnung im Bundesrat genommen. Unter anderem wurde die Einschränkung der Jugendhilfe bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge scharf kritisiert.

Nach vielen Expertisen und Stellungnahmen, z.B. vom Deutschen Sozialgerichtstag e.V. (DSGT) wurde im November 2018 vom Familienministerium der Dialogprozess „Mitreden & Mitgestalten“ zur Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe gestartet. Auf der Plattform www.mitreden-mitgestalten.de wurde fortlaufend über den Dialogprozess informiert, die Fachöffentlichkeit konnte sich am Dialog beteiligen.

Am 10. Dezember hat Bundesjugendministerin Dr. Franziska Giffey in Berlin bei einer Fachkonferenz mit 230 Expertinnen und Experten den Abschlussbericht entgegengenommen und gemeinsam mit Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesjugendministerin, erste Ergebnisse ausgewertet. Damit kann ein neues Kinder- und Jugendstärkungsgesetz erarbeitet werden, das die Bundesjugendministerin im Frühjahr 2020 vorlegen wird.

Ziele der Reform

Als wichtigste Ziele bei der Erarbeitung des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes wurden genannt:

  1. Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien
  2. Besserer Kinder- und Jugendschutz
  3. Stärkung von Pflege- und Heimkindern
  4. Mehr Prävention vor Ort
  5. Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen

Weitere Zielsetzungen sind unter anderem:

  • unabhängige Ombudsstellen sollen gesetzlich verankert werden,
  • die Heimaufsicht soll wirkungsvoller werden,
  • die Kostenbeteiligung von Pflege- und Heimkindern soll von 75 auf 25 Prozent reduziert werden,
  • Schaffung von Rechtssicherheit für die Präventionsarbeit,
  • inklusive Kinder- und Jugendhilfe: Hilfen aus einer Hand bei der Unterstützung Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen

Zielgruppe

In Deutschland leben 21,9 Millionen Menschen zwischen 0-27 Jahren. Zielgruppe des Gesetzes sind rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche in dieser Altersgruppe, die zusätzlichen Unterstützungsbedarf haben:

  • 1,1 Million Kinder und Jugendliche in Deutschland wachsen unter schwierigen sozialen Umständen auf und sind darauf angewiesen, dass staatliche Stellen sie und ihre Familien unterstützen. Das gilt zum Beispiel für Kinder, die in Heimen groß werden oder für Kinder, deren Eltern nicht so für sie sorgen können, wie es nötig wäre, so dass das Jugendamt bei der Erziehung Unterstützung gibt.
  • 360.000 Kinder und Jugendliche haben eine seelische, geistige oder körperliche Behinderung. Bisher sind nur die rund 100.000 Kinder mit einer seelischen Behinderung durch das Kinder- und Jugendhilferecht erfasst. Die ca. 260.000 Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung sind bisher nicht durch das Kinder- und Jugendhilferecht erfasst, sondern nur in der so genannten „Behindertenhilfe“.
  • 31.000 junge Menschen werden im Zuge ihres 18. Geburtstags als sogenannte „Careleaver“ aus der Kinder- und Jugendhilfe entlassen, einige brauchen aber weiterhin Betreuung und Unterstützung.

Quellen: Familienminiesterium, mitreden-mitgestalten, FOKUS-Sozialrecht

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Anrechnung von Umsatzsteuer für Verpflegungsleistungen

Zum 1.1.2020 wird mit dem Bundesteilhabegesetz die Eingliederungshilfe aus dem SGB XII herausgelöst und als Teil 2 in das SGB IX eingefügt. Damit verbunden ist die Trennung von fachlichen Leistungen der Eingliederungshilfe und den existenzsichernden Leistungen.

Auch Menschen mit Behinderungen in besonderen Wohnformen (bis 31.12.2019 stationären Einrichtungen, Wohnheimen) müssen dann die Kosten für den Warenwert ihrer Verpflegung aus eigenen Einkünften bezahlen, wenn diese nicht ausreichen, aus der Grundsicherung oder der Hilfe zum Lebensunterhalt.

Einkauf und Zubereitung von Gemeinschaftsverpflegung müssen den Leistungsnehmern allerdings mit 19 % Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden. Dies ergebe sich, so das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in einem Schreiben vom 12. April 2019, aus der Trennung von Fach- und existenzsichernden Leistungen. Eine generelle Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchstabe h UStG sei nicht mehr möglich.

Wegen der Kritik, das dies eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstelle, haben die zuständigen Ministerien, das BMAS, das Bundesministerium für Finanzen (BMF) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) nun reagiert – in einem Schreiben an die Bundesländer am 22.11.2019.

Danach ergeben sich folgende Möglichkeiten:

  • WBVG-Verträge könnten künftig umsatzsteuerrechtlich als Verträge besonderer Art angesehen werden und dementsprechend unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchstabe h UStG fallen.
  • Leistet ein Leistungerbringer auf Grundlage getrennter Verträge auch Verpflegungsleistungen, könnten die erzielten Umsätze als mit einer Einrichtung zur Pflege oder Betreuung eng verbundene Umsätze i.S. des § 4 Nr. 16 UStG gewertet werden und wären damit ebenfalls umsatzsteuerfrei.

Voraussetzung dafür sei es aber, dass das Entgelt für Verpflegung nur den reinen Wareneinsatz enthält, während die Kosten für die Zubereitung der Speisen den Pflege- und Betreuungsleistungen zugeordnet sind und damit genau wie andere Assistenzleistungen bei der Verpflegung, also etwa bei der Zubereitung der Mahlzeiten, Hilfen bei der Nahrungsaufnahme oder Unterstützung beim Einkauf, als Fachleistung vom Träger der Eingliederungshilfe finanziert werden.

Dies alles müsse aber noch mit den Finanzbehörden der Länder abgestimmt werden. Sollte diese ABstimmung erst nach dem Jahreswechsel abgeschlossen sein, erwäge das BMF eine Nichtbeanstandungsregelung, um Rechtssicherheit für Leistungserbringer und -berechtigte zu gewährleisten.

Quellen:  BMAS, umsetzungsbegleitung-bthg.de, FOKUS-Sozialrecht


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Unterhaltsrückgriff entfällt

Eine Gesetzesänderung im Angehörigen-Entlastungsgesetz sorgt dafür, dass der sogenannte Unterhaltsrückgriff in Zukunft entfällt. Ersatzlos gestrichen wird § 138 Absatz 4 SGB IX. Eltern einer volljährigen leistungsberechtigten Person müssen danach bisher einen Beitrag in Höhe von monatlich 32,08 EUR aufbringen. Der Beitrag wurde an Kindergelderhöhungen angepasst werden und  nur dann berücksichtigt, wenn die verpflichteten Personen dazu finanziell in der Lage waren.

Der Beitrag orientiert sich an dem bisherigen – begrenzten – Unterhaltsbeitrag von Eltern volljähriger Kinder zu Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 94 Absatz 2 des Zwölften Buches. Dieser Unterhaltsbeitrag wurde mit Herauslösung der reformierten Eingliederungshilfe aus dem Zwölften Buch als Beitrag in das Neunte Buch übernommen. Zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen müsste die mit diesem Gesetz vorgesehene Entlastung Unterhaltsverpflichteter mit einem Jahresbruttoeinkommen von jeweils bis zu 100 000 Euro in der Sozialhilfe (§ 94 Absatz 1a des Zwölften Buches) auch für den Beitrag nach § 138 Absatz 4 gelten. Ansonsten wären Eltern behinderter Kinder gegenüber unterhaltsverpflichteten Eltern nach dem Zwölften Buch durch die mit dem BTHG erfolgte Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem Zwölften Buch schlechter gestellt. Aufgrund der nur sehr geringen Fallzahlen von betroffenen Eltern, die über ein Jahreseinkommen über 100 000 Euro verfügen und aufgrund der Tatsache, dass die Eingliederungshilfe ab 2020 eben nicht mehr Teil der Sozialhilfe, sondern Teil eines insoweit Besserstellungen rechtfertigenden, eigenen Leistungssystems ist, wird der auf monatlich 32,08 Euro (Stand 2016) begrenzte Beitrag zu Leistungen der Eingliederungshilfe auch für Eltern von Volljährigen gestrichen, deren Jahresbruttoeinkommen jeweils mehr als 100 000 Euro beträgt. Dabei wird insbesondere auch dem unverhältnismäßig hohem Verwaltungsaufwand Rechnung getragen, der durch die begrenzte Heranziehung der geringen Anzahl der davon betroffenen Eltern entstehen würde.

Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz die schon für das Vierte Kapitel SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) geltende Einkommensgrenze von 100.000 Euro für unterhaltspflichtige Angehörige auf das gesamte SGB XII ausgweitet wird. Gleiches soll ebenfalls für Eltern von behinderten, erwachsenen Kindern, die Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach dem neuen SGB IX (bisher 6. Kapitel SGB XII) ergeben, da es sonst eine Ungleichbehandlung gäbe.

Quelle: Bundestag, Drucksache 19/13399

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Wohngeld

Die Reform des Wohngelds ist am 5.12.2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und damit rechtskräftig.

Wohngipfel 2018

Bund und Länder haben auf dem Wohngipfel am 21.09.2018 eine Verbesserung des Wohngeldes zum 1. Januar 2020 vereinbart. Damit soll die Reichweite und das Leistungsniveau des Wohngeldes gestärkt warden. Dazu planen Bund und Länder 2020 Mehrausgaben in Höhe von 1,2 Milliarden Euro ein.

Reform 2016

Bei der letzten Wohngeldferorm, 2016, wurde festgelegt, dass die Höchstbeträge für Miete und Belastung, die Mietenstufen und die Höhe des Wohngeldes alle zwei Jahre zu überprüfen sind.

Die Überprüfung ergab einen Anstieg der Mieten bis Ende 2019 um etwa 9 Prozent; die Lebenshaltungskosten stiegen im gleichen Zeitraum nur um etwa 6 Prozent. Damit sinkt der reale Wert des ausgezahlten Wohngeldbetrags. Gleichzeitig führen Einkommens­anstiege, die nur die Inflation ausgleichen, zu einer Verminderung oder zum Verlust des Wohngeldanspruchs.

Bei vielen Haushalten reicht das Einkommen bald trotz Wohngeld (und gegebenenfalls Kinderzuschlag) nicht mehr aus, um den Lebens­unterhalt selbst zu decken. Da das Wohngeld nicht wie die Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch jährlich angepasst wird, wechseln jedes Jahr Haushalte vom Wohngeld in die Grundsicherung. Dies alles führt dazu, dass ohne Wohngeldreform die Zahl der Wohngeldempfängehaushalte von rund 630.000 Ende 2016 auf etwa 480.000 Ende 2020 absinken würde.

Reform 2020

Um dem gegenzusteuern, hat der Gesetzgeber nun eine neue Wohngeldreform vorgelegt, die ab 1. Januar 2020 gilt.

  • Schwerpunkt der Reform ist die Anhebung des Leistungsniveaus des Wohngeldes, unter anderem mit einer Anpassung der Parameter der Wohngeldformel.
  • Es wird eine neue Mietenstufe VII eingeführt, um Haushalten in Gemeinden (ab 10.000 Einwohnern) und Kreisen (mit Gemeinden unter 10.000 Einwohnern und gemeindefreien Gebieten) mit besonders hohen Mietniveaus gezielter bei den Wohnlosten zu entlasten.
  • Miethöchstbeträge werden regional gestaffelt angehoben, um der regional unterschiedlichen Mietenentwicklung gerecht zu warden.
  • Das Wohngeld soll dynamisiert werden. Es soll alle zwei Jahre an die Miet- und Einkommensentwicklung angepasst werden. Die erste Fortschreibung ist für den 1.Januar 2022 vorgesehen.

Klimakomponente?

Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zur neuen Wohngeldreform wurde vielfach das Fehlen einer Klimakomponente bemängelt. Sie sollte dazu dienen, Wohngeldhaushalten zu ermöglichen, Wohnungen mit höheren Energiestandards anzumieten bzw. ihre Wohnungen nach energetischen Sanierungen zu behalten.

Nun hat der Gesetzgeber immerhin die Einführung einer CO2-Komponente im Rahmen der CO2-Bepreisung nachgeschoben (Gesetz zur Entlastung bei den Heizkosten im Wohngeld im Kontext der CO2-Bepreisung). Damit sollen Wohngeldempfänger bei den Heizkosten entlastet werden, wenn die CO2-Bepreisung durch das Klimaschutzprogramm 2030 steigt.

Quelle: Bundesgesetzblatt, FOKUS-Sozialrecht

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Zahlungslücke im Januar

Für Bewohner einer stationären Einrichtung (Terminus bis 31.12.2019), bzw. einer besonderen Wohnform (ab 1.1.2020) droht eine Zahlungslücke im Januar.

Einmaliger Zuschuss

Verhindert werden soll dies durch eine Ergänzung im Gesetz zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (BTHG-Reparaturgesetz), das mittlerweile im Bundestag in zweiter und dritter Lesung verabschiedet wurde. Dazu wurde auf den letzten Metern der § 140 SGB XII eingefügt.

Kurz gefasst bedeutet dies, dass Bewohnern in einer besonderen Wohnform ein einmaliger Zuschuss ausgezahlt wird, der die Zahlungslücke im Januar schließen soll.

Woher kommt die Zahlungslücke?

Ein Betroffener bekommt jetzt, also Anfang Dezember 2019 letztmalig als Bewohner einer stationären Einrichtung Grundsicherungs- oder Sozialhilfeleistungen, die automatisch an den Einrichtungsträger abgeführt werden, um die Lebenshaltungs- und Wohnkosten zu decken. Ende Dezember erhält er seine Erwerbsminderungsrente, die aber gleich an den Träger der Eingliederungshilfe fließt, der ja Anfang Dezember schon die Kosten bezahlt hat.

Ab 1.1.2020 wohnt der Betroffene in einer besonderen Wohnform. Er bekommt seine Rente auf ein eigenes Konto und muss davon selber seine Lebenshaltungskosten und Wohnkosten bezahlen. Die Rente erhält er aber erst Ende Januar, so dass er Anfang Januar nichts an seinen Vermieter bezahlen kann.
Deswegen soll es einmalig einen Zuschuss vom zuständigen Sozialamt geben.

Nun ist diese Gesetzesergänzung relativ kurzfristig erfolgt. Leistungsberechtigte sollten auf jeden Fall den Bescheid des Sozialamts daraufhin überprüfen.

Eventuell Antrag

Betroffenen, die aufgrund der Höhe ihrer Rente keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen haben, droht das gleiche Dilemma. Aber auch sie haben, so Absatz 2 des neuen § 140 SGB XII, ebenfalls Anspruch auf einen einmaligen Zuschuss, um die Januar-Kosten zu begleichen. Wahrscheinlich müssen sie den Zuschuss aber beim zuständigen Sozialamt beantragen und zwar möglichst bald. Am besten erstmal dort anrufen und nachfragen.

Übergangsfrist und Höhe

Die Übergangsfrist für diese Regelung gilt bis Ende März 2020. Die Höhe des Zuschusses ergibt sich aus den zu Beginn des Monats Januar 2020 nicht gedeckten Aufwendungen für den Lebensunterhalt, also in der Regel in Höhe der Erwerbsminderungsrente.

Quelle: Bundestag

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Bundesratsbeschlüsse vom 29.11.2019

Für das Gebiet Sozialrecht relevant sind einige der behandelten Themen der letzten Bundesratsitzung. Hier aufgelistet sind die Beschlüsse, die nur noch der Unterschrift des Bundespräsidenten bedürfen und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, um dann rechtskräftig zu werden.

Digitale-Versorgung-Gesetz

  • Neuerungen beim Zugang zu digitalen Innovationen in der Regelversorgung und Verbesserungen in der Telematik-Infrastruktur. Die Telematikinfrastruktur soll alle Beteiligten im Gesundheitswesen wie Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser, Apotheken, Krankenkassen miteinander vernetzen. Medizinische Informationen, die für die Behandlung der Patienten benötigt werden, sollen so schneller und einfacher verfügbar sein.
  • Telekonsile (=Diagnose und/oder Therapiewahl ohne physische Anwesenheit des Patienten) sollen besser vergütet und sektorübergreifend funktionieren. Über Telekonsil können niedergelassene Hausärzte einen Spezialisten konsultieren, ohne dass der Patient selbst beim Facharzt vorstellig werden muss.
  • Ärzte dürfen auf Ihrer Homepage über Videosprechstunden informieren.
  • Gesundheitsdaten können pseudonymisiert zu Forschungszwecken an den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übermittelt werden.
  • Ein freiwilliger Beitritt zu einer gesetzlichen Krankenkasse kann auch elektronisch erfolgen.

Datenschutz bei Fitness-Trackern

Zu dem Themenbereich Digitalisierung im Gesundheitswesen gehört auch die Entschließung des Bundesrats „Schutz von Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmern vor laufender Erhebung hochsensibler Gesundheitsdaten zu Zwecken der Tarifgestaltung in der Krankenversicherung“. Darin fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, eine gesetzlichen Regelung zu schaffen, die die laufende (automatisierte) Übermittlung hochsensibler Gesundheitsdaten zu Zwecken der Tarifgestaltung in der Krankenversicherung unabhängig von der Einwilligung der versicherten Person für unzulässig erklärt.

Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung

Das Gesetz soll die Attraktivität der dualen Ausbildung stärken, sie damit zum Studium wettbewerbsfähiger machen und so dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Inhalt des Gesetzes ist auch die Einführung eines Mindestlohns für Auszubildende:

Danach beträgt die Mindestvergütung

  • ab 2020 im ersten Ausbildungsjahr monatlich 515 Euro.
  • ab 2021 erhöht sie sich auf 550 Euro,
  • ab 2022 auf 585 Euro und
  • ab 2023 auf 620 Euro.

Die Vergütung erhöht sich im zweiten Ausbildungsjahr dann jeweils um
18 %, im dritten Jahr um 35 % und um im vierten um 40 %.

Angehörigen-Entlastungsgesetz

Hierzu gibt es noch eine Entschließung des Bundesrats, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, die Kosten und Folgekosten, die Ländern und Kommunen durch das Gesetz entstehen, auf einer realistischen Datengrundlage darzulegen.

Schwerpunkte sind:

  • Unterhaltspflicht erst ab 100 000 Euro Jahreseinkommen bei pflegebedürftigen Eltern, bzw. pflegebedürftigen volljährigen Kindern
  • Verlängerung der Finanzierung der EUTB (Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung)
  • Einführung eines Budget für Ausbildung

Quellen: Bundesrat, Bundestag, FOKUS-Sozialrecht

Abbildung: Fotolia_bundesrat.jpg

Soziale Plattform Klimaschutz

Am 29.11.2019 findet ein weiterer Aktionstag von Fridays For Future und anderen statt. Seit dem letzten Klimastreik am 20.September, geschah folgendes:

Was bisher geschah

  • Die Bundesregierung legte ein Klimaschutzpaket vor, das nach übereinstimmender Expertise aus Wissenschaft, Wirtschaft, Sozialverbänden und Gewerkschaften im besten Fall wirkungslos ist. Stattdessen ist es sozial unausgewogen und wird nicht reichen, um die Klimaziele der Bundesregierung, wenn sie sie denn tatsächlich noch hat, auch nur annähernd zu erreichen. Das Pariser Klima-Abkommen wird de facto aufgegeben.
  • In Nordrhein-Westfalen soll ein weiteres Kohlekraftwerk ans Netz gehen.
  • Der Ausbau der Windenergie wird weitgehend abgewürgt.
  • Der „Kohle-Kompromiss“ ist noch nicht Gesetz, es wird noch dran gearbeitet.

Initiative der Verbände

In dieser Situation haben sich auf Initiative des Paritätischen Gesamtverbandes die Soziale Plattform Klimaschutz gebildet, die als Bündnis aus Gewerkschaft, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden sozial-ökologische Wende für alle fordert . Mitzeichner der Erklärung und eines konkreten Anforderungskatalogs sind neben

  • dem Paritätischen Gesamtverband
  • der AWO Bundesverband,
  • der Deutsche Caritasverband,
  • der Sozialverband Deutschland (SoVD),
  • der Volkssolidarität Bundesverband
  • sowie der Deutsche Mieterbund.

Sieben Punkte

Die Forderungen sind in sieben Punkten zusammengefasst.

  1. Sozial-ökologisch Umverteilen
    Verteuerung von CO2 ist entscheidend. Das bedeutet steigende Lebenshaltungskosten. Einkommensschwache Haushalte dürfen aber keine zusätzlichen Belastungen erfahren, finanzielle Belastungen müssen solidarisch und sozial gerecht verteilt werden. Nötig ist eine soziale Kompensationen, insbesondere für mittlere und niedrigere Einkommen sowie für Bezieher*innen von Sozialleistungen in Form von Rückzahlungen an Bürger*innen, wie zum Beispiel in Form eines Energiegeldes oder einer Klimaprämie mit sozialer Staffelung.
  2. Wohnen
    Die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden muss mit einem wirkungsvollen Mieterschutz einhergehen. Ausweitung und Verstetigung des sozialen Wohnungsbaus und des öffentlichen und gemeinnützigen Wohnungsbestands ist notwendig.
  3. Energie
    Damit Energie für jede*n bezahlbar bleibt, müssen Sozialleistungen wie z. B. ALG II, Sozialhilfe, Wohngeld oder die Grundsicherung im Alter so reformiert werden, dass auch steigende Energiepreise voll abgedeckt sind. Einmalige Leistungen für größere Anschaffungen wie energieeffiziente Kühlschränke müssen wieder in die Grundsicherung eingeführt werden.
  4. Mobilität
    Hier sind die Problemfelder zu viel klimaschädlichem Individualverkehr, Mobilitätsprobleme insbesondere im ländlichen Raum einerseits und einkommensschwache Haushalte andererseits. Lösung ist ein möglichst kostenloser, inklusiver und ökologischer öffentlicher Nahverkehr. Im ländlichen Raum sollten zunehmend auch intelligente Lösungen wie beispielsweise Carsharing integriert werden. Der Schienenverkehr und ÖPNV muss das gesamte Land in der Fläche erschließen, die Nutzung der Bahn und ÖPNV zu bezahlbaren Preisen ermöglicht werden. Regional- und Fernverkehr müssen von der Straße auf die Schiene verlagert werden.
  5. Örtliche Infrastruktur
    Soziale Anlaufpunkte und Infrastruktur vor Ort müssen erhalten ausgebaut und gefördert werden, insbesondere im ländlichen Raum. Dazu gehören Kindergärten, Schulen und Senior*innentreffs, aber auch kleine Geschäfte, Gastronomie, soziale ANlauf- und Beratungsstellen. Das ermöglicht kurze Wege und verringert damit den Verkehr. Diese Angebote müssen trotz zusätzlicher Kosten für den Klimaschutz finanzierbar bleiben und ausgebaut werden.
  6. Soziale Sicherheit
    Einen breiten Konsens für eine konsequente Klimapolitik und für weitreichende klimapolitische Veränderungen Kann man nur erreichen, wenn niemand Angst um seine Existenz haben muss und stattdessen soziale Sicherheit verspürt. Dazu gehört eine gute Alterssicherungspolitik, die Schaffung einer Grundsicherung, die das Existenzminimum tatsächlich sicherstellt, die Bekämpfung von Kinderarmut oder aber eine Mindestlohn- und Beschäftigungspolitik, die im Zweifel auch selbst gute Arbeit schafft.
  7. Finanzierung
    Das Ganze erordert erhebliche Investitionen. Entsprechende Maßnahmen auf der Einnahmeseite der öffentlichen Haushalte sind Voraussetzung für das Gelingen einer sozial-ökologischen Transformation. Notwendige haushalts- und steuerpolitische Maßnahmen müssen sozial, solidarisch und gerecht gestaltet werden. Dies schließt die stärkere Heranziehung sehr hoher Einkommen, großer Vermögen und Erbschaften sowie die Bekämpfung systematischen Steuerbetrugs und Steuervermeidung insbesondere international tätiger Konzerne, als auch die Aufnahme von Krediten und Altschuldenentlastungen für klamme Kommunen ein. Mit dem Festhalten an der schwarzen Null sind diese Herausforderungen kaum zu bewältigen.

Wer kann das durchsetzen?

Soweit die Sozialplattform Klimaschutz. Es fehlt allerdings eine Idee, wie denn diese Forderungen auch durchgesetzt werden können gegenüber einer Großen Koaltion, die ganz offensichtlich wichtige und nötige Veränderungen nicht in Angriff nehmen will. Da das Zeitfenster immer kleiner wird, in dem auch nur das Schlimmste noch verhindert werden kann, wären die zwei Jahre bis zu den regulären Neuwahlen unnütz vergeudete Zeit.

Quelle: Paritätischer Gesamtverband u.a.

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